Ein Projekt ist nun vollendet, das man gar nicht hoch genug einschätzen kann: Diese Box aus dem Hause Dynamic enthält auf 29 CD sämtliche Violinkonzerte von Giuseppe Tartini (1692 bis 1770). Erstmals sind damit die Konzerte dieses wichtigen italienischen Meisters vollständig zugänglich.
Tartini hat enorm viele Komposi- tionen geschaffen; allerdings hat er davon kaum etwas drucken lassen. Er hat zudem eine Vielzahl von Schülern aus ganz Europa ausgebildet. So blieben seine Werke erhalten: „Com'è noto la produzione tartiniana è ancor'oggi in gran parte inedita, sopratutto per quanto riguarda i concerti, e giace, perlopiù manoscritta, nelle biblioteche di Padova, Berlino, Dresda, Brüssel, Vienna, Schwerin e Berkeley“, berichtet der Cembalist Nicola Reniero. Er hat gemeinsam mit den Geigern Carlo Lazari, Federico Guglielmo und Giovanni Guglielmo aus diesen Handschriften jeweils eine Notenedition erstellt, aus der musiziert werden kann. Fehlende Abschnitte oder Stimmen hat er ergänzt. Verzierungen und Kadenzen haben, falls erforderlich, die Solisten geschrieben.
Man hofft, dass diese Noten zukünftig auch im Druck erscheinen, so dass es möglich wird, nicht nur einige wenige dieser Konzerte aufzuführen. Das ist, wie diese Einspielung zeigt, durchaus lohnend. Folgen Tartinis Werke anfangs Vorbildern wie Vivaldi und Corelli, so löst sich der Musiker mehr und mehr von diesen Modellen. An die Stelle von überschäumender ba- rocker Virtuosität treten beinahe schon klassische Brillanz und empfind- same Kantilene.
Die Auseinandersetzung mit diesen Konzerten hat Giovanni Guglielmo und das von ihm gegründete und geleitete Ensemble L’Arte dell’Arco über Jahre begleitet und beschäftigt. Begonnen haben die Musiker die Gesamteinspie- lung 1996. Nun ist sie komplett. Die Solopartien übernahmen, zu ziemlich gleichen Anteilen, Carlo Lazari, Federico Guglielmo und Giovanni Guglielmo. Gespielt wird, natürlich, auf zeitgenössischen Instrumenten. Gestimmt wurde auf den venezianischen Stimmton bei 442 Hertz; für die Tasteninstrumente wurde eine Stimmung nach Vallotti gewählt. Erläutert werden diese Entscheidungen in dem umfangreichen Beiheft. Musiziert wird klar strukturiert, lebendig und mit jener Hingabe, die ein Projekt wie dieses wohl überhaupt erst ermöglicht. Gratulation an alle Beteiligten – und man darf neugierig bleiben, mit welchen Entdeckungen dieses Ensemble in Zukunft überrascht.
Montag, 29. Juni 2015
Samstag, 27. Juni 2015
Müthel: Complete Organ Music (Brilliant Classics)
Johann Gottfried Müthel (1728 bis 1788) war der allerletzte Schüler
von Johann Sebastian Bach. Er stammte aus Mölln in der Grafschaft
Lauenburg, und war der Sohn eines Organisten, der wiederum ein Freund
von Georg Philipp Telemann war. Nach dem Anfangsunterricht bei seinem
Vater wurde er zur Ausbildung nach Lübeck geschickt, wo ihn
Marienorganist Johann Paul Kunzen unterrichtete. 1747, mit gerade
einmal 19 Jahren, wurde Müthel Kammer- musiker und Hoforganist in der
Kapelle des Herzogs Christian Ludwig II. von Mecklenburg-Schwerin.
1750 erhielt er ein Jahr Urlaub, um sich bei Bach in Leipzig
weiterzubilden. Der Meister freilich war zu diesem Zeitpunkt bereits
blind und dem Tode nah. Müthel soll Bach daher als Notenschreiber
unterstützt haben. Wie Bachs Biograph Philipp Spitta berichtet, war
Müthel an Bachs Sterbebett anwesend, und übernahm dann für neun
Wochen dessen Dienstpflichten als Kantor. Seine Ausbildung setzte er dann zwischenzeitlich bei Johann Christoph Altnickol in Naumburg fort, ebenfalls
ein Schüler Bachs und dessen Schwiegersohn.
Auf der Rückreise traf Müthel unter anderem Johann Adolph Hasse in Dresden, und Carl Philipp Emanuel Bach, der als Cembalist am Hofe Friedrichs des Großen angestellt war. Die beiden Musiker blieben lebenslang in Freundschaft verbunden, und unterhielten einen regen Briefwechsel. In Hamburg begegnete er dann Telemann.
1751 nahm Müthel seinen Dienst bei Hofe wieder auf. 1753 folgte Müthel der Einladung eines seiner Brüder nach Riga. Dort musizierte er zunächst im Hausorchester des livländischen Geheimen Regierungsrates Otto Hermann von Vietinghoff, der ein bedeutender Mäzen war. 1767 wurde er schließlich zum Organisten der Kathedrale St. Petri bestellt, und dieses Amt hatte er bis zu seinem Lebensende inne.
Über die Werke Müthels berichtete Charles Burney, der ganz Europa bereist hatte und mit der gesamten musikalischen Welt seiner Zeit bestens vertraut war: „When a student upon keyed instruments has vanquished all the difficulties to be found in the lessons of Handel, Scarlatti, Schobert, Eckard, and Carl Philipp Emanuel Bach, and like Alexander, laments that nothing more to conquer, I would recommend to him, as an exercise for patience and perseverance, he compositions of Müthel; which are so full of novelty, taste, grace, and contrivance, that I should not hesitate to rank them among the greatest productions of the present age.“
Leider sind nur sehr wenige seiner Musikstücke überliefert. Bei Brilliant Classics sind sie nun in Gesamtaufnahme zu hören: Der italienische Organist Matteo Venturini hat Müthels erhaltenes Orgelwerk auf drei verschiedenen Orgeln der Toskana eingespielt. Die Aufnahmen entstanden im November und Dezember 2013 in Sant’Anna di Stazzema, Larciano und Pistoia.
