Freitag, 31. Dezember 2021

Heinrich Scheidemann: Organ Musik (MDG)

 

Die Orgel der Barockkirche St. Pankratius in Neuenfelde ist ein ganz besonderes Instrument. Errichtet wurde sie 1688 von Arp Schnitger. 

Der Orgelbauer hatte eine enge Beziehung zu Neuenfelde; seine Frau stammte aus der Gemeinde, und Schnitger erwarb 1693 den Hof seines Schwiegervaters. In späteren Jahren wohnte er dort, und er liegt in St. Pankratius auch begraben. 

Es ist seine größte zweimanualige Orgel, mit 34 Registern in Rückpositiv, Oberwerk und Pedal. Außerdem ist sie durch den Meister vollständig neu angefertigt worden; das vorhandene Instrument von Hans Christoph Fritzsche aus den Jahren 1672/73, das für das 1682 neu errichtete Gotteshaus offenbar zu klein war, wurde durch Schnitger seinerzeit in eine andere Kirche nach Stade umgesetzt. 

Im 19. Jahrhundert wurde die Arp-Schnitger-Orgel durch Umbauten erheblich verändert. Im Zuge der Orgelbewegung und auch danach gab es diverse Versuche, das Instrument wieder zu instand zu setzen. Weil das Ergebnis nicht überzeugte, veranlasste Organist Hilger Kespohl schließlich eine umfassende Restaurierung. Sie wurde in den Jahren 2015 bis 2017 durch die Orgelwerkstatt Kristian Wegscheider ausgeführt – und dabei ist nach denkmalpflegerischen Grundsätzen der Zustand von 1688 weitgehend wieder hergestellt worden. 

Für seine zweite Einspielung an diesem herrlichen Instrument hat Hilger Kespohl ein Programm mit Werken von Heinrich Scheidemann (ca. 1596 bis 1663) zusammengestellt. Es umfasst sowohl Beispiele für Motettenkolorierungen des Hamburgers, als auch elegante Stücke nach weltlichen Vorlagen, die wohl eher im häuslichen Umfeld erklungen sind, sowie Choralbearbeitungen, wie Scheidemanns berühmte Choralfantasie Ein feste Burg ist unser Gott

Kespohl musiziert wunderbar, und auch die technische Qualität der Aufnahme gilt es an dieser Stelle zu rühmen. Man hat wirklich den Eindruck, im Kirchenraum zu sitzen. Grandios! 


12 Stradivari - Janine Jansen (Decca)

 

Gleich zwölf Stradivaris erklingen auf dieser CD. Janine Jansen hat dafür gemeinsam mit ihrem Klavierbegleiter Sir Antonio Pappano ein interessantes Programm erarbeitet, das nicht nur die klanglichen Vorzüge jeder einzelnen Geige betont, sondern auch einen Bezug zu berühmten Violinisten herstellt, die diese Instrumente in der Vergangenheit gespielt haben. 

Dieses Projekt ist beispiellos. Denn eine Stradivari gibt man nicht so einfach aus der Hand. Als Antonio Stradivari 1737 im Alter von 94 Jahren starb, hatte der Geigenbauer bereits einen einzigartigen Ruf. Könige kauften seine Instrumente – Gitarren, Violoncellos, Harfen, Bratschen, vor allem aber Violinen mit einem ausgeprägt individuellen Klang. Obwohl sie schon damals sehr wertvoll waren, sind im Laufe der Zeit durch Brände, Unfälle und Kriege etliche dieser Preziosen zerstört worden. 

Wenn heute Instrumente Stradivaris zum Verkauf stehen, dann werden Millionenbeträge dafür geboten. Nicht wenige der verbliebenen Geigen befinden sich daher gut geschützt in den Safes von Sammlern. Andere sind in Museen zu sehen. Einige werden aber auch von Solisten gespielt – Janine Jansen beispielsweise musiziert derzeit auf einer Stradivari, die vormals im Besitz von Pierre Rode und Oskar Shumsky war. 

J & A Beare Ltd gehört zu den wenigen Händlern, die sich heute noch in diesem hochspekulativen Markt bewegen. Die Experten dieses Unternehmens werden in Kürze eine sechsbändige Dokumentation veröffentlichen, „the ultimate Stradivari iconography“, wie Geschäftsführer Steven Smith im Beiheft zu dieser CD schreibt. Dazu passt diese Einspielung gut, und sie ist auch nur durch die Unterstützung durch J & A Beare möglich geworden. 

