Die CD-Reihe „Das Kirchenjahr mit Johann Sebastian Bach“ mit dem Leipziger Thomanerchor ist nun komplett: Kürzlich erschien bei dem Leipziger Label Rondeau CD Nummer 4 mit den Kantaten BWV 22, 23 und 182 zur Passionszeit. Die drei Kantaten sind Bestandteil des ersten Kantatenjahrganges, mit dem sich Bach 1723 den Leipzigern präsentierte. Seinen Dienst als Thomaskantor trat er eigentlich erst im Mai an; mit den Kantaten Jesus nahm zu sich die Zwölfe BWV 22 und Du wahrer Gott und Davids Sohn BWV 23 legte Bach am 7. Februar 1723, dem Sonntag Estomihi, seine Kantoratsprobe vor dem Rat der Stadt ab. Die Texte der Kantaten berichten davon, wie Jesus seinen Jüngern ankündigt, dass er nach Jerusalem gehen wird, sowie von der Heilung des Blinden. Die Kantate Himmelskönig, sei willkommen BWV 182 ist bereits 1714 in Weimar für den Palm- sonntag entstanden; in Leipzig erklang sie zu Mariae Verkündigung am 25. März.
Die eigentliche Passionszeit hingegen war in Leipzig, wie auch die Adventszeit, tempum clausum – eine Zeit, die der stillen Einkehr und der Besinnung dienen sollte. Und deshalb erklang in diesen Wochen auch in den Kirchen keine Figuralmusik. Der Kantor hatte „kantaten- frei“, was natürlich Auswirkungen auf sein Werk hatte. Thomaskantor Georg Christoph Biller bewältigt dieses Dilemma dadurch, dass er den Kantaten jeweils einen Hymnus aus dem Florilegium selectissimorum Hymnorum voran- und so den Passionsbezug herstellt. Damit führt Biller zugleich eine jahrhundertealte Tradition fort.
Denn diese Motettensammlung, die aus dem Schulgesang an der Landesschule Pforta bei Naumburg entstanden ist, wurde durch die Thomaner gern und viel genutzt. Das Florilegium Portense war zu Bachs Zeiten an protestantischen Schulen in Nord- und Mittel- deutschland weit verbreitet. Es erschien in mehreren Ausgaben; die hier verwendete stammt aus dem Jahre 1594 und basiert auf den Hymnen des Komponisten Sethus Calvisius (1556 bis 1615). Dieser wirkte von 1582 bis 1594 als Kantor in Schulpforta, und wurde dann als Thomaskantor nach Leipzig berufen.
Die CD setzt auch ansonsten fort, was mit ihren Vorgängern begonnen wurde. So besetzt Thomaskantor Biller erneut die Sopran- und Alt-Soli der Kantaten mit Knabenstimmen. Zu hören sind die Thomaner Paul Bernewitz, Stefan Kahle und Jakob Wetzig. Bei den Solisten- partien in Tenor und Bass sind mit Patrick Grahl, Tobias Hunger, Gotthold Schwarz und Matthias Weichert ehemalige Mitglieder sächsischer Knabenchöre zu hören, die aber dem Jugendalter mittlerweile entwachsen sind. Die Thomaner singen hörenswert; und es musiziert einmal mehr das Gewandhausorchester Leipzig. Wer mit einer soliden, aber nicht übermäßig inspirierten Aufnahme zufrieden ist und den Klang der Thomaner schätzt, der kann sich die CD guten Gewissens zulegen. Es ist ein wirklich nettes Leipzig-Souvenir; musi- kalisch interessanter sind aber andere Aufnahmen – und Raritäten sind Bach-Kantaten-Einspielungen ja keineswegs.
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