Noch vor hundert Jahren war es selbstverständlich, dass Virtuosen im Konzert eigene Werke spielten. Pianisten glänzten gern auch mit Improvisationen über populäre Melodien oder Phantasien über besonders anspruchsvolle Stücke von bekannten Kollegen. Damit boten sie einem sachkundigen Publikum anspruchsvolle Unterhaltung, und sie konnten unter Beweis stellen, dass sie nicht nur über eine exzellente Technik verfügten, sondern vor allem auch selbst kreativ waren.
Improvisation auf einem hohen musikalischen Niveau darf man heutzutage wohl nur noch von Jazzpianisten und von Kirchenmusikern erwarten; dort ist das Improvisieren nach wie vor Bestandteil der Ausbildung. Unter klassisch trainierten Pianisten hingegen gilt es bereits als spektakulär, im Konzert eine eigene Kadenz zu spielen.
Jürgen Geiger beweist auf seiner aktuellen CD bei Genuin, dass die Kombination aus Klavier und Kirchenmusik durchaus produktiv sein kann. Er hat eine Auswahl virtuoser Klavierliteratur in romantischer Tradition zusammengestellt, die auch Salon-Pièces durchaus nicht verschmäht. (Was unseren Vorvätern Vergnügen bereitet hat - warum soll dies heute eigentlich auf dem Konzertpodium nur noch sehr am Rande, als Zugabe, gespielt werden?) Nicht wenige dieser Werke hat Jürgen Geiger selbst, ganz in der Tradition der alten Virtuosen, bearbeitet. Und einige hat er gänzlich selbst komponiert.
So erklingt Geigers Musik in einer Reihe mit Stücken von Franz Liszt oder von Leopold Godowsky und Vladimir Horowitz. Der Pianist musiziert mit überragender Technik, Gespür für Klang und Sinn für Dramatik. Ganz großes Kino.
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