Das beginnende 19. Jahrhundert sah den Musiker als Magier - jeder Komponist ein Genie, und jeder Tintenklecks auf einer Notenlinie ein Beweis dafür, dass sein Urheber berechtigt ist, der hehren Ton- kunst zu dienen. Die Musik, die jahrhundertelang als eine mathe- matisch-rhetorische Kunst galt, hatte sich mit Aufklärung und Romantik von der Sprache ent- fremdet. Jetzt stand das Werk "für sich", und sollte beim Hörer jenen ehrfürchtigen Schauder erzeugen - Kunst also als Religionsergänzung, ja, als Ersatzreligion.
Musik, die zuvor dem Gottesdienst vorbehalten war, zog um in neue, bürgerliche Räume: Beethovens Missa solemnis erklang üblicher- weise im Konzertsaal, und nicht in der Kirche. Welche Musik aber blieb für den Gottesdienst? Dafür lieferte die wiederentdeckte "alte" Musik die Vorbilder - Bach, Händel, Palestrina, der Choral Luthers. Felix Mendelssohn Bartholdy, protestanisch getauft, hat zeit seines Lebens Kirchenmusik komponiert. Das gehörte sowohl in Düsseldorf als auch in Berlin zu seinen Arbeitsaufgaben.
Diese CD zeigt, wie er sich die Vorbilder aneignete, und in der Tat eigene Werke daraus machte, die nicht wie Kopien der alten Meister klingen, sondern nach Mendelssohn - mitunter auch nach russischem Kirchenchor, wie man beim Anhören dieser CD schmunzelnd fest- stellen wird. Denn hier singt keine Kantorei, sondern ein professio- nelles Ensemble. Die Mitglieder der "Münchner Hofkantorei" gehören wie ihr Leiter und Wiederbegründer Wolfgang Antesberger im Haupt- beruf dem Chor der Bayerischen Staatsoper an. So klingt der Gesang dann auch; mitunter hätte man sich den Chor ein wenig schlanker und beweglicher gewünscht.
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