Ein abwechslungsreiches Pro- gramm präsentiert Alexej Aljoscha Gerassimez, Gewinner des Deut- schen Musikwettbewerbes 2010, auf seiner Debüt-CD. "Besonders beim Schlagzeug erschließen sich bestimmte Stücke im Konzert leichter. Der Zuhörer kann sehen, wie der Klang entsteht, welches Schlagzeug wie gespielt wird usw.", erläutert der junge Musiker. "Ich habe bei dieser CD den Schwerpunkt auf die melodischen Schlaginstrumente wie Marimba und Vibraphon gelegt. Im Kontrast dazu steht ,Arena' des schwedi- schen Komponisten Tobias Broström, das ausschließlich auf unge- stimmten Schlaginstrumenten wie Tomtoms, Snare Drum, Becken etc. gespielt wird. Klänge also, die man am ehesten auf einer Schlagzeug-CD erwartet. Dieser Erwartungshaltung möchte ich jedoch ein wenig entgegen wirken. Auch, um zu zeigen, wie enorm sich das klassische Schlagzeug inzwischen in melodischer und har- monischer Hinsicht entwickelt hat."
Und weil ein Schlagzeuger die Möglichkeiten, die sich dabei auftun, am besten kennt, hat Gerassimez auch einige Werke selbst kompo- niert. Und es geschehen mitunter merkwürdige Dinge - beispielsweise bei dem Versuch, Libertango von Astor Piazzolla für Klavier und Vibraphon zu arrangieren. Dabei kamen dem Schlagzeuger immer wieder neue Ideen, berichtet er: "Mit der Zeit entwickelte das Stück ein Eigenleben und entfernte sich immer weiter von der ursprüng- lichen Version. Es ist jetzt ein eigenständiges Stück mit jazzigen, minimalistischen Elementen und Improvisationen im Mittelteil."
Bei einigen Stücken wirken auch der Schlagzeuger Julius Heise und Nicolai Gerassimez am Klavier mit. Alexej Gerassimez erweist sich als experimentierfreudig. Er improvisiert nicht nur, er musiziert auch auf Gegenständen, die man nicht unbedingt dem "klassischen" Schlagzeug zuordnen würde, wie Salatschüsseln, Töpfen und Blechdosen. All dies macht diese CD spannend, abwechslungs- und farbenreich. Es ist faszinierend, welche Klänge sich durch das Anschlagen von Gegenständen erzeugen lassen - und wie virtuos man sie kombinieren kann. Bravo!
Donnerstag, 28. Februar 2013
Beethoven: Symphonie No. 6 - Kölner Streichsextett (Avi-Music)
"Diese Pastoralsymphonie dauerte daher schon länger, als ein ganzes Hofkonzert bei uns dauern darf", meckerte Johann Friedrich Rei- chardt über die Uraufführung des Werkes 1808. Die Kritikerschaft war aber nicht nur über die Länge der "Akademie" verärgert, bei der Ludwig van Beethoven obendrein noch seine fünfte Sinfonie und einige andere Werke aufführen ließ. Noch ein Jahr später, nach der Leipziger Premiere, schrieb Friedrich Rochlitz in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung, die sechste Sinfonie sei ein "kaum weniger merkwürdiges und eigenthümliches Produkt".
Aus dem Chor der Irritierten heraus erklingt schließlich die Stimme eines Rezensenten aus Erfurt, der im Januar 1810 in derselben Zeitung eine Lanze für Beethovens Werk bricht. Michael Gotthardt Fischer (1773 bis 1829) begründet aber nicht nur ausführlich, warum er die Sechste für ein "Meisterstück" hält. Der Musiker, der in Erfurt als Organist und Dirigent der Winterkonzerte wirkte, ein Schüler des letzten Bach-Schülers Johann Christian Kittel, hat das Werk auch für eine kleinere Besetzung arrangiert, um es einem größeren Publikums- kreis zugänglich zu machen. Fischers Bearbeitung erschien in Januar 1810 bei Breitkopf und Härtel in Leipzig.
Die Form, die er dafür wählte, ist für uns heute nachvollziehbar. Für die damalige Zeit aber, in der das Streichsextett als Instrumental- formation noch nicht "erfunden" war, muss diese Version ganz er- staunlich gewesen sein. Fischer konzentrierte sich nicht nur auf die Streicherstimmen der Orchesterpartitur; er verteilte auch die Blä- serstimmen auf die sechs Streicher. Das hat durchaus seinen Reiz, zumal das Kölner Streichsextett die Klangfarben entsprechend an- passt. Demetrios Polyzoides und Elisabeth Polyzoides-Baich, Violine, Bernhard Oll und Rémy Sornin-Petit, Viola sowie Uta Schlichtig und Birgit Heinemann, Violoncello, stellen diese "schlanke", kammermusi- kalisch wirkende Version klar strukturiert und durchhörbar vor. Sie ermöglichen mit dieser CD die Wiederentdeckung eines lang verges- senen Arrangements, das beileibe nicht nur für den Kenner seine Reize hat.
Im Kontrast dazu erklingt Six to midnight, ein Streichsextett, das Augusto Valente für das und mit dem Ensemble geschaffen hat. Es stellt extreme technische Anforderungen - aber die artistische Hochleistung bringt keinen nachvollziehbaren Effekt. Mit diesem Werk kann die Rezensentin daher leider wenig anfangen; Spezialisten für zeitgenössische Musik mögen das anders sehen.
Aus dem Chor der Irritierten heraus erklingt schließlich die Stimme eines Rezensenten aus Erfurt, der im Januar 1810 in derselben Zeitung eine Lanze für Beethovens Werk bricht. Michael Gotthardt Fischer (1773 bis 1829) begründet aber nicht nur ausführlich, warum er die Sechste für ein "Meisterstück" hält. Der Musiker, der in Erfurt als Organist und Dirigent der Winterkonzerte wirkte, ein Schüler des letzten Bach-Schülers Johann Christian Kittel, hat das Werk auch für eine kleinere Besetzung arrangiert, um es einem größeren Publikums- kreis zugänglich zu machen. Fischers Bearbeitung erschien in Januar 1810 bei Breitkopf und Härtel in Leipzig.
Die Form, die er dafür wählte, ist für uns heute nachvollziehbar. Für die damalige Zeit aber, in der das Streichsextett als Instrumental- formation noch nicht "erfunden" war, muss diese Version ganz er- staunlich gewesen sein. Fischer konzentrierte sich nicht nur auf die Streicherstimmen der Orchesterpartitur; er verteilte auch die Blä- serstimmen auf die sechs Streicher. Das hat durchaus seinen Reiz, zumal das Kölner Streichsextett die Klangfarben entsprechend an- passt. Demetrios Polyzoides und Elisabeth Polyzoides-Baich, Violine, Bernhard Oll und Rémy Sornin-Petit, Viola sowie Uta Schlichtig und Birgit Heinemann, Violoncello, stellen diese "schlanke", kammermusi- kalisch wirkende Version klar strukturiert und durchhörbar vor. Sie ermöglichen mit dieser CD die Wiederentdeckung eines lang verges- senen Arrangements, das beileibe nicht nur für den Kenner seine Reize hat.
Im Kontrast dazu erklingt Six to midnight, ein Streichsextett, das Augusto Valente für das und mit dem Ensemble geschaffen hat. Es stellt extreme technische Anforderungen - aber die artistische Hochleistung bringt keinen nachvollziehbaren Effekt. Mit diesem Werk kann die Rezensentin daher leider wenig anfangen; Spezialisten für zeitgenössische Musik mögen das anders sehen.
Mozart: Symphonie concertante (Calliope)
Auf dieser CD sind zwei große tschechische Solisten zu erleben: Jan Talich Vater und Sohn musi- zieren gemeinsam. Sie spielen Mozarts Sinfonia concertante KV 364, in der Violine und Viola miteinander konzertieren, und seine nicht minder anspruchs- vollen Duos für die beiden Instrumente KV 423 und 424, die im Konzert leider kaum zu hören sind. Dabei übernimmt Jan Talich junior den Violinpart, und Jan Talich senior, der Gründer des berühmten Talich-Quartetts, spielt die Bratschenstimme.
Es wird nicht verwundern, dass die beiden Talichs bestens darin miteinander harmonieren, wie sie Mozarts Musik ausloten. Wer eine Interpretation sucht, die ohne Mätzchen daherkommt, klangschön und von geradezu klassischem Format, der wird von dieser CD nicht enttäuscht werden. Die beiden Solisten werden bei der Sinfonia concertante durch das Talich Kammerorchester unter Leitung von Kurt Redel begleitet.
Um die beiden Duos rankt sich eine hübsche Legende: Als Mozart 1783 zu Besuch in Salzburg war, besuchte er auch den Hofmusicus und Concertmeister Johann Michael Haydn, mit dem er eng be- freundet war. Der sollte seinem Dienstherren sechs Werke für Violine und Viola liefern. Doch er lag, so wird berichtet, krank zu Bett, und sah sich außerstande, den Zyklus zu vollenden. Und so bat er seinen Freund Mozart, die fehlenden beiden Duos zu verfassen.
Erschienen jedenfalls sind sie dann jedenfalls gemeinsam. Insbeson- dere Mozart erweist sich als Meister darin, zweistimmige Sätze zu gestalten. Anders als Haydn, der der Violine zumeist die Melodie- stimme zuweist, und die Viola in die zweite Reihe verweist, hat Mozart beide Instrumente ziemlich gleichberechtigt behandelt. Violine und Viola erscheinen wie in ein Gespräch vertieft; sie schlagen Themen vor, greifen sie auf, verwandeln und kommentieren sie. Aufmerksam hören auch die beiden Talichs darauf, was ihr Duo-Partner vorträgt, und führen weiter, erwidern, merken an. Eine sehr kultivierte, spannungsvolle Aufnahme aus dem Jahre 1992, die ich empfehlen kann.
Dienstag, 26. Februar 2013
Bach: Ach süßer Trost! Leipzig Cantatas (Phi)
Den Leipziger Kantaten von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) wendet sich Philippe Herreweghe mit seinem Ensemble Collegium Vocale Gent auf dieser CD zu. Das ist durchaus ein span- nendes Thema, denn Bach, der zuvor in Weimar und Köthen als Konzertmeister und als Hof- kapellmeister gewirkt hatte, hatte auch in Leipzig nicht die Absicht, traditionelle Kantorenmusik zu liefern.
Herreweghe hat vier Kantaten aus Bachs erstem Leipziger Kantaten-Jahrgang ausgewählt, um zu demonstrieren, wie experimentier- freudig der neu gewählte Thomaskantor war. Die Kantaten Herr, gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht BWV 105, Schauet doch und sehet, ob irgendein Schmerz sei BWV 46, Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe BWV 25 und Warum betrübst du dich, mein Herz? BWV 138 entstanden sämtlich in den Monaten Juli bis September 1723 - und sie beeindrucken durch formale wie gestalterische Vielfalt. Auch bei den technischen Ansprüchen, die Bach an Instrumentalisten und Sänger stellte, ist zu bemerken, dass er seine Anforderungen keines- wegs zurückschraubte.
Die Sänger und Musiker des Collegium Vocale Gent freilich kann das nicht schrecken. Sie interpretieren die vier Kantaten unter Leitung von Philippe Herreweghe in gewohnt expressiver Weise. Das Ensem- ble ist hervorragend besetzt; die Aufnahme beeindruckt durch ihre erlesene Klangkultur, Ausgewogenheit und Textnähe. Wenn dies eine Reihe werden soll, dann darf man sich auf die nächsten Einspielungen freuen - bravi!