Auf der Rückreise traf Müthel unter anderem Johann Adolph Hasse in Dresden, und Carl Philipp Emanuel Bach, der als Cembalist am Hofe Friedrichs des Großen angestellt war. Die beiden Musiker blieben lebenslang in Freundschaft verbunden, und unterhielten einen regen Briefwechsel. In Hamburg begegnete er dann Telemann.
1751 nahm Müthel seinen Dienst bei Hofe wieder auf. 1753 folgte Müthel der Einladung eines seiner Brüder nach Riga. Dort musizierte er zunächst im Hausorchester des livländischen Geheimen Regierungsrates Otto Hermann von Vietinghoff, der ein bedeutender Mäzen war. 1767 wurde er schließlich zum Organisten der Kathedrale St. Petri bestellt, und dieses Amt hatte er bis zu seinem Lebensende inne.
Über die Werke Müthels berichtete Charles Burney, der ganz Europa bereist hatte und mit der gesamten musikalischen Welt seiner Zeit bestens vertraut war: „When a student upon keyed instruments has vanquished all the difficulties to be found in the lessons of Handel, Scarlatti, Schobert, Eckard, and Carl Philipp Emanuel Bach, and like Alexander, laments that nothing more to conquer, I would recommend to him, as an exercise for patience and perseverance, he compositions of Müthel; which are so full of novelty, taste, grace, and contrivance, that I should not hesitate to rank them among the greatest productions of the present age.“
Leider sind nur sehr wenige seiner Musikstücke überliefert. Bei Brilliant Classics sind sie nun in Gesamtaufnahme zu hören: Der italienische Organist Matteo Venturini hat Müthels erhaltenes Orgelwerk auf drei verschiedenen Orgeln der Toskana eingespielt. Die Aufnahmen entstanden im November und Dezember 2013 in Sant’Anna di Stazzema, Larciano und Pistoia.
Tobias Feldmann, Violin (Genuin)
Ein junger Geiger stellt sich vor, und er setzt bereits mit der Auswahl der Stücke für seine Debüt-CD Akzente. Schon beim Blick auf das Programm wird deutlich: Tobias Feldmann, mehrfacher Wettbewerbssieger und ehemaliger Konzertmeister des Bundesjugendorchesters, macht keine halben Sachen. Was er hier kombi- niert, das ist wohlüberlegt und zeigt zugleich seinen sehr hohen An- spruch. Unterstützt wird Feldmann dabei von dem versierten Pianisten Boris Kusnezow.
Die Sonate Nr. 3 in d-Moll op. 27, Ballade, von Eugène-Auguste Ysaye ist George Enescu gewidmet. Sie vereint den großen, zunächst etwas melancholischen Auftritt mit hochvirtuosen Passagen, neben denen Paganini verblasst. Neben dieses Werk für Violine solo stellt Tobias Feldmann die Sonate für Klavier und Violine Nr. 7 in c-Moll von Ludwig van Beethoven. Es ist ein düsteres Stück, in dem tragische Wucht und leidenschaftliche Ausbrüche immer wieder die melodische Idylle stören – und am Ende siegt die Dunkelheit.
Béla Bartók schrieb seine Sonate für Violine solo Sz. 117 für Yehudi Menuhin. Der Komponist hatte den Geiger 1943 in einem Konzert mit einer Solo-Sonate von Johann Sebastian Bach gehört; mit diesem Klangbild in der Erinnerung schuf Bartók seine Sonate, die auch sein letztes vollendetes Werk wurde. Und natürlich spielt Feldmann im letzten Satz die Version mit den Vierteltönen.
Ein wahres Feuerwerk an virtuosen Effekten zündet Franz Waxman in seiner Carmen-Fantasie. Der Komponist, der sehr viele Filmmusiken ge- schrieben hat, hat ein ausgesprochenes Faible sowohl für die dramatische Wirkung eines Werkes als auch für allerlei geigentechnische Raffinessen. Der Zuhörer, der immer die Opernmelodie im Ohr behält, kann diese Kapriolen genießen. Entstanden ist die Carmen-Fantasie für Jascha Heifetz.
Tobias Feldmann agiert in all diesen doch sehr unterschiedlichen musi- kalischen Welten mit traumwandlerischer Sicherheit. Hier präsentiert sich ein junger Solist, von dem man für die Zukunft Großes erwarten darf. Denn er bietet nicht nur eine perfekte Technik, er gestaltet auch stilsicher, und er hat jenes gewisse musikalische Gespür, das man eben nicht erlernen kann. Ein tolles Debüt. Bravo!
Die Sonate Nr. 3 in d-Moll op. 27, Ballade, von Eugène-Auguste Ysaye ist George Enescu gewidmet. Sie vereint den großen, zunächst etwas melancholischen Auftritt mit hochvirtuosen Passagen, neben denen Paganini verblasst. Neben dieses Werk für Violine solo stellt Tobias Feldmann die Sonate für Klavier und Violine Nr. 7 in c-Moll von Ludwig van Beethoven. Es ist ein düsteres Stück, in dem tragische Wucht und leidenschaftliche Ausbrüche immer wieder die melodische Idylle stören – und am Ende siegt die Dunkelheit.
Béla Bartók schrieb seine Sonate für Violine solo Sz. 117 für Yehudi Menuhin. Der Komponist hatte den Geiger 1943 in einem Konzert mit einer Solo-Sonate von Johann Sebastian Bach gehört; mit diesem Klangbild in der Erinnerung schuf Bartók seine Sonate, die auch sein letztes vollendetes Werk wurde. Und natürlich spielt Feldmann im letzten Satz die Version mit den Vierteltönen.
