Montag, 13. April 2020

19th Centure Russian Cello Music (Naxos)

Jede Menge Überraschungen hält diese CD für all jene Musikfreunde bereit, die den Klang des Violoncellos lieben. Dmitrii Khrychev, Solo-Cellist des St. Petersburger Philharmonischen Orchesters und Gründer des Newski Streichquartettes, hat gemeinsam mit seiner Klavierpartnerin Olga Solovieva eine Auswahl getroffen, die deutlich macht, wie präsent und beliebt das Instrument im 19. Jahrhundert in Russland war. 
Musiziert wird mit Temperament und Ausdruck. Die Werke auf dieser CD erklingen meist in Weltersteinspielung. Und gleich das erste Stück lässt einen staunen: Die bekannten Rokoko-Variationen von Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840 bis 1893) spielt Khrychev in einer Version, die so noch nie zu hören war. Zwar hatte der Komponist das Stück zunächst für Cello und Klavier zu Papier gebracht. Er widmete das Werk dem Cellisten Wilhelm Fitzenhagen, der es dann auch 1877 zur Uraufführung vortrug – in der Orchesterfassung. Der Cellist hat allerdings das Werk stark bearbeitet. So machte er den Solopart virtuoser; er änderte zudem die Reihenfolge der Variationen, strich die achte Variation gänzlich und schrieb sein eigenes Finale. In dieser Fassung wurde das Werk dann gedruckt, und viele Jahre lang ausschließlich auch gespielt. 
Grundlage dieser Einspielung hingegen ist Tschaikowskis ursprüngliches Klaviermanuskript. Und, Überraschung, diese Musik ist möglicherweise nicht ganz so brillant wie die Fitzenhagen-Fassung. Aber sie vereint die Leichtigkeit und Eleganz, die dem Werk auch seinen Namen gaben, mit einer Melodik, die ganz eindeutig russisch ist. Hinreißend. 
Karl Juljewitsch Davidoff (1838 bis 1889) gehörte zu den besten Cellisten seiner Zeit. Tschaikowski nannte ihn „den Zaren aller Cellisten“. Er hatte in Moskau bei Heinrich Schmidt und in St. Petersburg bei Karl Schuberth studiert, und ging dann nach Leipzig, um dort am Konservatorium bei Friedrich Grützmacher seine musikalische Ausbildung abzuschließen. Als Nachfolger seines Lehrers wurde Davidoff 1860 Solo-Cellist des Leipziger Gewandhausorchesters und Lehrer am Konservatorium. 1862 kehrte er dann nach St. Petersburg zurück, wo er als Solo-Cellist musizierte und eine Professur am neu gegründeten Konservatorium übernahm. Er leitete diese Institution zudem von 1876 bis 1887. Davidoff komponierte zahlreiche Werke für sein Instrument, die glücklicherweise nun schrittweise wiederentdeckt werden. Seine Phantasie über russische Volkslieder op. 7 schrieb er 1860 in Leipzig. 
Konstantin Nikolajewitsch Ljadow (1820 bis 1871), der Vater des Komponisten Anatoli Konstantinowitsch Ljadow, war seinerzeit unter anderem Chefdirigent am Mariinski-Theater in St. Petersburg und ein bekannter Komponist. In seiner Fantasy on Gispy Songs op. 12, die im Manuskript überliefert ist, kombiniert er herrliche Melodien aus der russischen Tradition mit virtuosen Effekten. 
Anton Stepanowitsch Arenski (1861 bis 1906) hatte zum Violoncello eine ganz persönliche Beziehung: Sein Vater, ein Arzt, musizierte gern auf dem Instrument, oftmals begleitet von seiner Frau, die sehr gut Klavier spielte. Auf dieser CD erklingen sechs Charakterstücke des Komponisten. Die Zwei Stücke op. 12 widmete Arenski Karl Davidoff, die Vier Stücke op.56 dem Cellisten Anatoli Brandukow. Und an den Schluss haben Khrychev und Solovieva dann die Serenade op. 37 von Arenskis Lehrer Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow (1844 bis 1908) gesetzt. Dieses Stück, das später in einer Orchesterfassung bekannt wurde, hat übrigens ebenfalls einen familiären Bezug: Der Sohn des Komponisten spielte Cello. 

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