Montag, 28. Februar 2011

Fauré: Complete Nocturnes (MDG)

Kann man nach Chopin noch Nocturnes schreiben? Gabriel Fauré (1845 bis 1924) konnte - und sein sechstes Nocturne op. 63 gilt sogar als eines der wichtigsten Werke dieses großen französischen Komponisten. Ausgebildet als Kirchenmusiker - zu seinen Lehrern gehörte unter anderem Camille Saint-Saens - wirkte Fauré als Organist, dann, ab 1896 auch als Professor für Komposition am Conservatoire de Paris und ab 1901 an der École Niedermeyer, an der er selbst einst gelernt hatte. 1905 wurde er Direktor des Konser- vatoriums. Obwohl Fauré vor allem Lieder, Kammer- und Klaviermu- sik komponierte, war er so bekannt und so geachtet, dass er nach seinem Tode ein Staatsbegräbnis bekam.
In seinen Nocturnes, die über einen Zeitraum von nahezu fünfzig Jahren entstanden, spiegelt sich die Entwicklung von der Spät- romantik zur Moderne. Pianist Stefan Irmer hat die Werke auf dieser CD aber nicht nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung geordnet, denn er will "das Gemeinsame und alle Stücke Verbindende in den Vorder- grund" rücken. 
Das ist sehr schade, denn die Entwicklungslinien sind ausgesprochen interessant. So sind die ersten fünf Nocturnes op. 33, 36 und 37, entstanden vor 1884, noch hörbar dem romantischen Charakterstück verbunden. Das sechste und siebente Nocturne hingegen waren in Form und Gestaltung enorm modern. Sie sind Solitäre; es gibt keine Vorbilder für diese kühnen Kompositionen, und man steht staunend vor diesem fein strukturierten Gewebe aus musikalischen Ideen. 
Ähnlich wie Beethoven, wurde Fauré im Alter taub. Seine letzten Nocturnes sind gekennzeichnet durch eine zunehmende Verdichtung und Verknappung der musikalischen Mittel, und sie steuern vom ersten Ton an konsequent und unaufhaltsam auf ihr Ende zu. Faurés letztes Werk war ebenfalls ein Nocturne, op. 119, entstanden 1921, drei Jahre vor seinem Tod. Es wirkt wie die Summe aus all diesen Werken, und zieht gleichzeitig einen Schlussstrich. 
Stefan Irmer spielt diese Werke auf einem klangstarken Steinway aus dem Jahre 1901. Er erweist sich als ein versierter Pianist mit einem ausgeprägten Sinn für Strukturen und Klangfärbungen. So zeigt er auch die dunklen Seiten der Stücke - bei den Spätwerken für meinen Geschmack allerdings etwas zu deutlich. 

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