Samstag, 26. Juni 2010

Telemann: Dolce e staccato (Tudor)

Georg Philipp Telemann war mit den unterschiedlichen Schulen, die die europäische Instrumental- musik zu Beginn des 18. Jahrhun- derts prägten, bestens vertraut. Von Kindesbeinen an interessierte er sich ebenso für die Werke italienischer Meister wie für jene der französischen Hofkomponi- sten. "Ich hatte damals das Glück", so erinnert sich der Meister in seiner Autobiographie aus dem Jahre 1718, "zum öfteren die Hannöverische und Wolfenbüttelische Capellen zu hören. Also bekam ich bey jener Licht im Frantzösischen, bey dieser im Italiä- nischen und theatralischen Gout, bey beyden aber lernete die diversen Naturen verschiedener  Instrumente kennen, welche nach möglichstem Fleisse selbst zu excolieren nicht unterließ. Wie nöthig und nützlich es sey, diese Arten in ihren wesentlichen  Stücken unterscheiden zu können, solches erfahre noch biß auf den heutigen Tag." 
Telemann schrieb sowohl Ouvertüren-Suiten nach französischem Vorbild als auch Konzerte und Sonaten im italienischen Stil. So wurde er mit seiner Musik zum Inbegriff dessen, was man schon zu seinen Lebzeiten als "vermischten Geschmack" bezeichnete. Der Komponist, dem die musikalischen Ideen offenkundig niemals ausgingen, kombinierte beispielsweise französische Ouvertüre und Stilmittel aus der italienischen Konzertpraxis - und schuf Werke in einer Menge, die ihm den Vorwurf der Vielschreiberei einbrachte. 
Wir freilich freuen uns über die Telemann-Flut. Denn seine Musik ist nicht nur von bestechender Eleganz; sie zeugt zudem von einer gehörigen Portion Esprit. Das Barockorchester Capriccio aus Basel hat für diese CD zwei Ouvertüren ausgewählt, die mit viel Witz und natürlich auch kräftiger Übertreibung menschliche Charakterzüge bzw. die unterschiedlichsten Völkerschaften musikalisch abbilden. Sie stehen wie ein Rahmen um Telemanns einziges Flöten-Konzert in E-Dur (TWV 51: E 1), das in manchen Details an Konzerte Vivaldis erinnert, die in ihrer Struktur höchst anspruchsvolle Sonata f-Moll (TWV 44: 32), sowie das Konzert für drei Violinen, Streicher und Basso continuo F-Dur (TWV 53: F 1). Hier schert sich der Komponist kein bisschen um einen ausbalancierten Konzertsatz; die drei Soloviolinen werden mitnichten gleichberechtigt eingesetzt. Drei Sätze müssen genügen, und sie wirken in ihrer Struktur wie mit der heißen Nadel gestrickt. Dem Publikum war das offenbar egal; die Musique de Table, zu der dieses Werk gehört, wurde Telemann von Subscribenten aus ganz Europa schier aus den Händen gerissen.
Das Ensemble Capriccio spielt versiert und mit hörbarer Spielfreude. Soviel Hingabe begeistert auch den Zuhörer; diese charmante CD sei daher wärmstens empfohlen.

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