Mieczyslaw Karlowicz (1876 bis 1909) gehört zu den polnischen Patrioten, die sich um die Jahr- hundertwende unter dem Banner des "Jungen Polen" formierten. Dabei hatte er den größten Teil seiner Kindheit und Jugend mit- nichten in Polen verbracht. Als der Knabe sechs Jahre alt war, ver- kauften seine Eltern ihr Gut in Wiszniew - heute gehört die Region zu Litauen - und lebten zunächst in Heidelberg, Prag und Dresden, um dann nach Warschau zu ziehen.
Karlowicz erhielt bereits als Siebenjähriger in Dresden Violinstunden; später studierte er an der Musikakademie Warschau sowie in Berlin und Leipzig. Er komponierte seine ersten Werke, und wirkte als Vor- sitzender der Musikgesellschaft Warschau. Die Serenade in C, op. 2, war sein erstes Werk für Orchester. Sie entstand im Rahmen seines Studiums bei Hendryk Urban, und wurde 1897 bei einem Konzert speziell mit Werken von Studierenden in Berlin uraufgeführt. Sie zeigt einen Komponisten, der die Klangmöglichkeiten eines Streich- orchesters bereits routiniert einsetzt, und die Zuhörer immer wieder durch unerwartete harmonische Wendungen überrascht. Leider ist das Werk Karlowicz' im Umfang eher bescheiden; der Musiker begeisterte sich für das Leben in der Hohen Tatra, insbesondere auch für das Bergsteigen und Skifahren. 1909 kam er in einer Lawine ums Leben. Obendrein ging ein Teil seiner Manuskripte während des Zweiten Weltkrieges in Warschau verloren.
Desto verdienstvoller ist die Gesamtaufnahme seiner Werke, die Naxos derzeit schrittweise erarbeitet. Auf der vorliegenden CD musiziert die Filharmonia Narodowa, das Warschauer Philharmo- nische Orchester. Antoni Wit, der das Orchester seit 2002 leitet, zaubert mit seinen Musikern Klangfarben, und platziert die Serenade auf der Schwelle zwischen Romantik und Moderne. Ilja Kaler ist der Solist des Violinkonzertes. Der Geiger stammt aus einer russischen Musikerfamilie, und studierte am Moskauer Konservatorium bei Viktor Tretjakow, Leonid Kogan, Sinaida Gilels und Abram Stern. Er gewann Goldmedaillen beim Paganini-, Sibelius- und Tschaikowski-Wettbewerb, drei bedeutenden Violinwettbewerben, und musiziert weltweit mit führenden Orchestern. Kaler ist zudem ein gefragter Musikpädagoge; er unterrichtet als Professor an Musikhochschulen in den USA, wo er auch lebt. Kaler spielt brillant; da wird jede Phrase mit Sorgfalt gestaltet, und jeder Bogenstrich erfolgt wohlüberlegt.
Karlowicz' Violinkonzert in A-Dur, op. 8, entstand 1902 für den polnischen Geiger Stanislaw Bacewicz, einem Studienkameraden aus Warschauer Tagen. Man merkt es dem Konzert durchaus an, dass sein Komponist das Instrument exzellent beherrscht hat; es steht durch- aus in der Tradition der großen Virtuosenkonzerte des 19. Jahrhun- derts, aber es erschöpft sich darin nicht. Insofern ist es erstaunlich, dass dieses ausdrucksstarke Konzert so selten im Konzert erklingt. Auf dieser CD zeigt Ilja Kaler, dass es nicht nur ein anspruchsvolles, sondern auch ein attraktives Werk ist, dem man einen festen Platz im Repertoire wünscht.
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