Die Aufnahmen sind für Stradivari-Fans ein Ereignis; das Repertoire, das von Tschaikowsky über Clara Schumann bis hin zu Szymanovski, Elgar und Vieuxtemps reicht, Fritz Kreisler natürlich nicht zu vergessen, ermöglicht es Janine Jansen, die individuellen Charaktere der einzelnen Instrumente zu demonstrieren und sie auf bestmögliche Art und Weise zu präsentieren. Einige dieser zwölf Geigen, die für die Aufnahmen aus der ganzen Welt nach London gebracht worden sind, hat seit Jahrzehnten niemand mehr gespielt; umso spannender ist diese CD. 


Donnerstag, 30. Dezember 2021

In the Secret of the World (Florentyn Music)


 „Es waltet in jeder Zeit ein geheimes Bündnis verwandter Geister“, zitiert das Beiheft zu dieser CD Robert Schumann. In der Tat: Die Pianistin Anna-Maria Maak und der deutsch-venezolanische Komponist und Gitarrist Sef Albertz zeigen mit ihrem zweiten Konzeptalbum, wie vielfältig die Inspiration ist, die sie bei ihrer künstlerischen Arbeit bewegt. 

Da ist zum einen Krzysztof Penderecki, der selbst keine Musik für Klavier solo geschrieben hat, sich aber noch zu Lebzeiten von Aria, Ciaccona und Vivace, die Sef Albertz nach Orchesterwerken des polnischen Komponist kompiliert hat, sehr angetan gezeigt haben soll. 

Seine Musik steht direkt neben The White Sarabande nach Johann Sebastian Bach. Er ist im musikalischen Universum des Paares, das sich in Leipzig niedergelassen hat, ein wichtiger Bezugspunkt. Nicht umsonst nannten Maak und Albertz ihr erstes Album Resplendences around Bach. Es wurde übrigens, wie auch In the Secret of the World, vom Publikum über Crowdfunding finanziert. Dies gibt den Künstlern die Möglichkeit, trotz aller Einschränkungen durch Corona schöpferisch tätig zu werden und ihre Musik vor Zuhörer zu bringen – auch wenn Konzertsäle in diesem Jahr zumeist verschlossen geblieben sind. 

Die beiden Musiker legen generell Wert auf Autonomie; sie wollen die Verantwortung für ihre kreative Botschaft nicht aus den Händen geben, und veröffentlichen Einspielungen deshalb bei ihrem eigenen Label Florentyn Music. Die zweite CD des Paares enthält erneut ausschließlich Weltersteinspielungen; in der Musik von Sef Albertz fließen dabei kompositorische Ideen, Stimmungsbilder, Kontinente und Jahrhunderte ineinander. Wer darauf aus ist, der wird zahlreiche Anspielungen und Zitate erkennen – nicht nur in Ludovicus and the Allegories of the Sea, nach Motiven von Ludwig van Beethoven. 

Barocke Wendungen führt Albertz zusammen mit Harmonik aus Jazz- und Popmusik, argentinischer Tango trifft in seiner Musik auf Schumann, und Kontemplation auf Leidenschaft. Anna-Maria Maak erweist sich als geniale Interpretin seiner komplexen Werke. Sie teilt offenbar Albertz‘ Liebe zum Atmosphärischen: In the Secret of the World will das Geheimnis nicht ergründen, sondern eher ein Teil davon werden. 

Das facettenreiche Album greift aber über das Medium Musik noch hinaus; es lohnt sich, auch die Titel der Stücke mit Verstand zu lesen und das Beiheft anzuschauen. Hier wird erkennbar, dass das kreative Konzept von Maak und Albertz, in guter Leipziger Tradition, nicht zuletzt ein zutiefst romantisches ist. 1835 schrieb Joseph Freiherr von Eichendorff: „Schläft ein Lied in allen Dingen, / Die da träumen fort und fort, / Und die Welt hebt an zu singen, / Triffst du nur das Zauberwort.“


Mittwoch, 29. Dezember 2021

Joseph Boulogne, Chevalier de Saint-Georges: Symphonies concertantes (Naxos)


 Einmal mehr trägt das Label Naxos dazu bei, Kompositionen wieder vor das Publikum zu bringen, die zu unrecht in Vergessenheit geraten sind. Joseph Boulogne, Chevalier de Saint-Georges (1745 bis 1799), gehört ohne Zweifel zu den Persönlichkeiten, die Musikgeschichte geschrieben haben. Er kam auf Guadeloupe zur Welt, und war der illegitime Sohn eines Franzosen mit einer blutjungen senegalesischen Sklavin, der Zofe seiner Ehefrau. 

