Mittwoch, 11. August 2021

Listen to our cry (Ars Produktion)


 Diese CD ist besonders, das zeigt schon ein Foto von der Aufnahmesituation im Innenteil: Musiker, die mit Mund-Nase-Maske am Pult sitzen. Werke von fünf Komponisten, die ihre Heimat verlassen haben, um künstlerisch tätig zu sein. Musik, die Einflüsse aus unterschiedlichsten Kulturen verknüpft – und damit oftmals auch Konflikträume aufzeigt. Ein Trompeter aus Deutschland, der ein Schofar bläst, das ihm der israelische Pianist und Komponist Benjamin Jussupow geschenkt hat. 

Angesichts der aktuellen woken Trends am Weltanschauungsmarkt zuckt man kurz zusammen und fragt sich: Ja, darf der denn das? Oder ist das etwa schon kulturelle Aneignung?? Unsere Vorväter aber, die Feldherrn und Königen gern die Sopranlage zuwiesen, dürften kaum die Auffassung teilen, dass Hautfarbe, Geschlecht und Herkunft für die Vergabe von Rollen ein entscheidendes Kriterium darstellen. Über die Saturiertheit, Verklemmtheit und Verblendung der modernen Gesellschaft würden sie vermutlich ein homerisches Gelächter anstimmen. 

Freiheit ist auch das zentrale Motiv der Musiker, die zu dem vorliegenden Album beigetragen haben. Schon die Liste der Instrumente, die Reinhold Friedrich für diese Einspielung genutzt hat, führt einmal rings um die Welt. Benjamin Jussupow vereint in seinem Stück Listen to our cry Motive aus der jüdischen, der christlichen und der muslimischen Tradition. Ivan Fischer kombiniert in seiner Kantate Die Stimmen der Geister jiddische und deutsche Texte und Klänge. 

Giya Kancheli stellt in Night Prayers die Erinnerung an seine im Bürgerkrieg zerstörte Heimat Georgien neben ein Echo der westlichen Welt, abgespielt vom Tonband. Alan Hovhaness, geboren in den USA, nimmt in Haroutioun Bezug auf armenische Traditionen. Luca Lombardi, geboren und aufgewachsen in Italien, hat 2008 die israelische Staatsangehörigkeit angenommen. Er lebt heute in beiden Ländern, und sein Stück predah (Hebräisch für Abschied/Trennung) entstand 2014 im Andenken an den verstorbenen Dirigenten Claudio Abbado. 

Die Trompete vereint all diese verschiedenen Stimmen; Reinhold Friedrich führt in seinem Spiel die unterschiedlichen musikalischen Welten zusammen. Er musiziert gemeinsam mit dem Georgischen Kammerorchester Ingolstadt unter Leitung von Ruben Gazarian. Den Klavierpart in Jussupows Konzert spielt Eriko Takezawa, und die Kantate singt Dorothee Mields. 


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