Ein wahres Feuerwerk an virtuosen Effekten zündet Franz Waxman in seiner Carmen-Fantasie. Der Komponist, der sehr viele Filmmusiken ge- schrieben hat, hat ein ausgesprochenes Faible sowohl für die dramatische Wirkung eines Werkes als auch für allerlei geigentechnische Raffinessen. Der Zuhörer, der immer die Opernmelodie im Ohr behält, kann diese Kapriolen genießen. Entstanden ist die Carmen-Fantasie für Jascha Heifetz.
Tobias Feldmann agiert in all diesen doch sehr unterschiedlichen musi- kalischen Welten mit traumwandlerischer Sicherheit. Hier präsentiert sich ein junger Solist, von dem man für die Zukunft Großes erwarten darf. Denn er bietet nicht nur eine perfekte Technik, er gestaltet auch stilsicher, und er hat jenes gewisse musikalische Gespür, das man eben nicht erlernen kann. Ein tolles Debüt. Bravo!
Donnerstag, 25. Juni 2015
La Belle Excentrique (Deutsche Grammophon)
Patricia Petibon ist eine extrem wandlungsfähige Solistin. Das stellt sie auf La Belle Excentrique einmal mehr unter Beweis. Die französischen Kunstlieder auf dieser CD tragen eine Welt in sich, die sich vom halbseidenen Pariser Cabaret um die Jahrhundertwende über die 60er Jahre bis beinahe in die Gegenwart erstreckt. Sie reicht vom Himmel bis, nun ja, unter die Erde. Es ist Pariser Witz und Charme darin ebenso zu finden wie tiefste Melancholie, und natürlich wird die Liebe beschworen. Für ihre jüngste Einspielung hat Petibon gemeinsam mit ihrer langjährigen Klavierbegleiterin Susan Manoff Werke ausgewählt von Erik Satie (1866 bis 1925), Francis Poulenc (1899 bis 1963), Gabriel Fauré (1845 bis 1924) und seinem Schüler Manuel Rosenthal (1904 bis 2003), Reynaldo Hahn (1874 bis 1947), Léo Ferré (1916 bis 1993) und Francine Cockenpot (1918 bis 2001). Es sind freche Chansons darunter, und großartige Kunstlieder, Miniaturen und Stücke, die eher den großen Auftritt verlangen. Patricia Petibon kann schier alles singen – und wie! Die Sängerin knurrt mit Bruststimme und jubiliert mit feinstem Opernsopran, sie singt wie ein Pariser Straßenjunge und wie eine Diva. Begleitet wird sie dabei von einer kleinen Gruppe handverlesener Musiker – Susan Manoff und David Levy, Klavier, Nemanja Radulović, Violine, Christian-Pierre La Marca, Violoncello, David Venitucci, Akkordeon und François Verly am Schlagwerk. In zwei Liedern ist zudem der Regisseur Olivier Py singend zu hören.
Homilius: Warum toben die Heiden (Carus)
In der Geschichte der evangelischen Kirchenmusik wird Bach gern als Gipfelpunkt gesehen – und alles, was danach kam, als minderwertig. Die Folge solcher Ansichten: Was nach Bach kam, blieb vergessen und unerschlossen. Und so klafft im Repertoire eine ganz erstaunliche Lücke, die bis zu Mendelssohn reicht. Es ist, als hätte es in diesem Zeitraum keinen einzigen Kantor gegeben, der etwas komponiert hätte, was bemer- kens- und erhaltenswert gewesen wäre. Dass dies sehr unwahrschein- lich ist, kann man sich vorstellen.
In jüngster Zeit gibt es daher Bestrebungen, zu erkunden, welche "Kirchen- stücke" in den Gottesdiensten jener Zeit erklungen sind. Besonderes Interesse gilt dabei den Bach-Söhnen sowie dem Schaffen von Gottfried August Homilius (1714-1785). Er wirkte zunächst als Organist an der Dresdner Frauenkirche, und wurde 1755 Kreuzkantor. Die Musik, die er mit dem Kreuzchor aufführte, komponierte Homilius überwiegend selbst; so schrieb er etwa 180 Kantaten für alle Sonn- und Feiertage des Kirchen- jahres. Fünf davon hat Carus nun auf CD und parallel dazu auch als Notenedition veröffentlicht. Gewiss, es ist Gebrauchsmusik für den Einsatz im Gottesdienst – aber Homilius' Werke sind zugleich ansprechend und anspruchsvoll, da dürfte noch viel zu entdecken sein. Zu hören ist hier unter Rainer Johannes Homburg das 1999 in Stuttgart gegründete Ensemble Handel’s Company mit Chor und Instrumentalisten sowie den Solisten Marie-Pierre Roy, Henriette Gödde, Knut Schoch und Markus Köhler.
In jüngster Zeit gibt es daher Bestrebungen, zu erkunden, welche "Kirchen- stücke" in den Gottesdiensten jener Zeit erklungen sind. Besonderes Interesse gilt dabei den Bach-Söhnen sowie dem Schaffen von Gottfried August Homilius (1714-1785). Er wirkte zunächst als Organist an der Dresdner Frauenkirche, und wurde 1755 Kreuzkantor. Die Musik, die er mit dem Kreuzchor aufführte, komponierte Homilius überwiegend selbst; so schrieb er etwa 180 Kantaten für alle Sonn- und Feiertage des Kirchen- jahres. Fünf davon hat Carus nun auf CD und parallel dazu auch als Notenedition veröffentlicht. Gewiss, es ist Gebrauchsmusik für den Einsatz im Gottesdienst – aber Homilius' Werke sind zugleich ansprechend und anspruchsvoll, da dürfte noch viel zu entdecken sein. Zu hören ist hier unter Rainer Johannes Homburg das 1999 in Stuttgart gegründete Ensemble Handel’s Company mit Chor und Instrumentalisten sowie den Solisten Marie-Pierre Roy, Henriette Gödde, Knut Schoch und Markus Köhler.
