Zunächst waren da die Acht Walzer op. 6 von Paul Hindemith, berichten Gülru Ensari und Herbert Schuch. Das türkisch-deutsche Duo, auch außermusikalisch ein Paar, spielte diese Stücke eine Weile morgens, vor dem eigentlichen Üben, vierhändig vom Blatt. Und die beiden Pianisten fanden die Nähe dieser frühen Werke Hindemiths zu den Walzern op. 39 von Johannes Brahms verblüffend.
So entstand die Idee, diese Walzer für eine CD einzuspielen – Brahms und Hindemith sorgsam miteinander verflochten; so kann man beim Zuhören den Ähnlichkeiten nachsinnen. „Wir haben lange experimentiert, bis wir mit der Reihenfolge zufrieden waren“, erläutert Gülru Ensari. „Wir wollten auch den reizvollen Kontrast ausspielen, den es zwischen der ungebrochenen Natürlichkeit des Walzers bei Brahms und dessen ironischer Verwandlung bei bei Hindemith gibt. Das sieht man ganz deutlich im Notenbild. Da steht dann ,viel langsamer spielen' oder ,großes Ritardando'.“
Ergänzt haben die beiden Pianisten ihr Programm durch zwei türkische Tänze, die Özkan Manav eigens für sie komponiert hat, und durch Le Sacre du printemps in der Fassung für Klavier zu vier Händen von Igor Strawinsky.
Somit zieht sich die Blickrichtung nach Osten wie ein Roter Faden durch das Programm: Brahms und Hindemith ließen sich bei ihren Walzern von ungarischen Volksweisen inspirieren. Die beiden Stücke von Özkan Manav beruhen ebenfalls auf Volksliedern. Und Strawinsky, der in Paris lebte, verwendete für seine Ballettmusik Melodien aus seiner russischen Heimat.
Ensari und Schuch spielen dieses Werk tatsächlich vierhändig, auf einem Klavier – auch wenn Klavierduos üblicherweise zwei Instrumente verwenden. „Ich mag aber diese Nähe auf 88 tasten, wir spüren sofort jede rhythmische Verzögerung des anderen und können uns darauf einstellen“, erläutert die Pianistin. „Und es ist unglaublich, sich vorzustellen, dass vor über 100 Jahren Strawinsky und Debussy in einem Privatkonzert auch an einem Flügel dieses Stück zum ersten Mal aufgeführt haben.“
Gülru Ensari und Herbert Schuch haben die ursprüngliche Version allerdings noch kräftig aufgepeppt – so haben sie an etlichen Stellen zusätzliche Orchesterstimmen integriert, und sie spielen auch Stichnoten mit. Außerdem haben sie mit Tamburin und Guiro nachgeholfen, „weil es überlagernde rhythmische Strukturen mit sehr besonderen Klangfarben gibt, die auf dem Klavier so gar nicht darstellbar sind“, so Schuch.
Das Ergebnis ist dann wirklich ein Kracher. So radikal, so rhythmus- betont-archaisch und zugleich so detailreich habe ich Le Sacre du printemps auf dem Klavier noch nicht gehört. Die beiden Pianisten musizieren, als ob sie außer den Noten auch noch gegenseitig ihre Gedanken lesen könnten – genial! und wirklich große Klavierkunst.
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