Fast 50 Jahre leitete Christoph Graupner (1683 bis 1760) die Darmstädter Hofkapelle. Der Musiker, der unter Johann Schelle und Johann Kuhnau an der Thomasschule in Leipzig gelernt und anschließend an der Pleiße Jura studiert hatte, wurde nach einem kurzen Intermezzo in Hamburg 1709 durch Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt engagiert. Wenig später ernannte ihn sein Dienstherr zum Hofkapellmeister, und als Graupner sich später auf Empfehlung seines Freundes Telemann um das Amt des Thomaskantors bewarb, ließ ihn der Landgraf nicht gehen.
So blieb Graupner also in Darmstadt bis ans Ende seiner Tage, und schuf großartige Musik, die nach seinem Tode in Vergessenheit geraten ist. Ein glücklicher Zufall sorgte aber dafür, dass die Werke des Komponisten nahezu geschlossen ins landgräfliche Archiv kamen. Dort haben sie die Zeiten überdauert, so dass sie heute allmählich wieder einem staunenden Publikum vorgestellt werden können.
Wer die Bestände kennt, der weiß, dass da noch so manche Überraschung wartet. Denn Graupners Musik ist nicht nur ausgesprochen originell. Kaum ein zweiter Komponist hat sich zudem so flexibel auf die Fähigkeiten seiner Musiker eingestellt – und derart interessiert auf Anregungen reagiert. Aus seiner Lebensstellung in Darmstadt heraus beobachtete Graupner, was seine Kollegen komponierten, immer auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. So entwickelte er seine Musik weiter – von ausgesprochen barocken Formen bis hin zu Klängen, die man eher der Frühklassik zuordnen würde.
Wie Graupner mit Instrumentierung und Klangfarben experimentierte, das lässt sich sehr schön am Beispiel seiner Kantaten beobachten. Die ersten drei der zehn Passionskantaten, die der Komponist im Jahre 1741 für den landgräflichen Gottesdienst geschaffen hat, sind nun bei cpo erschienen. Florian Heyerick hat sich mit seinem Originalklang-Orchester Mann- heimer Hofkapelle sowie dem Solistenensemble Ex Tempore die Wiederentdeckung dieses Kantatenschatzes auf die Fahnen geschrieben, und man darf davon ausgehen, dass weitere Folgen schon bald vorliegen werden.
Das lohnt sich durchaus; schon die erste Kantate, Erzittre, toll und freche Welt, die den Hörer an die Seite des verzagenden Jesus in den Garten Gethsemane führt, ist ein klangmalerisches Kabinettstück. Hier zeigt sich Graupners besondere Gabe, durch den geschickten Einsatz der jeweils verfügbaren Instrumente ganz erstaunliche Effekte zu erzielen. So ist das Zittern schon zu hören, bevor Tenor Jan Kobow auch nur einen Ton gesungen hat – eine beeindruckende Form der musikalischen Andacht, die von den Musikern der Mannheimer Hofkapelle lustvoll zelebriert wird.
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