Donnerstag, 12. Juli 2012

Nielsen / Tchaikovsky: Violin Concertos; Frang (EMI Classics)

Die norwegische Geigerin Vilde Frang spielt gemeinsam mit dem DR Symfoni Orkestret, dem Sinfonieorchester des dänischen Rundfunks, unter Eivind Gullberg Jensen zwei Violinkonzerte der Spätromantik. Pjotr Iljitsch Tschaikowski hat nur ein einziges Violinkonzert geschrieben; es ist wunderschön, sehr bekannt und in sehr vielen Aufnahmen erhältlich - und es ist ein prominentes Beispiel dafür, wie sich Geschmack ver- ändert. 
Denn es galt zunächst als "unviolinistisch" und unspielbar; der renom- mierte Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick meinte gar, das Werk "bringe uns auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken hört". Heute haben es wohl die mei- sten Solo-Violinisten in ihrem Repertoire, und man staunt, wie un- terschiedlich dieses Konzert interpretiert werden kann. Da erscheint es schwierig, zu einer eigenen Lesart zu finden. Vilde Frang sucht offenbar nach den Spuren des Russischen in diesem Werk - und sie hat einiges gefunden, was sie temperamentvoll in den Orchesterpart ein- flicht. 
Gänzlich anders ist das Violinkonzert von Carl Nielsen (1865 bis 1931). Dieser Komponist war selbst Geiger; das Instrument domi- niert, und das Orchester bringt eher Klangfarben ein, quasi als Klangteppich, als in einen Dialog mit dem Solopart zu treten. Nielsens Konzert verlangt vom Solisten schier pausenlosen Einsatz und eine enorme Gestaltungskraft. Und da lässt Frang aufhorchen. Denn mit welcher Sorgfalt sie jede einzelne Phrase aufbaut, wie sie den Klang formt, und zugleich dabei den großen Zusammenhang nicht aus dem Blick verliert, das beeindruckt schwer. Diese junge Geigerin ist technisch absolut sattelfest, und zugleich mit einer Ausdrucksstärke gesegnet, die man nur bei den ganz großen Solisten antrifft. Eine Jahrhundertsolistin, ohne Frage, von der wir noch viel erwarten dürfen - man höre nur das pianissimo am Ende des Largo; solche Details überzeugen. Brava!

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