Herreweghe hat vier Kantaten aus Bachs erstem Leipziger Kantaten-Jahrgang ausgewählt, um zu demonstrieren, wie experimentier- freudig der neu gewählte Thomaskantor war. Die Kantaten Herr, gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht BWV 105, Schauet doch und sehet, ob irgendein Schmerz sei BWV 46, Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe BWV 25 und Warum betrübst du dich, mein Herz? BWV 138 entstanden sämtlich in den Monaten Juli bis September 1723 - und sie beeindrucken durch formale wie gestalterische Vielfalt. Auch bei den technischen Ansprüchen, die Bach an Instrumentalisten und Sänger stellte, ist zu bemerken, dass er seine Anforderungen keines- wegs zurückschraubte.
Die Sänger und Musiker des Collegium Vocale Gent freilich kann das nicht schrecken. Sie interpretieren die vier Kantaten unter Leitung von Philippe Herreweghe in gewohnt expressiver Weise. Das Ensem- ble ist hervorragend besetzt; die Aufnahme beeindruckt durch ihre erlesene Klangkultur, Ausgewogenheit und Textnähe. Wenn dies eine Reihe werden soll, dann darf man sich auf die nächsten Einspielungen freuen - bravi!
Montag, 25. Februar 2013
Handel in Darmstadt (Analekta)
Geneviève Soly hat sich ausgiebig mit den Werken Christoph Graup- ners beschäftigt. Eine der wichti- gen Quellen, das Darmstädter Clavierbuch, enthielt aber auch Werke anderer Komponisten: Eine Suite seines Lehrers Johann Kuhnau, einige Stücke seines Kollegen Georg Philipp Telemann und zudem etliche Werke seines Freundes Georg Friedrich Händel.
Die Cembalistin war insbesondere von letzteren so fasziniert, dass sie nun nach Graupners Musik auch 20 der 29 Werke Händels eingespielt hat, die sich in diesem Manu- skript befinden. Und sie hat sich mit dem Clavierbuch auch grund- sätzlich auseinandergesetzt, das zwar Johann Samuel Endler kopiert hat, aber das ursprünglich wohl eine ganz andere Funktion hatte, so Soly: "Cette étude m'a par ailleurs permis d'émettre une hypothèse sur la source utilisée par Samuel Endler: le Livre de clavecin de Darmstadt pourrait bien etre la copie d'un cahier personnel qui appartenait à Graupner depuis ses années d'apprentissage à Leipzig, et qu'il aurait continué à enrichir pendant ses années hambourgeoi- ses et meme ensuite."
Die Werke auf der CD geben zudem einen kleinen Einblick in die barocke Komponistenwerkstatt - denn man stellt fest, dass so manche Passage bekannt klingt, und ein Stück von Graupner belegt, dass Händel wohl gelegentlich auch Themen seiner Freunde parodiert hat. Soly musiziert auf einem Mietke-Cembalo, gebaut 2007 von Matthias Griewich in Bammental. Das Instrument klingt außerordentlich gut, und die Solistin bestätigt einmal mehr ihren Ruf als herausragende Interpretin. Das macht diese CD zu einem Hörvergnügen; und ich empfehle sie daher sehr gern.
Die Cembalistin war insbesondere von letzteren so fasziniert, dass sie nun nach Graupners Musik auch 20 der 29 Werke Händels eingespielt hat, die sich in diesem Manu- skript befinden. Und sie hat sich mit dem Clavierbuch auch grund- sätzlich auseinandergesetzt, das zwar Johann Samuel Endler kopiert hat, aber das ursprünglich wohl eine ganz andere Funktion hatte, so Soly: "Cette étude m'a par ailleurs permis d'émettre une hypothèse sur la source utilisée par Samuel Endler: le Livre de clavecin de Darmstadt pourrait bien etre la copie d'un cahier personnel qui appartenait à Graupner depuis ses années d'apprentissage à Leipzig, et qu'il aurait continué à enrichir pendant ses années hambourgeoi- ses et meme ensuite."
Die Werke auf der CD geben zudem einen kleinen Einblick in die barocke Komponistenwerkstatt - denn man stellt fest, dass so manche Passage bekannt klingt, und ein Stück von Graupner belegt, dass Händel wohl gelegentlich auch Themen seiner Freunde parodiert hat. Soly musiziert auf einem Mietke-Cembalo, gebaut 2007 von Matthias Griewich in Bammental. Das Instrument klingt außerordentlich gut, und die Solistin bestätigt einmal mehr ihren Ruf als herausragende Interpretin. Das macht diese CD zu einem Hörvergnügen; und ich empfehle sie daher sehr gern.
De gusto muy delicado (LMG)
Die spanische Gitarre des 17. und 18. Jahrhunderts unterschied sich deutlich von den uns heute geläufigen Instrumenten. Sichtbar wird dies vor allem in der deutlich höheren Anzahl der Saiten - hatte die Gitarre zunächst fünf Chöre, so waren es später sechs, mitunter sogar sieben Chöre mit zumeist jeweils zwei Saiten.
Thomas Schmitt, ein Schüler von Konrad Ragossnig, stellt auf dieser CD Musik von vier Komponisten für diese damals sehr beliebten Instrumente vor. Er hat Werke von Federico Moretti (um 1765 bis 1838), Fernando Ferandiere (um 1740 bis um 1816) und Juan Anto- nio de Vagas y Guzmán ausgewählt, sowie ein Stück eines namenlosen Musikers, das er aber ebenfalls typisch für die Musik der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts befindet. Sie sind - selbst wenn es Unterrichts- werke sind - unterhaltsam, und stellen den guten Geschmack, den gusto muy delicado, über alles.
Schmitt spielt eine sechschörige Gitarre nach Lorenzo Alonso, ange- fertigt 2009 in der Werkstatt von Carlos Gass in Madrid. In einigen kurzen Stücken ist zudem das Original aus dem Jahre 1797 zu hören. Wer Gitarrenmusik schätzt, der kann hier anhand einer exempla- rischen Einspielung verfolgen, wie die spanische Gitarre am Ausgang der Barockzeit klang, und wie sie eingesetzt wurde. Spannend!
Thomas Schmitt, ein Schüler von Konrad Ragossnig, stellt auf dieser CD Musik von vier Komponisten für diese damals sehr beliebten Instrumente vor. Er hat Werke von Federico Moretti (um 1765 bis 1838), Fernando Ferandiere (um 1740 bis um 1816) und Juan Anto- nio de Vagas y Guzmán ausgewählt, sowie ein Stück eines namenlosen Musikers, das er aber ebenfalls typisch für die Musik der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts befindet. Sie sind - selbst wenn es Unterrichts- werke sind - unterhaltsam, und stellen den guten Geschmack, den gusto muy delicado, über alles.
Schmitt spielt eine sechschörige Gitarre nach Lorenzo Alonso, ange- fertigt 2009 in der Werkstatt von Carlos Gass in Madrid. In einigen kurzen Stücken ist zudem das Original aus dem Jahre 1797 zu hören. Wer Gitarrenmusik schätzt, der kann hier anhand einer exempla- rischen Einspielung verfolgen, wie die spanische Gitarre am Ausgang der Barockzeit klang, und wie sie eingesetzt wurde. Spannend!
Calmus Ensemble - touched (Carus)
Das Leipziger Ensemble Calmus hat sich für seine jüngste CD ein ganz besonderes Programm ausgesucht: "Madrigale und Popsongs, klassi- sche Kompositions- und Song- writerkunst: Kann man das ver- binden?", fragen die Sänger im Beiheft - und geben auch gleich selbst die Anwort: "Man kann! Denn thematisch hat sich rein gar nichts geändert: Liebe, Sehnsucht, Schmerz, aber auch Freude, Leichtigkeit und Überschwang. Das, was unser Herz bewegt, was uns berührt, fand seit jeher in Musik seinen überzeugenden Ausdruck."
So steht hier Michael Jackson neben Adriano Banchieri, Sting neben Henry Purcell, und auf das Lasciatemi morire von Claudio Monte- verdi antwortet Monty Python mit einem Song von Eric Idle Always look on the bright side of life. So sind die Werke auf dieser CD zugleich eine Zeitreise durch mehrere Jahrhunderte. Oft dominiert der wandlungsfähige Sopran von Anja Pöche; am stärksten singt das Ensemble meines Erachtens aber dort, wo die Arrangements komplex und alle Sänger gleichermaßen gefordert sind.
So steht hier Michael Jackson neben Adriano Banchieri, Sting neben Henry Purcell, und auf das Lasciatemi morire von Claudio Monte- verdi antwortet Monty Python mit einem Song von Eric Idle Always look on the bright side of life. So sind die Werke auf dieser CD zugleich eine Zeitreise durch mehrere Jahrhunderte. Oft dominiert der wandlungsfähige Sopran von Anja Pöche; am stärksten singt das Ensemble meines Erachtens aber dort, wo die Arrangements komplex und alle Sänger gleichermaßen gefordert sind.
Sonntag, 24. Februar 2013
Kozeluh: Sonatas for Fortepiano, Flute and Cello (Supraphon)
Leopold Antonín Kozeluh, ge- schrieben oft auch Koscheluch (1747 bis 1818), war als Klavier- virtuose, Musikpädagoge und Komponist in Wien auf dem Höhepunkt seiner Karriere mindestens so beliebt und berühmt wie sein Zeitgenosse Mozart. Umso verwunderlicher ist es, dass sein Name sowie sein umfangreiches Werk heute nahezu vergessen sind.
Die musikalische Ausbildung Kozeluhs begann in seiner Heimatstadt Velvary; schon mit zehn Jahren ging der Knabe nach Prag. Dort lernte er am Altstädter Gymnasium und begann, Jura zu studieren. Doch bald faszinierte die Musik den jungen Mann mehr als die Paragraphen. Hervorragende Lehrer fand er in seinem Vetter Johann Kozeluh und dem gefeierten Cembalisten Franz Xaver Dussek.
Als Leopold Kozeluh 1771 mit einer Ballettmusik sehr erfolgreich war, beschloss er, die Rechte an den Nagel zu hängen und sich fürderhin auf die Musik zu konzentrieren. 1778 ging Kozeluh nach Wien. Dort brillierte er als Pianist, und fand dort binnen kurzer Zeit Zugang zu den höchsten Adelskreisen. So wurde er der Nachfolger von Georg Christoph Wagenseil als Musiklehrer des Hofes. Er unterrichtete zudem Angehörige der Adelshäuser Liechtenstein, Schwarzenberg, Waldstein, Haugwitz und etliche andere, wie man an seinen Widmungen erkennen kann. Zu seinen Schülern gehörte auch die blinde Pianistin Maria Theresia Paradis (1759 bis 1824), die auf ihren Konzertreisen wiederum etliche Werke des Komponisten vorstellte, und so zu seinem Ruhm beitrug.
Als 1781 das Amt des Hoforganisten in Salzburg durch den Weggang Mozarts vakant wurde, lehnte Kozeluh ab. 1792 ernannte ihn Kaiser Franz I. schließlich zum Cammercapellmeister und Hofcomponisten auf Lebenszeit. Mit seinen Werken, die sich durch Grazie und durch Gefälligkeit - was hier als Kompliment steht - auszeichnen, war Kozeluh überaus erfolgreich. Joseph Proksch, ein Schüler des "Prager" Kozeluh und bekannt für sein treffsicheres Urteil, meinte zu den gut in die Hand komponierten Stücken des Wieners, er sei der "Czerny seiner Zeit".
