„Originalkompositionen für Bratsche als Solo-Instrument finden sich in der Zeit vor 1775 ausgesprochen selten“, schreiben Pauline Sachse und Phillip Schmidt im Beiheft zu dieser CD. Unterstützt durch Ludger Rémy, hat sich die Musikerin dennoch auf die Suche begeben – und durchaus lohnenswertes aufgespürt.
„Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Hören dieser größtenteils vergessenen Sonaten“, heißt es im Beiheft. „Ihre Ohren sind vermutlich die ersten, die ihnen seit über 250 Jahren Gehör schenken.“
Die einzige Sonate auf dieser CD, die nicht für die Viola, sondern für die Viola da gamba entstanden ist, stammt von Carl Philipp Emanuel Bach – allerdings hat der Komponist die „Bratschen-Version“ eigenhändig autorisiert. Sie unterscheidet sich vom Original ohnehin nur durch Oktavierungen von Tönen, die für die Bratsche zu tief liegen, in zwei Takten.
Die frühesten publizierten Kompositionen für Bratsche in England stammen von William Flackton (1709 bis 1798), im Hauptberuf Buchhändler. Er hatte festgestellt, dass für die Bratsche Literatur fehlt – und gleich selbst vier Sonaten geschrieben. Eine davon ist auf dieser CD zu hören.
Die vier nachfolgenden Werke erklingen in Weltersteinspielungen. Die erste dieser Sonaten stammt von Giorgio Antoniotto (vermutlich 1692 bis 1776). Er stammte aus Mailand, und könnte sich einige Jahre in den Niederlanden und in London aufgehalten haben. Überliefert sind von ihm vor allem Werke für das Violoncello; in der Library of Congresss in Washington fanden sich aber auch Manuskripte von zwei Bratschen- sonaten. Eine davon wird von Julia Sachse und Andreas Hecker vorgestellt; sie erscheint insbesondere aufgrund ihrer mitunter kühnen Harmonik reizvoll.
Franz Benda (1709 bis 1786) wirkte als Geiger am Hofe Friedrich des Großen; ab 1771 war er Konzertmeister des musikliebenden Königs. Er komponierte fast ausschließlich für die Violine – allerdings hat er auch zwei Bratschensonaten geschrieben. Abschriften befinden sich im Notenarchiv der Sing-Akademie zu Berlin. Sie sind auf dieser CD beide zu hören.
Last but not least erklingt ein Trio von Christlieb Siegmund Binder (1723 bis 1789). Dieser Musiker war Cembalist und Komponist am Dresdner Hof. Nach 1764 wirkte er dort als Organist an der katholischen Hofkirche. Seine Werke bieten insbesondere dem Cembalisten einen attraktiven Part – das Tasteninstrument ist hier nicht Begleiter, sondern ebenfalls Solist, und setzt im Wechselspiel mit der Bratsche durchaus eigene Akzente.
Julia Sachse und Andreas Hecker musizieren souverän und mit enormer Spielfreude; es ist ein Vergnügen, ihnen zuzuhören. Für diese Einspielung haben die beiden Musiker bewusst historische Instrumente und eine historische Stimmung verwendet: Die Viola hat Giovanni Paolo Maggini 1610 in Brescia angefertigt; Sachse spielt sie hier mit Darmsaiten und mit einem Bogen nach spätbarocken Vorbildern aus der Werkstatt von Thomas Gerbeth. Andreas Hecker spielt ein Cembalo nach einem Instrument von Michael Mietke, gebaut von Bruce Kennedy 2000 in Amsterdam. Gestimmt wurde auf 415 Hz und nach Neidhardt („für eine große Stadt“). Dies bringt tatsächlich eine recht deutlich wahrnehmbare Tonartencharakteristik und damit zusätzliche Farbe in ein ohnehin ziemlich abwechslungsreiches Programm. Wer den sonoren Klang der Bratsche liebt, der sollte diese CD unbedingt anhören – vom ersten bis zum letzten Ton gelungen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen