Giovanni Domenico Ferrandini (1709 bis 1791) war lange nur als Name präsent. Man wusste, dass er zum Freundeskreis um Giuseppe Tartini gehörte, und dass ihn 1771 Vater und Sohn Mozart in Padua besuchten. Doch seine Musik war weitgehend verschollen. Das änderte sich, nach- dem Musikwissenschaftler festgestellt hatten, dass die Passionskantate Il pianto di Maria HWV 234 nicht von Händel, sondern von Ferrandini stammt.
Reinhard Goebel hat dann in den 90er Jahren dieses Werk eingespielt, und sorgte damit für Furore. Man schaute plötzlich genauer hin – und fand noch weitere Werke des Komponisten. So wurden in Stockholm Flöten- konzerte überliefert, die Darmstädter Sinfonien sind auch erhalten geblieben, und zudem etliche Passionskantaten.
Auch der Lebensweg Ferrandinis ließ sich nachvollziehen. Geboren wurde er in Venedig als Sohn eines Schuhmachers und Oboisten; 1722 kam er gemeinsam mit seinem Vater an den Münchner Hof. Dort trat der 13jährige in den Dienst des Kurfürsten Karl Albrecht – zunächst spielte er Oboe, später wirkte er als Komponist, und er war obendrein ein exzellenter Gesangslehrer. Mit 28 Jahren wurde Ferrandini zum Kammermusik- direktor ernannt. Dennoch schrieb er weiter Opern, diese sind teilweise erhalten geblieben. So konnte man 2003 in München zum 250. Geburtstag des Cuvilliéstheaters die Oper Catone in Utica erleben, die Ferrandini einst 1753 für die Eröffnung des Hauses geschaffen hatte. 1755 kehrte Ferrandini schließlich nach Italien zurück. Mit einer Pension des Kurfürsten ausge- stattet, ließ er sich in Padua nieder, und vermittelte fortan Sänger an die Münchner Hofoper.
Zu den Gesangsschülern Ferrandinis gehörten auch die Kinder des Kur- fürsten. Kurprinzessin Maria Antonia Walpurgis heiratete 1747 Kurprinz Friedrich Christian von Sachsen. Es wird daher nicht verwundern, dass sich etliche Kantaten Ferrandinis in den Beständen der Landesbibliothek Dresden befinden. Die Kurfürstin war in vielen Künsten beschlagen – sie malte, komponierte und dichtete. Ihre Libretti waren begehrt, ihre Texte wurden unter anderem von Ferrandini, Hasse und Ristori vertont. Auch bei den Kantaten, die aus dem Dresdner Bestand für diese CD ausgewählt wurden, sind Verse der Kurfürstin die Textgrundlage.
Die Mezzosopranistin Olivia Vermeulen und das Ensemble Harmonie Universelle unter Florian Deuter stellen drei Werke aus einem Band mit sechs Cantate con Istromenti vor. Es sind umfangreiche, anspruchsvolle Stücke, die aufhorchen lassen. Denn Ferrandini hat seine ganz eigene Variante des galanten Stils entwickelt. Er knüpft an musikalische Traditionen an, und gestaltet seine Werke ausdrucksstark, einfallsreich und dicht am Text. Auch die zwei Sinfonien des Komponisten machen deutlich, dass galanter Stil deutlich mehr ist als Seufzerfiguren und Gesäusel zu seltsamen Versen. Bezaubernd! Man wundert sich allerdings, wie ein Meister dieses Formates so in Vergessenheit geraten konnte.
Mittwoch, 26. August 2015
Dienstag, 25. August 2015
Beethoven - Schubert - Chopin. Menahem Pressler (BIS)
Menahem Pressler ist unter Musik- freunden eine Legende. Geboren wurde er 1923 als Max Pressler in Magdeburg; nach der Reichskristall- nacht 1938 gelang ihm gemeinsam mit seinen Eltern die Flucht aus Deutschland. 1940 ging er in die USA; 1946 gewann er den Debussy-Klavierwettbewerb in San Francisco. Das wurde der Auftakt für ein musikalisches Lebenwerk, wie es beeindruckender kaum sein könnte. Denn 1955 gründete Pressler das legendäre Beaux Arts Trio, dessen Pianist er bis zur Auflösung des Ensembles im Jahre 2008 war. Seit 60 Jahren unterrichtet er mit Hingabe junge Musiker. Er lehrt weltweit in Meisterklassen, und wirkt als Juror bei internationalen Klavierwettbewerben. Er gibt zudem noch immer Konzerte; so gastierte er 2014 erstmals bei den Berliner Philharmonikern.