"Trotz des unbezweifelbaren Einflusses Leopold Kozeluhs auf die Musik und die Komponisten seiner eigenen und der folgenden Generationen hatten etliche seiner Zeitgenossen in den letzten Jahrzehnten größeres Glück - ihre Werke wurden in modernen Aufnahmen verewigt", meint Pianistin Monika Knoblochová. "Die vorliegende CD entstand aufgrund unserer Überzeugung, dass Kozeluh mindestens dieselbe Aufmerksamkeit verdient, und möchte dazu beitragen, die erwähnten Schulden gegenüber diesem Komponisten zu begleichen."
Stilistische Untersuchungen führten zu dem Schluss, dass die Trios, die der Komponist "pour le Clavecin ou Piano-forte" in Begleitung diverser Instrumente geschrieben hat, für Hammerklavier entstan- den sind. Hört man Knoblochová, die hier ein Fortepiano der Gebrüder Kobald aus dem Jahre 1985 nach einem Vorbild von Anton Walter aus dem Jahre 1795 spielt, erscheint dies absolut nachvoll- ziehbar. Sie musiziert gemeinsam mit Jana Semerádová, Traversflöte, und Hana Fleková, Violoncello. Die drei Musikerinnen zeigen sich in Bestform - und erfreuen mit einer gelungenen Einspielung von lang vergessenen Werken, die aber durchaus wieder ihren Platz im Repertoire finden sollten.
Die musikalische Ausbildung Kozeluhs begann in seiner Heimatstadt Velvary; schon mit zehn Jahren ging der Knabe nach Prag. Dort lernte er am Altstädter Gymnasium und begann, Jura zu studieren. Doch bald faszinierte die Musik den jungen Mann mehr als die Paragraphen. Hervorragende Lehrer fand er in seinem Vetter Johann Kozeluh und dem gefeierten Cembalisten Franz Xaver Dussek.
Als Leopold Kozeluh 1771 mit einer Ballettmusik sehr erfolgreich war, beschloss er, die Rechte an den Nagel zu hängen und sich fürderhin auf die Musik zu konzentrieren. 1778 ging Kozeluh nach Wien. Dort brillierte er als Pianist, und fand dort binnen kurzer Zeit Zugang zu den höchsten Adelskreisen. So wurde er der Nachfolger von Georg Christoph Wagenseil als Musiklehrer des Hofes. Er unterrichtete zudem Angehörige der Adelshäuser Liechtenstein, Schwarzenberg, Waldstein, Haugwitz und etliche andere, wie man an seinen Widmungen erkennen kann. Zu seinen Schülern gehörte auch die blinde Pianistin Maria Theresia Paradis (1759 bis 1824), die auf ihren Konzertreisen wiederum etliche Werke des Komponisten vorstellte, und so zu seinem Ruhm beitrug.
Als 1781 das Amt des Hoforganisten in Salzburg durch den Weggang Mozarts vakant wurde, lehnte Kozeluh ab. 1792 ernannte ihn Kaiser Franz I. schließlich zum Cammercapellmeister und Hofcomponisten auf Lebenszeit. Mit seinen Werken, die sich durch Grazie und durch Gefälligkeit - was hier als Kompliment steht - auszeichnen, war Kozeluh überaus erfolgreich. Joseph Proksch, ein Schüler des "Prager" Kozeluh und bekannt für sein treffsicheres Urteil, meinte zu den gut in die Hand komponierten Stücken des Wieners, er sei der "Czerny seiner Zeit".
"Trotz des unbezweifelbaren Einflusses Leopold Kozeluhs auf die Musik und die Komponisten seiner eigenen und der folgenden Generationen hatten etliche seiner Zeitgenossen in den letzten Jahrzehnten größeres Glück - ihre Werke wurden in modernen Aufnahmen verewigt", meint Pianistin Monika Knoblochová. "Die vorliegende CD entstand aufgrund unserer Überzeugung, dass Kozeluh mindestens dieselbe Aufmerksamkeit verdient, und möchte dazu beitragen, die erwähnten Schulden gegenüber diesem Komponisten zu begleichen."
Stilistische Untersuchungen führten zu dem Schluss, dass die Trios, die der Komponist "pour le Clavecin ou Piano-forte" in Begleitung diverser Instrumente geschrieben hat, für Hammerklavier entstan- den sind. Hört man Knoblochová, die hier ein Fortepiano der Gebrüder Kobald aus dem Jahre 1985 nach einem Vorbild von Anton Walter aus dem Jahre 1795 spielt, erscheint dies absolut nachvoll- ziehbar. Sie musiziert gemeinsam mit Jana Semerádová, Traversflöte, und Hana Fleková, Violoncello. Die drei Musikerinnen zeigen sich in Bestform - und erfreuen mit einer gelungenen Einspielung von lang vergessenen Werken, die aber durchaus wieder ihren Platz im Repertoire finden sollten.
Weelkes: Grant the King a long life (Obsidian)
Thomas Weelkes (1576-1623) gilt heute als einer der wichtigsten Komponisten des Elisabethani- schen Zeitalters. Seine Kirchen- musik ist ebenso bedeutend wie seine Madrigale und seine Instrumentalwerke. The Choir of Sidney Sussex College Cambridge und das Gambenconsort Fretwork unter Chorleiter David Skinner geben auf dieser CD Einblick in das Werk des Komponisten. Zu hören sind in einer sehr soliden Einspie- lung wichtige Anthems aus Weelkes' Feder, ergänzt durch einige seiner Instrumentalstücke.
Die Zeitgenosssen fanden den Musiker allerdings weniger liebenswert, als seine Musik uns das heute vermuten lässt. Weelkes galt als ein Trunkenbold und Gotteslästerer. Nach einer steilen Karriere, die ihm zunächst den Aufstieg vom Chorsänger zum Organisten und sogar zum Chorleiter an der Kathedrale von Chichester ermöglicht hatte, geriet er daher zunehmend in Konflikt mit seinen Vorgesetzten und Kollegen. Die Klagen häuften sich; Weelkes kam offenbar häufig betrunken oder gar nicht zum Dienst. So verlor er 1617 seine Ämter, und wurde nur noch als Sänger beschäftigt.
Seine Musik aber verrät uns nichts von diesen persönlichen Schwä- chen. "Whatever the truth of Weelkes's life and morals, and setting aside the undoubted sadness of his final years", kommentiert Skinner, "his posthumous reputation deserves to be based in his proven skills as a highly versatile and imaginative composer, with a sure mastery of the variety of styles, performing forces and textures wich we hear on this recording."
Die Zeitgenosssen fanden den Musiker allerdings weniger liebenswert, als seine Musik uns das heute vermuten lässt. Weelkes galt als ein Trunkenbold und Gotteslästerer. Nach einer steilen Karriere, die ihm zunächst den Aufstieg vom Chorsänger zum Organisten und sogar zum Chorleiter an der Kathedrale von Chichester ermöglicht hatte, geriet er daher zunehmend in Konflikt mit seinen Vorgesetzten und Kollegen. Die Klagen häuften sich; Weelkes kam offenbar häufig betrunken oder gar nicht zum Dienst. So verlor er 1617 seine Ämter, und wurde nur noch als Sänger beschäftigt.
Seine Musik aber verrät uns nichts von diesen persönlichen Schwä- chen. "Whatever the truth of Weelkes's life and morals, and setting aside the undoubted sadness of his final years", kommentiert Skinner, "his posthumous reputation deserves to be based in his proven skills as a highly versatile and imaginative composer, with a sure mastery of the variety of styles, performing forces and textures wich we hear on this recording."
Bach: Keyboard concertos; Tharaud (Virgin Classics)
Wie spielt man ein Konzert für vier Klaviere? Alexandre Tharaud fand darauf eine clevere Antwort: "Vier Pianisten zusammenzubringen, die Bachs Musik aus der gleichen Geisteshaltung heraus spielen, ist so gut wie unmöglich", meint der Musiker. "Andererseits ist es müh- sam, dieses Werk einzuspielen, denn der erste Pianist befindet sich zwangsläufig in großer Entfer- nung zum vierten. Dank der Re-Recording-Technik habe ich die vier Soloparts allein gespielt. Ich konnte schnelle Tempi nehmen, die Vivaldis Geist näher sind, und bei jedem der vier Klaviere an den Farben arbeiten - wir hatten sie an vier unterschiedlichen Orten auf der Bühne aufgestellt - und somit die Schwere vermeiden, die häufig vier dicht beieinander stehende moderne Klaviere hervorbringen."
Leichtigkeit ist Tharaud ein gewichtiges Anliegen. Dem Pianisten gelingt das Kunststück, das Klangbild des Cembalos auf den Flügel zu transferieren. Das prägt die Musik auf dieser CD, die Johann Sebastian Bach wohl einst überwiegend für die Aufführungen des Collegium Musicum im Zimmermannischen Kaffeehaus zu Leipzig geschaffen hat.
Tharauds Spiel wirkt niemals hektisch. Sein Solopart erscheint federleicht und beschwingt, eher dahingetupft als mit breitem Pinsel gezeichnet, und zugleich mit einer berückenden Palette an Klangfar- ben. Das ausdrucksstarke Spiel des Solisten wird unterstützt durch das Ensemble Les Violons du Roi unter Bernard Labadie. Die Strei- cher musizieren ebenfalls auf modernen Instrumenten, aber im durch und durch barocken Geist. "Das Rückgrat dieses Programms", so Tharaud, "hat sich mit den vier Konzerten BWV 1052, 1054, 1056 und 1058 von selbst ergeben, da sie sich, wie ich meine, für das Klavier am besten eignen." So entstand eine grandiose Aufnahme, die durch ihre souveräne Klangsprache ebenso beeindruckt wie durch das berückende Zusammenspiel aller Beteiligten. Eine Referenz- aufnahme!
Leichtigkeit ist Tharaud ein gewichtiges Anliegen. Dem Pianisten gelingt das Kunststück, das Klangbild des Cembalos auf den Flügel zu transferieren. Das prägt die Musik auf dieser CD, die Johann Sebastian Bach wohl einst überwiegend für die Aufführungen des Collegium Musicum im Zimmermannischen Kaffeehaus zu Leipzig geschaffen hat.
Tharauds Spiel wirkt niemals hektisch. Sein Solopart erscheint federleicht und beschwingt, eher dahingetupft als mit breitem Pinsel gezeichnet, und zugleich mit einer berückenden Palette an Klangfar- ben. Das ausdrucksstarke Spiel des Solisten wird unterstützt durch das Ensemble Les Violons du Roi unter Bernard Labadie. Die Strei- cher musizieren ebenfalls auf modernen Instrumenten, aber im durch und durch barocken Geist. "Das Rückgrat dieses Programms", so Tharaud, "hat sich mit den vier Konzerten BWV 1052, 1054, 1056 und 1058 von selbst ergeben, da sie sich, wie ich meine, für das Klavier am besten eignen." So entstand eine grandiose Aufnahme, die durch ihre souveräne Klangsprache ebenso beeindruckt wie durch das berückende Zusammenspiel aller Beteiligten. Eine Referenz- aufnahme!
Samstag, 23. Februar 2013
Benda: Six Sonatas (Aeolus)
Jirí Antonín Benda (1722 bis 1795), bekannter als Georg Anton Benda, wirkte als Hofkapellmeister des Herzogs Friedrich III. in Gotha. Er stammte aus einer böhmischen Musikerdynastie; seine Brüder Franz und Johann musizierten in der Hofkapelle Friedrichs von Preußen. Der Kronprinz veranlasste schließlich die Übersiedlung der ganzen Familie nach Potsdam. Dort vollendete Georg Anton seine Ausbildung, und erhielt 1742 ebenfalls eine erste Anstellung in der preußischen Hofkapelle. 1750 ging er dann nach Gotha, wo er nicht nur musizierte und das Orchester leitete, sondern auch komponierte - und der Herzog förderte ihn dabei. So schickte er Benda 1765 auf eine Bildungsreise nach Italien.
