Anna Gourari ist eine brillante Pianistin. Ihr steht eine exzellente Technik zur Verfügung, die sie in die Lage versetzt, dem Klavier feinste dynamische Differenzie- rungen ebenso wie Nuancen von Klangfarben nach Belieben zu entlocken. Um ihre Auffassung der Musik Chopins mitzuteilen, zitiert die Pianistin Heinrich Heine, der 1837 schrieb: "Ja, dem Chopin muß man Genie zusprechen, in der vollen Bedeutung des Worts; er ist nicht bloß Virtuose, er ist auch Poet, er kann uns die Poesie, die in seiner Seele lebt, zur Anschauung bringen, er ist Tondichter, und nichts gleicht dem Genuß, den er uns verschafft, wenn er am Klavier sitzt und improvisiert. Er ist alsdann weder Pole noch Franzose noch Deutscher, er verrät dann einen weit höheren Ursprung, man merkt alsdann, er stammt aus dem Lande Mozarts, Raffaels, Goethes, sein wahres Vaterland ist das Traumreich der Poesie."
Als Reiseführer wählt Gourari die Mazurkas des Komponisten - vierzehn Jahre alt war Chopin, als er nach einem Ferienaufenthalt auf dem Lande 1824 seine erste Mazurka schrieb; die letzte, op. 68 Nr. 4, komponierte er im Oktober 1849 in Paris, wenige Tage vor seinem Tod. Diese Werke Chopins sind keine Folklore, sondern Traum-Tänze, hochartifiziell und geschliffen. Gourari interpretiert sie in erster Linie als poetischen Gedanken, als dahinschwebende Melodie. Dabei geht ihr mitunter leider die rhythmische Bodenhaftung verloren, und sie verliert sich gar zu sehr in purer Romantik. Schade.
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