Im Jahre 2012 hat er zwei große Sonaten – die Klaviersonate op 110 von Ludwig van Beethoven und die Klaviersonate in B-Dur D 960 von Franz Schubert – für BIS eingespielt. Letztere war Schuberts letztes Instrumen- talwerk überhaupt. Diese beiden Werke komplettiert Pressler mit dem Nocturne cis-Moll von Frédéric Chopin, Musik von einer subtilen Melancholie, die der Pianist allerdings nicht betont in den Mittelpunkt rückt. Sein Klavierspiel erscheint überhaupt wie aus einer anderen Welt: Pressler beeindruckt durch Gelassenheit. Nicht Artistik, sondern Ausdruck und Tiefe sind ihm wichtig; und so entstehen besondere, ja, magische Momente – faszinierend, bewegend, hinreißend.
Im Jahre 2012 hat er zwei große Sonaten – die Klaviersonate op 110 von Ludwig van Beethoven und die Klaviersonate in B-Dur D 960 von Franz Schubert – für BIS eingespielt. Letztere war Schuberts letztes Instrumen- talwerk überhaupt. Diese beiden Werke komplettiert Pressler mit dem Nocturne cis-Moll von Frédéric Chopin, Musik von einer subtilen Melancholie, die der Pianist allerdings nicht betont in den Mittelpunkt rückt. Sein Klavierspiel erscheint überhaupt wie aus einer anderen Welt: Pressler beeindruckt durch Gelassenheit. Nicht Artistik, sondern Ausdruck und Tiefe sind ihm wichtig; und so entstehen besondere, ja, magische Momente – faszinierend, bewegend, hinreißend.
Dienstag, 18. August 2015
Mozart: Die Entführung aus dem Serail (Deutsche Grammophon)
„Bei Mozart ist man immer Teil des Ganzen, wie ein Instrument, das seinen Part hat, aber ohne die Partner nicht existieren kann“, so äußerte sich Rolando Villazón kürzlich in einem Interview. Der Tenor beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit den Opern und Arien von Wolfgang Amadeus Mozart. In dem Langzeitprojekt erarbeitet er sich alle großen Tenorpartien des Kompo- nisten. Was in Salzburg mit Il re pastore und Lucio Silla begann, das findet seine Fortsetzung mittlerweile mit konzertanten Aufführungen im Festspielhaus Baden-Baden. Auf CD erschienen sind bereits Don Giovanni und Cosi fan tutte; nun folgte Die Entführung aus dem Serail.
Einmal mehr musiziert das Chamber Orchestra of Europe unter Yannick Nézet-Séguin – und erneut erweist sich dieses Orchester als ein Glücksgriff; es spielt brillant, und folgt sensibel jedem Wink seines Dirigenten. Die Chöre singt mit Schwung das Vocalensemble Rastatt. Diana Damrau und Anna Prohaska überzeugen als Konstanze und Blonde. Man kann hier zwei ziemlich moderne junge Damen erleben: Prohaska gestaltet ihre Zofe sehr überzeugend, mit Leidenschaft und einer Durchsetzungsfähigkeit, die alles Unglück auf Distanz hält. Franz-Josef Selig gibt einen köstlich komischen Osmin; dem Fräuleinwunder, das ihm eigentlich als Sklavin geschenkt wurde, ist dieser Palastaufseher nicht gewachsen. Damraus grandioser Koloratursopran wirkt mitunter schon fast dramatisch; sie macht das Ringen der entführten Konstanze hörbar, die schwer zu kämpfen hat, dem Bassa Selim zu widerstehen. Den spricht Thomas Quasthoff, gekonnt und sehr kultiviert, doch mit seinen Drohungen weit weniger überzeugend als in seinem Werben. Das nimmt der Figur leider eine Dimension. Den Belmonte singt Rolando Villazón, seinen Diener Pedrillo der junge Tenor Paul Schweinester. Trotz aller Tonmeisterkunst: Nicht jeder Ton ist Gold, der da glänzen sollte. Dennoch gefällt mir die Einspielung, weil sie so wunderbar theatralisch ist. Die Handlung ist hier nicht nur Vorwand für einige der schönsten Arien der Opernhistorie; die Beteiligten gestalten insbesondere auch die Dialoge und Ensembles mit enormer Spielfreude, was tatsächlich hörbar ist. Bravi!