Joseph Boulogne wuchs in Frankreich auf und erhielt dort standesgemäß eine ebenso umfassende wie exzellente Ausbildung. Der junge Chevalier de Saint-Georges war nicht nur ein brillanter Fechter, ein erfolgreicher Dirigent und ein herausragender Geigenvirtuose. Er war auch ein ausgezeichneter Reiter, Schwimmer und Eisläufer, und er beeindruckte die Damen der Pariser Gesellschaft obendrein durch seine guten Manieren. In späteren Jahren, beim Militär, hatte er leider ein weniger glückliches Händchen; die Schreckensherrschaft der Jakobiner setzte seiner Karriere ein Ende. Doch das ist eine andere Geschichte. 

Musikgeschichte schrieb Joseph Boulogne, Chevalier de Saint-Georges, weil er sich als Komponist intensiv der Symphonie concertante widmete. Derartige Werke, die Elemente der Sinfonie und des Solokonzertes miteinander verbinden, waren vor allem dort beliebt, wo es viele hervorragende Musiker gab, die die Aufführungen als Solisten gestalteten – in Mannheim beispielsweise, in Wien, in London und in Paris. 

Saint-Georges schätzte offenbar diese Gattung, die ihm sowohl als Komponist als auch als Violinist aufgrund der zusätzlichen Solo-Instrumente gänzlich neue Möglichkeiten bot. Er fand dabei ganz eigene musikalische Lösungen. So sind die konzertanten Symphonien von Saint-Georges in der Tat einzigartig und unverwechselbar. 

Auf dieser CD erklingen einige seiner Werke, exemplarisch eingespielt vom Czech Chamber Philharmonic Orchestra Pardubice unter Leitung von Michael Halász. Solisten sind Yuri Revich und Libor Ježek, Violine, sowie Pavla Honsová, Viola. Sie musizieren sehr elegant, und bringen Ausdrucksstärke und Erfindungsreichtum dieser Kompositionen bestens zur Geltung. 


Dienstag, 28. Dezember 2021

None but the Brave - Maximilian Ehrhardt (Carpe Diem)


Mit diesem Album erweist Maximilian Ehrhardt einem berühmten Kollegen seine Referenz: John Parry (1710 bis 1782) gilt als Vater der neueren walisischen Harfentradition. 

Der blinde Musiker, der seit seiner Kindheit die Harfe spielte, kam als Angestellter eines Adligen aus Wales nach London. Dort erwarb er sich aufgrund seiner Virtuosität bald großes Ansehen. In seinen Konzertprogrammen kombinierte er bekannte Lieder mit Werken seiner Zeitgenossen. 

Er war auch als Lehrer hochgeschätzt, und er ließ etliche Stücke, die er selbst spielte, drucken. Maximilian Ehrhardt, stets auf der Suche nach Harfenmusik, die in Vergessenheit geraten ist, hat sich mit diesen Notendrucken befasst. In der walisischen Nationalbibliothek in Aberystwyth studierte er zudem die drei ältesten Manuskripte mit Harfenmusik. 

Auch mit der jahrhundertealten walisischen Harfentradition hat sich Ehrhardt intensiv beschäftigt. Man lese nur seinen Aufsatz im Beiheft - wirklich beeindruckend, denn die Harfe ist das Nationalinstrument von Wales, und sie ist dort offenbar schon zu Zeiten der Römer erklungen. 

Im Ergebnis dieser gründlichen Studien entstand diese CD – stilecht eingespielt auf einer walisischen Tripelharfe. Hoch interessant und dazu hinreißend klangschön. Faszinierend! 

In dulci jubilo (SWR Classic)

 

Das SWR Vokalensemble widmet sein aktuelles Album zum Weihnachtsfest dem Schaffen von Michael Praetorius (1571 bis 1621). Er war Kammerorganist und Hofkapellmeister der Herzöge Heinrich Julius und Friedrich Ulrich, Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel, weithin hochgeschätzt, und auch über deutsche Grenzen hinaus bestens vernetzt. 