Mittwoch, 24. Juni 2015
Accademia dell'Arcadia - Roma 1710 (Tyxart)
Sabrina Frey spielt Blockflötenmusik aus Rom, entstanden um 1700. Wer sich mit dem Leben in der heiligen Stadt zu dieser Zeit beschäftigt, der wird feststellen, dass es stark durch den Kirchenstaat geprägt wurde. So reformierte Papst Innozenz XII. nicht nur die Kurie, er verbot 1698 auch Theater- und Opernaufführungen. Sein Nachfolger Clemens XI. behielt dieses Verbot bei; es wurde erst 1710 wieder aufgehoben.
Die „geheimen Nischen“ von der Sabrina Frey so fasziniert im Beiheft zu dieser CD berichtet, waren allerdings nicht erforderlich, um Instrumentalmusik aufzuführen. Und wenn sie Opern hören wollten, reisten die Begüterten nach Neapel, nach Venedig, nach Florenz – oder aber einfach auf ihre Landgüter. Literarische Gesellschaften wie die Accademia dell'Arcadia, 1690 gegründet, waren damals in Europa modern. Die Fruchtbringende Gesellschaft, 1617 in Weimar ins Leben gerufen, hatte immerhin 890 Mitglieder; sie war die älteste deutsche Sprachakademie und hatte bis 1680 Bestand. Die Nürnberger Pegnitzschäfer, 1644 gegründet, gibt es sogar heute noch. Auch die Begeisterung fürs ländliche Ambiente war weit verbreitet. Selbst in Versailles schwärmte die höfische Gesellschaft für das Landleben, als nette Deko, und veranstaltete Schäferspiele.
Dennoch darf sich der Zuhörer darüber freuen, dass die römischen Arkadier zum Emblem ihres Bundes eine Flöte wählten. Denn Frey fühlte sich dadurch inspiriert, nach Musikstücken von „Pastori Arcadia“ für dieses Instrument zu suchen. Sie hat eine Menge interessante Werke gefunden – die von Giovanni Battista Bononcini und Giuseppe Valentini erklingen auf dieser CD in Weltersteinspielung. Ausgewählt hat die Flötistin zudem Musik von Arcangelo Corelli (Arkadiername: „Arcomelo Erimanteo“), Alessandro Scarlatti („Terpandro Politeio“) und Benedetto Marcello („Driante Sacreo“). Ignazio Sieber (1680 bis 1757), Oboist und wie Antonio Vivaldi Lehrer am Ospedale della Pietà inVenedig, war mit Georg Friedrich Händel befreundet. Er spielte die Oboenpartien bei Aufführungen von Händels Oratorien in Rom und soll als Gast an Veranstaltungen der Accademia dell'Arcadia teilgenommen haben.
Musiziert wird gekonnt. Die Blockflötistin konnte für diese Aufnahme erstklassige Mitstreiter gewinnen. Die Violinisten Fiorenza de Donatis und Andrea Rognoni sowie Cellist Marco Frezzato sind Konzertmeister und Stimmführer bekannter Originalklang-Ensembles. Besonderen Wert legte Sabrina Frey auf eine abwechslungsreiche Gestaltung des Basso continuo. Entsprechend üppig ist die Continuo-Gruppe besetzt: Cembalo und Truhenorgel spielt Philippe Grisvard. Vincent Flückiger bereichert mit Theorbe und Barockgitarre das Klangbild, und Bret Simner am Violone gibt dem Continuo das Fundament. An der Orgel zu hören ist zudem Naoki Kitaya. Entstanden sind so farbenfrohe und vielschichtige Interpretatio- nen, getragen von barocker Spielfreude.
Die „geheimen Nischen“ von der Sabrina Frey so fasziniert im Beiheft zu dieser CD berichtet, waren allerdings nicht erforderlich, um Instrumentalmusik aufzuführen. Und wenn sie Opern hören wollten, reisten die Begüterten nach Neapel, nach Venedig, nach Florenz – oder aber einfach auf ihre Landgüter. Literarische Gesellschaften wie die Accademia dell'Arcadia, 1690 gegründet, waren damals in Europa modern. Die Fruchtbringende Gesellschaft, 1617 in Weimar ins Leben gerufen, hatte immerhin 890 Mitglieder; sie war die älteste deutsche Sprachakademie und hatte bis 1680 Bestand. Die Nürnberger Pegnitzschäfer, 1644 gegründet, gibt es sogar heute noch. Auch die Begeisterung fürs ländliche Ambiente war weit verbreitet. Selbst in Versailles schwärmte die höfische Gesellschaft für das Landleben, als nette Deko, und veranstaltete Schäferspiele.
Dennoch darf sich der Zuhörer darüber freuen, dass die römischen Arkadier zum Emblem ihres Bundes eine Flöte wählten. Denn Frey fühlte sich dadurch inspiriert, nach Musikstücken von „Pastori Arcadia“ für dieses Instrument zu suchen. Sie hat eine Menge interessante Werke gefunden – die von Giovanni Battista Bononcini und Giuseppe Valentini erklingen auf dieser CD in Weltersteinspielung. Ausgewählt hat die Flötistin zudem Musik von Arcangelo Corelli (Arkadiername: „Arcomelo Erimanteo“), Alessandro Scarlatti („Terpandro Politeio“) und Benedetto Marcello („Driante Sacreo“). Ignazio Sieber (1680 bis 1757), Oboist und wie Antonio Vivaldi Lehrer am Ospedale della Pietà inVenedig, war mit Georg Friedrich Händel befreundet. Er spielte die Oboenpartien bei Aufführungen von Händels Oratorien in Rom und soll als Gast an Veranstaltungen der Accademia dell'Arcadia teilgenommen haben.
