Aus der Flut der Chopin-Veröffent- lichungen zum Chopin-Jahr 2010 ragt diese hier deutlich heraus:
Die französische Pianistin Hélène Tysman, Jahrgang 1982, gibt seiner Musik den Atem zurück; sie prüft die Noten, und musiziert dann mit einer Freiheit, die einen nach all den D-Zug-Interpretatio- nen und all dem seelenlosen Salon- geklimper ebenfalls durchatmen und aufhorchen lässt.
Die französische Pianistin Hélène Tysman, Jahrgang 1982, gibt seiner Musik den Atem zurück; sie prüft die Noten, und musiziert dann mit einer Freiheit, die einen nach all den D-Zug-Interpretatio- nen und all dem seelenlosen Salon- geklimper ebenfalls durchatmen und aufhorchen lässt.
"Er hat sie Sonate genannt", läster- te Schumann einst über Chopins Sonate b-Moll op. 35, "man könnte dies als eine Laune, ja eine An- maßung bezeichnen, denn er hat vier seiner extravaganten Kinder zu einer Bande zusammengestellt, um sie so durchzuschmuggeln." Die musikalische Substanz ist in der Tat verblüffend. Nach dem ersten Satz, dessen Zeitmaß Chopin einst selbst "Allegro" nannte, erklingt erst ein Scherzo - und dann der berühmte Trauermarsch, gefolgt von einem rasanten, extrem kurzen und auch brachialen Finale.
Dieses bekannte Stück ergänzt Tysman dann um die 24 Préludes op. 28, jenes geheimnisvolle Werk, über das Generationen von Pianisten und Musikwissenschaftlern mehr oder weniger gescheite Aufsätze publiziert haben. Tysman ficht das nicht an. Sie nimmt die Préludes nicht als Rätsel, die zu entschlüsseln sind, sondern als Musik, die zum Klingen gebracht werden will. Und spielt jedes einzelne davon so, wie sie es aufgezeichnet findet.
Es ist verblüffend, wie sie die Balance hält zwischen ihrer unbestech- lichen Treue zu Chopins Noten und jener Freiheit der Phrasierung, die seine Musik zum Leben erweckt. So spielt sie die Préludes nicht als mechanische Bravourstücke, sondern - frei nach Couperin - als freie Kompositionen, in denen Chopin einst versuchte, das Wesen der Musik zu ergründen. Sie nimmt sich die Zeit, die sie benötigt, seinen Ideen nachzuhören. Und sie setzt eine ganze Palette an Klangfarben ein. Sie spielt mit Energie, sie gestaltet jedoch auch feinste Nuancen. Man staunt, wie lebendig, frisch und modern Chopin klingen kann. Und man lauscht gespannt, bis der letzte Ton verklungen ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen