„Als Interpret stellt man sich der Aufgabe, die ,perfekte' Gratwande- rung zwischen Texttreue und künstlerischer Freiheit zu meistern und zugleich die Grenzen des ,Erlaubten' auszuloten“, schreibt Sebastian Manz. Dazu ist viel Wissen und Können erforderlich, denn jede Zeit hatte ihre eigenen Auffassungen dazu, wie mit dem Notentext umzu- gehen ist, und jede musikalische Schule zudem ihre ganz spezielle Ausprägung des Erlaubten. Das Spektrum reicht dabei von Hand- schriften der Barockzeit, die zumeist eher als Skizzen des tatsächlichen musikalischen Geschehens anzusehen sind, bis hin zu Noteneditionen der Gegenwart, in denen Komponisten mitunter ihre Vorstellungen bis ins kleinste Detail niedergeschrieben haben.
Mit der Klarinettenmusik Carl Maria von Webers hat sich Sebastian Manz viele Jahre lang auseinandergesetzt: „1999 führte ich das 1. Klarinetten- konzert f-Moll mit dem Orchester der Musikschule Hannover unter der Leitung von Bernd Woller zum ersten Mal auf und bereits ein Jahr später folgte bei der EXPO 2000 in Hannover die Aufführung des Concertino mit dem Jugendsinfonieorchester Hannover unter Leitung von Cornelius Meister“, berichtet der Musiker. „Diese zwei Erfahrungen werde ich nie vergessen. Seitdem spiele ich Weber rauf und runter“, so bei „Jugend musiziert“, oder später im ARD-Wettbewerb, sowie in diversen Konzerten.
Nunmehr sah Manz also den Zeitpunkt gekommen, die Werke Webers für die Klarinette aufzunehmen – und zwar alle. Dabei stand er einmal mehr vor der Frage nach der Texttreue, siehe oben. Und an dieser Stelle kommt ein berühmter Kollege ins Spiel. Denn Weber schuf seine Klarinetten- musik, wie das Concertino und die beiden Konzerte, für Heinrich Joseph Baermann, einen europaweit gefeierten Klarinettenvirtuosen, mit dem er eng befreundet war.
Manz merkt an, dass beispielsweise für Webers Klarinettenkonzert in
f-Moll Baermanns Version allgemein zum Standard geworden ist. „Ver- gleicht man jedoch Webers Original mit der Baermann-Fassung, stellt man fest, dass sich der Klarinettist immer wieder in die Komposition eingemischt hat: Er baut am Ende der Exposition einen eigenen, aus- komponierten Teil ein, der heute als die ,Baermann-Kadenz' bezeichnet wird, und macht in der Partitur zahlreiche eigene Eintragungen zur Dynamik und Artikulation“, so Manz. „Genau diese intensive und detaillierte Auseinandersetzung des Interpreten mit seinem Werk erhoffte sich Weber, der im Original fast keine Anweisungen in die Partitur eingetragen hat. Man könnte sagen: Weber bereitet einen Teppich vor und der Musiker darf sich darauf austoben.“
Und das hat Sebastian Manz nun getan, begleitet von Musikern, mit denen er bestens vertraut ist. Denn neben seinem langjährigen Klavierpartner Martin Klett waren an seiner Seite die Musiker des Zürcher casalQuartetts plus Lars Olaf Schaper, Kontrabass, sowie weitere Kollegen des SWR Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart unter Leitung von Antonio Méndez. Auf der ersten CD ist Webers Kammermusik für Klarinette zu hören – das Grand Duo Concertant op. 48, die Silvana-Variationen op. 33 und das Klarinettenquintett op. 34. Die zweite CD enthält dann das Concertino sowie die beiden Klarinettenkonzerte in f-Moll und Es-Dur.
Weber hat für die Klarinette Melodien erfunden, die jede Primadonna erfreut hätten; sanglich, aber virtuos, effektvoll, mitunter sogar dramatisch, mitunter aber auch ein wenig kapriziös. Sebastian Manz lässt sein Instrument singen – farbenreich, beschwingt, gelegentlich sogar beinahe übermütig. Und seine Musikerkollegen sind dabei stets an seiner Seite, das Zusammenspiel ist phantastisch, die Aufnahme ist rundum ein Genuss. Unbedingt anhören!
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