Ursprünglich sollte Praetorius allerdings Pfarrer werden, nach dem Vorbild seines Vaters und etlicher seiner Verwandten. Doch am Ende setzte sich das musikalische Talent durch. Macht nichts, denn: „Nach dem heiligen Wort Gottes ist nichts so hoch zu rühmen und zu loben als eben die Musica“, schrieb der Komponist in der Vorrede zum ersten Band der Musae Sioniae – das erste Werk, dass er drucken ließ. 

Acht weitere Bände dieser Sammlung von Chorälen, in allen nur denkbaren Besetzungen, folgten. Daran wird ersichtlich, welch große Bedeutung Michael Praetorius der Pflege und Förderung des protestantischen Kirchenliedes zumaß. Einen besonderen Platz in den Musae Sioniae haben die Weihnachtslieder. 

Für diese Einspielung des SWR Vokalensembles hat Chorleiter Marcus Creed eine Auswahl aus dieser Kollektion zu Weihnachtskonzerten zusammengestellt. Traditionelle Chorsätze, mit der Liedmelodie in der Oberstimme, kombinierte er mit Bicinien und Tricinien, in denen zwei oder drei gleiche Stimmen kunstvoll miteinander zu wetteifern scheinen, und mehrchörigen Strophen mit ihrer enormen Klangpracht. 

Das SWR Vokalensemble singt hinreißend schön. Allerdings hätte mich gelegentlich anstelle von perfektem Gesang doch ein wenig mehr Ausdruck erfreut. Aber das ist Gemecker auf hohem Niveau; die Klangkultur des Chores ist wirklich beeindruckend. 


Donnerstag, 23. Dezember 2021

Lieder zur Weihnacht - Peter Schreier (Berlin Classics)

 

Schätze aus dem Archiv legt Berlin Classics Klassikfreunden auch in diesem Jahr wieder auf den Gabentisch. Gleich zwei CD präsentieren historische Aufnahmen mit Peter Schreier. So hat der legendäre Tenor 1969 in Leipzig mit Musikern des Gewandhausorchesters unter der Leitung von Thomaskantor Erhard Mauersberger Arien von Johann Sebastian Bach gesungen; die Schallplatte ist 1970 erschienen. 

1978 entstand im Studio Lukaskirche Dresden eine Einspielung mit Weihnachtsliedern von vier großen Liedmeistern der Spätromantik: Peter Cornelius (1824 bis 1874), Joseph Haas (1879 bis 1960), Max Reger (8173 bis 1916) und Hugo Wolf (1860 bis 1903). Klavierpartner des Sängers war bei dieser Produktion Norman Shetler. Zu hören sind beispielsweise Cornelius‘ bekannte Weihnachtslieder op. 8 oder aber Regers berühmtes Maria am Rosenstrauch op. 142 Nr. 3. Und man staunt noch heute, mit welcher Intensität sich Peter Schreier jedem einzelnen dieser Lieder zuwendet. Noch immer ist dies eine der schönsten Aufnahmen mit diesem Repertoire. 


Wie schön leuchtet der Morgenstern (Ambiente Audio)

 

Diese CD ist ein Familienprojekt: Seit nunmehr elf Jahren gestalten Simon Becker-Foss, Bassklarinette/Saxophon, und Hans Christoph Becker-Foss, Orgel, Adventskonzerte in der Hamelner Marktkirche St. Nicolai. Adelheid Becker-Foss ist daran als Registrandin beteiligt, und die vorliegende Aufnahme lag in den Händen von Claudio Becker-Foss. Das Coverfoto stammt von Raphael Becker-Foss. 

Es ist dies ein wunderbares Beispiel dafür, wie Großes entstehen kann, wenn jeder etwas dazu beisteuert, seine Ideen und seine Persönlichkeit einbringt. In dem Programm, das wohldurchdacht auf der Grundlage theologischer Überlegungen zusammengestellt worden ist, finden sich auch Werke der Altmeister Johann Sebastian Bach, Johann Gottfried Walther, Johann Philipp Kirnberger, Georg Friedrich Kauffmann und Georg Philipp Telemann. Doch sie erklingen nicht, damit der Organist seine Virtuosität unter Beweis stellen kann. 

Hans Christoph Becker-Foss, der seit vielen Jahren als Professor an der Musikhochschule Hannover unterrichtet, ist ganz offensichtlich mit Leidenschaft Kirchenmusiker. Er nimmt seine Zuhörer in einem chaotischen Jahr mit auf eine musikalische Reise zum Jesuskind; Pastor Jürgen Harms hat für das Beiheft dazu kurze theologische Betrachtungen geschrieben. 