Musiziert wird gekonnt. Die Blockflötistin konnte für diese Aufnahme erstklassige Mitstreiter gewinnen. Die Violinisten Fiorenza de Donatis und Andrea Rognoni sowie Cellist Marco Frezzato sind Konzertmeister und Stimmführer bekannter Originalklang-Ensembles. Besonderen Wert legte Sabrina Frey auf eine abwechslungsreiche Gestaltung des Basso continuo. Entsprechend üppig ist die Continuo-Gruppe besetzt: Cembalo und Truhenorgel spielt Philippe Grisvard. Vincent Flückiger bereichert mit Theorbe und Barockgitarre das Klangbild, und Bret Simner am Violone gibt dem Continuo das Fundament. An der Orgel zu hören ist zudem Naoki Kitaya. Entstanden sind so farbenfrohe und vielschichtige Interpretatio- nen, getragen von barocker Spielfreude.
Mittwoch, 17. Juni 2015
Bach: Das wohltemperierte Klavier - Gulda (MPS)
Diese Aufnahme war einst ein Er- eignis, und ihre Neuveröffentlichung ist erneut ein Meilenstein der Interpretationsgeschichte: Aus den Jahren 1972/73 stammt Friedrich Guldas Einspielung des Wohltem- perierten Klaviers von Johann Sebastian Bach. Sie ist nun, pünktlich zum 85. Geburtstag des österreichi- schen Pianisten, bei MPS/Edel Music in einer spektakulären Edition wieder erschienen. Denn der Hörer findet auf den fünf LP bzw. vier CD eine direkte Kopie der Masterbänder. Damit erhält er Zugang zum originalen Klang, unverändert, und ohne Eingriffe in die Dynamik- und Lautstärkeverhält- nisse. Es wird möglich, Guldas Bach wieder so zu erleben, wie er vom Interpreten gedacht war. Ergänzt wird die CD-Box durch ein umfang- reiches Beiheft mit den ursprünglichen Geleittexten, Kommentaren Guldas, sowie neuen Texten des Gulda-Vertrauten Thomas Knapp und des heutigen Toningenieurs Thorsten Wyk.
Der Pianist Friedrich Gulda (1930 bis 2000) war schon zu Lebzeiten eine Legende. Er beeindruckte das Publikum einerseits durch sein Ringen um Werktreue und durch die Eindrücklichkeit seines Spiels. Andererseits leistete sich Gulda gelegentlich Auftritte, die ihm den Ruf einer gewissen Exzentrizität einbrachten. Diese Aufnahme zeigt ihn als einen sorgsam wägenden, hart um Ausdruck und Klangnuancen ringenden Künstler.
Gulda berief sich darauf, „daß zu Bachs Zeiten alles, was Tasten hatte, ,Clavier' genannt wurde, also sowohl das Clavichord – gefühlvolles, intimes Hausinstrument; als auch das Cembalo – glanzvolles, aristo- kratisches, weltliches Prachtstück; und die Orgel – das geweihte Instrument des Gottesdienstes“. Er stellte fest, „daß die Präludien und Fugen des ,Wohltemperierten Claviers' meist deutlich erkennen lassen, von welchem der drei Instrumente sie ihrer Technik und Ausdrucksweise nach inspiriert und für welches sie mithin vorwiegend bestimmt sind“.
Gulda versuchte also, auf dem modernen Konzertflügel die Klänge nachzuempfinden, die sich Bach möglicherweise vorgestellt haben könnte. Dabei arbeitete der Pianist einmal mehr mit dem Villinger Soundtüftler Hans Georg Brunner-Schwer zusammen. Seit 1969 hatte Gulda das Studio im Schwarzwald, das er sehr schätzte, genutzt, um Zyklen von Beethoven, Debussy und Mozart sowie eigene Werke einzuspielen. Eigens für ihn schaffte Brunner-Schwer einen Bösendorfer Grand Imperial an, der dort bis heute steht. Noch heute kann man die Markierungen sehen, mit denen die Position der Mikrophone festgelegt wurde, um den optimalen Klang zu erzielen. Die Mikrophonierung erfolgte direkt über den Saiten des Flügels, was wenig Hall zulässt und sehr direkt wirkt.
Gulda schätzte diesen Klang, der es ihm ermöglichte, durch feinste Nuancen in Anschlag und Pedalisierung zu gestalten. Im modernen Konzertflügel sah er zudem ein Medium, das es gestattet, auch „den abstrakteren Vorstellungen Bachs gerecht zu werden (Zumindest war dies meine Absicht)“. Der Pianist sah in Bachs Werken eine Dimension, die über die Musik weit hinausreicht. Eine Ahnung davon erfasst auch den Hörer, der zudem von der Intensität dieser Musik berührt wird. Grandios!
Der Pianist Friedrich Gulda (1930 bis 2000) war schon zu Lebzeiten eine Legende. Er beeindruckte das Publikum einerseits durch sein Ringen um Werktreue und durch die Eindrücklichkeit seines Spiels. Andererseits leistete sich Gulda gelegentlich Auftritte, die ihm den Ruf einer gewissen Exzentrizität einbrachten. Diese Aufnahme zeigt ihn als einen sorgsam wägenden, hart um Ausdruck und Klangnuancen ringenden Künstler.
Gulda berief sich darauf, „daß zu Bachs Zeiten alles, was Tasten hatte, ,Clavier' genannt wurde, also sowohl das Clavichord – gefühlvolles, intimes Hausinstrument; als auch das Cembalo – glanzvolles, aristo- kratisches, weltliches Prachtstück; und die Orgel – das geweihte Instrument des Gottesdienstes“. Er stellte fest, „daß die Präludien und Fugen des ,Wohltemperierten Claviers' meist deutlich erkennen lassen, von welchem der drei Instrumente sie ihrer Technik und Ausdrucksweise nach inspiriert und für welches sie mithin vorwiegend bestimmt sind“.
