Mit dem Streichquartett beschäf- tigte sich Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) seit seiner ersten Italien-Reise 1770. Diese CD enthält KV 138, ein Werk aus dem Jahre 1772, dreisätzig ohne Menuett; Mozart nannte es Diver- timento.
In der Auseinandersetzung mit den Quartetten Joseph Haydns perfek- tionierte Mozart seine eigenen; die Legende behauptet, dass er sie auch selbst gespielt haben soll, und zwar die Bratschenstimme, ge- meinsam mit Haydn und Carl Ditters von Dittersdorf, die die Violin- parts übernahmen, und mit Johann Baptist Vanhall am Violoncello. Haydn, den er sehr verehrte und schätzte, widmete Mozart 1785 sechs Streichquartette; davon hat das Quatuor Ebène zwei für diese CD eingespielt, die Quartette KV 421 und 465.
Musikwissenschaftler und auch etliche Musiker unterstellen dem Komponisten gern, dies seien Stücke, die Mozarts Persönlichkeit spiegeln; sie wollen gar Verzweiflung, Lebensunlust und Seelenqual darin finden - doch Vorsicht! wir befinden uns im 18. und nicht im
19. Jahrhundert. Und da wäre ich mit solchen Befunden doch sehr vorsichtig; Mozart ist eben nicht Schumann - und das Genie kann auch aus purer Lust an der kniffligen Aufgabe zu Dissonanzen ge- griffen haben, um zu demonstrieren, wie sie sich in Wohlklang auf- lösen lassen. Schließlich hatte Widmungsträger Haydn bekannter- maßen Humor und Sinn für musikalische Scherze. Wir wissen es nicht; uns bleiben nur die Noten, und denen widmen sich Pierre Colombet und Gabriel Le Magadure, Violine, Mathieu Herzog, Viola und Raphael Merlin, Violoncello, mit Hingabe.
Das Ergebnis aber klingt eher nach Beethoven als nach Haydn; die Interpretation erscheint wie in Marmor gemeißelt, und deshalb bin ich damit nicht ganz glücklich. Die Musiker vom Quatuor Ebène wollen "den Schleier (..) lüften" - und gehen davon aus, dass es sich "um absolut klassische Musik handelt". Kriterien: "Ausgewogenheit, Schlichtheit, Klarheit der Form, klar zu erfassende Tonarten, ein- fache Harmonik und Metrik" - also ich würde das so nicht unter- schreiben wollen. --
"Aus dem gleichen Heft stammend, (...) formieren sich diese beiden Quartette wie Schwarz und Weiß um den Begriff der Dissonanz, und sie enthalten so großartige harmonische Einfälle, dass man sich vorstellen kann, mit welcher Erregung sich Musiker zusammen- fanden, sie zu entdecken", schreibt das Quartett im Beiheft. Hört man KV 318 genau und achtet darauf, wird man entdecken, dass der junge Mozart schon hier die Dissonanz gekonnt benutzt, sozusagen als individuelle Würze einer handwerklich schon ziemlich perfekten Komposition. Dieses Konzept finde ich sehr spannend, und das macht auch diese CD zu einem Solitär. Toll!
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