Das Label cpo startet seine Veröffent- lichungen zum Reformationsjubiläum gleich mit einer neuen Reihe: „Musik aus Schloss Wolfenbüttel“ erinnert an die Welfen, die ihre Residenzstadt, beginnend in der Spätrenaissance, zu einem norddeutschen Kulturzentrum ausbauten. Über mehrere Generatio- nen förderten sie als Mäzene nicht nur die Musik, sondern auch die Lite- ratur, das Theater und die Malerei.
Mit Regierungsantritt im Jahre 1568 vollzog Herzog Julius von Braun- schweig-Wolfenbüttel in seinen Landen die Reformation. Zugleich orientierte er sich auch kulturell an Kursachsen. Die engen Kontakte nach Mitteldeutschland äußerten sich beispielsweise darin, dass sein Nachfol- ger, Herzog Heinrich Julius, Michael Praetorius (1571 bis 1621) als Kammerorganisten in seine Hofkapelle holte; 1604 beförderte er den Musiker dann zum Hofkapellmeister.
Auf dieser CD sind Luther-Choräle in Vertonungen von Michael Praetorius zu hören. Das ist kein Zufall: Praetorius entstammte einer Familie, die die Reformation seit ihren Anfängen mit Leidenschaft begleitet hatte. Michaels Vater, unter dem noch den nicht latinisierten Familiennamen Schulteis, hatte an der Universität zu Wittenberg studiert, wo Luther lehrte. Er unterrichtete dann zunächst als Lehrer an jener Lateinschule in Torgau, an der Johann Walter wirkte, der „Urkantor“ der evangelischen Kirche.
Dort begann auch die Schulausbildung von Michael Praetorius, die dieser anschließend in Zerbst fortsetzte. 1585 ging der Knabe zum Studium nach Frankfurt/Oder, wo er sich wie seine beiden älteren Brüder der Theologie widmen wollte. Als der Bruder starb, bei dem er wohnte, übernahm er, um weiter studieren zu können, das Amt des Universitätsorganisten. Wer sich für die Biographie des Musikers interessiert, kann mehr in diesem Blog an anderer Stelle nachlesen; bei den Orgelwerken wurde darüber bereits ausführlich berichtet.
Praetorius schuf ein umfangreiches Werk, das auch zu guten Teilen über- liefert ist, weil der Komponist seine Musik drucken ließ. Er verhalf der Wolfenbütteler Hofkapelle zu überregionalem Ruhm; man kann sich daher leicht vorstellen, wie gefragt diese Noten waren. Einen besonderen Platz in seinem Schaffen hatten die Choräle, die sich in vielfältigsten Varianten finden – vom schlichten Kantionalsatz bis hin zum großformatigen mehr- chörigen Konzert nach italienischen Vorbild.
Die venezianische Musizierpraxis soll Praetorius während seiner Reisen nach Prag kennengelernt haben. Wie erfolgreich er sich dieses Modell zu eigen gemacht hat, obwohl er nie selbst in Italien war, zeigt diese CD mit einer Auswahl an Choralkonzerten aus Praetorius' erlesener Kollektion Polyhymnia caduceatrix et panegyrica, veröffentlicht 1619. Bei Nun Frewt euch lieben Christen gemein sind gleich zwei Versionen, in großer und in weniger umfangreicher Besetzung, zu hören, unterbrochen vom Kantional- satz aus den Musae Sioniae VII.
Praetorius' Konzerte sind teilweise üppig besetzt, sie warten mit Klang- effekten und Mehrchörigkeit auf in der „neuen italienischen Concerten-Manier“. In den Werken des Wolfenbütteler Hofkapellmeisters haben nicht nur die Sänger, sondern auch die Instrumentalisten mitunter ausgespro- chen virtuose Partien; nicht nur im gemeinsamen Musizieren mit den Sängern, sondern auch in Sinfonien und Ritornellen können sie ihre Kunst zeigen. Das Ensemble Weser-Renaissance Bremen unter Leitung von Manfred Cordes musiziert mit starkem Ausdruck ebenso wie mit großer Klangpracht. So, wie die Vokalisten und Instrumentalisten des renommier- ten Ensembles diese Werke vortragen, vermag man sich gut vorzustellen, wie diese neue Art des Musizierens seinerzeit die Leute beeindruckt hat. Nicht nur der Andacht im Gottesdienst, sondern vor allem auch dem Ansehen des Herrscherhauses dürfte dies sehr zuträglich gewesen sein.
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