Gulda versuchte also, auf dem modernen Konzertflügel die Klänge nachzuempfinden, die sich Bach möglicherweise vorgestellt haben könnte. Dabei arbeitete der Pianist einmal mehr mit dem Villinger Soundtüftler Hans Georg Brunner-Schwer zusammen. Seit 1969 hatte Gulda das Studio im Schwarzwald, das er sehr schätzte, genutzt, um Zyklen von Beethoven, Debussy und Mozart sowie eigene Werke einzuspielen. Eigens für ihn schaffte Brunner-Schwer einen Bösendorfer Grand Imperial an, der dort bis heute steht. Noch heute kann man die Markierungen sehen, mit denen die Position der Mikrophone festgelegt wurde, um den optimalen Klang zu erzielen. Die Mikrophonierung erfolgte direkt über den Saiten des Flügels, was wenig Hall zulässt und sehr direkt wirkt.
Gulda schätzte diesen Klang, der es ihm ermöglichte, durch feinste Nuancen in Anschlag und Pedalisierung zu gestalten. Im modernen Konzertflügel sah er zudem ein Medium, das es gestattet, auch „den abstrakteren Vorstellungen Bachs gerecht zu werden (Zumindest war dies meine Absicht)“. Der Pianist sah in Bachs Werken eine Dimension, die über die Musik weit hinausreicht. Eine Ahnung davon erfasst auch den Hörer, der zudem von der Intensität dieser Musik berührt wird. Grandios!
Dienstag, 16. Juni 2015
Telemann: Festive Cantatas (Hänssler Classic)
Als Director Musices der Hansestadt Hamburg war Georg Philipp Telemann verpflichtet, pro Woche zwei Kantaten zu schreiben, dazu jährlich eine Passion und zusätzlich Festmusiken für besondere Anlässe. Fleiß und Kreativität wurden dem Komponisten dann allerdings zum Verhängnis – spätere Generationen schalten ihn einen Vielschreiber, und erklärten seine Werke für unbedeu- tend und nichtssagend.
Dies ist der Grund dafür, dass Telemanns Werk noch immer zu großen Teilen unerschlossen ist. In den letzten Jahren haben sich, glücklicherweise, etliche bedeutende Solisten und Ensembles dem Schaffen des Meisters zugewandt. So zeigt auch diese CD mit den großartigen Solisten Miriam Feuersinger, Franz Vitzthum und Klaus Mertens sowie dem stimmstarken Collegium vocale Siegen und der Hannoverschen Hofkapelle unter Kirchenmusikdirektor Ulrich Stötzel, dass dieses harte Urteil der Musikgeschichte keine Berechtigung hat. Zu hören sind die festlichen, groß besetzten Kantaten Der Herr lebet, Ehr und Dank sey Dir gesungen und Der Geist giebt Zeugnis – und sie sind wundervoll. Unbedingt anhören!
Dies ist der Grund dafür, dass Telemanns Werk noch immer zu großen Teilen unerschlossen ist. In den letzten Jahren haben sich, glücklicherweise, etliche bedeutende Solisten und Ensembles dem Schaffen des Meisters zugewandt. So zeigt auch diese CD mit den großartigen Solisten Miriam Feuersinger, Franz Vitzthum und Klaus Mertens sowie dem stimmstarken Collegium vocale Siegen und der Hannoverschen Hofkapelle unter Kirchenmusikdirektor Ulrich Stötzel, dass dieses harte Urteil der Musikgeschichte keine Berechtigung hat. Zu hören sind die festlichen, groß besetzten Kantaten Der Herr lebet, Ehr und Dank sey Dir gesungen und Der Geist giebt Zeugnis – und sie sind wundervoll. Unbedingt anhören!
Schubert - Brahms: The complete duos (Evil Penguin Records)
„Dit project is ontstaan uit een drievoudige liefde“, schwärmt Pieter Wispelwey im Beiheft zu dieser CD, „voor Schubert, voor Brahms en voor de cello.“ Doch bei aller Liebe – Schubert hat kein einziges Stück für Violoncello und Klavier geschrieben, und Brahms lediglich zwei Cello- sonaten. „Aangezien ik geen viool, altviool, fluit of arpeggione speel, zou ik veertien duos missen van twee van mijn favoriete componisten“, überlegte der Cellist – und gibt der Versuchung nach, die 14 Duos doch zu spielen.
Die Arpeggione-Sonate von Franz Schubert gehört ohnehin schon lange zum Repertoire der Cellisten. Und Johannes Brahms schuf zwar seine Sonaten op. 120 für den Klarinettisten Richard Mühlfeld – aber der Komponist höchstselbst veröffentlichte sie auch in einer Version für Viola. Insofern beruft sich Wispelwey auf eine Freiheit in der Instrumentierung, die über Jahrhundert ohnehin üblich war, und von der auch die Romanti- ker selbst gern noch Gebrauch machten.
Auf dieser ersten CD spielt der Cellist gemeinsam mit seinem Klavierpart- ner Paolo Giacometti Schuberts Fantasie in C-Dur, D 934, ursprünglich entstanden für Violine und Klavier, eine der einstigen Klarinettensonaten von Brahms, gerahmt von jeweils einem Satz aus zwei Suiten für Violon- cello solo von Max Reger, und Schuberts g-Moll-Sonate D 408. „We hopen opnieuw te laten horen hoe flexibel en wendbaar de cello is en hoe onterecht het is dat hij soms nog wordt geassocieerd met sentimentaliteit en zwaarmoedigheid“, so Wispelwey. Das Brahms-Schubert-Projekt ist ein engagiertes Plädoyer für das Violoncello mit seiner Fähigkeit, zu singen und mit seiner klanglichen Wandlungsfähigkeit. Auf die Fortsetzung darf man sehr gespannt sein.
