Eine Weihnachts-CD, die sich erfreu- lich von der üblichen Handelsware abhebt, legen uns der Münchner Frauenchor und der Münchner Mädchenchor unter der Leitung von Katrin Wende-Ehmer auf den Gabentisch. Im Mittelpunkt stehen Werke von Joseph Haas (1879 bis 1960). Der Komponist, Sohn eines Lehrers und selbst zunächst auch Lehrer, war ein Schüler von Max Reger. Er unterrichtete erst am Konservatorium Stuttgart und später dann an der Akademie der Tonkunst in München Komposition. Haas gründete 1920 gemeinsam mit Paul Hindemith und Heinrich Burkard die Donaueschinger Musiktage. Doch obwohl er sich für die „Neue“ Musik engagierte, blieb Haas in seinen eigenen Werken stets tonal und traditionsbezogen: „Die Musik soll erfreuen, nicht beleidigen; sie soll erschüttern, nicht zerschmettern; sie soll veredeln, nicht banalisieren“, so formulierte der Komponist seine Auffassung. Davon zeugen auch die beiden Liederzyklen, aus denen Werke auf dieser CD erklingen.
Haas sah einen Mangel an „abendfüllender Weihnachtsmusik, die den ,hohen Stil' meidet und doch künstlerische Haltung hat“; und er beschloss, aus Volksweisen ein solches Werk zu schaffen – Christnacht op. 85. „Als ich den Plan durchdachte, wurde mir klar, dass sich nur solche Melodien, die der gleichen Landschaft angehören, zu einem stilistisch einwandfreien Organismus verbinden können“, so Haas. Er entschied sich für Krippen- lieder aus Oberbayern und dem Tirol: „Die unerhörte Ausdruckskraft der zwar holprigen und unbeholfenen Textworte, ihr einzigartiger Bilder- reichtum, die äußerliche Härte und Derbheit und die innerliche Zartheit und Beschwingtheit der Sprache haben es mir ebenso angetan, wie die unbeschreibliche melodische Schönheit der Tonweisen und die Vielfältig- keit ihrer Formgebung. Hier haben wir stilechte Kunst süddeutschen Bauernbarocks!“, schrieb der Komponist. „Das süddeutsche Krippenspiel sollte in meinem Werke triumphieren, nicht mein Kunstverstand.“
Entsprechend beschwingt klingt Christnacht, allerdings singt der Münchner Frauenchor auf dieser CD nur eine Auswahl der Lieder. Sie wurden von Norbert Düchtel für Frauenchor und Orgel arrangiert. Der Organist begleitet das gesamte Programm; er hat eigens dafür Orgel- bearbeitungen geschaffen, die ganz auf Understatement setzen – Düchtel unterstützt dezent die Chorsängerinnen, und er setzt durchaus auch eigene Akzente, aber er spielt sich nie in den Vordergrund. Es ist eine Freude, die Orgelpartie zu verfolgen, weil Düchtel auch sehr abwechslungsreich registriert.
Auf dem Programm stehen ergänzend zu den Gesängen aus Christnacht auch sieben der Zehn Marienlieder op. 57 von Joseph Haas. Sie basieren auf alten Melodien, und sind als unkomplizierte Gebrauchsmusik für Frauenchor geschrieben. Der Orgelpart gibt diesen eher schlichten Liedern die Würze; somit können auch weniger versierte Chöre diese Werke singen. In diesem Falle aber ist Rücksicht nicht vonnöten – die beiden Münchner Chöre sind durchaus solide aufgestellt und werden durch Katrin Wende-Ehmer mit sicherer Hand geführt. Und so wird das Programm dieser CD dann noch ergänzt durch Werke aus Haas' Umfeld. Vertreten sind unter anderem sein Lehrer Max Reger, sowie Haas' Freunde und Schüler. Sehr gelungen – und wunderbar fröhlich!
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