Mit dieser CD setzt sich Victor Nicoara dafür ein, dass das Werk von Ferruccio Busoni (1866 bis 1924) nicht in Vergessenheit gerät. Deshalb hat der Pianist für sein Solo-Debüt die sechs Sonatinen eingespielt, die Busoni zwischen 1910 und 1920 komponierte. Komplettiert wird dieses anspruchsvolle Programm durch Nuit de Noel, drei Albumblätter sowie das Fragment einer Sonatina quasi Sonata aus dem Jahre 1914. Dies wiederum inspirierte Nicoara zu seiner Quasi Sonatina, welche er zum Abschluss präsentiert.
„Busoni was very fond of architecture and, upon following both evidence and intuition, I believe he thought of music in a spatial sense“, schreibt der rumänische Pianist, der am Royal College of Music in London Klavier und auch Komposition studiert hat und jetzt in Berlin lebt. „Thus, it is my wish to take the listener on a journey through the sound chambers of Busoni’s mind. With some patience, what at first seems opaque, a puzzling labyrinth, will later reveal itself to be an edifice full of both great orderly refinement and mysterious corners.“
Ferruccio Busoni wuchs in Empoli, westlich von Florenz, auf. Die Eltern, eine Pianistin und ein Klarinettenvirtuose, begannen schon früh mit seiner musikalischen Ausbildung. Als Busoni sieben Jahre alt war, gab er in Triest seine erstes Konzert am Klavier, und er komponierte seine ersten Klavierstücke. Zwei Jahre später spielte das Wunderkind vor Publikum bereits Mozarts c-Moll-Konzert KV 491.
Busoni studierte am Wiener Konservatorium und unterrichtete in Leipzig, Helsinki, Moskau und Boston. 1894 ging er nach Berlin. Während des Weltkrieges lebte der Musiker in Zürich. 1920 kehrte Busoni nach Berlin zurück, wo er bis zu seinem viel zu frühen Tod eine Meisterklasse an der Berliner Akademie der Künste unterrichtete. Er prägte zahlreiche Musikerpersönlichkeiten, wie Philipp Raphael Jarnach, Edgar Varèse, Kurt Weill oder Leo Kestenberg.
Das enorme musikalische Spektrum, das Busoni vertrat, machen die Sonatinen exemplarisch sichtbar. Die Sonatina super Carmen (1920) zeigt, wie Busoni romantische Virtuosentraditionen aufgriff. Die Komposition, die er zu Papier brachte, übertrifft an Vertracktheit wohl selbst Liszts wildeste Tastenfantasien. Doch stark geprägt hat Busoni vor allem seine intensive Auseinandersetzung mit dem Werk von Johann Sebastian Bach. Als Meister des Kontrapunkts zeigt ihn die Sonatina brevis in Signo Joannis Sebastiani Magni (1918), die den Zuhörer aber auch an Reger denken lässt.
Farbenrausch und Eleganz hingegen bietet die erste Sonatina (1910), die eher an impressionistische Klänge erinnert. Doch in all diesen Experimenten bleibt Busoni immer bei sich. Nicht nur als Dirigent und Musiktheoretiker setzte er sich für zeitgenössische Musik ein. Die Sonatinen wirken wie das Echo jener Überlegungen, die er seinerzeit in seinem „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“ (1907/1916) erläutert hat. Man höre nur die Sonatina Seconda (1912) – harmonisch ein Wagnis, und rhythmisch hochkomplex.
„To me, Busoni’s music is at once very intimate and very distant. It tries to guess at the unknowable far away and deep within, living at the limits of our spiritual perception in each direction“, schreibt Victor Nicoara im Beiheft. „It constantly hints at something, without revealing it directly. I tried to search for this quality in sound. The acoustik of the Meistersaal, coupled with the characterful old Steinway – once used by Wilhelm Kempff to record the complete Beethoven Sonatas – and with Sebastian Nattkemper’s magical sound engineering powers brought me to the closest approximation of what I had in mind.“
Der rumänische Pianist interpretiert Busonis Musik mit Noblesse, allerfeinster Klaviertechnik und spektakulärem musikalischen Gestaltungsvermögen. Diese Einspielung ist sehr beeindruckend, und mit seiner Quasi Sonatina setzt Victor Nicoara ein ebenso würdiges wie poetisches Finale. Chapeau!
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