Einmal mehr musiziert das Chamber Orchestra of Europe unter Yannick Nézet-Séguin – und erneut erweist sich dieses Orchester als ein Glücksgriff; es spielt brillant, und folgt sensibel jedem Wink seines Dirigenten. Die Chöre singt mit Schwung das Vocalensemble Rastatt. Diana Damrau und Anna Prohaska überzeugen als Konstanze und Blonde. Man kann hier zwei ziemlich moderne junge Damen erleben: Prohaska gestaltet ihre Zofe sehr überzeugend, mit Leidenschaft und einer Durchsetzungsfähigkeit, die alles Unglück auf Distanz hält. Franz-Josef Selig gibt einen köstlich komischen Osmin; dem Fräuleinwunder, das ihm eigentlich als Sklavin geschenkt wurde, ist dieser Palastaufseher nicht gewachsen. Damraus grandioser Koloratursopran wirkt mitunter schon fast dramatisch; sie macht das Ringen der entführten Konstanze hörbar, die schwer zu kämpfen hat, dem Bassa Selim zu widerstehen. Den spricht Thomas Quasthoff, gekonnt und sehr kultiviert, doch mit seinen Drohungen weit weniger überzeugend als in seinem Werben. Das nimmt der Figur leider eine Dimension. Den Belmonte singt Rolando Villazón, seinen Diener Pedrillo der junge Tenor Paul Schweinester. Trotz aller Tonmeisterkunst: Nicht jeder Ton ist Gold, der da glänzen sollte. Dennoch gefällt mir die Einspielung, weil sie so wunderbar theatralisch ist. Die Handlung ist hier nicht nur Vorwand für einige der schönsten Arien der Opernhistorie; die Beteiligten gestalten insbesondere auch die Dialoge und Ensembles mit enormer Spielfreude, was tatsächlich hörbar ist. Bravi!
Montag, 17. August 2015
Armarium (Raumklang)
„Claustrum sine armario quasi castrum sine armamentario“,
diesen Spruch soll einst ein französischer Augustiner-Chorherr
geprägt haben. Bücher galten als die Waffen des Mönches im Kampf
gegen den Teufel. Und deshalb hatte jedes Kloster seine Bibliothek –
auch St. Thomas zu Leipzig, 1212 durch Markgraf Dietrich von Meißen
gestiftet. In jenem Jahr begann auch die Geschichte des
Thomanerchores. Denn zu dem Kloster gehörte eine Lateinschule,
deren Schüler unter anderem auch im Gesang unterwiesen wurden. Eine
der Aufgaben der Scholaren war der Chorgesang im Gottesdienst. Daran
hat sich auch durch die Reformation und den anschließenden Erwerb
des Thomasklosters durch die Stadt Leipzig nichts geändert – bis
zum heutigen Tage gestalten die Thomaner Gottesdienste.
Das Ensemble Amarcord hat seine Wurzeln im Thomanerchor. Wolfram und Martin Lattke sowie Robert Pohlers, Tenor, Frank Ozimek, Bariton und Daniel Knauft sowie Holger Krause, Bass haben schon verschiedent- lich in historischen Notenschätzen des berühmten Knabenchores gestö- bert. So haben sie auf einer CD bereits Musik aus dem Thomas-Graduale vorgestellt.
Zwei Sequenzen aus diesem Codex vom Beginn des 14. Jahrhunderts bilden auch den musikalischen Rahmen für dieses Programm, in dem die Sänger A-Cappella-Musik aus dem Notenschrank der Thomaner zusammengestellt haben, vom Mittelalter bis zu Heinrich Schütz. Auf der CD finden sich Werke von großen Meistern wie Orlando di Lasso, Thomas Stoltzer oder Johann Walter sowie den einstigen Thomaskantoren Sethus Calvisius und Johann Hermann Schein, neben jenen weniger bekannter Komponisten aus jener Zeit; vieles davon wurde in Sammelbänden wie Florilegium selectissimum hymnorum, Leipzig 1666, oder Florilegium Musici Porten- sis, Leipzig 1621, überliefert. Amarcord singt all diese Stücke aus dem reichen musikalischen Erbe der Thomaner gekonnt, stets durchhörbar und ausgewogen – und mit einem beneidenswert homogenen Ensembleklang. Sehr gelungen!
