Wie klingt das Ergebnis, wenn ein Komponist italienische Vorbilder sorgfältig studiert - und dann doch ganz entschieden französischen Traditionen folgt? Diese CD mit den Lamentations sowie der Motette Diligam te Domine gibt auf diese Frage eine klangschöne Antwort.
Ihr Schöpfer Jean Gilles (1668 bis 1705) war ein Schüler von Guillau- me Poitevin (1646 bis 1706), und ab 1693 auch dessen Nachfolger als Leiter der Chorschule an der Kathedrale in Aix-en-Provence. Doch bereits im darauffolgenden Jahr ging er als Kapellmeister an die Kathedrale von Agde; später wirkte er in gleicher Funktion auch in Toulouse und Avignon. Sein bekanntestes Werk ist das Requiem; es erklang mehrfach bei den be- rühmten Concerts spirituels in Paris, sowie bei den Beisetzungs- feierlichkeiten von Louis XV., Stanislaus I. Leszczýnski - ehemaliger polnischer König und Vater der französischen Königin - und Jean-Philippe Rameau.
Gilles schuf jedoch auch eine Vielzahl von Motetten, Messen, ein Te Deum und zahlreiche weitere Sakralkompositionen. Die Lamentations - in denen die Zerstörung des Tempels in Jerusalem und das Exil beklagt wird; der Text wird dem Propheten Jeremias zugeschrieben - sind ein Bestandteil der katholischen Liturgie; sie erklingen in der Karwoche. Die Motette hingegen ist eine Vertonung von Psalm 17, die abwechselnd vom Chor und von den Solisten vorgetragen wird. Beide Werke sind so französisch wie die von Lully oder Charpentier - und von einer Eleganz, die bezaubert.
Zu hören sind sie im beeindruckenden Live-Mitschnitt eines Konzer- tes in der Kathedrale Saint-Etienne in Toulouse aus dem Jahre 2009. Es singen Anne Magouet, Vincent Lièvre-Picard, Bruno Boterf und Alain Buet sowie der Choeur de chambre les éléments, und das Or- chestre Les Passions musiziert auf "historischen" Instrumenten. Die Leitung hat Jean-Marc Andrieu.
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