Dort hat der Komponist eine Menge Anregungen erfahren. Insbeson- dere das Theatralische faszinierte Benda, so dass er schließlich für die Seylersche Theatergesellschaft mit den berühmten Schauspielern Ekhof und Iffland, die 1774 nach Gotha kam, Bühnenwerke mit Musik schrieb - das Melodram, eine gänzlich neue Gattung, war geboren.
Auch in seinen Clavierwerken - Sechs Sonaten aus dem Jahr 1757 erklingen auf dieser CD - ist das Bestreben Bendas, Musik und thea- tralische Gestik miteinander zu verknüpfen, bereits zu erkennen. Sie erinnern an Werke Carl Philipp Emanuel Bachs - und entwickeln eine musikalische Sprache, die die traditionellen rhetorischen Figuren des Barock durch eigene Erfindungen ersetzt. So gibt Benda dem soge- nannten Empfindsamen Stil seiner Zeit ganz eigene Akzente. Langweilig jedenfalls sind die Sonaten nicht, die Bernhard Klapproth hier in großartiger Weise eingespielt hat.
Wer diese Aufnahme gehört hat, der dürfte zudem nachfühlen können, warum das Clavichord mit seinem wandelbaren Klang das bevorzugte Instrument jener Tage war, in denen eine ästhetische Debatte geführt wurde, deren Ziel die Ablösung des als "schwülstig" empfundenen, stark reglementierten Barock durch "Natürlichkeit" war. Hier erklingt ein Instrument des Dresdner Klavierbauers Joseph Gottfried Horn (1739 bis 1797). Wo er dieses Handwerk erlernt hat, das ist unklar - doch dieses Clavichord aus dem Jahre 1788, das sich heute in der Sammlung Beurmann befindet, ist ein hervorragendes Instrument mit einem wundervollen, silbrigen Ton.
Dort hat der Komponist eine Menge Anregungen erfahren. Insbeson- dere das Theatralische faszinierte Benda, so dass er schließlich für die Seylersche Theatergesellschaft mit den berühmten Schauspielern Ekhof und Iffland, die 1774 nach Gotha kam, Bühnenwerke mit Musik schrieb - das Melodram, eine gänzlich neue Gattung, war geboren.
Auch in seinen Clavierwerken - Sechs Sonaten aus dem Jahr 1757 erklingen auf dieser CD - ist das Bestreben Bendas, Musik und thea- tralische Gestik miteinander zu verknüpfen, bereits zu erkennen. Sie erinnern an Werke Carl Philipp Emanuel Bachs - und entwickeln eine musikalische Sprache, die die traditionellen rhetorischen Figuren des Barock durch eigene Erfindungen ersetzt. So gibt Benda dem soge- nannten Empfindsamen Stil seiner Zeit ganz eigene Akzente. Langweilig jedenfalls sind die Sonaten nicht, die Bernhard Klapproth hier in großartiger Weise eingespielt hat.
Wer diese Aufnahme gehört hat, der dürfte zudem nachfühlen können, warum das Clavichord mit seinem wandelbaren Klang das bevorzugte Instrument jener Tage war, in denen eine ästhetische Debatte geführt wurde, deren Ziel die Ablösung des als "schwülstig" empfundenen, stark reglementierten Barock durch "Natürlichkeit" war. Hier erklingt ein Instrument des Dresdner Klavierbauers Joseph Gottfried Horn (1739 bis 1797). Wo er dieses Handwerk erlernt hat, das ist unklar - doch dieses Clavichord aus dem Jahre 1788, das sich heute in der Sammlung Beurmann befindet, ist ein hervorragendes Instrument mit einem wundervollen, silbrigen Ton.
Loewe: Songs & Ballads (Hyperion)
Johann Carl Gottfried Loewe (1796 bis 1869) war das zwölfte Kind eines Kantors und Organisten aus dem Städtchen Löbejün, nördlich von Halle/Saale. Er besuchte in Köthen die Schule. Sein musikali- sches Talent fiel früh auf, so dass er seine Ausbildung mit einem Sti- pendium des Königs Jérome Bonaparte an den Franckeschen Stiftungen in Halle fortsetzen konnte. Dort sang er im Stadtsinge- chor, und er erhielt Unterricht bei Daniel Gottlob Türk und auch durch Johann Friedrich Reichardt, der im nahegelegenen Giebichen- stein lebte.
Schon in jungen Jahren schuf Loewe einiger seiner grandiosen Balladen; so entstanden Edward und Erlkönig 1817/18, noch während seiner Studienzeit in Halle. Goethe und Zelter zeigten sich davon sehr beeindruckt. 1820 ging Loewe als Musikdirektor nach Stettin. 1847 spielte und sang er in London bei Hofe, wobei ihm Prinz Albert höchstpersönlich umblätterte. Mit seinem strahlenden, hohen Bariton (und seiner Ehefrau, einer Sopranistin) war dieser fahrende Sänger der Romantik sicherlich die beste Werbung für seine Werke.
Notwendig war dies aber nicht. Denn mit seinen Balladen und Liedern traf Carl Loewe perfekt den Geschmack seiner Zeit, die das Ungekün- stelte, Schlichte zum Ideal erklärt hatte. So schrieben die Dichter Balladen und sammelten Märchen und Volkslieder. Und auch etliche Komponisten schrieben Lieder, die so eingängig waren, dass sie wenig später als Volkslieder in das Liedgut eingereiht wurden.
Die Werke Loewes waren dafür wohl doch zu sehr Kunst. Mit ihrer sprechenden, anspruchsvollen Klavierbegleitung sind sie allerdings noch heute ein Hörvergnügen - zumal, wenn sie derart gekonnt vorgetragen werden, wie auf dieser CD. Der österreichische Sänger Florian Boesch begeistert durch seinen kernigen Bariton ebenso wie durch seine intelligente Liedgestaltung. Und Roger Vignoles am Klavier ist ihm ein kongenialer Partner.
Schon in jungen Jahren schuf Loewe einiger seiner grandiosen Balladen; so entstanden Edward und Erlkönig 1817/18, noch während seiner Studienzeit in Halle. Goethe und Zelter zeigten sich davon sehr beeindruckt. 1820 ging Loewe als Musikdirektor nach Stettin. 1847 spielte und sang er in London bei Hofe, wobei ihm Prinz Albert höchstpersönlich umblätterte. Mit seinem strahlenden, hohen Bariton (und seiner Ehefrau, einer Sopranistin) war dieser fahrende Sänger der Romantik sicherlich die beste Werbung für seine Werke.
Notwendig war dies aber nicht. Denn mit seinen Balladen und Liedern traf Carl Loewe perfekt den Geschmack seiner Zeit, die das Ungekün- stelte, Schlichte zum Ideal erklärt hatte. So schrieben die Dichter Balladen und sammelten Märchen und Volkslieder. Und auch etliche Komponisten schrieben Lieder, die so eingängig waren, dass sie wenig später als Volkslieder in das Liedgut eingereiht wurden.
Die Werke Loewes waren dafür wohl doch zu sehr Kunst. Mit ihrer sprechenden, anspruchsvollen Klavierbegleitung sind sie allerdings noch heute ein Hörvergnügen - zumal, wenn sie derart gekonnt vorgetragen werden, wie auf dieser CD. Der österreichische Sänger Florian Boesch begeistert durch seinen kernigen Bariton ebenso wie durch seine intelligente Liedgestaltung. Und Roger Vignoles am Klavier ist ihm ein kongenialer Partner.
Donnerstag, 21. Februar 2013
Wagner: Die Feen (Oehms Classics)
Die Musik überwindet alles, und sie macht unsterblich. Das ist das Fazit der Oper Die Feen, die Wilhelm Richard Wagner (1813 bis 1883) im Januar 1834 beendete. Es war das erste vollendete Werk des Komponisten, und die Oper in seiner Heimatstadt Leipzig zeigte - trotz bester familiärer Beziehungen - nicht wirklich Interesse daran.
Dem Theaterpraktiker wird beim Blick auf die Partitur klar, warum diese Oper im Spielbetrieb wenig Chancen hatte (und auch weiterhin haben wird): Wagner verlangt gleich sieben unterschiedliche Spielorte, für die aufwendige Bühnenbilder anzufertigen wären, dazu ein nicht zu kleines Orchester, ein Ensemble von zwölf Solisten - und der Chor hat ebenfalls gut zu tun. Und wie könnte es anders sein: Die männliche Hauptrolle, der Königssohn Arindal, ist für einen Tenor komponiert, der locker auch einen Stolzing, einen Lohengrin oder einen Parsifal bewältigen kann. Der Sänger, der diese Partie über- nimmt, ist vom zweiten Bild bis zum letzten Takt beinahe pausenlos präsent. Wie viele Tenöre es gibt, die dies leisten können - diese Frage mag sich jeder selbst beantworten.
Bei der vorliegenden Aufnahme, dem Mitschnitt einer konzertanten Aufführung 2011 in Frankfurt am Main, hat Burkhard Fritz die Partie übernommen. Der Tenor, der in Hamburg Medizin und zugleich bei Ute Buge und Alfredo Kraus Gesang studiert hat, behauptet sich wacker, und gefällt mit Strahlkraft und Schmelz. Die amerikanische Sopranistin Tamara Wilson sang die Fee Ada. Ihr jugendlich-dramati- scher Sopran erscheint vielversprechend, allerdings klingt die Stimme in der Höhe noch etwas spitz.
Ada ist mit Arindal liiert, was allerdings im Feenreich nicht unbedingt Begeisterung auslöst. Die Intrigantinnen Zemina und Farzena, hier besetzt mit Anja Fildelia und Juanita Lascarro, bemühen sich daher wacker, das Paar auseinanderzubringen. Ein Schelm, wer hier die dritte Dame vermisst.
Brenda Rae bezaubert mit einem wundervollen lyrischen Koloratur- sopran in der Rolle von Arindals Schwester Lora; ihr sekundiert mit zauberhaftem Timbre Christiane Karg als Zofe Drolla. Auch die anderen Partien sind sehr hörenswert besetzt, der Opernchor zeigt sich in Hochform, und das Frankfurter Opern- und Museumsorche- ster unter Sebastian Weigle entlockte Wagners Partitur erstaunlich viel Spannung. Das ist gar nicht so einfach, denn die Musik von Die Feen erweist sich als eine Art Mega-Plagiat. Der junge Wagner zeigt hier relativ offen, wer ihn inspiriert hat - von Mozart über Nicolai, Weber und Lortzing bis hin zu Beethoven reichen die Anregungen und somit die Zitate.
Der Opernfreund wird sich darüber amüsieren. Denn die Qualität dieser Aufnahme tröstet über so manche Schwäche hinweg. An einem Stadttheater freilich sollte man sich diese Oper besser nicht anhören. Wenn auch die Handlung bereits mit einem großen Anspruch (und einem noch etwas klapprigen Libretto) antritt - die Musik bleibt eine Jugendsünde.
Dem Theaterpraktiker wird beim Blick auf die Partitur klar, warum diese Oper im Spielbetrieb wenig Chancen hatte (und auch weiterhin haben wird): Wagner verlangt gleich sieben unterschiedliche Spielorte, für die aufwendige Bühnenbilder anzufertigen wären, dazu ein nicht zu kleines Orchester, ein Ensemble von zwölf Solisten - und der Chor hat ebenfalls gut zu tun. Und wie könnte es anders sein: Die männliche Hauptrolle, der Königssohn Arindal, ist für einen Tenor komponiert, der locker auch einen Stolzing, einen Lohengrin oder einen Parsifal bewältigen kann. Der Sänger, der diese Partie über- nimmt, ist vom zweiten Bild bis zum letzten Takt beinahe pausenlos präsent. Wie viele Tenöre es gibt, die dies leisten können - diese Frage mag sich jeder selbst beantworten.
