Nicht nur Musiker, auch den Adel zog es einst aus deutschen Landen nach Italien. Mitunter kam es so zu über- raschenden Begegnungen. So traf im Jahre 1716 der sächsische Kurprinz Friedrich August in Venedig auf Johann David Heinichen (1683 bis 1729). Der Sohn eines Pfarrers aus Krössuln bei Weißenfels hatte sechs Jahre lang unter den Kantoren Johann Schelle und Johann Kuhnau an der Leipziger Thomasschule gelernt. Bei Kuhnau nahm Heinichen zusätzlich Privatunterricht im Orgel- und Cembalospiel; gemeinsam mit dem späteren Darmstädter Hofkapellmeister Christoph Graupner wurde er durch Kuhnau zudem im Fach Komposition unterwiesen.
Von 1702 bis 1705 studierte Heinichen dann Jura an der Universität Leipzig, und musizierte in Telemanns studentischem Collegium musicum. Noch als Student bewarb er sich um die Nachfolge Telemanns als Musik- direktor der Neukirche; allerdings erhielt er das Amt nicht; wir wissen jedoch, dass er in den darauffolgenden Jahren etliche Werke für die Leipziger Oper geschrieben hat. Auch im Opernhaus vorm Salztor des Herzogs Moritz Wilhelm zu Sachsen-Zeitz in Naumburg wurden Opern von Heinichen aufgeführt. Als dort aber 1710 der Thronfolger starb, und Landestrauer ausgerufen wurde, entschied sich Heinichen, nach Italien zu reisen.
Er hielt sich einige Zeit in Rom auf, wo er kurzzeitig für Fürst Leopold von Anhalt-Köthen musizierte, Bachs späteren Dienstherrn. Ansonsten scheint Heinichen überwiegend in Venedig gelebt zu haben. Im Karneval 1713 präsentierte er erfolgreich zwei Opern. Immer wieder traf er auch Kollegen wieder, die er bereits aus Leipzig kannte. So war Gottfried Heinrich Stölzel 1713/14 in Venedig, und Johann Georg Pisendel traf 1716 im Gefolge des sächsischen Kurprinzen dort ein.
Friedrich August weilte auf Kavalierstour in Venedig; im Hause der Bankiersgattin Angioletta Bianchi, die eine hervorragende Sängerin und Cembalistin war, hörte der Kurprinz und spätere König August III. einige Kantaten Heinichens – und engagierte den Musiker umgehend als Kapellmeister auf Lebenszeit. Eigens dafür holte er aus der Heimat die Zustimmung seines Vaters August der Starke ein.
Heinichen revanchierte sich mit diversen musikalischen Huldigungen, nicht zuletzt an Maria Josepha von Habsburg. Die Gattin des Kurprinzen war Heinichen sehr gewogen. Der Musiker, der leider zunehmend unter der Tuberkulose litt, schuf in den zwölf Lebensjahren, die ihm noch verblieben, neben Musiken für höfische Feste und für den Gottesdienst in der katholi- schen Hofkirche insbesondere auch Kantaten und Instrumentalwerke, die für das intime Musizieren in den Räumen des Kurprinzen-Paares bestimmt waren. Sie sind, gemeinsam mit ähnlichen Werken aus Heinichens Zeit in Venedig, in zwei dicken Sammelbänden überliefert.
Die Batzdorfer Hofkapelle hat nun eine Auswahl dieser kurfürstlichen Privatmusik eingespielt. Die vier Kantaten versetzen den Zuhörer in ein ländliches Idyll, das von Nymphen und Hirten bevölkert wird. Sopranistin Marie Friederike Schröder, leider in den Koloraturen nicht wirklich sattel- fest, und Alto Terry Wey, sehr hörenswert, singen diese Kabinettstückchen höfischen Ziergesanges. Insbesondere der abschließende Dialog zwischen Clori und Tirsi, man hören nur das finale Duetto O mio ben, ist auch in der Instrumentierung von betörender Wirkung.
Neben diesen Gesangsstücken erklingen auch zwei Concerti Heinichens; überliefert sind diese in Abschriften der Darmstädter Hofkapelle. Die kurzen Werke geben den Instrumentalsolisten, hier sind es Geige und Oboe, Gelegenheit, sowohl mit virtuosen Passagen als auch mit schönen Tönen zu glänzen. Die Soli spielen Daniel Deuter, Violine, bzw. Xenia Löffler, Oboe. Die gesamte Batzdorfer Hofkapelle zeigt sich einmal mehr in Hochform und bester Spiellaune – aus einem regionalen Projekt ist mittlerweile ohne Zweifel ein Spitzenensemble von europäischem Format herangewachsen. Bravi!
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