Das Vokalwerk Bachs, abgesehen von den Passionen, habe heutzutage weder im Gottesdienst noch im Konzert seinen Platz; es dennoch dem Publikum nahezubringen, ist das Ziel einer Schweizer Initiative. Sie wurde von dem Musiker Rudolf Lutz und dem Unternehmer Konrad Hummler ins Leben gerufen, und hat das Ziel, Bachs gesamtes Vokalwerk in einer Konzertreihe vorzustellen.
Dazu wurde die J. S. Bach-Stiftung gegründet, die aus privaten Mitteln die Finanzierung des Projektes sicherstellt – über einen Zeitraum
von etwa 25 Jahren. Seit Oktober 2006 erklingt allmonatlich eine Kantate in der Barockkirche von Trogen, einem Appenzeller Dorf in der Nähe von St. Gallen. Zuvor gibt es eine Werkeinführung sowohl zu theologischen Fragen als auch zu musikalischen Details. Das Publikum ist eingeladen, die Choräle mitzusingen. Im Anschluss daran erklingt die Kantate – zweimal, mit einer Reflexion zwischen den beiden Aufführungen, bei der eine namhafte Persönlichkeit Bezug auf den Inhalt der Kantate nimmt. Das komplette Programm erscheint anschließend auf DVD; zusätzlich werden regelmäßig Kantaten auf CD veröffentlicht.
Ich habe CD 13 und CD 15 angehört. Letztere enthält beispielsweise die Kantate zum ersten Sonntag im Advent BWV 36 Schwingt freudig euch empor; die Kantate zum Sonntag Cantate BWV 166 Wo gehest du hin und die Kantate BWV 168 Tue Rechnung! Donnerwort. Rudolf Lutz, Improvi- sationslehrer an der Schola Cantorum Basiliensis, erarbeitet die jeweilige Kantate mit dem Ensemble jeweils an zwei Probentagen. Er konnte für das Projekt einige renommierte Gesangssolisten gewinnen; außerdem musi- zieren unter seiner Leitung in wechselnden Besetzungen der Chor und das Orchester der J. S. Bach-Stiftung.
Die Aufnahmen sind solide; sie erreichen aber nicht Referenzqualität wie beispielsweise die Einspielungen mit dem Bach Collegium Japan unter Masaaki Suzuki, mit La Petite Bande unter Sigiswald Kuijken oder aber die der American Bach Soloists. Von ausgezeichneter Qualität und sehr inspirierend ist allerdings das Beiheft, das mit großer Sorgfalt und einigem Aufwand zusammengestellt worden ist. Und wenn das Publikum zu den Kantatenaufführungen aus einem weiten Umfeld anreist, dann ist die Initiative doch sehr erfolgreich.
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