Diese Aufnahme ist gleich mehrfach ein Experiment: Richard Wagners monumentales 16-Stunden-Opern-Epos Der Ring des Nibelungen auf eine Stunde zu schrumpfen, das ist an sich schon kühn genug. Der nieder- ländische Komponist Henk de Vlieger hat 1991 ein Orchester-Arrangement geschaffen, das die wichtigsten Szenen und Motive zusammenfasst, ohne Wagners Musik zu beschädi- gen. Wer die Schlüsselszenen der Handlung sowie die musikalischen Höhepunkte kompakt genießen möchte, und ohne störenden Gesang, der wird an dieser Version Vergnügen haben.
Diesen besonderen Ring also hat nun The Baltic Sea Philharmonic unter der Leitung von Kristjan Järvi eingespielt. Auch dies ist ein Abenteuer, denn es handelt sich dabei um ein junges Orchester, erst im April 2016 gegründet, in dem Mitglieder und Alumni des Baltic Sea Youth Philhar- monic musizieren – Nachwuchsmusiker, die aus zehn Ländern entlang der Ostseeküste stammen.
„Bei allen Veröffentlichungen des Kristjan Järvi Sound Project ist es mein Ziel, Konzepte zu entwickeln, die Assoziationen wecken, Themen beleuch- ten, Geschichten erzählen oder einfach nur die Frage nach den ,Warum' provozieren“, schreibt Järvi. Der in Amerika lebende Este hat mit seinen jungen Musikern diese Variante des Rings auf der Insel Usedom eingespielt, an einem Ort, der idyllische Natur und dämonisches Streben vereint: Diese Debüt-CD ist in der ehemaligen Turbinenhalle der Raketen-Versuchsanstalt in Peenemünde entstanden – „eine weitere Metapher für die Macht der Musik, die einstmals angst- und hasserfüllte Räume in Orte der Einheit und Liebe zu verwandeln weiß“, so Järvi.
Das Experiment ist gelungen. Die jungen Musiker überzeugen durch ihr professionelles Spiel; diese Abenteuerreise durch Wagners musikalisches Universum ist ausgesprochen lebendig und leidenschaftlich. Bravi!
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