„Im Vergleich zu Beethoven, dem Architekten“, so zitiert das Beiheft zu dieser CD Alfred Brendel, „komponierte Schubert wie ein Schlafwandler. In Beethovens Sonaten verlieren wir nie die Orientierung; sie rechtfertigen sich selbst in jedem Augenblick. Schuberts Sonaten ereignen sich auf rätselhaftere Weise; um es österreichischer zu sagen: sie passieren.“
Nami Ejiri nähert sich auf ihrer Genuin-CD diesem Phänomen. Sie hat dafür drei späte Werke von Franz Schubert (1797 bis 1828) ausgewählt. Das Allegretto c-Moll (D 915) ist ein Albumblatt, welches der Komponist im Mai 1827 seinem Freunde Ferdinand Walcher mit auf eine Reise nach Venedig gab. Es ist erfüllt vom Abschiedsschmerz. Die vier Impromptus op. 90 (D 899) erscheinen ebenfalls wie musikalische Stimmungsbilder.
Die Klaviersonate in B-Dur (D 960) ist Schuberts letzte, entstanden im September 1828, und so vielschichtig wie das Leben selbst. Aufbegehren steht hier neben Resignation, Ironie neben Melancholie, Schönheit neben Düsternis. Nami Ejiri fasziniert mit ihrem sensiblen Klavierspiel. Die junge Musikerin gehört nicht zu den Tastendonnerern; sie erkundet Stücke eher zurückhaltend, spielt sehr präzise und durchdacht. Folgt man ihrer Interpretation, kann man selbst die bekannten Impromptus neu entdecken. Ihr Schubert ist von überraschender Klarheit und auch Leuchtkraft – und wo es erforderlich ist, fehlt auch die Dramatik nicht. Sehr gelungen!
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