Leitmotiv ist der Choral Wie schön leuchtet der Morgenstern. Er kehrt mehrfach wieder – als Improvisation von Simon Becker-Foss, aber auch als Orgelchoral, gespielt von Hans Christoph Becker-Foss an der Beckerath/Goll-Orgel der Marktkirche St. Nicolai Hameln. Kompositionen und Choralbearbeitungen von ganz eigener Qualität hat der Saxophonist Simon Becker-Foss geschaffen. Im Dialog mit seinem Vater vermittelt er konzentriert die Botschaft all der alten, lieben Lieder. 

Die Musik erinnert an das Warten auf die Ankunft des Heilands, auf die Freude über die Geburt Christi. Die Krippe bietet einen Ruhepunkt, aber das Programm erinnert auch daran, dass die Heilige Familie gezwungenermaßen zur jener langen Reise aufgebrochen ist, zu Fuß, und froh sein musste, in einem Stall ihr Nachtlager aufschlagen zu dürfen. Doch für uns Menschen bleibt immer Hoffnung – als Zeichen dafür steht der Morgenstern; der Choral beschriebt in geradezu erotischer Ekstase die enge Bindung zwischen Gott und Mensch. 


Mittwoch, 22. Dezember 2021

Festive Trumpets for Christmas (Berlin Classics)


 Weihnachten ohne Trompeten und Posaunen? Das wäre wie Weihnachten ohne Kerzenschimmer und ohne Tannenduft. „Seit meiner Kindheit gehört es zum Weihnachtsfest dazu, in den Gottesdiensten, meist mit Orgel oder einem Blechbläserensemble, zu musizieren“, meint auch Matthias Höfs. 

Für sein diesjähriges Weihnachtsalbum hat der Trompeter ein stimmungsvolles Programm zusammengestellt, das festlichen Glanz und weihnachtliche Atmosphäre zu uns nach Hause bringt – besonders wichtig in einer Zeit, in der vielerorts Konzerte abgesagt sind und auch der Besuch von Gottesdiensten nur eingeschränkt möglich ist. 

Gemeinsam mit vielen renommierten Bläserkollegen sowie Marc Engelhardt, Fagott, Carsten Lohff, Cembalo und Christian Schmitt, Orgel, führt Matthias Höfs musikalische Traditionen weiter. Einen Glanzpunkt setzt gleich zu Beginn Händels bekannte Melodie Tochter Zion in zwölf Variationen von Ludwig van Beethoven, ursprünglich für Violoncello und Klavier, für Blechbläserensemble arrangiert von Matthias Höfs. In wechselnden Besetzungen wird musiziert; es erklingen Sonaten von Georg Friedrich Händel, Antonio Vivaldi und Tomaso Albinoni sowie die Canzon Cornetto für vier Trompeten SSWV 56 von Samuel Scheidt. 

Zu hören sind weiter die Advents- und Weihnachtslieder Maria durch ein’ Dornwald ging, Es kommt ein Schiff, geladen und Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich in sehr schönen Choralbearbeitungen von Peter Lawrence. Den Schlusspunkt setzt The North Star Suite nach Motiven aus Bachs Weihnachtsoratorium. Dieses Werk, hier erstmals eingespielt, wurde 2020 durch Matthias Höfs bei Erik Morales in Auftrag gegeben. Und es ist großartig, wirklich überwältigend. 

Mit dem abwechslungsreichen Programm vermittelt Höfs nicht nur Musiktraditionen. Es gelingt dem Trompeter und seinen Kollegen zudem, auch jene Faszination spürbar und hörbar werden zu lassen, die die Musiker und ihre Instrumente verbindet. „Blechbläser sind enorm vielseitig“, zitiert das Beiheft Matthias Höfs. „In der Kirche kommen bei festlichen Gottesdiensten Posaunenchöre zusammen. Für weltliche Feste haben wir Blasmusik und Bigbands. Musik für Blechbläser erreicht ein großes Publikum.“ Diese CD, soviel ist sicher, wird dazu ebenfalls beitragen. Grandios! 


