Der Bach-Preisträger 2010? Jew- geni Swiridow, ausgebildet am St. Petersburger Konservatorium - da erwartet man russische Geigen- schule, romantische Tradition, sattes Vibrato, flinke Finger und exakte Tempi, wie mit dem Metro- nom gezogen. Doch schon die ersten Takte lassen aufhorchen. Das klingt, als spielte Reinhard Goebel höchstpersönlich - oder? Beim genaueren Hinhören stellt man dann aber fest, dass Swiridow durchaus eigene Akzente setzt.
Auf dieser CD spielt der junge russische Geiger gemeinsam mit der lettischen Cembalistin Zita Mikijanska Werke von Johann Sebastian Bach und Heinrich Ignaz Franz Biber. Swiridow bewältigt sie alle mit Schwung und mit einer Leichtigkeit, die begeistert. Seine Interpreta- tion ist ein Ereignis. Da ist nicht ein Bogenstrich unkontrolliert oder unreflektiert. Jeder Akzent, jede Klangfarbe erweist sich als wohl- überlegt und präzise gesetzt.
Diese Kombination aus technischer Brillanz und musikalischem Ver- ständnis macht insbesondere auch die beiden Violinsonaten Bibers zu einem Hörgenuss. Seine Sonate IV in D-Dur setzt vom ersten bis zum letzten Takt auf die Scordatura - und Swiridow lässt sie teilweise klingen, als wäre sie improvisiert. Sein Vortrag wirkt derart frisch und lustvoll, das man sich umgehend die anderen sieben Sonaten Bibers dazu wünscht. Doch Virtuosität lässt sich immer noch steigern; ein Beispiel dafür gibt Bibers Sonate VIII in A-Dur. Der Komponist hat sie für zwei Violinen notiert, aber dabei vermerkt, sie sei auf einem Instrument auszuführen. Swiridow gelingt es, dieses Paradestück so zu spielen, dass jede Stimme einen individuellen Charakter behält.
Zita Mikijanska spielt dazu sehr delikat ein klangschönes Cembalo aus der Werkstatt des Leipziger Cembalobauers Michael Schwabe nach einem Instrument von Giovanni Battista Giusti, Rom 1681. Das Ori- ginal befindet sich in der Sammlung des Germanischen National- museums Nürnberg. Für die Bach-Sonaten wählte sie ein zwei- manualiges Instrument von Schwabe nach einem Cembalo von Pascal Taskin, Paris 1763, das heute in St. Cecilia's Hall in Edinburgh steht.
Swiridow spielt sowohl die Sonate für Violine und obligates Cembalo Nr. 3 in E-Dur BWV 1016 als auch die Sonate für Violine und Basso continuo in G-Dur BWV 1021 im steten Dialog mit der Cembalistin. Ein letzter Höhepunkt dieser CD ist dann die Partita für Violine solo Nr. 3 in E-Dur BWV 1006. Auch hier lässt sich der junge Solist sehr souverän vernehmen, und gefällt mit einer ausgesprochen rhyth- misch-tänzerischen Variante.
Den Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb 2010 hat Swiridow mit einer solchen Leistung zu Recht gewonnen. Sein Lehrer Pawel Popow in St. Petersburg, dem er seine Reise nach Leipzig nachträglich beichten musste, wird ihm diesen Ausflug ins barocke Repertoire ganz sicher nachsehen. Doch zumindest bis zum Examen wird Swiridow wohl auch auf traditionelle Art weiter üben - was dem jungen Musiker bislang keineswegs geschadet hat.
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