„Tesori d’Italia“ suchte Albrecht Mayer für seine aktuelle CD. Und dafür musste der Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker nicht einmal weit reisen. Denn die begehrten Schätze aus Italien fand er in Dresden, einer Stadt, die nicht umsonst Elbflorenz genannt wird.
Sie ist aber nicht nur durch italienische Architekten dazu geworden, sondern auch dank einer Vielzahl italienischer Künstler, die im Umkreis des sächsischen Hofes wirkten. So engagierten die sächsischen Kurfürsten für Oper und Hofkapelle gern Virtuosen aus dem Süden. Begabte deutsche Musiker hingegen schickten sie nach Italien, wo sie von den besten Meistern lernen sollten – ein Modell, das über Generationen hinweg ausgezeichnet funktionierte, von Heinrich Schütz bis zu dem Geiger Johann Georg Pisendel.
Dieser studierte bei Antonio Vivaldi, und aus Italien brachte er nicht nur viele Noten, sondern auch gute Kontakte mit, von denen die Hofmusik sehr profitierte. Die Notensammlung des legendären Konzertmeisters der Dresdner Hofkapelle befindet sich heute in den Beständen der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Sie wurde überliefert, weil sie einst in einem Schrank eingeschlossen und vergessen worden ist. Heute werden die Bestände aus diesem „Schranck No: II“ durch Musikhistoriker ebenso gern genutzt wie durch Musiker.
Albrecht Mayer hat dort eine Abschrift des Oboenkonzertes in C-Dur RV 450 von Antonio Vivaldi gefunden, sowie ein Oboenkonzert in a-Moll von Domenico Elmi (um 1676 bis 1744), das hier in Weltersteinspielung erklingt. Aus „Schranck No: II“ stammt zudem das Oboenkonzert in Es-Dur von Giovanni Alberto Ristori (1692 bis 1753), einem Organisten, Kapellmeister und Komponisten, der ebenfalls am Dresdner Hof wirkte.
Giuseppe Sammartini (1695 bis 1750) war der Sohn eines französischen Oboenvirtuosen, und spielte auch selbst dieses Instrument hervorragend. Er wurde in Italien geboren, ging aber später nach London, wo er unter anderem in Händels Opernorchester musizierte, und hoch angesehen war. Mayer hat für seine CD gleich drei Oboenkonzerte von Sammartini ausgewählt. In Weltersteinspielung zu hören ist das Konzert in C-Dur op. 8 Nr. 4.
Außerdem erklingt das Oboenkonzert in g-Moll op. 8 Nr. 5 sowie ein weiteres Konzert in C-Dur ohne Opuszahl. Es ist „in einer Abschrift aus dem 18. Jahrhundert erhalten, die sich der musikliebende schwedische Baron Patrick Alströmer (..) für seine private Notenbibliothek anfertigen ließ“, berichtet Mayer in einem ausführlichen Text im Beiheft. Die beiden anderen Konzerte befinden sich in den Beständen der British Library. Und die Edition des Vivaldi-Konzertes, die für diese Einspielung verwendet wurde, beruht auf einem Manuskript, das in der Biblioteca nazionale universitaria di Torino aufbewahrt wird.
An der weiten Verbreitung dieser Musikstücke kann man noch heute erkennen, wie sehr die Werke italienischer Komponisten seinerzeit in ganz Europa geschätzt und begehrt wurden. Mayer hat eine Auswahl derartiger musikalische Kostbarkeiten zusammengestellt, die man auch heute noch gern hört. „Um dabei intensiv in das spezielle Flair Italiens eintauchen zu können, suchte ich mir als meine Wegbegleiter Musiker, die die Welt kennen, aber italienisch denken, lachen und fühlen“, schreibt der Oboist – „und ich fand sie mit I Musici di Roma, jenem Ensemble, das schon in meiner Kindheit eine Instanz auf dem Gebiet des italienischen Barock- repertoires war.“
Nun hat sich aber seitdem die Welt weiter gedreht, und wer Barockmusik als solche hören möchte, der wird heute wohl kaum noch dieses Ensemble dafür wählen. Wer allerdings italienische Lebensfreude und Musizierlust erleben möchte, und wer bei der Oboe insbesondere musikalischen Aus- druck und schöne Töne schätzt, der wird diese CD lieben. Denn Albrecht Mayer ist wirklich ein vortrefflicher Oboist.
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