Das Ensemble Amarcord hat seine Wurzeln im Thomanerchor. Wolfram und Martin Lattke sowie Robert Pohlers, Tenor, Frank Ozimek, Bariton und Daniel Knauft sowie Holger Krause, Bass haben schon verschiedent- lich in historischen Notenschätzen des berühmten Knabenchores gestö- bert. So haben sie auf einer CD bereits Musik aus dem Thomas-Graduale vorgestellt.
Zwei Sequenzen aus diesem Codex vom Beginn des 14. Jahrhunderts bilden auch den musikalischen Rahmen für dieses Programm, in dem die Sänger A-Cappella-Musik aus dem Notenschrank der Thomaner zusammengestellt haben, vom Mittelalter bis zu Heinrich Schütz. Auf der CD finden sich Werke von großen Meistern wie Orlando di Lasso, Thomas Stoltzer oder Johann Walter sowie den einstigen Thomaskantoren Sethus Calvisius und Johann Hermann Schein, neben jenen weniger bekannter Komponisten aus jener Zeit; vieles davon wurde in Sammelbänden wie Florilegium selectissimum hymnorum, Leipzig 1666, oder Florilegium Musici Porten- sis, Leipzig 1621, überliefert. Amarcord singt all diese Stücke aus dem reichen musikalischen Erbe der Thomaner gekonnt, stets durchhörbar und ausgewogen – und mit einem beneidenswert homogenen Ensembleklang. Sehr gelungen!
Samstag, 15. August 2015
Die schönsten Momente - 25 Jahre Festspiele Mecklenburg-Vorpommern (Berlin Classics)
Wie man quasi aus dem Nichts erfolgreich Musikfestspiele zaubert, das dokumentiert Berlin Classics auf zwei Jubiläums-CD: „Die schönsten Momente – 25 Jahre Festspiele Mecklenburg-Vorpommern“ heißt das Doppelalbum, das pünktlich im Juli zum Festivalauftakt erschienen ist. Mit großem Engagement, erstklassigen Partnern und auch einem gehörigen Quäntchen Glück haben die Festivalmacher in ländlicher Umgebung ein Musikfest geschaffen, das nunmehr alljährlich mehr als 80.000 Klassikfans begeistert.
Eine geschickte Mixtur aus Stars und Nachwuchskünstlern sowie aus populären und innovativen Programmen lockt das Publikum teilweise von weither aufs platte Land. Musiziert wird in mehr als 80 Spielstätten, wie alten Gutshäusern, Scheunen, Fabrikhallen, Schlössern und Kirchen – oder unter freiem Himmel. Neben der Musik ist es auch die herrliche Landschaft, die Besucher fasziniert und immer wiederkehren lässt. So haben sich die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern seit dem Gründungs- konzert im Jahre 1990 zum drittgrößten Klassikfestival Deutschlands entwickelt.
Zahlreiche Höhepunkte aus der nunmehr 25jährigen Festspielgeschichte sind auf dieser Doppel-CD noch einmal zu erleben, vom Abschlusskonzert der ersten Saison mit dem MDR Sinfonieorchester unter Max Pommer im Güstrower Dom 1990 bis hin zu den Konzerten des Pianisten Igor Levit, Preisträger in Residence 2014. Ob Junge Elite oder Wiener Philharmoniker – was in der Klassikwelt Rang und Namen hat, das reist mittlerweile auch nach Mecklenburg-Vorpommern. Das Beaux Arts Trio gab 2008 in Ulrichshusen sein deutsches Abschiedskonzert. Die Kings Singers haben 2013 in Putbus im Marstall gemeinsam mit dem Fauré Quartett Brahms' Liebeslieder-Walzer aufgeführt. Ob Wiener Sängerknaben oder Hilliard Ensemble, ob Matthias Schorn, Arabella Steinbacher oder Viviane Hagner, ob das Zürcher Kammerorchester unter Sir Roger Norrington oder das Bayerische Staatsorchester unter Kent Nagano – die Liste der Namen ist lang und illuster; die Auswahl wird in dem umfangreichen, mit vielen Bildern liebevoll gestalteten Beiheft erläutert.
Und wer Lust bekommt, die Künstler live zu erleben: Vom 20. Juni bis zum 19. September 2015 lockt die Jubiläumssaison mit großen Namen wie Anne-Sophie Mutter, Julia Fischer, András Schiff, Kent Nagano, Michael Sanderling, Ulrich Tukur, Götz Alsmann und Klaus Maria Brandauer. Der Festspielfrühling Rügen im März unter der künstlerischen Leitung des Fauré Quartetts sowie in den Wintermonaten die Advents- und Neujahrs- konzerte runden das Festspieljahr ab.
