Die Biederitzer Kantorei, ansässig in einer idyllischen Gegend vor den Toren Magdeburgs, wurde 1989 von Kantor Michael Scholl gegründet. Der Kammerchor dieses Ensembles beschäftigt sich mit zeitgenössischen Klängen - und mit barocker Kirchenmusik. So entstand auch dieser Konzertmit- schnitt, aufgezeichnet 2008 im Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg.
Werke Telemanns singt der Kammerchor regelmäßig; so wird der Biederitzer Musiksommer, den Kantor Scholl seit 1990 organisiert und der zunehmend auch auswärtige Gäste ins Jerichower Land lockt, stets mit einer Telemann-Passion eröffnet. Die Auswahl ist erstaun- lich groß: 22 der 46 oratorischen Passionen, die Telemann in seinen Hamburger Jahren komponierte, sind überliefert.
Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) wurde in Magdeburg gebo- ren und ging dort auch einige Jahre zur Schule. Zum Jura-Studium ging er nach Leipzig, doch schon bald komponierte er zusätzlich Kantaten für die Thomaskirche, gründete das Studentenorchester Collegium musicum, das später durch Bach weitergeführt wurde, und engagierte sich im städtischen Opernhaus. 1705 zog Telemann als Hofkapellmeister nach Sorau, Niederlausitz. Als die schwedische Armee nahte, wechselte er nach Eisenach, wo er immerhin sechs Jahre wirkte - bis er 1712 eine Stelle in Frankfurt/Main annahm. Die Thüringer Höfe aber warben heftig weiter um den Musiker, was dieser nutzte, um eine Gehaltserhöhung durchzusetzen.
1721 erhielt er das Angebot, als Cantor Johannei und Director musi- ces nach Hamburg zu gehen. Das akzeptierte er, musste dann aber feststellen, dass die Bedingungen für seine Tätigkeit in der Hansestadt wenig befriedigend waren. So bewarb er sich schon ein Jahr später um die vakante Stelle als Thomaskantor in Leipzig, war damit erfolg- reich - und schickte dem Rat die Kündigung. Die Hamburger aber wollten Telemann halten; also erhöhten sie sein Gehalt, und er sagte den Leipzigern ab.
Telemann blieb bis an sein Lebensende in der Hansestadt. Sein Werk- verzeichnis umfasst 3600 (!) Werke aller damals gebräuchlichen Genres; etwa die Hälfte davon sind Kirchenkantaten. Für die Passionen war in Hamburg vorgeschrieben, dass sie im Wechsel den Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes zu folgen hatten. Die hier in Ersteinspielung vorliegende Johannespassion schrieb Telemann 1749; sie wirkt eher sanft und erbaulich und hat selbst dort, wo die Chöre das Geschrei des Volkes wiedergeben, eher wenig dramatische Passagen.
Mit dem sehr solide studierten Kammerchor der Biederitzer Kantorei musizieren unter Leitung von Michael Scholl das Telemann-Consort Magdeburg sowie Britta Schwarz, Michael Zabanoff, Sören von Billerbeck, Thomas Fröb und Tobias Wollner. Die Aufnahme ist nicht perfekt, aber akzeptabel - und für die beharrliche Auseinandersetzung mit Telemanns oft verkanntem Werk muss man den Magdeburgern wirklich dankbar sein.
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