Bei der vorliegenden Aufnahme, dem Mitschnitt einer konzertanten Aufführung 2011 in Frankfurt am Main, hat Burkhard Fritz die Partie übernommen. Der Tenor, der in Hamburg Medizin und zugleich bei Ute Buge und Alfredo Kraus Gesang studiert hat, behauptet sich wacker, und gefällt mit Strahlkraft und Schmelz. Die amerikanische Sopranistin Tamara Wilson sang die Fee Ada. Ihr jugendlich-dramati- scher Sopran erscheint vielversprechend, allerdings klingt die Stimme in der Höhe noch etwas spitz.
Ada ist mit Arindal liiert, was allerdings im Feenreich nicht unbedingt Begeisterung auslöst. Die Intrigantinnen Zemina und Farzena, hier besetzt mit Anja Fildelia und Juanita Lascarro, bemühen sich daher wacker, das Paar auseinanderzubringen. Ein Schelm, wer hier die dritte Dame vermisst.
Brenda Rae bezaubert mit einem wundervollen lyrischen Koloratur- sopran in der Rolle von Arindals Schwester Lora; ihr sekundiert mit zauberhaftem Timbre Christiane Karg als Zofe Drolla. Auch die anderen Partien sind sehr hörenswert besetzt, der Opernchor zeigt sich in Hochform, und das Frankfurter Opern- und Museumsorche- ster unter Sebastian Weigle entlockte Wagners Partitur erstaunlich viel Spannung. Das ist gar nicht so einfach, denn die Musik von Die Feen erweist sich als eine Art Mega-Plagiat. Der junge Wagner zeigt hier relativ offen, wer ihn inspiriert hat - von Mozart über Nicolai, Weber und Lortzing bis hin zu Beethoven reichen die Anregungen und somit die Zitate.
Der Opernfreund wird sich darüber amüsieren. Denn die Qualität dieser Aufnahme tröstet über so manche Schwäche hinweg. An einem Stadttheater freilich sollte man sich diese Oper besser nicht anhören. Wenn auch die Handlung bereits mit einem großen Anspruch (und einem noch etwas klapprigen Libretto) antritt - die Musik bleibt eine Jugendsünde.
Brom und Filuh (Querstand)
Das Akkordeon Brom und die Flöte Filuh fallen in Schweden von einem Lkw. Anschließend verirren sie sich in der Wildnis. Von den Abenteuern, die sie dabei erleben, erzählt die Altenburger Kinder- buchautorin Elisabeth Dommer. Unterstützt wird sie vom Leipziger Gewandhaus-Kinderchor - und diese CD enthält die Lieder, die die Chorkinder dazu beitragen.
Die CD beginnt und endet mit schmissigen Klängen der beiden Protagonisten; Werner Osten, Akkordeon, und Karin Grossmann, Blockflöte, spielen sie schwungvoll und mit Humor. Es folgen mehr oder minder bekannte Kinderlieder in anspruchsvollen, klang- schönen Arrangements. Begleitet werden die jungen Sänger durch das Gewandhaus-Bläserquintett. Man darf vermuten, dass die Musik von Frank-Steffen Elster stammt (leider finden sich dazu keine Angaben). Er leitet den Kinderchor, und es ist bekannt, dass er auch kompo- niert.
Die Aufnahme stammt vom Jahreswechsel 2005/06. Damals klang der Chor sehr homogen, sauber und ausgewogen, aber leider auch ein bisschen gebremst und langweilig. Klagen muss man auch über die mangelhafte Textverständlichkeit. Doch die jungen Chorsänger, die damals an dieser Aufnahme mitgewirkt haben, dürften mittlerweile aus dem Schulalter bereits herausgewachsen sein.
Es bleibt unter dem Strich eine schöne, hörenswerte Kinder-CD, die sich wohltuend von dem handelsüblichen Umtata unterscheidet, das heute als Kindermusik verkauft wird - man hat mitunter den Ein- druck, es soll die lieben Kleinen gleich auf die volkstümliche Hit- parade hin konditionieren. Wer ein Kontrastprogramm sucht - hier ist es.
Die CD beginnt und endet mit schmissigen Klängen der beiden Protagonisten; Werner Osten, Akkordeon, und Karin Grossmann, Blockflöte, spielen sie schwungvoll und mit Humor. Es folgen mehr oder minder bekannte Kinderlieder in anspruchsvollen, klang- schönen Arrangements. Begleitet werden die jungen Sänger durch das Gewandhaus-Bläserquintett. Man darf vermuten, dass die Musik von Frank-Steffen Elster stammt (leider finden sich dazu keine Angaben). Er leitet den Kinderchor, und es ist bekannt, dass er auch kompo- niert.
Die Aufnahme stammt vom Jahreswechsel 2005/06. Damals klang der Chor sehr homogen, sauber und ausgewogen, aber leider auch ein bisschen gebremst und langweilig. Klagen muss man auch über die mangelhafte Textverständlichkeit. Doch die jungen Chorsänger, die damals an dieser Aufnahme mitgewirkt haben, dürften mittlerweile aus dem Schulalter bereits herausgewachsen sein.
Es bleibt unter dem Strich eine schöne, hörenswerte Kinder-CD, die sich wohltuend von dem handelsüblichen Umtata unterscheidet, das heute als Kindermusik verkauft wird - man hat mitunter den Ein- druck, es soll die lieben Kleinen gleich auf die volkstümliche Hit- parade hin konditionieren. Wer ein Kontrastprogramm sucht - hier ist es.
Mozart: Violin Sonatas arranged for flute and piano (Naxos)
Schaut man in sein Werkverzeich- nis, dann hat Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) die Flöte nur sehr gelegentlich mit Kompo- sitionen bedacht - was Flötisten bedauern. Denn seine beiden Flötenkonzerte, das Konzert für Flöte und Harfe, das Flötenquar- tett KV 285 sowie das berühmte Andante KV 315 sind durchaus gelungen, wenn man bedenkt, dass Mozart über die Flöte schrieb, sie sei "ein instrument, das ich nicht leiden kan".
Sucht man weiter nach Flötenmusik des Komponisten, so finden sich noch einige Sonaten, die er als Achtjähriger in London geschrieben hat. Sie waren für Violine oder Flöte und ein Tasteninstrument bestimmt, und Königin Charlotte gewidmet. Patrick Gallois, ein Schüler von Jean-Pierre Rampal und derzeit einer der besten Virtuosen auf diesem Instrument, hat aus den Sonaten für Klavier, zumeist in Begleitung einer Violine, die Mozart nach seiner Salzburger Kündigung geschaffen hat, vier ausgewählt, und für Flöte und Klavier bearbeitet.
Damit ist ihm ein großer Wurf gelungen, denn sie klingen nun, als wären sie tatsächlich für Flöte entstanden - und stellen eine enorme Bereicherung des schmalen Repertoires dar. Gallois hat die vier Werke gemeinsam mit der Pianistin Maria Prinz bei Naxos eingespielt. Es ist eine gelungene CD, klangschön, elegant und virtuos. Schön wäre es, wenn er nun auch noch die Noten publizieren würde.
Sucht man weiter nach Flötenmusik des Komponisten, so finden sich noch einige Sonaten, die er als Achtjähriger in London geschrieben hat. Sie waren für Violine oder Flöte und ein Tasteninstrument bestimmt, und Königin Charlotte gewidmet. Patrick Gallois, ein Schüler von Jean-Pierre Rampal und derzeit einer der besten Virtuosen auf diesem Instrument, hat aus den Sonaten für Klavier, zumeist in Begleitung einer Violine, die Mozart nach seiner Salzburger Kündigung geschaffen hat, vier ausgewählt, und für Flöte und Klavier bearbeitet.
Damit ist ihm ein großer Wurf gelungen, denn sie klingen nun, als wären sie tatsächlich für Flöte entstanden - und stellen eine enorme Bereicherung des schmalen Repertoires dar. Gallois hat die vier Werke gemeinsam mit der Pianistin Maria Prinz bei Naxos eingespielt. Es ist eine gelungene CD, klangschön, elegant und virtuos. Schön wäre es, wenn er nun auch noch die Noten publizieren würde.
Mittwoch, 20. Februar 2013
Haydn: String Quartets op. 20 (Hyperion)
"There is perhaps no single or sextuple opus in the history of instrumental music which has achieved so much or achieved it so quietly", schrieb Donald Tovey in Cobbetts Cyclopaedia of Chamber Music über die sechs Streichquartette op. 20 von Joseph Haydn (1732 bis 1809). Diese Werke, nach der Titelseite eines der ersten Drucke gern Sonnenquartette genannt, sind ein gewichtiger Grund dafür, dass er bis heute als Vater des Streich- quartettes gilt. Zwar hatten zuvor auch schon andere Komponisten Werke für zwei Violinen, Viola und Violoncello geschrieben. Doch Haydn machte aus der einstigen Freiluft-Serenade jene "Unterhal- tung von vernünftigen Leuten", die schon Goethe rühmte, und die bis zum heutigen Tage das Publikum fasziniert. Haydn war der erste Kom- ponist, der auf die Idee kam, jedem der vier beteiligten Instrumente eine eigenständige musikalische Identität zu verleihen. Wie von Zau- berhand sind hier die Themen verwoben. Ideen werden entwickelt, weitergereicht, ausgetauscht.
The London Haydn Quartet hat sich der Pflege dieses reichen Erbes verschrieben. Catherine Manson, Michael Gurevich, James Boyd und Richard Lester spielen Haydns Musik mit berückender Musikalität, großem Engagement - und mit hinreißender Eleganz. Eine traumhaft schöne, rundum gelungene Aufnahme, die ich nur empfehlen kann.
The London Haydn Quartet hat sich der Pflege dieses reichen Erbes verschrieben. Catherine Manson, Michael Gurevich, James Boyd und Richard Lester spielen Haydns Musik mit berückender Musikalität, großem Engagement - und mit hinreißender Eleganz. Eine traumhaft schöne, rundum gelungene Aufnahme, die ich nur empfehlen kann.
Telemann: 12 Fantasies for Solo Viola (Berlin Classics)
Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) spielte, wie seinerzeit nicht unüblich, etliche Instrumente. Wir erfahren dies beispielsweise aus einem Schreiben, mit dem sich der Musiker 1712 in Frankfurt am Main um das Amt des Musikdirektors bewarb. Dem Stadtrat teilte er bei dieser Gelegenheit mit, dass er "hauptsächlich die Violine, sodann das Clavir, Flaute, Chalumeaux, Violoncello und Calchedon, wohl zu tractiren" wisse. In seinen Me- moiren ergänzt er die Aufzählung noch um Oboe, Blockflöte, Gambe, Posaune und Kontrabass.
Diese Breite an Kenntnissen erleichterte es Telemann sicherlich, in seinen Kompositionen Instrumente nicht nur als Träger von Klang- farben, sondern auch gekonnt auf unterschiedlichem technischen Niveau einzusetzen. Nicht in erster Linie für den Virtuosen, sondern vor allem auch für die Hausmusik schrieb er seine Musik.
Die besondere Liebe Telemanns galt wohl der Violine, die er mit einer Vielzahl von Werken bedachte - 22 Violinkonzerte, etliche Sonaten sowie ausgiebige Solopassagen in seinen Opern, Oratorien und Kanta- ten legen davon Zeugnis ab. Dieses Oeuvre krönte der Komponist schließlich mit den Zwölf Fantasien für Violine ohne Bass. Dieses Werk veröffentlichte er 1735 in Hamburg - 15 Jahre, nachdem Johann Sebastian Bach seine Sonaten und Partiten für Violine solo vollendet hatte.
