John Field (1782 bis 1837) ist der Erfinder des Nocturnes. Das Nachtstück, wie man es vielleicht übersetzen könnte, ist eine auskomponierte Traumlandschaft – pure musikalischer Poesie, und die romantische Form. Nicht nur Frédéric Chopin, auch viele andere Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz Liszt, Gabriel Fauré oder Samuel Barber ließen sich davon inspirieren.
Der Ire John Field, geboren in Dub- lin, erhielt ersten Klavierunterricht bei seinem Großvater, einem Organisten. 1792 entschied sich sein Vater, ein Geiger, für eine Stelle in London, und so zog die Familie nach England. Dort setzte Field seine Ausbildung bei Muzio Clementi fort. 1794 gab er seine ersten Konzerte, und erhielt dafür viel Beifall. Als Gegenleistung für die Protektion durch den maestro spielte der junge Pianist die Klaviere seines Lehrers, der nicht nur ein versierter Musiker und Pädagoge, sondern obendrein ein cleverer Unternehmer war. Daher nahm Clementi 1802 seinen Schüler auch mit auf eine Konzertreise, die über Paris und Wien bis nach Russland führte. Dort blieb Field; er wurden in den Salons des russischen Adels herumgereicht, und war als Pianist, Komponist und Klavierlehrer gleichermaßen erfolg- reich. Allerdings konnte er mit Geld und Ruhm nichts anfangen. Anekdo- ten, die seine schlechten Manieren schildern, gibt es zur Genüge.
1831 reiste Field nach London, zur medizinischen Behandlung und um seine Mutter wiederzusehen. Er kam gerade zum richtigen Zeitpunkt, um seinen einstigen Lehrer Clementi und die Mutter zu Grabe zu tragen. In London und auch in Frankreich machte er sich aber, bei aller Brillanz an den Tasten, durch sein Benehmen unmöglich; er reiste weiter nach Italien, was in seinem Zustand eine Qual gewesen sein muss. Beethoven erlebte ihn 1835, auf der Rückreise nach Russsland, bei einem Aufenthalt in Wien, und notierte: „Field verdient viel Geld durch Lektionen, jedoch hat er nie welches, weil er alles in Champagner und Wein vertrinkt.“ Und weder in London noch in Neapel konnten ihm die Ärzte helfen; zum Sitzen benötigte Field daher ein Spezialkissen, ähnlich einem Schwimmring. Der Musiker erlag schließlich, nach langem Leiden, 1837 in Moskau einer Lungenent- zündung.
Field schrieb neben den Nocturnes, die ihn zu einer Legende machten, auch noch jede Menge andere Klavierstücke sowie sieben Klavierkon- zerte. Stefan Irmer hat bei Dabringhaus und Grimm nun sämtliche Nocturnes auf zwei CD zusammengefasst. Der Pianist hat schon mehrfach in Einspielungen Pretiosen vorgestellt, die selten zu hören sind – Rossinis Sünden des Alters beispielsweise oder Klaviermusik von Sigismund Thalberg. Er unterrichtet seit 2013 als Professor für Liedgestaltung an der Musikhochschule Köln.
Mit den mitunter zahlreichen Versionen, in denen die Nocturnes kursie- ren, hat sich Irmer gründlich auseinandergesetzt. „Man kann davon ausgehen, daß jede Druckfassung ein vorläufiges Ergebnis ständigen Veränderns und Ausprobierens war“, schreibt der Pianist im Beiheft zur CD. „Viele der Stücke wurden über einen Zeitraum von Jahrzehnten immer wieder in neuen, teils sehr veränderten Fassungen publiziert, jede davon bis ins Detail penibel redigiert. Der Grund war nicht, vermeintli- che frühere kompositorische Schwächen aus dem Blickwinkel einer zwischenzeitlich erworbenen künstlerischen Reife auszumerzen, sondern immer wieder neuartige Perspektiven auf ein und dasselbe Stück zu eröffnen.“ Irmers Einspielung basiert auf der 1997 in der Reihe Musica Britannica erschienenen Urtextausgabe. Wo sie unterschiedliche Fassungen enthält, hat der Pianist beide eingespielt, so bei den Nocturnes 8 und 10. Außerdem ordnet die Edition auch sechs weitere Kompositionen den Nocturnes zu, obwohl sie andere Titel haben; auch sie sind auf den beiden CD zu hören.
Stefan Irmer geht aber noch einen Schritt weiter: „Fields aus dem Geist der Improvisation geborene Kompositionspraxis inspirierte mich dazu, bei einigen seiner Stücke selbst Hand anzulegen“, erläutert der er. „Die Bearbeitungen von insgesamt sechs seiner Nocturnes unter dem Titel ,Playing with Field' transferieren Themen, Ausschnitte oder auch ganze Kompositionen in die musikalischen Idiome der Jazz- und Tangomusik. Dabei bleiben Melodik, Harmonik und Taktstruktur weitgehend unangetastet. Sie werden lediglich als Improvisationsvorlage genutzt, wobei nie der Blick auf die Originale verstellt wird. Ich hoffe, dass sich mein vergnügen an diesen mit einem Augenzwinkern daherkommenden Metamorphosen auch auf den Zuhörer überträgt.“
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