Eine geschickte Mixtur aus Stars und Nachwuchskünstlern sowie aus populären und innovativen Programmen lockt das Publikum teilweise von weither aufs platte Land. Musiziert wird in mehr als 80 Spielstätten, wie alten Gutshäusern, Scheunen, Fabrikhallen, Schlössern und Kirchen – oder unter freiem Himmel. Neben der Musik ist es auch die herrliche Landschaft, die Besucher fasziniert und immer wiederkehren lässt. So haben sich die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern seit dem Gründungs- konzert im Jahre 1990 zum drittgrößten Klassikfestival Deutschlands entwickelt.
Zahlreiche Höhepunkte aus der nunmehr 25jährigen Festspielgeschichte sind auf dieser Doppel-CD noch einmal zu erleben, vom Abschlusskonzert der ersten Saison mit dem MDR Sinfonieorchester unter Max Pommer im Güstrower Dom 1990 bis hin zu den Konzerten des Pianisten Igor Levit, Preisträger in Residence 2014. Ob Junge Elite oder Wiener Philharmoniker – was in der Klassikwelt Rang und Namen hat, das reist mittlerweile auch nach Mecklenburg-Vorpommern. Das Beaux Arts Trio gab 2008 in Ulrichshusen sein deutsches Abschiedskonzert. Die Kings Singers haben 2013 in Putbus im Marstall gemeinsam mit dem Fauré Quartett Brahms' Liebeslieder-Walzer aufgeführt. Ob Wiener Sängerknaben oder Hilliard Ensemble, ob Matthias Schorn, Arabella Steinbacher oder Viviane Hagner, ob das Zürcher Kammerorchester unter Sir Roger Norrington oder das Bayerische Staatsorchester unter Kent Nagano – die Liste der Namen ist lang und illuster; die Auswahl wird in dem umfangreichen, mit vielen Bildern liebevoll gestalteten Beiheft erläutert.
Und wer Lust bekommt, die Künstler live zu erleben: Vom 20. Juni bis zum 19. September 2015 lockt die Jubiläumssaison mit großen Namen wie Anne-Sophie Mutter, Julia Fischer, András Schiff, Kent Nagano, Michael Sanderling, Ulrich Tukur, Götz Alsmann und Klaus Maria Brandauer. Der Festspielfrühling Rügen im März unter der künstlerischen Leitung des Fauré Quartetts sowie in den Wintermonaten die Advents- und Neujahrs- konzerte runden das Festspieljahr ab.
Dienstag, 11. August 2015
Handel: Keyboard Suites (Naxos)
Die Suites de Pièces pour le Clavecin von Georg Friedrich Händel, ver- öffentlicht im Jahre 1720, haben Generationen von Pianisten fasziniert. Es wird daher nicht verwundern, dass es eine Vielzahl von Einspielungen dieser Klavier- suiten gibt.
Händel hat nicht viele Kompositio- nen für das Cembalo geschaffen. Denn Geld war mit derartigen Editionen wohl kaum zu verdienen; Clavierwerke entstanden typischer- weise für den Unterricht oder aber für einen konkreten Auftraggeber, dem Mäzen zum Plaisir. Es wird vermutet, dass Händel in den acht „Londoner Suiten“ eine Reihe von Tanzsätzen zusammengefasst hat, die er zur Unterweisung seiner Schüler genutzt hatte. Diese Handschriften waren dann allerdings an Musikverleger verkauft worden, die eine Edition vor- bereiteten, was seinerzeit allerdings, da Noten noch aufwendig gestochen wurden, einige Zeit dauerte.
Händel erhielt davon Kenntnis – und publizierte seine Werke rasch selbst. Um seine eigene Version von jenem geplanten Raubdruck abzuheben, hat er zudem seine Musik überarbeitet und ergänzt. Und weil er nicht nur für das Marketing ein Händchen hatte, sondern vor allem auch grandiose Klänge geschaffen hat, sind seine Werke bis heute beim Publikum sehr beliebt. So erreichte eine Aufnahme dieser Klaviersuiten, eingespielt von dem britischen Pianisten Philip Edward Fisher in den Jahren 2008 und 2009, hunderttausende Klassikfans. Gleich in der ersten Woche nach Veröffentlichung stieg der erste Teil dieser Edition in die US-Billboard-Charts auf. Naxos hat nunmehr auch den zweiten Teil veröffentlicht.
