Die Weihnachtslieder auf dieser CD führen den Hörer quer durch Europa. There is no rose und Verbum Patris humanatur sind Beispiele für alte britische Carols; entstanden sind sie im 15. Jahrhundert. Texte aus dem Mittelalter verwendete auch Benjamin Britten (1913 bis 1976), als er A Cere- mony of Carols schrieb. Die Frauen- stimmen des SWR Vokalensembles Stuttgart werden hier durch Maria Stange, Harfe, begleitet (die brillant spielt!); ansonsten sind auf dieser CD ausschließlich A-cappella-Komposi- tionen zu hören.
Auch der estnische Komponist Arvo Pärt (*1935) ist mit einem Zyklus vertreten, der an mittelalterliche Gesänge anknüpft: In der Vesper der sieben letzten Tage vor dem Heiligen Abend wird der kommende Messias mit den sogenannten O-Antiphonen angerufen. Sie beginnen jeweils mit einer der sieben Anreden, die dem Alten Testament gemäß die Propheten für den Messias gebraucht haben, rühmen sein zukünftiges Wirken und enden mit dem Ruf: „Veni!“ – „Komm!“ Arvo Pärt hat, in seiner unnach- ahmlichen Weise, die bildhaften Texte dieser Sieben Magnificat-Anti-phonen in Musik umgesetzt, der man sich nicht entziehen kann.
Francis Poulenc (1899 bis 1963) nutzte für seine Quatre motets pour le temps de noël ebenfalls alte Texte in Kirchenlatein, aber er dachte sie gänzlich französisch – in Melodie, Rhythmus und Betonung. Dazu setzte er auf eine spannungsvolle Harmonik; die vier Motetten bezaubern durch mystische Tiefe und durch ihren Reichtum an Klangfarben.
Diesen drei bedeutenden weihnachtlichen Chorzyklen hat Chorleiter Marcus Creed noch einige weitere Weihnachtslieder beigesellt. Drei Weihnachtliche Liedsätze von Heinrich Kaminski (1886 bis 1946) erscheinen zunächst ziemlich konventionell, doch bei genauerem Hinhören fällt bald auf, dass ihre Schlichtheit und Anmut ausgesprochen kunstvoll erschaffen worden ist. Sie verbinden Kontrapunktik der alten Schule mit romantischer Harmonik. Für Kirchenchöre, die auf Qualität schauen und trotzdem einmal etwas Neueres singen wollen, ein echter Geheimtipp!
Die CD endet mit Es ist ein Ros entsprungen in einer Fassung, die den altbekannten Chorsatz von Michael Praetorius (1571 bis 1621) in einen neuen Rahmen stellt: Der schwedische Komponist Jan Sandström lässt das Original stark verlangsamt erklingen, umhüllt von einem Summchor. Eine interesssante und sehr skandinavische Variante.
Das SWR Vokalensemble unter Leitung von Marcus Creed findet zu jedem dieser sehr unterschiedlichen Werke einen Zugang. Gesungen wird stilsicher, kraftvoll und lebendig. Die Sängerinnen und Sänger agieren ausgesprochen souverän sowie mit Engagement und Freude. Bravi!
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