Wer Lust hat auf eine große Portion Pathos, der sollte sich eine CD aus dem Hause Oehms Classics anhören: Ingolf Turban, Violine, Wen-Sinn Yang, Violoncello, und Lukas Maria Kuen spielen Kammermusik von Franz Liszt (1811 bis 1886). Bei den Streichquartetten werden sie zudem durch Barbara Turban und Martin-Albrecht Rohde unterstützt. Die Musiker gestalten phantastisch; sie haben Mut zum ganz weiten Atem, aber sie spielen zugleich immer delikat, nie überzogen.
Damit ermöglichen sie auch dem Zuhörer so manche Entdeckung: Die Werke des Komponisten für Streicher sind wenig bekannt, aber dennoch erstaunlich reizvoll. Es sind teilweise frühe Kompositionen, inspiriert durch die Begegnungen mit Paganini, Berlioz und Chopin sowie durch die Gedichte Lamartines. Nachdem Liszt sich entschieden hatte, wieder Konzerte zu spielen, entstanden weitere Musikstücke, beispielsweise das Klaviertrio Pester Karneval, die ungari- sche Melodien in die europäische Musik integrierten.
In späteren Jahren wurden die Streicher für Liszt zum Medium der Klage. Seine Erste und Zweite Elegie für Violoncello und Klavier sind Klage- gesänge, und der Valse Caprice aus den Soirées de Vienne, nach dem neunten der Valses nobles von Franz Schubert, wirkt in diesem Umfeld wie ein Totentanz. Das Arrangement für die Geige stammt in diesem Falle von David Oistrach, und nicht von Liszt selbst.
Die Musik aus den achtziger Jahren hat Liszt selbst „Totenkammerstücke“ genannt. In ihnen erklingt das Echo einer Reise nach Venedig, wo Liszt im Dezember 1882 den kranken Richard Wagner besucht hat. La lugubre gondola nimmt bereits die letzte Reise in der Trauergondel vorweg. Im Februar 1883 starb Wagner, und sein Leichnam wurde aus Venedig zur Beisetzung nach Bayreuth gebracht. RW – Venezia ist Liszts Reaktion auf die Nachricht vom Ableben des Freundes. Es ist das einzige „reine“ Klavierstück auf dieser CD, doch es gehört an diese Stelle und erleichtert dem Hörer ohne Zweifel auch den Zugang zu den anderen Spätwerken. Die CD endet konsequenterweise mit dem Streichquartett Am Grabe Richard Wagners – zur Totenfeier im Mai 1883 in der ursprünglichen Klavier- fassung von Liszt in Weimar gespielt. Der Quartettsatz erinnert an Lohengrin und Parsifal; mit seinen ätherischen Klängen weist er in ein Jenseits, das doch Erlösung verheißt.
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