Franz Liszt widmete sich ihnen ebenso wie Robert Franz, Ralph Vaughan Williams ebenso wie György Kurtág, Wilhelm Kempff ebenso wie Charles Francois Gounod und Sergej Rachmaninoff wie Ferruccio Busoni: Die Choralvor- spiele von Johann Sebastian Bach haben Generationen von Pianisten fasziniert und beschäftigt. Die Liste ließe sich noch lang fortsetzen – so hat beispielsweise auch Max Reger Klaviertranskriptionen ausgewählter Bach-Choralvorspiele geschrieben und veröffentlicht.
Seltsamerweise ist diese althergebrachte Form der Auseinandersetzung mit musikalischem Material großer Komponisten zwischenzeitlich in Verruf geraten: Die Transkription, ein ebenso legitimes wir lehrreiches Verfahren, Werke zu erkunden und sie an veränderte Aufführungsbedingungen anzupassen, gilt seit der Romantik als minderwertig, als des Genies nicht würdig.
Dabei zeigt diese CD, dass das Ergebnis dieses schöpferischen Prozesses durchaus originell und in gewisser Weise auch original sein kann: Für ihr Genuin-Debüt hat Christine Neumann ein Programm mit Klavier- transkriptionen Bach’scher Choräle, Chöre und Arien zusammengestellt; bei einigen Werken für Klavier zu vier Händen musiziert sie gemeinsam mit Anja Kleinmichel. Und natürlich hat sie selbst auch einige dieser Bearbei- tungen erstellt.
Mit ihrem Spiel macht Neumann deutlich, dass diese Werke durchaus auch ohne Text sehr beredt sein können – Bach ohne Worte; das funktioniert selbst für Hörer, die von Chorälen gar keine Ahnung haben. „Bey einer andächtigen Musique ist allezeit Gott mit seiner Gnadengegenwart“, notierte der Thomaskantor einst als Randnotiz in seiner Handbibel. Da darf es gern auch spätromantisch tönen, denn der moderne Konzertflügel bietet gänzlich andere Gestaltungsmöglichkeiten als die Orgel oder das Cembalo. Neumann zeigt mit ihrer CD, dass viele Wege zum Wort führen.
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