Fisher musiziert auf einem modernen Konzertflügel. Er nähert sich diesen umfangreichen und großartigen Werken eher unbefangen und beschwört in seiner Interpretation den Geist der Improvisation. Allerdings hat er mit dem musikalischen Vokabular, das Händel und seinen Zeitgenossen ganz selbstverständlich war, offenbar wenig Erfahrung. Mit „Alter“ Musik kennt sich Fisher hörbar nicht aus. Seine Sicht auf das Werk ist die Retrospek- tive; das klingt ganz locker so, als hätte es Bemühungen um eine historisch authentische Aufführungspraxis nie gegeben. Die großen Pianisten früherer Jahre haben die Noten ähnlich subjektiv ausgedeutet – aber diese alten Aufnahmen begeistern durch ihre handwerkliche Brillanz und durch ihre Aura. Davon kann ich hier leider nichts spüren. Schade.
Händel hat nicht viele Kompositio- nen für das Cembalo geschaffen. Denn Geld war mit derartigen Editionen wohl kaum zu verdienen; Clavierwerke entstanden typischer- weise für den Unterricht oder aber für einen konkreten Auftraggeber, dem Mäzen zum Plaisir. Es wird vermutet, dass Händel in den acht „Londoner Suiten“ eine Reihe von Tanzsätzen zusammengefasst hat, die er zur Unterweisung seiner Schüler genutzt hatte. Diese Handschriften waren dann allerdings an Musikverleger verkauft worden, die eine Edition vor- bereiteten, was seinerzeit allerdings, da Noten noch aufwendig gestochen wurden, einige Zeit dauerte.
Händel erhielt davon Kenntnis – und publizierte seine Werke rasch selbst. Um seine eigene Version von jenem geplanten Raubdruck abzuheben, hat er zudem seine Musik überarbeitet und ergänzt. Und weil er nicht nur für das Marketing ein Händchen hatte, sondern vor allem auch grandiose Klänge geschaffen hat, sind seine Werke bis heute beim Publikum sehr beliebt. So erreichte eine Aufnahme dieser Klaviersuiten, eingespielt von dem britischen Pianisten Philip Edward Fisher in den Jahren 2008 und 2009, hunderttausende Klassikfans. Gleich in der ersten Woche nach Veröffentlichung stieg der erste Teil dieser Edition in die US-Billboard-Charts auf. Naxos hat nunmehr auch den zweiten Teil veröffentlicht.
Fisher musiziert auf einem modernen Konzertflügel. Er nähert sich diesen umfangreichen und großartigen Werken eher unbefangen und beschwört in seiner Interpretation den Geist der Improvisation. Allerdings hat er mit dem musikalischen Vokabular, das Händel und seinen Zeitgenossen ganz selbstverständlich war, offenbar wenig Erfahrung. Mit „Alter“ Musik kennt sich Fisher hörbar nicht aus. Seine Sicht auf das Werk ist die Retrospek- tive; das klingt ganz locker so, als hätte es Bemühungen um eine historisch authentische Aufführungspraxis nie gegeben. Die großen Pianisten früherer Jahre haben die Noten ähnlich subjektiv ausgedeutet – aber diese alten Aufnahmen begeistern durch ihre handwerkliche Brillanz und durch ihre Aura. Davon kann ich hier leider nichts spüren. Schade.
Biber: Sonatae Tam Aris Quam Aulis Servientes (Challenge Classics)
Für eine Interpretation der berühmten Sonatae Tam Aris Quam Aulis Servientes von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644 bis 1704) ist Ars Antiqua Austria das ideale Ensemble. Die Musiker um Gunar Letzbor spielen seit vielen Jahren österreichische Barockmusik, die durch vielerlei Einflüsse geprägt wurde. Und für diese beeindruckenden Werke finden sie den perfekten Gestus. Die Sonaten vereinen höfische Klangpracht, tänzerische Ausgelassenheit und rasante Virtuosität – und Ars Antiqua Austria zelebriert all dies mit Leidenschaft und Musizierlust. So ist dem Ensemble eine hinreißende Einspielung gelungen. Bravi!