An Bach wird Telemann gemessen, und dabei kommt er nicht gut weg. Dem Director Musices der Stadt Hamburg aber wird diese gestrenge Elle nicht gerecht. Denn obzwar er auch Cantor am Johanneum und für die Kirchenmusik an den fünf Hauptkirchen zuständig war, führte Telemann die musikalische Tradition vollkommen anders weiter als sein Leipziger Kollege. Ihm ging es weniger um Kontrapunkt und Intensität des Ausdruckes als vielmehr um kunstvoll gestaltete Melo- dien und die Integration neuer musikalischer Ideen.
So sind auch nur die ersten sechs Fantasien durch den Kontrapunkt geprägt. Die verbleibenden sechs Fantasien - der Komponist nannte sie Galanterien - erscheinen beschwingter, die einzelnen Sätze imitie- ren oftmals Tänze. Das Werk ist aber nicht nur in einen gelehrten und einen unterhaltsamen Teil gegliedert; auf zwei Fantasien in Dur folgt auch stets eine Fantasie in einer Moll-Tonart.
Telemann variiert zudem die Struktur - er nutzt die traditionelle viersätzige Kirchensonate, ein weiteres Modell, bei dem auf einen langsamen zwei schnelle Sätze folgen, und eines, das wie ein Konzert einen langsamen Satz durch zwei schnelle Sätze einrahmt. Der Kom- ponist, so scheint es, erprobt in diesen kurzen Stücken in knapper Form die Ausdrucksmöglichkeiten der spätbarocken, fast schon galanten Violinmusik.
"Obwohl Telemann seine zwölf Fantasien ursprünglich für Sologeige und nicht für Bratsche eingerichtet hat, glaube ich, mit der Brat- schenversion ein interessantes neues Licht auf sie zu werfen", sagt Ori Kam. Er hat kürzlich eine Aufnahme dieser Werke bei Berlin Classics vorgelegt. "Die Mittellage der Bratsche ermöglicht es dem Aufführenden, bis in die Lage der Geige hinauf- und in die des Cellos hinabzusteigen. Somit verleiht die Bratsche diesen Stücken, wie ich finde, ein breiteres Klangspektrum und macht sie noch reichhaltiger und schöner."
Um die Fantasien auf der Bratsche spielen zu können, wurden sie um eine Quinte abwärts transponiert. So sind sie auf der Viola genau so auszuführen wie auf der Violine. Kam hält mit seiner Interpretation wunderbar die Balance zwischen Divertissement und Kunstanspruch. Der Solist begeistert mit seinem schönen, farbenreichen und kraft- vollen Ton, überragender Technik und atemberaubendem Sinn für die kleinen Details, die Musik erst zum Leben erwecken. Somit erweist sich diese CD als eine echte Bereicherung - bravo! und mehr, bitte.
Diese Breite an Kenntnissen erleichterte es Telemann sicherlich, in seinen Kompositionen Instrumente nicht nur als Träger von Klang- farben, sondern auch gekonnt auf unterschiedlichem technischen Niveau einzusetzen. Nicht in erster Linie für den Virtuosen, sondern vor allem auch für die Hausmusik schrieb er seine Musik.
Die besondere Liebe Telemanns galt wohl der Violine, die er mit einer Vielzahl von Werken bedachte - 22 Violinkonzerte, etliche Sonaten sowie ausgiebige Solopassagen in seinen Opern, Oratorien und Kanta- ten legen davon Zeugnis ab. Dieses Oeuvre krönte der Komponist schließlich mit den Zwölf Fantasien für Violine ohne Bass. Dieses Werk veröffentlichte er 1735 in Hamburg - 15 Jahre, nachdem Johann Sebastian Bach seine Sonaten und Partiten für Violine solo vollendet hatte.
An Bach wird Telemann gemessen, und dabei kommt er nicht gut weg. Dem Director Musices der Stadt Hamburg aber wird diese gestrenge Elle nicht gerecht. Denn obzwar er auch Cantor am Johanneum und für die Kirchenmusik an den fünf Hauptkirchen zuständig war, führte Telemann die musikalische Tradition vollkommen anders weiter als sein Leipziger Kollege. Ihm ging es weniger um Kontrapunkt und Intensität des Ausdruckes als vielmehr um kunstvoll gestaltete Melo- dien und die Integration neuer musikalischer Ideen.
So sind auch nur die ersten sechs Fantasien durch den Kontrapunkt geprägt. Die verbleibenden sechs Fantasien - der Komponist nannte sie Galanterien - erscheinen beschwingter, die einzelnen Sätze imitie- ren oftmals Tänze. Das Werk ist aber nicht nur in einen gelehrten und einen unterhaltsamen Teil gegliedert; auf zwei Fantasien in Dur folgt auch stets eine Fantasie in einer Moll-Tonart.
Telemann variiert zudem die Struktur - er nutzt die traditionelle viersätzige Kirchensonate, ein weiteres Modell, bei dem auf einen langsamen zwei schnelle Sätze folgen, und eines, das wie ein Konzert einen langsamen Satz durch zwei schnelle Sätze einrahmt. Der Kom- ponist, so scheint es, erprobt in diesen kurzen Stücken in knapper Form die Ausdrucksmöglichkeiten der spätbarocken, fast schon galanten Violinmusik.
"Obwohl Telemann seine zwölf Fantasien ursprünglich für Sologeige und nicht für Bratsche eingerichtet hat, glaube ich, mit der Brat- schenversion ein interessantes neues Licht auf sie zu werfen", sagt Ori Kam. Er hat kürzlich eine Aufnahme dieser Werke bei Berlin Classics vorgelegt. "Die Mittellage der Bratsche ermöglicht es dem Aufführenden, bis in die Lage der Geige hinauf- und in die des Cellos hinabzusteigen. Somit verleiht die Bratsche diesen Stücken, wie ich finde, ein breiteres Klangspektrum und macht sie noch reichhaltiger und schöner."
Um die Fantasien auf der Bratsche spielen zu können, wurden sie um eine Quinte abwärts transponiert. So sind sie auf der Viola genau so auszuführen wie auf der Violine. Kam hält mit seiner Interpretation wunderbar die Balance zwischen Divertissement und Kunstanspruch. Der Solist begeistert mit seinem schönen, farbenreichen und kraft- vollen Ton, überragender Technik und atemberaubendem Sinn für die kleinen Details, die Musik erst zum Leben erwecken. Somit erweist sich diese CD als eine echte Bereicherung - bravo! und mehr, bitte.
Dienstag, 5. Februar 2013
Cellocinema (Genuin)
Eckart Runge und Jacques Ammon, im Konzertleben präsent unter dem Namen Celloprojekt, haben sich auf ihrer neuen CD der Filmmusik zugewandt. Das Violoncello sieht der Cellist als das ideale Medium für ein solches Unterfangen: "Vom innigen Singen der Diva über säuselnden Flöten oder krächzenden Quäken gestopfter Trompeten bis hin zu kreischenden Todesschreien, heulendem Wind oder dem Knarren einer alten Tür lassen sich diesem Instrument wie keinem anderen alle denkbaren Klänge des Lebens entlocken", begeistert sich Runge im Beiheft.
Glücklicherweise ist sein Cello-Spiel deutlich besser als seine Grammatik. Und so arbeiten sich Runge und der Pianist Ammon gemeinsam durch die Filmgeschichte - von Charlie Chaplin, der übrigens selbst Cello spielte, über Astor Piazzolla, Klassiker wie Carlos Gardel, Nino Rota oder Enrico Morricone bis hin zu Dmitri Schostakowitsch, der immerhin 39 Filmmusiken komponierte, bis hin zu Dick Dale oder Tom Waits. Der Zuhörer wird erinnert an Kino-Ereignisse wie Modern Times, Psycho oder Pulp Fiction - und freut sich über die pfiffigen Arrangements, die zum überwältigenden Teil von den beiden Musikern selbst geschrieben worden sind. Bravi!
Glücklicherweise ist sein Cello-Spiel deutlich besser als seine Grammatik. Und so arbeiten sich Runge und der Pianist Ammon gemeinsam durch die Filmgeschichte - von Charlie Chaplin, der übrigens selbst Cello spielte, über Astor Piazzolla, Klassiker wie Carlos Gardel, Nino Rota oder Enrico Morricone bis hin zu Dmitri Schostakowitsch, der immerhin 39 Filmmusiken komponierte, bis hin zu Dick Dale oder Tom Waits. Der Zuhörer wird erinnert an Kino-Ereignisse wie Modern Times, Psycho oder Pulp Fiction - und freut sich über die pfiffigen Arrangements, die zum überwältigenden Teil von den beiden Musikern selbst geschrieben worden sind. Bravi!
Montag, 4. Februar 2013
Gurlitt: Nana (Crystal Classics)
"Ich glaube, dass die Synthese der dem Ohr eingängigen Melodien mit einer neuartigen rücksichts- losen Harmonik und harten ver- wegenen Rhythmik etwas ganz Neues ist, das Sie der Opernbühne bringen." Das schrieb Librettist Max Brod kurz vor der Urauffüh- rung der Oper Nana an den Kom- ponisten Manfred Gurlitt, der das Werk geschaffen hat.
Gurlitt (1890 bis 1972) wuchs in Berlin auf, und studierte dort am Sternschen Konservatorium Musiktheorie und Komposition. Er assistierte einigen namhaften Kapellmeistern, und begann dann selbst eine derartige Laufbahn. 1924 wurde er in Bremen Generalmusikdirektor; drei Jahre später wechselte er an die Kroll-Oper nach Berlin. Doch seine Karriere brach dann ab, weil ihn die Nazis zum "jüdischen Mischling zweiter Ordnung" erklärten, was den Ausschluss aus der NSDAP und eine spürbare Beschränkung seiner künstlerischen Tätigkeit mit sich brachte.
Kurioserweise rettete Gurlitt vor dem Rassenwahn nicht einmal die eidesstattliche Erklärung seiner Mutter, er sei mitnichten ein Sohn des Kunsthändlers Fritz Gurlitt, dessen Mutter eine Jüdin war, sondern das Resultat ihrer Beziehung zu dessen Geschäftsführer Willi Waldecker (den Annarella Gurlitt nach dem Tode ihres Ehemannes umgehend geheiratet hat). 1939 ging Gurlitt nach Japan, wo er als Professor an der Kaiserlichen Musikakademie wirkte, und als Dirigent der Fujiwara Opera Company. Später gründete er die Gurlitt Opera Company, die er bis 1970 leitete. Mit diesen Ensembles führte er zahlreiche europäische Opern erstmals in Japan auf - zumeist in japanischer Sprache - und prägte somit das Musikleben des Landes stark.
In Deutschland konnte er sich nicht wieder etablieren. Zwar erhielt er 1957 das Bundesverdienstkreuz, und 1958 erlebte endlich auch seine Oper Nana, die er in den 30er Jahren komponiert hatte, am Theater Dortmund ihre Premiere. Doch Gurlitts Werke konnten sich im Musik- betrieb, der sich in jenen 20 Jahren ja ebenfalls weiterentwickelt hatte, nicht behaupten. Und so gerieten sie in Vergessenheit.
Das Label Crystal Classics hat sich nun die Rehabilitation Manfred Gurlitts auf seine Fahnen geschrieben. In Weltersteinspielungen erschienen dort einige wichtige Werke des Komponisten: Die Goya-Symphony sowie die Vier dramatischen Gesänge für Sopran und Orchester mit der exzellenten Sängerin Christiane Oelze und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Antony Beaumont, Wozzeck mit diversen Solisten, dem Rias-Kammerchor und dem Rundfunk-Kinderchor Berlin sowie dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Gerd Albrecht. Und natürlich die Oper Nana, 2010 wieder- aufgeführt am Theater Erfurt und hier zu hören in einem Live-Mitschnitt.
