Warum sich Gunar Letzbor mit sei- nem Ensemble Ars Antiqua Austria immer wieder der Musik von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644 bis 1704) zuwendet, das erklärt der Geiger im Beiheft zu dieser CD – kurz und bündig: „Ein Genie, dessen Lebens- geschichte noch größtenteils unerforscht ist, ein Violinvirtuose, der die Technik des Geigenspiels in Österreich auf eine unglaublich hohe Entwicklungsstufe emporgehoben hat, ein Mensch mit unglaublicher Fantasiefähigkeit und Mut zur Abstraktion.“
Biber wirkte erst in Kremsier und dann in Salzburg in der bischöflichen Hofkapelle. Über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog bereits mehrfach berichtet; wer sich dafür interessiert, der findet die entsprechenden Texte am schnellsten durch Klicken auf das Schlagwort „Biber“. Auf der vorlie- genden CD kombiniert Letzbor einmal mehr Vokalmusik des Komponisten mit einem seiner hinreißenden Werke für die Geige.
Das Glanzstück dieser Einspielung ist, ohne Zweifel, die Missa Alleluja a 36 voci, eine groß besetzte Messe, mehrchörig und ausgesprochen pracht- voll, mit Pauken und Trompeten. Warum allerdings die Sängerbesetzung auf die Hälfte reduziert wurde, das ist mir ein Rätsel – Biber schreibt ausdrücklich 8 voci concerti, 8 voci ripieni, hier sind aber insgesamt nur neun Vokalisten zugange, die gegen die Instrumentalchöre oftmals leider etwas schwächlich klingen.
Zu loben sind allerdings die drei Sopranisten; Josef Pascal Auer, Simon Paul Bernhard und Daniel Mandl von den St. Florianer Sängerknaben können mit ihren strahlenden Knabenstimmen überzeugen. Alois Mühlbacher, der vor dem Stimmbruch mehrere Solo-CD mit teilweise abenteuerlichem Repertoire veröffentlicht hat – was er aber grandios bewältigte, unterstützt durch Chorleiter Franz Farnberger – ist nunmehr offensichtlich ins Countertenor-Fach gewechselt. Gemeinsam mit Markus Forster singt Mühlbacher Altus. Dazu gesellen sich die Tenöre Markus Miesenberger und Bernd Lambauer sowie Gerhard Kenda und Ulfried Staber, Bass. Es musiziert das Ensemble Ars Antiqua Austria, diesmal gleich mit zwei Orgelpositiven sowie mit einer ebenso brillanten wie kopfstarken Bläsergruppe. Sechs (!) Trompeten, drei Posaunen und zwei Zinke – das ist wirklich eine Luxusbesetzung; die Sänger haben aber leider ihre Not, sich gegen die beiden Bläserchöre zu behaupten.
Die beiden wundervollen Solokantaten Nisi Dominus und Hic est panis singt Gerhard Kenda, und man freut sich, endlich einmal wieder einen richtigen Bass zu hören; im Dialog mit Letzbors Violine sowie mit Erich Traxler, Orgel und beim Nisi Dominus auch mit Hubert Hoffmann, Theorbe. Eine Pastorella Bibers, von Letzbor aufgespürt in den legendären Notenbeständen des Wiener Minoritenklosters, führt den Zuhörer zudem direkt in das Weihnachtsgeschehen. Wir erleben, wie der Engel seine Botschaft verkündet, und wir treten mit den Hirten zur Krippe, die die Geburt Jesu ausgelassen feiern – natürlich vor dem Stall; das Kind soll ja nicht erschrecken.
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