Nicolas Altstaedt gehört zu den bereits etablierten Musikern der jüngeren Generation. Er hat zahlreiche Preise und Stipendien gewonnen, und mit vielen namhaften Orchestern und Dirigenten musiziert. Er ist zudem Nachfolger von Gidon Kremer als Leiter des Lockenhaus-Festivals. Hat man von ihm bislang eher zeitgenössische Klänge gehört – so erschien bei Genuin zuletzt eine CD, auf der er Miniaturen von Robert Schumann und Wilhelm Killmayer in ein spannungsvolles Verhältnis setzt –, wendet er sich nun musikalischen Traditionen zu.
Auf seiner fünften Genuin-CD präsentiert Altstaedt die drei Sonaten für Viola da gamba und Cembalo von Johann Sebastian Bach, BWV 1027-1029, gemeinsam mit dem Cembalisten Jonathan Cohen. Die Gambe freilich war zu Bachs Zeiten eigentlich schon aus der Mode; auch wenn es noch Musiker gab, die dieses Instrument virtuos beherrschten. Bach hat speziell für die Gambe schöne Passagen komponiert – in der Matthäus- passion. Seine Gambensonaten hingegen sind Bearbeitungen anderer Werke; die Gambenstimme hat Bach dabei in den polyphonen Satz mit eingeflochten. Das bringt klangliche Probleme mit sich, denn selbst im Zusammenspiel mit einem Cembalo hat es die Gambe mitunter schwer, sich zu behaupten.
So werden die Stücke oftmals auf dem Violoncello oder aber der Viola gespielt – was dann wiederum ein akustisches Ungleichgewicht zu Lasten des Cembalos mit sich bringt. Um diesen Nachteil auszugleichen, wird dann gern ein Klavier verwendet – und so gerät man Schritt für Schritt weg von einem Original, das ohnehin schon eine Kopie war. Altstaedt und Cohen sind daher einen Kompromiss eingegangen: Sie nutzen ein Cembalo und ein Violoncello, doch Altstaedt stimmt sein Instrument tiefer; in Köthen lag der Kammerton um 1720 wohl bei 415 Hertz.
Der Cellist hätte gern auf Darmsaiten musiziert, doch das war auf dem von ihm gespielten Lupot-Violoncello nicht möglich. So blieb es bei den Stahl- saiten, und einem etwas dunkleren, runderen Ton – bei zugleich stärkerer klanglicher Präsenz der Gambenpartie. Musiziert wird "historisch infor- miert"; die Interpretation selber aber erscheint mir erstaunlich planlos und ziemlich beliebig. Altstaedt beispielsweise platziert Akzente gelegentlich an Stellen, wo man sie nicht erwartet, weil sie die Phrasierung stören. Hinzu kommt, dass das Cembalo mitunter Durchsetzungsprobleme hat, insbe- sondere in der Diskant-Lage, was die Wahrnehmung der Triosonaten als solche beeinträchtigt. Bei aller Musizierleidenschaft – aber diese CD überzeugt mich nicht; ich kann die Aufnahme nicht empfehlen.
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