Es ist die Geschichte einer jungen Dame, die durch einen Theater- direktor entdeckt wird - im Bett seines Operettenkomikers. Sie zeichnet sich nicht unbedingt durch Talent aus, ist aber hübsch und hat lange Beine. Und so bestätigt die Geschichte einmal mehr den bösen Spruch, dass Männer ohnehin besser sehen als hören können. Denn Nana macht rasant Karriere, auf der Bühne ebenso wie in der Männerwelt. Dass dies ein schlimmes Ende nehmen wird, ist keine Überraschung.
Zu hören sind Solisten und Opernchor des Theaters Erfurt sowie das Philharmonische Orchester unter Enrico Calesso. Die Aufführung hat leider Stadttheater-Niveau - aber die Oper ist interessant, und deshalb ist diese 3-CD-Box musikhistorisch durchaus spannend.
Gurlitt (1890 bis 1972) wuchs in Berlin auf, und studierte dort am Sternschen Konservatorium Musiktheorie und Komposition. Er assistierte einigen namhaften Kapellmeistern, und begann dann selbst eine derartige Laufbahn. 1924 wurde er in Bremen Generalmusikdirektor; drei Jahre später wechselte er an die Kroll-Oper nach Berlin. Doch seine Karriere brach dann ab, weil ihn die Nazis zum "jüdischen Mischling zweiter Ordnung" erklärten, was den Ausschluss aus der NSDAP und eine spürbare Beschränkung seiner künstlerischen Tätigkeit mit sich brachte.
Kurioserweise rettete Gurlitt vor dem Rassenwahn nicht einmal die eidesstattliche Erklärung seiner Mutter, er sei mitnichten ein Sohn des Kunsthändlers Fritz Gurlitt, dessen Mutter eine Jüdin war, sondern das Resultat ihrer Beziehung zu dessen Geschäftsführer Willi Waldecker (den Annarella Gurlitt nach dem Tode ihres Ehemannes umgehend geheiratet hat). 1939 ging Gurlitt nach Japan, wo er als Professor an der Kaiserlichen Musikakademie wirkte, und als Dirigent der Fujiwara Opera Company. Später gründete er die Gurlitt Opera Company, die er bis 1970 leitete. Mit diesen Ensembles führte er zahlreiche europäische Opern erstmals in Japan auf - zumeist in japanischer Sprache - und prägte somit das Musikleben des Landes stark.
In Deutschland konnte er sich nicht wieder etablieren. Zwar erhielt er 1957 das Bundesverdienstkreuz, und 1958 erlebte endlich auch seine Oper Nana, die er in den 30er Jahren komponiert hatte, am Theater Dortmund ihre Premiere. Doch Gurlitts Werke konnten sich im Musik- betrieb, der sich in jenen 20 Jahren ja ebenfalls weiterentwickelt hatte, nicht behaupten. Und so gerieten sie in Vergessenheit.
Das Label Crystal Classics hat sich nun die Rehabilitation Manfred Gurlitts auf seine Fahnen geschrieben. In Weltersteinspielungen erschienen dort einige wichtige Werke des Komponisten: Die Goya-Symphony sowie die Vier dramatischen Gesänge für Sopran und Orchester mit der exzellenten Sängerin Christiane Oelze und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Antony Beaumont, Wozzeck mit diversen Solisten, dem Rias-Kammerchor und dem Rundfunk-Kinderchor Berlin sowie dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Gerd Albrecht. Und natürlich die Oper Nana, 2010 wieder- aufgeführt am Theater Erfurt und hier zu hören in einem Live-Mitschnitt.
Es ist die Geschichte einer jungen Dame, die durch einen Theater- direktor entdeckt wird - im Bett seines Operettenkomikers. Sie zeichnet sich nicht unbedingt durch Talent aus, ist aber hübsch und hat lange Beine. Und so bestätigt die Geschichte einmal mehr den bösen Spruch, dass Männer ohnehin besser sehen als hören können. Denn Nana macht rasant Karriere, auf der Bühne ebenso wie in der Männerwelt. Dass dies ein schlimmes Ende nehmen wird, ist keine Überraschung.
Zu hören sind Solisten und Opernchor des Theaters Erfurt sowie das Philharmonische Orchester unter Enrico Calesso. Die Aufführung hat leider Stadttheater-Niveau - aber die Oper ist interessant, und deshalb ist diese 3-CD-Box musikhistorisch durchaus spannend.
19. Festliche Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung (Naxos)
Auch in diesem Jahr führte wieder Max Raabe mit seinen notwendi- gen Bemerkungen zu dramati- schen Musikbeispielen - die ebenso von Sachverstand zeugen wie von einer gewissen Ironie - durch das Programm. Die Deutsche Aids-Stiftung hatte zur mittlerweile
19. Festlichen Operngala geladen - und das Publikum ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, den Kunstgenuss mit einer Spende für den guten Zweck zu verbinden.
Die Solisten-Liste ist lang. Etliche der Sängerinnen und Sänger sind ausgesprochen renommiert - und auch die weniger prominenten sind hervorragend. Zu hören sind mit überwiegend sehr bekannten Opernarien Norah Amsellem, Thiago Arancam, Anna Bonitatibus, Pavol Breslik, Michael Fabiano, Vesse- lina Kasarova, Simone Kermes, Kristin Lewis, Sonia Prina, Artur Rucinski und Rachel Willis-Sörensen. Auch der Chor der Deutschen Oper Berlin unter William Spaulding leistet einen eigenständigen Beitrag - in diesem Jahr erklingt der berühmte Wach auf!-Chor aus Richard Wagners Meistersingern von Nürnberg. Und es musiziert das Orchester der Deutschen Oper Berlin, geleitet von Alain Altinoglu. Die vorliegende Doppel-CD vermittelt einen guten Eindruck davon, wie man mit Glanz und Glamour Gutes tun kann - und wer sie kauft, der leistet auch selbst einen Beitrag dazu. Denn wie in jedem Jahr fließt ein Teil der Einnahmen zur Unterstützung von Hilfsprojekten der Deutschen Aids-Stiftung in Berlin und Umgebung sowie in Südafrika.
19. Festlichen Operngala geladen - und das Publikum ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, den Kunstgenuss mit einer Spende für den guten Zweck zu verbinden.
Die Solisten-Liste ist lang. Etliche der Sängerinnen und Sänger sind ausgesprochen renommiert - und auch die weniger prominenten sind hervorragend. Zu hören sind mit überwiegend sehr bekannten Opernarien Norah Amsellem, Thiago Arancam, Anna Bonitatibus, Pavol Breslik, Michael Fabiano, Vesse- lina Kasarova, Simone Kermes, Kristin Lewis, Sonia Prina, Artur Rucinski und Rachel Willis-Sörensen. Auch der Chor der Deutschen Oper Berlin unter William Spaulding leistet einen eigenständigen Beitrag - in diesem Jahr erklingt der berühmte Wach auf!-Chor aus Richard Wagners Meistersingern von Nürnberg. Und es musiziert das Orchester der Deutschen Oper Berlin, geleitet von Alain Altinoglu. Die vorliegende Doppel-CD vermittelt einen guten Eindruck davon, wie man mit Glanz und Glamour Gutes tun kann - und wer sie kauft, der leistet auch selbst einen Beitrag dazu. Denn wie in jedem Jahr fließt ein Teil der Einnahmen zur Unterstützung von Hilfsprojekten der Deutschen Aids-Stiftung in Berlin und Umgebung sowie in Südafrika.
Schubert: Winterreise; Gilchrist, Tilbrook (Orchid Classics)
Nach seiner gelungenen Aufnahme des Liederzyklus Die schöne Mülle- rin, die in diesem Blog bereits vorgestellt worden ist, legt James Gilchrist nun gemeinsam mit der Pianistin Anna Tilbrook zwei wei- tere CD mit Liedern von Franz Schubert sowie Ludwig van Beet- hoven vor.
Die eine CD enthält Schuberts Winterreise, die andere seinen Schwanengesang sowie Beetho- vens An die ferne Geliebte op. 98. Diese sechs Lieder, in denen der Komponist einer Verbindung nachsinnt, die nie zustande gekommen ist, gelten als der erste Liederzyklus überhaupt.
James Gilchrist erfreut erneut mit seinem feinen, hell trimbrierten Tenor, und seinem intelligenten und sensiblen Liedgesang. Anna Tilbrook am Klavier geleitet ihn bis in die feinste Nuance. Der briti- sche Sänger bewältigt die deutschen Texte akzentfrei, und beein- druckt darüber hinaus mit einer bespielhaften Textverständlichkeit. Einzig dort, wo Gilchrist auf Lautstärke setzt, wird ein störendes Vibrato hörbar. Das ist nicht so schön, aber für die Zukunft vielleicht durch verbesserte Technik zu korrigieren. Es gibt ja noch genug an- dere Lieder, und auf die nächsten Einspielungen dieses erfolgreichen Künstlergespanns darf man gespannt bleiben.
Die eine CD enthält Schuberts Winterreise, die andere seinen Schwanengesang sowie Beetho- vens An die ferne Geliebte op. 98. Diese sechs Lieder, in denen der Komponist einer Verbindung nachsinnt, die nie zustande gekommen ist, gelten als der erste Liederzyklus überhaupt.
James Gilchrist erfreut erneut mit seinem feinen, hell trimbrierten Tenor, und seinem intelligenten und sensiblen Liedgesang. Anna Tilbrook am Klavier geleitet ihn bis in die feinste Nuance. Der briti- sche Sänger bewältigt die deutschen Texte akzentfrei, und beein- druckt darüber hinaus mit einer bespielhaften Textverständlichkeit. Einzig dort, wo Gilchrist auf Lautstärke setzt, wird ein störendes Vibrato hörbar. Das ist nicht so schön, aber für die Zukunft vielleicht durch verbesserte Technik zu korrigieren. Es gibt ja noch genug an- dere Lieder, und auf die nächsten Einspielungen dieses erfolgreichen Künstlergespanns darf man gespannt bleiben.
Sonntag, 3. Februar 2013
Tchaikovski: Violin Concerto / Rococo Variations (Melodija)
Das russische Label Melodija hat mit dieser CD gleich zwei legendäre Aufnahmen wieder zugänglich gemacht. Sie gelten beide Werken von Pjotr Iljitsch Tschaikowski, und stammen aus dem Jahre 1957. Das Violinkonzert D-Dur op. 35 spielt David Oistrach, er musiziert her gemeinsam mit dem Staatli- chen Sinfonieorchester der UdSSR unter Leitung von Kyrill Kondra- schin. Solist der Rokoko-Variatio- nen op. 33 ist Mstislaw Rostropo- witsch. Er spielt gemeinsam mit der Leningrader Philharmonie, die mittlerweile mit der Stadt wieder unbenannt ist. Dirigiert hat seiner- zeit Gennadi Roschdestwenski.
Ich kenne diese Aufnahmen seit meinen Kindertagen - und ich muss gestehen, dass ich sie noch immer faszinierend finde. Denn diese alten Einspielungen erfassen in idealer Weise das Wesen dieser Musik, und die Solisten sollte man ohnehin öfters anhören. Es sind Giganten in Technik und Ausdruck, die für alle Zeiten Maßstäbe gesetzt haben.