Water Music - Tales of Nymphs and Sirens (Deutsche Harmonia Mundi)
Den Spuren antiker Wasserwesen folgt Katharina Bäuml mit ihrem Ensemble Cappella de la Torre, quer durch die Musik des des 16. und
17. Jahrhunderts. Die Musiker haben eine Menge interessanter Werke herausgesucht – beispielsweise von Luca Marenzio (1553 bis 1599), Adrian Willaert (1490 bis 1562), Thomas Morley (1557 bis 1602), Orlando di Lasso (1532 bis 1594), Tomás Luis de Victoria (1548 bis 1611) oder Lorenzo Allegri (1567 bis 1648). Von imaginären menschen- ähnlichen Wesen wie den Fluss- göttern und den Quellnymphen bis hin zum vor seinem Tode singenden Schwan tummeln sich darin die verschiedensten mythischen Gestalten. Denn in der Renaissance wurde die antike Literatur wiederentdeckt – und mit ihr ein Paralleluniversum, dessen literarische Bewohner mit dem Christentum zumeist nicht ohne weiteres in Übereinstimmung zu bringen waren.
Die Künstler und ihre Auftraggeber hat das offenbar nicht gestört. Die beiden Welten treten auch in der Musik in spannungsvolle Wechsel- beziehungen, wie diese CD zeigt: Maria wird zum maris stella, der den Gläubigen den Weg auf ihrer Lebensreise weist. In einem Gesang von Josquin Desprez ruft ein Teil der Sänger die Nymphen herbei, auf dass sie trauern helfen – während andere Stimmen einen Psalmtext vortragen, der auf die Vorpassionszeit verweist. Und Baccio Moschini lässt den Flussgott Tiber höchstpersönlich auftreten, um einem Brautpaar von höchstem Stande zu huldigen.
So wird deutlich, dass das Wasser Komponisten fasziniert hat, lang bevor Barockmusiker das Eintauchen der Ruder oder das stürmisch bewegte Meer effektvoll in Musik verwandelt haben. Die Musiker um Katharina Bäuml lassen die Frösche quaken, und die Sirenen singen; die acht Instrumen- talisten, die auf historischen Musikinstrumenten brillieren, werden dabei unterstützt durch die Sopranistin Cécile Kempenaers und Altus Benno Schachtner. Ein farben- und abwechslungsreiches, klug zusammenge- stelltes Programm – sehr erfreulich!
17. Jahrhunderts. Die Musiker haben eine Menge interessanter Werke herausgesucht – beispielsweise von Luca Marenzio (1553 bis 1599), Adrian Willaert (1490 bis 1562), Thomas Morley (1557 bis 1602), Orlando di Lasso (1532 bis 1594), Tomás Luis de Victoria (1548 bis 1611) oder Lorenzo Allegri (1567 bis 1648). Von imaginären menschen- ähnlichen Wesen wie den Fluss- göttern und den Quellnymphen bis hin zum vor seinem Tode singenden Schwan tummeln sich darin die verschiedensten mythischen Gestalten. Denn in der Renaissance wurde die antike Literatur wiederentdeckt – und mit ihr ein Paralleluniversum, dessen literarische Bewohner mit dem Christentum zumeist nicht ohne weiteres in Übereinstimmung zu bringen waren.
Die Künstler und ihre Auftraggeber hat das offenbar nicht gestört. Die beiden Welten treten auch in der Musik in spannungsvolle Wechsel- beziehungen, wie diese CD zeigt: Maria wird zum maris stella, der den Gläubigen den Weg auf ihrer Lebensreise weist. In einem Gesang von Josquin Desprez ruft ein Teil der Sänger die Nymphen herbei, auf dass sie trauern helfen – während andere Stimmen einen Psalmtext vortragen, der auf die Vorpassionszeit verweist. Und Baccio Moschini lässt den Flussgott Tiber höchstpersönlich auftreten, um einem Brautpaar von höchstem Stande zu huldigen.
So wird deutlich, dass das Wasser Komponisten fasziniert hat, lang bevor Barockmusiker das Eintauchen der Ruder oder das stürmisch bewegte Meer effektvoll in Musik verwandelt haben. Die Musiker um Katharina Bäuml lassen die Frösche quaken, und die Sirenen singen; die acht Instrumen- talisten, die auf historischen Musikinstrumenten brillieren, werden dabei unterstützt durch die Sopranistin Cécile Kempenaers und Altus Benno Schachtner. Ein farben- und abwechslungsreiches, klug zusammenge- stelltes Programm – sehr erfreulich!