Dienstag, 21. Dezember 2021

Jonas Kaufmann - It's Christmas! (Sony)

 


Das Weihnachtsalbum von Jonas Kaufmann gehörte im vergangenen Jahr bereits zu den Highlights. Nun hat der Tenor das Programm noch einmal erweitert: „Der unglaublich schöne Erfolg und die Freude über das erste Weihnachtsalbum reizten mich, in diesem Jahr erneut ins Studio zu gehen, um einer Musikgattung Tribut zu zollen, die für mich, der ich in Bayern und Tirol aufgewachsen bin, sofort Weihnachtsstimmung auslöst: die alpenländische Stubenmusi.“ Zugleich wird die ohnehin beeindruckende Liste der Mitwirkenden ergänzt, um die Mezzosopranistin Stefanie Irányi und die Spielmusik Karl Edelmann. Und das ist ohne Zweifel ein Gewinn; die stimmungsvollen Klänge werden in ihrer Schlichtheit und Innigkeit auch Flachlandtiroler bezaubern. 

Wer die beiden Versionen des Albums vergleicht, wird zudem feststellen: Im internationalen Teil, auf der zweiten CD, ist ebenfalls ein neues Lied dazugekommen. Auf das Lied Trois anges sont venus ce soir machte Kaufmann sein Sängerkollege Ludovic Tézier aufmerksam. Darüber hinaus enthält das Beiheft jetzt einige Gedichte und weihnachtliche Rezepte sowie jede Menge Fotos aus dem privaten Album von Jonas Kaufmann. Abgedruckt sind in dem ziemlich umfangreichen, mehrsprachigen, ansprechend gestalteten Heft aber auch sämtliche Liedtexte. 

Wenn ich mich entscheiden müsste – ich würde trotz des höheren Preises die „Extended Version“ wählen. Die Stubenmusi ist wirklich hinreißend. Und es ist erneut faszinierend, wie gekonnt der Sänger von der Opernbühne ins populäre Genre wechselt. Weihnachten und Jonas Kaufmann? Gefällt mir! 


Sonntag, 19. Dezember 2021

Herrnhuter Weihnacht (Berlin Classics)

 

Mit dem Ensemble Vocal Concert Dresden wendet Peter Kopp sich einmal mehr einem interessanten und bislang wenig beachteten Kapitel der Musikgeschichte zu: Die Herrnhuter Brüdergemeine feiert im nächsten Jahr nicht nur 300jähriges Bestehen, sie wird auch wird UNESCO-Weltkulturerbe. 

Ab 1722 siedelten sich Böhmische Brüder, Anhänger einer vorreformatorischen Bewegung in Böhmen und Mähren, nachdem sie in der Heimat verfolgt worden waren, in der Oberlausitz auf einem Gut des Grafen Zinzendorf an. Dort gründeten sie eine Kolonie in der Obhut des Herrn Jesus – Herrnhut. 

Damit legten sie den Grundstein für ein noch heute lebendiges Zentrum des Glaubens, mit höchst internationaler Ausstrahlung. Der Brüdergemeinde gehören heute weit über eine Million Menschen an. In Tansania leben derzeit die meisten Mitglieder der „Moravian Church“. Herrnhuter Missionare wirken weltweit, von Dänemark bis Südafrika, von Nepal bis Albanien und von Grönland und Alaska bis in die Karibik. 

Mit den Gläubigen zogen ihre Lieder in die Welt. Denn die Brüdergemeine war von Anfang an eine singende Gemeinde. Und so bauten die „Moravians“ musikalische Brücken zwischen Europa und der Neuen Welt. Faszinierend ist dabei die Tatsache, dass bereits im 18. Jahrhundert Kompositionen, die in fernen Gebieten entstanden, wieder nach Deutschland gelangten und dort in das Repertoire aufgenommen wurden. Eine Ahnung davon vermittelt diese CD mit weihnachtlichen Klängen. 

Den Aufnahmen sind intensive Recherchen in Archiven der Herrnhuter Brüdergemeine in der Oberlausitz, aber auch in Übersee vorangegangen. Bei fast allen Werken handelt es sich um Weltersteinspielungen. Einige Stücke wurden eigens für das Programm rekonstruiert. Somit gibt die CD einen einmaligen Einblick in die Herrnhuter Musik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Und das ist ebenso spannend wie erstaunlich. 

Denn Zinzendorf betrachtete das Singen als eine Gabe des Heiligen Geistes, und viele Lieddichter und Komponisten leisteten Beiträge zu dieser „Liederpredigt“. Im Gottesdienst der Herrnhuter wurde so recht von Herzen musiziert; insbesondere die Blechbläser beeindruckten und wurden Vorbild auch für „normale“ evangelische Gemeinden – Posaunenchöre sind noch heute in ganz Deutschland beliebt und weit verbreitet. 