Die Arpeggione-Sonate von Franz Schubert gehört ohnehin schon lange zum Repertoire der Cellisten. Und Johannes Brahms schuf zwar seine Sonaten op. 120 für den Klarinettisten Richard Mühlfeld – aber der Komponist höchstselbst veröffentlichte sie auch in einer Version für Viola. Insofern beruft sich Wispelwey auf eine Freiheit in der Instrumentierung, die über Jahrhundert ohnehin üblich war, und von der auch die Romanti- ker selbst gern noch Gebrauch machten.
Auf dieser ersten CD spielt der Cellist gemeinsam mit seinem Klavierpart- ner Paolo Giacometti Schuberts Fantasie in C-Dur, D 934, ursprünglich entstanden für Violine und Klavier, eine der einstigen Klarinettensonaten von Brahms, gerahmt von jeweils einem Satz aus zwei Suiten für Violon- cello solo von Max Reger, und Schuberts g-Moll-Sonate D 408. „We hopen opnieuw te laten horen hoe flexibel en wendbaar de cello is en hoe onterecht het is dat hij soms nog wordt geassocieerd met sentimentaliteit en zwaarmoedigheid“, so Wispelwey. Das Brahms-Schubert-Projekt ist ein engagiertes Plädoyer für das Violoncello mit seiner Fähigkeit, zu singen und mit seiner klanglichen Wandlungsfähigkeit. Auf die Fortsetzung darf man sehr gespannt sein.
Scheidemann: Organ Works (MDG)
Heinrich Scheidemann (um 1595 bis 1663) war der Sohn von David Scheidemann, Organist in Hamburg an der St. Katharinenkirche. Ersten Unterricht erhielt er vom Vater; an- schließend schickte die Kirchgemein- de dann den angehenden Musiker nach Amsterdam, zum Studium bei Jan Pieterszoon Sweelinck. Sie zahlte ihm dafür sogar das (üppige) Lehr- und Kostgeld, „in der Hoffnung, daß er ein braver Künstler und dereinst ihr Organist werden sollte“, so zitiert das informative Beiheft eine Quelle, die leider nicht näher bezeichnet wird. Und tatsächlich wurde Scheidemann Amtsnachfolger seines Vaters. 1663 starb er schließlich an der Pest.
Die Werke Scheidemanns sind nur in Abschriften überliefert. Der Musik- wissenschaftler Gustav Fock hat sich in den 50er und 60er Jahren intensiv damit beschäftigt. Ihm ist es gelungen, eine Reihe zuvor unbekannter handschriftlicher Quellen aufzuspüren, so dass sich damals die Menge der bekannten Werke des Organisten verdoppelte. Fock kam zu dem Urteil, Scheidemanns Orgelwerk sei „das bedeutendste der norddeutschen Sweelinck-Schule sowohl nach Umfang und Qualität als auch in seiner stilbildenden Wirkung auf die norddeutsche Orgelmusik bis zu Buxte- hude“. Der Organist hat gleich eine ganze Reihe von Gattungen durch Innovationen bereichert. Er gilt als einer der Begründer der norddeutschen Orgelschule. Sein bedeutendster Schüler, Johann Adam Reincken, wurde auch sein Nachfolger.
Leo van Doeselaar präsentiert eine Auswahl aus dem Werk Scheidemanns an einer Orgel, die für eine Instrumentengeneration nach jenem Niehoff-Instrument steht, an der seinerzeit Sweelinck in Amsterdam seine Schüler unterrichtet hat: Als die Orgel Begleitinstrument der singenden Gemeinde wurde, benötigte sie mehr Klangfülle. „Die erfolgreichsten ,Umgestalter' waren Vater und Sohn van Hagerbeer, die die schon vorhandenen Orgeln kraftvoller machten und die Disposition anpassten, aber dabei auf ihre Weise die Brabanter Schule fortführten“, erläutert van Doeselaar im Beiheft. Die Orgel der Pieterskerk in Leiden wurde von ihnen zwischen 1637 und 1643 errichtet, unter Benutzung vieler alter Pfeifen. Der Musiker, Titularorganist an der Pieterskerk, demonstriert, dass Scheidemanns Orgelwerke auf diesem kostbaren alten Instrument, das in Teilen sogar noch aus dem Jahre 1446 stammt, ganz hervorragend klingen. Im Anschluss führt er zudem wesentliche Register der van-Hagerbeer-Orgel vor. Sie wird übrigens bei dieser Einspielung von Balgentretern mit Luft versorgt, und nicht etwa durch ein Gebläse. Die Aufnahme ist auch akustisch, dank 2+2+2-Recording, ein Erlebnis.
Die Werke Scheidemanns sind nur in Abschriften überliefert. Der Musik- wissenschaftler Gustav Fock hat sich in den 50er und 60er Jahren intensiv damit beschäftigt. Ihm ist es gelungen, eine Reihe zuvor unbekannter handschriftlicher Quellen aufzuspüren, so dass sich damals die Menge der bekannten Werke des Organisten verdoppelte. Fock kam zu dem Urteil, Scheidemanns Orgelwerk sei „das bedeutendste der norddeutschen Sweelinck-Schule sowohl nach Umfang und Qualität als auch in seiner stilbildenden Wirkung auf die norddeutsche Orgelmusik bis zu Buxte- hude“. Der Organist hat gleich eine ganze Reihe von Gattungen durch Innovationen bereichert. Er gilt als einer der Begründer der norddeutschen Orgelschule. Sein bedeutendster Schüler, Johann Adam Reincken, wurde auch sein Nachfolger.
