1768 wurde Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) der Nachfol- ger seines verstorbenen Paten Georg Philipp Telemann als städti- scher Musikdirektor und Kantor am Johanneum in Hamburg. In dieser Funktion war er unter anderem für die Kirchenmusik an den fünf Hauptkirchen der Hanse- stadt zuständig - ein Amt, ver- gleichbar jenem seines Vaters als Thomaskantor in Leipzig.
Der "Berliner Bach" war zuvor fast 30 Jahre lang als Cembalist am Hofe Friedrichs II. von Preußen angestellt. Dort hatte er in erster Linie "Claviermusik" geliefert, und mit seinen Kompositionen durch- aus Musikgeschichte geschrieben. Nun galt es, Werke zum Gebrauch im Gottesdienst zu schreiben - und der "Hamburger Bach", wie Carl Philipp Emanuel dann auch genannt wurde, bewältigte auch diese Aufgabe mit Bravour.
Das jedenfalls belegt diese Doppel-CD mit Quartalsmusiken, die zu den höchsten Kirchenfesten - Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Michaelis - in genau festgelegter Reihenfolge in allen fünf Haupt- kirchen aufgeführt wurden. Sie gingen weit über den Umfang der "normalen" Kantate hinaus. Bach wurde für diese Werke nicht extra bezahlt - und lieferte sogenannte Pasticci, in denen er Einzelsätze aus bereits vorhandenen Werken neu arrangierte und kombinierte, und sie gegebenenfalls durch neukomponierte Sätze ergänzte.
Die meisten dieser Werke sind nicht überliefert. Die hier eingespielten zeigen exemplarisch, wie Bach Musik um- und überarbeitete, an einen sich wandelnden Geschmack und auch an Hamburger Gegebenheiten anpasste. So scheint damals nur ein kleines Vokalensemble zur Ver- fügung gestanden haben, und eine Gruppe von etwa 14 Instrumenta- listen, die bei festlichen Anlässen durch drei Trompeter und einen Pauker aufgestockt wurde. Diese Bedingungen vollzieht Ludger Rémy, Professor für Alte Musik an der Hochschule für Musik in Dresden, mit der Himlischen Cantorey und Les Amis de Philippe nach. Zum Bach- fest 2009 in Leipzig stellten die Musiker die vier Quartalsstücke Nun danket alle Gott H 805, Herr, nun lehr uns zu tun H 817, Siehe! Ich begehre deiner Befehle H 812 und Ehre sei Gott in der Höhe H 811 im Konzert vor, dem Jahreslauf folgend.
Man kann sagen, dass beide Ensembles ihre Namen zu Recht tragen. Die Himlische Cantorey, lediglich im Doppelquartett besetzt mit Veronika Winter und Hanna Zumsande, Sopran, Anne Bierwirth und Anne-Beke Sontag, Alt, Henning Kaiser und Jan Kobow, Tenor und Markus Flaig sowie Ralf Grobe, Bass, singt sehr erfreulich; die Stimmen sind durchweg schlank und beweglich, und ihr Gesamtklang wirkt homogen und harmonisch. Das Ensemble Les Amis de Philippe, gegründet von Rémy 1994, widmet sich in wechselnder Besetzung der Musik Carl Philipp Emanuel Bachs und seiner Zeitgenossen. Auch diesen Musikern zu lauschen, ist ein Vergnügen; und die Aufnahme beweist einmal mehr, dass sich die Arbeit an den handschriftlichen Quellen durchaus lohnt. In den Archiven scheinen noch immer zahlreiche Schätze zu schlummern, und es ist wunderbar, dass hier wieder eine derartige Perle ausgegraben wurde.
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