In ihren „Singstunden“ entwickelten die Herrnhuter zudem einen kreativen Umgang mit überlieferten Gesängen: Oft wurden nicht Strophen einzelner Lieder fortlaufend gesungen, sondern thematisch zusammengehörige Verse; aneinandergefügt wurden dabei manchmal sogar einzelne Zeilen verschiedener Lieder. Doch nicht nur die versammelte Gemeinde musizierte; regelmäßig trafen sich auch ein Sängerchor oder aber das Collegium musicum. Sie haben natürlich auch erfolgreiche Werke von bekannten Komponisten aufgeführt, wie Homilius, Händel oder Haydn. 

Was also in der Brüdergemeine erklang, das konnte sich wahrlich hören lassen: „Die Herrnhuter haben Musices von allen Instrumenten unter sich, die theils für Virtuosen passieren können, und wird man in mancher Fürstlichen Capelle keine so solide Music antreffen“, schrieb ein Zeitgenosse. 

Diese musikalische Welt also bringt Peter Kopp, mittlerweile Rektor der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle (Saale), in diesem Jahr in die heimatlichen Stuben. Im Mittelpunkt des Programmes steht eine Christ-Nachts-Music für das Jahr 1765 von Christian Gregor (1723 bis 1801). Er war Organist, Prediger und Administrator; als solcher besuchte er auch Glaubensbrüder in Nordamerika. Schließlich wurde er zum Bischof ernannt. Die Musik in der Herrnhuter Brüdergemeine prägte er auch als Herausgeber eines Gesangbuches. Seine Christ-Nachts-Music zeigt sehr schön exemplarisch, wie damals in Herrnhut solche Musiken zusammengestellt worden sind – und wer beim Anhören bekannte Melodien entdeckt, der irrt sich keineswegs. 

Auch die anderen Beispiele, die Kopp ausgewählt hat, sind durchweg hörenswert. Er präsentiert mit dem Vocal Concert Dresden, dem Dresdner Instrumental-Concert und einer ganzen Reihe musikalischer Gäste festliche weihnachtliche Musik, Pauken und Trompeten inklusive, vollkommen abseits des vertrauten Repertoires. Was für eine Entdeckung! 


Mittwoch, 15. Dezember 2021

Little Christmas - St. Florianer Sängerknaben (Ars Produktion)


 Mit dem Chorherrenstift St. Florian feiern auch die St. Florianer Sängerknaben in diesem Jahr 950jähriges Bestehen. Zu den Aufgaben des renommierten Knabenchores, der zu seinen Mitgliedern einstmals unter anderem Anton Bruckner zählte, gehört noch immer die musikalische Gestaltung von Gottesdiensten im Stift St. Florian in Linz. Doch die Jungs singen ebenso zu den Salzburger Festspielen, sie übernehmen Knabenpartien an bedeutenden europäischen Opernhäusern und konzertieren weltweit. 

Zu ihrem Repertoire gehören aber auch Volksweisen, in oftmals coolen modernen Arrangements – und jede Menge Weihnachtslieder, wie diese CD beweist. Sie enthält Aufnahmen aus den Jahren 1998 bis 2021; der Chor wird zumeist vom langjährigen künstlerischen Leiter Franz Farnberger dirigiert, mitunter steht auch Chorleiter Markus Stumpner am Pult. Die Leistungen der Sängerknaben sind ganz erstaunlich; die Leistungen all der Pädagogen, die die Burschen betreuen, kann man gar nicht genug würdigen. 

Der Chorklang ist immer beeindruckend, aber insgesamt doch von Jahr zu Jahr recht unterschiedlich. Das hat seinen Grund. In St. Florian werden die Knaben offensichtlich als heranreifende Künstlerpersönlichkeiten wahrgenommen und individuell gefördert. So sind aus dem Chor im Laufe der Jahre einige exzellente Solisten hervorgegangen. Auch auf dieser CD ist das Solistenensemble mehrfach zu erleben. 