Ich kenne diese Aufnahmen seit meinen Kindertagen - und ich muss gestehen, dass ich sie noch immer faszinierend finde. Denn diese alten Einspielungen erfassen in idealer Weise das Wesen dieser Musik, und die Solisten sollte man ohnehin öfters anhören. Es sind Giganten in Technik und Ausdruck, die für alle Zeiten Maßstäbe gesetzt haben.
Träumend wandle ich bei Tag (Oehms Classics)
Der junge Tenor Maximilian Schmitt ist nicht nur ein begehrter Opernsolist. Mit dieser CD bestätigt er auch seinen Ruf als erstklassiger Konzertsänger. Mit seiner wunder- bar unangestrengten, leuchtenden und warm timbrierten Stimme kann er begeistern - und gestalten. Denn Schmitt erweist sich als ein großartiger Geschichtenerzähler. Er stellt den Text an die erste Stelle - und seziert dann gemeinsam mit dem Pianisten Gerold Huber die musikalische Struktur. Das Ergeb- nis ist verblüffend. Diese Interpretation wirkt, als wären die Lieder gerade eben entstanden - taufrisch, und ohne jene Manierismen, die man schon hundertfach gehört hat. In Huber hat Schmitt einen kon- genialen Begleiter, der nicht einfach seinen Part abarbeitet, sondern hörbar macht, dass die Musik eben doch oft schlauer ist als das Wort. Die Texte von Heinrich Heine, die Clara und Robert Schumann ver- tont haben, sind mit ihrer Ironie dafür ein dankbares Studienobjekt.
Freitag, 1. Februar 2013
Rossini: La gazzetta (Naxos)
Ein reicher Kaufmann aus Neapel schafft es nicht, seine Tochter unter die Haube zu bringen. Er reist nach Paris - und er setzt eine Annonce in die Zeitung, Bewerber mögen sich doch bitte melden. Dass Verwirrung da nicht aus- bleibt, versteht sich von selbst.
Das Libretto, das ursprünglich den Namen Il matrimonio per concor- so trug, ist wie geschaffen für Gioachino Rossini (1792 bis 1868), den Großmeister des musikali- schen Trubels. Umso erstaunlicher erscheint es, dass der maestro zunächst Bedenken hatte: "Der neapo- litanische Dialekt, den ich nicht besonders gut verstehe, bildet den Dialog und die Entwicklung dieser Handlung, wird mir der Himmel beistehen?", grübelte der Komponist in einem Brief aus dem Jahre 1816 an seine Mutter. Doch die Premiere wurde ein Erfolg. Und man wundert sich, dass man diese komische Oper noch nie auf der Bühne erlebt hat. Denn sie hat alles, was ein solches Werk ausmacht: Große Gefühle, großes Durcheinander und großartige Musik. Einige Abschnitte freilich kommen dem Opernfreund bekannt vor - und das ist kein Irrtum, sondern Methode. Denn Rossini übernahm gern Passagen aus seinen eigenen Werken, passte sie an und entwickelte die musikalische Substanz zugleich weiter.
Diese Tatsache ermöglichte in diesem Falle die Rekonstruktion eini- ger Szenen, die zwar im Textbuch überliefert sind, zu denen aber die Musik verloren gegangen war. Die gefundene Lösung überzeugt, und das internationale Ensemble, das die Oper 2007 auf dem XIX. Rossini in Wildbad-Festival vorgestellt hat, hat an dem Verwirrspiel hörbar Vergnügen. Die Namen der zahlreichen Mitwirkenden aufzulisten, darauf sei an dieser Stelle verzichtet. Auch wenn die Sänger und Musiker nicht zu den bekannten Stars gehören - sie machen ihre Sache sehr ordentlich, und diese Aufnahme wird hier deshalb auch empfohlen.
Das Libretto, das ursprünglich den Namen Il matrimonio per concor- so trug, ist wie geschaffen für Gioachino Rossini (1792 bis 1868), den Großmeister des musikali- schen Trubels. Umso erstaunlicher erscheint es, dass der maestro zunächst Bedenken hatte: "Der neapo- litanische Dialekt, den ich nicht besonders gut verstehe, bildet den Dialog und die Entwicklung dieser Handlung, wird mir der Himmel beistehen?", grübelte der Komponist in einem Brief aus dem Jahre 1816 an seine Mutter. Doch die Premiere wurde ein Erfolg. Und man wundert sich, dass man diese komische Oper noch nie auf der Bühne erlebt hat. Denn sie hat alles, was ein solches Werk ausmacht: Große Gefühle, großes Durcheinander und großartige Musik. Einige Abschnitte freilich kommen dem Opernfreund bekannt vor - und das ist kein Irrtum, sondern Methode. Denn Rossini übernahm gern Passagen aus seinen eigenen Werken, passte sie an und entwickelte die musikalische Substanz zugleich weiter.
Diese Tatsache ermöglichte in diesem Falle die Rekonstruktion eini- ger Szenen, die zwar im Textbuch überliefert sind, zu denen aber die Musik verloren gegangen war. Die gefundene Lösung überzeugt, und das internationale Ensemble, das die Oper 2007 auf dem XIX. Rossini in Wildbad-Festival vorgestellt hat, hat an dem Verwirrspiel hörbar Vergnügen. Die Namen der zahlreichen Mitwirkenden aufzulisten, darauf sei an dieser Stelle verzichtet. Auch wenn die Sänger und Musiker nicht zu den bekannten Stars gehören - sie machen ihre Sache sehr ordentlich, und diese Aufnahme wird hier deshalb auch empfohlen.
The Romantic Oboist (Genuin)
"Das europäische 19. Jahrhundert ist aus musikalischer Sicht ein äußerst interessantes", schreibt Ramón Ortega Quero im Begleitheft zu dieser CD: "Es ist die Zeit der Rebellion und der Befreiung des Komponisten von seinen Mäzenen und Auftraggebern: Dem Adel, den Königen, Kaisern und Kirchen. Komponisten verkaufen nicht mehr ihre Seele an denjenigen, der sie bezahlt oder folgen vorgegebe- nen Ideen, sondern enthüllen ihre intimsten Emotionen und Gefühle, nehmen sich Freiheit bei der Themenfindung, bei der Form und beim Stil ihrer Werke - die Musik wird persönlicher. Der Komponist schreibt in die Partitur, was er ausdrücken muss."
Ramón Ortega Quero lädt den Hörer ein, ihn auf eine musikalische Reise durch das Europa der Romantik zu begleiten - "aus meiner Perspektive, der Sicht eines Oboisten. Hierfür habe ich verschiedene Komponisten, welche in musikalischer Hinsicht die wichtigsten Länder repräsentieren, ausgewählt, und von jedem dieser Kompo- nisten ein besonders charakteristisches Werk." Gemeinsam mit Pianistin Kateryna Titova spielt der Oboist Werke von Robert Schumann, Johann Wenzel Kalliwoda, Casimir-Théophile Lalliet und Antonio Pasculli. Immerhin zwei dieser Komponisten waren selbst Oboenvirtuosen - was auf ein erstaunliches Phänomen hinweist. Denn für die Oboe, dieses gefühlt gefühlvollste aller Blasinstrumente, gibt es verblüffend wenig Solo-Repertoire. So haben Lalliet und Pasculli bekannte Melodien anderer Komponisten als Grundlage für Variatio- nen genutzt, die man noch heute gern hört.
Es ist und bleibt ein Manko: Die sogenannten Romantiker haben deutlich mehr Violinkonzerte geschrieben als Werke für Oboe. Albrecht Mayer, Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, hat auf seiner CD Schilflieder bereits einige dieser Stücke vorgestellt, darunter die Drei Romanzen op. 94 von Robert Schumann. Sie spielt auch Ramón Ortega Quero: "Drei kurze Lieder ohne Worte mit intimem Charakter und abruptem Wechsel der Emotionen - dieses Werk ist das beste originale Werk dieser Zeit für Oboe", begeistert sich der Solo-Oboist des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Die Drei Fantasiestücke op. 73 hingegen hat Schumann für Klarinette komponiert. Ortega Quero meint, dass aber der Oboenton für diese Musik ideal ist - der Zuhörer wird gern bestätigen, dass er zumindest eine reizvolle Alternative darstellt.
Und wie Musiker es stets gehalten haben - seltsamerweise glauben sie aber heute, sich dafür rechtfertigen zu müssen - hat Ramón Ortega Quero auch selbst zwei Werke für die Oboe bearbeitet - das Impromp- tu op. 90 Nr. 3 von Franz Schubert und die berühmte Lenski-Arie aus Tschaikowskis Oper Eugen Onegin.
Ramón Ortega Quero beeindruckt mit enormer Virtuosität und mit einem einem schönen, singenden Oboenton, der etwas kerniger erscheint als der seines Berliner Kollegen. Kateryna Titova erweist sich als brillante musikalische Partnerin. Es lohnt sich, genauer hinzuhören, denn ihr Spiel ist nuancenreich - auch wenn sie es hier dem Solisten beiordnet. Wer den Klang der Oboe schätzt, der wird diese CD lieben.
Ramón Ortega Quero lädt den Hörer ein, ihn auf eine musikalische Reise durch das Europa der Romantik zu begleiten - "aus meiner Perspektive, der Sicht eines Oboisten. Hierfür habe ich verschiedene Komponisten, welche in musikalischer Hinsicht die wichtigsten Länder repräsentieren, ausgewählt, und von jedem dieser Kompo- nisten ein besonders charakteristisches Werk." Gemeinsam mit Pianistin Kateryna Titova spielt der Oboist Werke von Robert Schumann, Johann Wenzel Kalliwoda, Casimir-Théophile Lalliet und Antonio Pasculli. Immerhin zwei dieser Komponisten waren selbst Oboenvirtuosen - was auf ein erstaunliches Phänomen hinweist. Denn für die Oboe, dieses gefühlt gefühlvollste aller Blasinstrumente, gibt es verblüffend wenig Solo-Repertoire. So haben Lalliet und Pasculli bekannte Melodien anderer Komponisten als Grundlage für Variatio- nen genutzt, die man noch heute gern hört.
Es ist und bleibt ein Manko: Die sogenannten Romantiker haben deutlich mehr Violinkonzerte geschrieben als Werke für Oboe. Albrecht Mayer, Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, hat auf seiner CD Schilflieder bereits einige dieser Stücke vorgestellt, darunter die Drei Romanzen op. 94 von Robert Schumann. Sie spielt auch Ramón Ortega Quero: "Drei kurze Lieder ohne Worte mit intimem Charakter und abruptem Wechsel der Emotionen - dieses Werk ist das beste originale Werk dieser Zeit für Oboe", begeistert sich der Solo-Oboist des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Die Drei Fantasiestücke op. 73 hingegen hat Schumann für Klarinette komponiert. Ortega Quero meint, dass aber der Oboenton für diese Musik ideal ist - der Zuhörer wird gern bestätigen, dass er zumindest eine reizvolle Alternative darstellt.
Und wie Musiker es stets gehalten haben - seltsamerweise glauben sie aber heute, sich dafür rechtfertigen zu müssen - hat Ramón Ortega Quero auch selbst zwei Werke für die Oboe bearbeitet - das Impromp- tu op. 90 Nr. 3 von Franz Schubert und die berühmte Lenski-Arie aus Tschaikowskis Oper Eugen Onegin.
Ramón Ortega Quero beeindruckt mit enormer Virtuosität und mit einem einem schönen, singenden Oboenton, der etwas kerniger erscheint als der seines Berliner Kollegen. Kateryna Titova erweist sich als brillante musikalische Partnerin. Es lohnt sich, genauer hinzuhören, denn ihr Spiel ist nuancenreich - auch wenn sie es hier dem Solisten beiordnet. Wer den Klang der Oboe schätzt, der wird diese CD lieben.