Freitag, 28. Oktober 2011

Telemann: Der Tag des Gerichts (Capriccio)

Am 1. November 1755 verheerte ein schweres Erdbeben Lissabon, gefolgt von zahlreichen Bränden und einer 30 Meter hohen Flut- welle. Mehr als 60.000 Einwohner kamen dabei ums Leben. Die Stadt Hamburg sandte zwei Schiffe mit Hilfsgütern, und ordnete für den März 1756 einen außerordentli- chen Buß-, Fast- und Bettag an. 
Für den Gottesdienst an diesem Tage schuf Georg Philipp Telemann seine Donner-Ode. Später ergänzte er dieses Werk noch um einen zweiten Teil, der ausgiebig Gottes Herrlichkeit preist. Der erste Teil aber schildert darüber hinaus in deutlicher Klangsprache, wie "die Stimme Gottes" die Meere erschüttert und die Zedern zerschmettert. "Sie stürzt die stolzen Gebirge zusammen; / der Erdkreis wankt, wenn er sie hört: / hört des Donners Stimme, die Flammen / rund um sich sprüht, zerschlägt, zerstört." 
Auch Der Tag des Gerichts droht mit Pauken und Trompeten das Ende der Welt an, und schildert dann in vier Betrachtungen, was Gläubigen und Ungläubigen bevorsteht. Textdichter Christian Wilhelm Alers schuf dafür Figuren wie den Spötter, die Vernunft, die Religion oder die Andacht, sowie Chöre der Gläubigen, der Laster, der Seligen und der Himmlischen - und Telemann gab ihnen eine Stimme. Er setzte die Vision der Apokalypse, die die Theologen seinerzeit ebenso beschäftigte wie das Kirchenvolk, einfallsreich und ausdrucks- stark in Musik um.
Die Doppel-CD enthält zudem Telemanns Kantate Der Herr ist König - eine Psalm-Motette, die Bach seinerzeit in Leipzig abschreiben ließ; möglicherweise hat er dieses Werk seines Jugendfreundes 1725 sogar mit den Thomanern aufgeführt. Mit ihren prächtigen Chorfugen wirkt diese Kantate vergleichsweise konventionell.
Hermann Max, der mit seinen Ensembles Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert zu den Pionieren der historischen Aufführungs- praxis gehört, hat Anfang der 90er Jahre alle drei Werke eingespielt. Dabei wirkten exzellente Solisten mit - die Sopranistinnen Ann Monoyios und Babara Schlick, David Cordier und Axel Köhler, Altus, Wilfried Jochens, Tenor, sowie Harry van der Kamp, Hans-Georg Wimmer und Stephan Schreckenberger, Bass. Das Label Capriccio macht diese schönen Aufnahmen nun wieder zugänglich. 

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