Johann Sebastians ältester Sohn Wilhelm Friedemann Bach (1710 bis 1784) galt zu Lebzeiten als seinem Vater ebenbürtiger Orgelvirtuose: „Deutschland hat an ihm seinen ersten Orgelspieler und die musikalische Welt überhaupt einen Mann verloren, dessen Verlust unersetzlich ist“, klagte beispiels- weise ein Nachruf im „Magazin der Musik“.
Mit seinem Anspruch und seiner Persönlichkeit freilich war Wilhelm Friedemann Bach kein unkomplizier- tes Dasein beschieden; über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog schon mehrfach berichtet. Leider sind dadurch auch nur sehr wenige seiner Kompositionen im Druck erschienen. Wer sich also mit dem Gesamtwerk auseinandersetzen möchte, der muss sich mit Handschriften beschäftigen.
Es ist bemerkenswert, dass immer wieder neue Funde gelingen, die das Bild komplettieren. So hat Filippo Turri Wilhelm Friedemann Bachs vollständiges Orgelwerk für Brilliant Classics in Padua an einer kleinen Truhenorgel von Luigi Patella aus dem Jahre 1998 und der Zanin-Orgel der Kirche Sant'Antonio Abate aus dem Jahre 2007 eingespielt. Zu hören sind auf den beiden CD 18 Fugen und sieben Choralvorspiele.
Claudio Astronio, der vor einiger Zeit bereits die Cembalokonzerte des Komponisten eingespielt hat, erkundete für Brilliant Classics nun sämtliche Musikstücke für Tasteninstrumente solo – und dabei stellte er auch vier weitere Choralvorspiele vor, die als Handschrift in der Litauischen Nationalbibliothek in Vilnius aufgespürt und transkribiert wurden. Dort fanden sich außerdem eine Ouvertüre, ein Menuett mit 13 Variationen, und etliche weitere kleinere Stücke, die auf CD 6 dieser Box sämtlich in Weltersteinspielung zu hören sind.
Einige Werke erklingen in beiden Editionen. Wie viele Komponisten seiner Zeit schrieb Wilhelm Friedemann Bach seine Werke für „Clavier“ – was vom Clavichord über Cembalo und Orgel bis hin zum Fortepiano eine ganze Reihe von Tasteninstrumenten einschloss. Es bedarf daher detektivischen Spürsinns, herauszufinden, für welches Instrument ein konkretes Werk entstanden sein könnte.
Astronio zeigt sich überzeugt, der „Hallesche Bach“ habe in erster Linie für das Cembalo komponiert. Und an diesem lassen sich natürlich auch die dreistimmigen Fugen spielen; warum Astronio allerdings die Fugen F31, F32 und F33 aufgenommen, die Fuge F34 hingegen ausgelassen hat, erschließt sich mir nicht.
In jedem Falle bietet diese Box mit insgesamt sechs CD den wohl derzeit umfassendsten Überblick über das Schaffen Wilhelm Friedemann Bachs für Tasteninstrumente solo. Enthalten sind neben den Fugen die Fantasien F14 bis F23, Sonaten, die zwölf Polonaisen F12, Polonaise und Trio F 13, das Concerto in G für Cembalo solo F40, und die Suite in g-Moll F24.
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