Montag, 2. Juli 2012

Arias for Guadagni (Hyperion)

Die Paraderolle des Kastraten Gae- tano Guadagni (1728 bis 1792) war der Orpheus - Gluck hat seine Oper Orfeo ed Euridice für diesen Sänger geschaffen, was nicht ohne Risiko war: "Die Rolle passte ihm wie an- gegossen", meinte Textdichter Calzabigi, "in anderer Hand wäre sie eine Katastrophe gewesen."
Und obwohl sich das Traumteam Gluck-Calzabigi-Guadagni schon wenig später, nach dem Misserfolg der Oper Telemaco, in der der Kastrat ebenfalls die Titelrolle sang, erledigt hatte, behielt der Sänger die Partie des Orpheus mehr als 20 Jahre lang in seinem Repertoire. Dass er sich mit dieser Figur derart identifizierte, mag auch in seiner Biographie begründet liegen.
Guadagni stammte aus einer Musikerfamilie; auch die drei Schwe- stern und sein Bruder waren Opernsänger. Der Kastrat begann seine Karriere 1746 als Mitglied des renommierten Chores der Basilika des Heiligen Antonius zu Padua. Zugleich sang er aber mit Begeisterung Opern, was dazu führte, dass er seine Stelle in der cappella bald wieder verlor. 1748 kam der Sänger mit einer Buffa-Truppe nach London. Sie ging dort bald bankrott, doch Guadagni wurde Händel vorgestellt, der von seiner Stimme sehr angetan war.
Diese CD enthält eine Reihe von Arien, die der Komponist speziell für den Kastraten geschrieben hat. Sie zeigen, dass er keineswegs nur die Phrasierung und das Legato-Singen in großen Bögen exzellent beherrschte. Auch Koloraturen und Verzierungen wusste er offenbar kunstvoll zu gestalten. 
In den europäischen Musikmetropolen wurde Guadagni bald schon gefeiert. So sang er unter anderem in Paris und Versaille, in Wien, München - und in Padua, wo er 1768 in Gnaden wieder aufgenommen und mit einem Gehalt ausgestattet wurde, das deutlich über dem des Konzertmeisters Tartini und auch des Kapellmeisters Valotti lag. An seinen Konzertreisen störte sich nun niemand mehr. Guadagni war ein Star. Davon profitierte seine Wahlheimat Padua, denn der Künst- ler glänzte nicht nur mit seinem Gesang an den großen Kirchenfesten. Er stiftete zudem große Summen und kümmerte sich um städtische Projekte. 
Auch Iestyn Davies begann seine Karriere in einem Chor: Er war choral scholar im St. John's College der Cambridge University, wo er zunächst Archäologie und Anthropologie studierte, bevor er sich dazu entschloss, an die Royal Acadamy of Music zu wechseln. Mittlerweile hat der Countertenor bedeutende Partien an etlichen wichtigen Opernhäusern dieser Welt gesungen. Mit dem Ensemble Arcangelo unter Jonathan Cohen hat Davies bereits Kantaten von Porpora aufgenommen; die Guadagni-Arien führen diese erfreuliche Zusammenarbeit nun in der denkbar schönsten Weise weiter. Hier sind Partner am Werk, die aufeinander hören, und miteinander gestalten - und das Ergebnis begeistert einmal mehr. Die eingestreute Orchester-Sinfonie in D-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach zeigt zudem, dass auch Arcangelo durchaus spannende Akzente zu setzen versteht. Von diesen jungen Musikern darf man noch viel erwarten.  

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