Friedrich Gulda schätzte das Clavichord. Er setzte es bereits in den 70er Jahren im Konzert ein, und er nutzte es oft auch zum Üben – weil diese Tasteninstrumente so leise sind, kann man darauf beispielsweise im Hotelzimmer spielen, ohne Nachbarn zu stören.
Zur Selbstkontrolle nahm Gulda seine musikalischen Trainings- einheiten gern auf Band auf. Und eines Tages hielt er seinem Schüler Thomas Knapp solche Bänder hin und fragte: „Mogst die hab’n?“ Natürlich wollte Knapp. Und nun erhalten auch wir die Möglichkeit, den Pianisten bei der Arbeit zu belauschen: In einem aufwendigen Prozess hat der renommierte Mastering Engineer Christoph Stickel die mittlerweile 40 Jahre alten Bänder, die leider in ziemlich schlechtem Zustand sind, restauriert und versucht, die Tonaufnahmen digital so zu bearbeiten, dass man sie wieder anhören kann.
Das Ergebnis ist dennoch gewöhnungsbedürftig. Diese Aufnahmen waren ja nie für eine Veröffentlichung bestimmt, und so ist die Tonqualität, bedingt durch die einfache Aufnahmetechnik, nicht gerade überragend. Wer über diese technischen Schwächen hinweghören kann, den überrascht diese CD jedoch mit einem faszinierenden Ausflug in Guldas Bach-Universum. Man beachte: Diese Mitschnitte stammen aus den Jahren 1978/79; über diese Zeit aber reichen sie weit hinaus.
Der Pianist wählte oftmals erstaunlich rasante Tempi. Dennoch ist sein Spiel stets differenziert und absolut präzise, so dass man Bachs Musik erleben kann wie unter einem Mikroskop – klar, wohldurchdacht und transparent. Guldas Interpretationen nutzen die Freiheiten, die Barockmusik bietet; sie sind dabei aber musikalisch stets stimmig, und von großem Feingefühl. Und sie wirken ungemein persönlich, fast als wäre der Meister noch gegenwärtig. Eine wichtige CD, ganz ohne Frage.
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