„Die technische Fertigkeit, die Präzision eines Automaten, wird jetzt als das Höchste gepriesen und gefeiert“, so schrieb einst Heinrich Heine. „Wie Heuschreckenscharen kommen die Klaviervirtuosen jeden Winter nach Paris, weniger um Geld zu erwerben, als vielmehr um sich hier einen Namen zu machen, der ihnen in anderen Ländern desto reichlicher eine pekuniäre Ernte verschafft.“
Wer Klavier spielen lernt, der übt dieses an Trainingsstücken, soge- nannten Etüden, die üblicherweise dafür komponiert worden sind, dem Schüler jeweils über eine bestimmte technische Klippe zu helfen. Das können Werke großer Meister sein, ein gutes Beispiel dafür gibt Clementis Gradus ad parnassum. Es können aber auch peinliche Klimpereien sein, die man absolviert, wie man Turn- übungen eben hinter sich bringt.
Frédéric Chopin gehörte zu den ersten Musikern, die Etüden öffentlich spielten. Eine neue Gattung entstand – die Konzertetüde, mit der ein Solist seine technische Meisterschaft demonstrieren kann. Chopin allerdings versah seine Werke obendrein mit einem Fünkchen Poesie, und begeisterte damit sein Publikum in den Pariser Salons. All seine Nachfolger, und davon gab es eine Menge, mussten sich an diesem Vorbild messen lassen.
Hardy Rittner hat sämtliche Etüden Chopins bei Dabringhaus und Grimm eingespielt. Das schließt auch die Trois nouvelles Etudes von 1893 mit ein; sie sind offenbar für den Unterricht entstanden und längst nicht so eindrucksvoll wie ihre brillanten Schwestern, die Etudes op. 10 und op. 25. Diese lässt Rittner funkeln und leuchten; er scheut kein Pathos, und kann auch zupacken, wo dies angebracht ist. Obwohl Chopin die Instrumente von Pleyel bevorzugte, hat Rittner für diese Einspielung einen Flügel des Wiener Klavierbauers Conrad Graf aus dem Jahre 1835 ausgewählt. Ein baugleiches Instrument hatte Chopin während seiner Aufenthalte in Wien gespielt und sehr gelobt. Und noch ein anderes Argument, so Rittner, spricht für den ausgewählten Flügel: „Seine dynamische Bandbreite, die trotz der konservativen Bauweise überraschend viel Brillanz und Klangvolumen ermöglicht“, erläutert der Pianist. „Gleichzeitig lassen sich durch das Vorhandensein eines Moderator- sowie Doppel-Moderator-Pedals, worüber viele andere Instrumente dieser Zeit schon lange nicht mehr verfügen, auch zarteste Farben höchst individuell gestalten.“
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