Und gemeinsam mit den Sängerknaben singen bei etlichen Stücken die Herren des Männerchores, den Franz Farnberger 1989 gegründet hat. Das war eine kluge Entscheidung, denn damit hat er einerseits den den St. Florianer Sängerknaben Zugang zu einem sehr viel umfangreicheren Repertoire ermöglicht. Zum anderen bietet der Männerchor aber auch eine Perspektive für Choristen nach dem Stimmbruch – und die Sängerknaben bekommen zugleich „große“ Vorbilder. 

Diese Strategie war sehr erfolgreich, wie die vorliegende CD zeigt. Der Zuhörer darf sich über ein abwechslungsreiches, mit viel Fingerspitzengefühl und wenig Puderzucker zusammengestelltes Programm freuen. Bei jedem einzelnen Lied ist die Begeisterung der jungen Sänger sowie die Freude am Singen zu spüren. Ein gelungenes Weihnachtsgeschenk zum Chorjubiläum. 

Dienstag, 7. Dezember 2021

Angelo Notari - Giovanni Battista Fontana (Audite)

 

Die Stadt Mantua ist wesentlich kleiner als Rom, Mailand , Neapel oder Florenz. Dennoch war sie zur Barockzeit weithin bekannt. Geprägt wurde die lombardische Stadt durch die Familie Gonzaga. Sie schätzte und förderte die Kunst – Musiker wie Claudio Monteverdi waren ein Grund dafür, dass sich der Ruhm Mantuas in ganz Europa verbreitete. Für herrschaftlichen Glanz sorgten auch Maler und Architekten. So vermag der herzogliche Palast noch heute zu beeindrucken. 

Auf dieser CD ist die zum Palazzo gehörende Kirche Santa Barbara zu erleben. Sie ist ein repräsentatives Gesamtkunstwerk, und mit ihrer exzellenten Akustik sowie einander gegenüber liegenden Emporen zudem ein idealer Raum für Musik. Obendrein verfügt sie über eine berühmte Orgel, erbaut 1565 von Graziadio Antegnati. Diese erklingt heute nach einer umfangreichen Restaurierung durch Giorgio Carli wieder in der ursprünglichen Disposition und Stimmung. Und sie hat einen wirklich hinreißend schönen, charaktervollen Klang. 

Diesen magischen Ort hat die Blockflötistin Julia Fritz zusammen mit dem Organisten Johannes Hämmerle ausgewählt, um die vorliegende CD einzuspielen. Zu hören sind Werke von Giovanni Battista Fontana und Angelo Notari, Zeitgenossen Monteverdis. 

Angelo Notari stammte wahrscheinlich aus Padua, und lebte dann etliche Jahre in Venedig, bevor er 1610 nach England ging. Er war Hofmusiker des Königs Charles I., und in der British Library befindet sich ein Notenband, den er wahrscheinlich geschrieben hat. Dieses Manuskript enthält neben eigenen Werken unter anderem Kompositionen von Claudio Monteverdi, nicht selten für eine konkrete Besetzung bearbeitet. Eine Auswahl davon erklingt auf dieser CD, zumeist in Ersteinspielung. 

Die Variationen und Liedbearbeitungen machen deutlich, dass die Kunst der Verzierung in jener Zeit in Italien ebenso beliebt war wie in England. Höchst lebendig wiedergegeben werden diese Stücke von der Sopranistin Magdalene Harer und Blockflötistin Julia Fritz gemeinsam mit der Harfenistin Reinhild Waldek und Johannes Hämmerle an der historischen Orgel. 

Das Programm komplettiert eine Auswahl von Sonaten Giovanni Battista Fontanas. Er stammte aus Brescia, und wirkte in Rom, Venedig und Padua, wo er vermutlich 1630 der Pest zum Opfer fiel. Julia Fritz interpretiert seine Violinsonaten auf verschiedenen Flöten. 

Für mich war diese CD eine Entdeckung. Die Musiker überzeugen vor allem auch durch Sensibilität. Die Flötistin, obzwar technisch jeglicher Herausforderung gewachsen, erliegt nicht der Versuchung, ihre Virtuosität zur Schau zu stellen. Im Dialog mit den Musikerkollegen gestaltet Julia Fritz große melodische Bögen, traumschöne kantable Linien, die sie variantenreich und feinfühlig mit Diminutionen versieht. 

Ein großes Lob geht an dieser Stelle zudem an das Ton-Team. Denn auch die Aufnahmequalität ist hervorragend. Und beim Anhören der CD spürt man den Raum der Basilika – es ist mit Worten schwer zu beschreiben, aber es ist ein Erlebnis, grandios!