Leo van Doeselaar präsentiert eine Auswahl aus dem Werk Scheidemanns an einer Orgel, die für eine Instrumentengeneration nach jenem Niehoff-Instrument steht, an der seinerzeit Sweelinck in Amsterdam seine Schüler unterrichtet hat: Als die Orgel Begleitinstrument der singenden Gemeinde wurde, benötigte sie mehr Klangfülle. „Die erfolgreichsten ,Umgestalter' waren Vater und Sohn van Hagerbeer, die die schon vorhandenen Orgeln kraftvoller machten und die Disposition anpassten, aber dabei auf ihre Weise die Brabanter Schule fortführten“, erläutert van Doeselaar im Beiheft. Die Orgel der Pieterskerk in Leiden wurde von ihnen zwischen 1637 und 1643 errichtet, unter Benutzung vieler alter Pfeifen. Der Musiker, Titularorganist an der Pieterskerk, demonstriert, dass Scheidemanns Orgelwerke auf diesem kostbaren alten Instrument, das in Teilen sogar noch aus dem Jahre 1446 stammt, ganz hervorragend klingen. Im Anschluss führt er zudem wesentliche Register der van-Hagerbeer-Orgel vor. Sie wird übrigens bei dieser Einspielung von Balgentretern mit Luft versorgt, und nicht etwa durch ein Gebläse. Die Aufnahme ist auch akustisch, dank 2+2+2-Recording, ein Erlebnis.
Händel: Joshua (Accent)
Die vier sogenannten Siegesoratorien galten einst 1746/47 dem Sieg der Hannoveraner Dynastie über die Armee des katholischen Thronprä- tendenten Charles Edward Stuart. Er war 1745 auf den Hebriden gelandet, und sammelte dann in Schottland Truppen um sich. Zunächst zogen die Aufständischen erfolgreich nach Süden. Doch die schottischen Stämme hatten nicht wirklich ein Interesse daran, England zu erobern, und Unterstützung aus Frankreich blieb aus. Deshalb scheiterte der Zweite Jakobitenaufstand; mit einer abenteuerlichen Flucht konnte sich Bonnie Prince Charlie in Sicherheit bringen, während seine Anhänger drakonisch bestraft wurden.
Georg Friedrich Händel feierte in seinen Oratorien den gottesfürchtigen Heerführer und sein tatkräftiges Volk – den Londonern, die angesichts der heranziehenden Aufständischen bereits von Panik ergriffen waren, dürfte dies gefallen haben. Jedenfalls waren alle vier Werke Publikumserfolge. Heute stehen sie allerdings nicht mehr oft auf dem Programm. Während Judas Maccabaeus heute gelegentlich aufgeführt wird, ist beispielsweise Joshua nur selten zu hören. Dieses Oratorium schildert die Einnahme des gelobten Landes durch das Volk Israel. Die Göttinger Händelfestspiele haben sich daran gewagt – und das hat sich durchaus gelohnt, wie der Live-Mitschnitt vom 29. Mai 2014 aus der Stadthalle beweist.
Im Mittelpunkt des Werkes steht das Volk, präsent in überwältigenden Chorszenen, so beim Einsturz der Mauern von Jericho, beim Feiern des Pessachfestes oder im finalen Jubel und Lobpreis. Das ist eine Aufgabe, der sich die Profis vom NDR Chor mit Präzision und Temperament stellen – sie haben, nach dem Orchester, den umfangreichsten Part, und sie gestalten ihn hinreißend. Die perfekten barocken Instrumentalklänge dazu ergänzt das Festspiel-Orchester Göttingen unter Leitung von Laurence Cummings. Die Musiker sind Spezialisten aus dem Bereich der historischen Aufführungspraxis, und auch sie begeistern mit jener Kombination aus Sachkenntnis und Leidenschaft, die man schon beim NDR Chor gar nicht genug loben kann.
Dem Heerführer Joshua, sehr hörenswert gesungen von dem tenore di grazia Kenneth Tarver, überbringt ein Engel Gottes Weisungen. Auch diese Partie ist mit einem Tenor besetzt. Sie ist klein, aber alles andere als trivial und wird von Joachim Duske übernommen. Leider erfährt man über diesen Solisten im ansonsten umfangreichen Beiheft nichts. Alle anderen Mitwirkenden werden mit Biographien vorgestellt. Man fühlt sich in die Oper versetzt, wenn dann der junge Kämpfer Othniel und seine Freundin Achsah (Renata Pokupic und Anna Dennis, Mezzosopran und Sopran) miteinander turteln. Othniel hofft, nach der Schlacht bei ihrem Vater Caleb (gesungen von Bariton Tobias Berndt) um ihre Hand anhalten zu können. Wie Händel Kampf und Liebe als Kontraste nebeneinander stellt, wie er Affekte zu Musik und Musik zu Gefühl werden lässt, das ist immer wieder faszinierend. Unbedingt anhören!
Georg Friedrich Händel feierte in seinen Oratorien den gottesfürchtigen Heerführer und sein tatkräftiges Volk – den Londonern, die angesichts der heranziehenden Aufständischen bereits von Panik ergriffen waren, dürfte dies gefallen haben. Jedenfalls waren alle vier Werke Publikumserfolge. Heute stehen sie allerdings nicht mehr oft auf dem Programm. Während Judas Maccabaeus heute gelegentlich aufgeführt wird, ist beispielsweise Joshua nur selten zu hören. Dieses Oratorium schildert die Einnahme des gelobten Landes durch das Volk Israel. Die Göttinger Händelfestspiele haben sich daran gewagt – und das hat sich durchaus gelohnt, wie der Live-Mitschnitt vom 29. Mai 2014 aus der Stadthalle beweist.
Im Mittelpunkt des Werkes steht das Volk, präsent in überwältigenden Chorszenen, so beim Einsturz der Mauern von Jericho, beim Feiern des Pessachfestes oder im finalen Jubel und Lobpreis. Das ist eine Aufgabe, der sich die Profis vom NDR Chor mit Präzision und Temperament stellen – sie haben, nach dem Orchester, den umfangreichsten Part, und sie gestalten ihn hinreißend. Die perfekten barocken Instrumentalklänge dazu ergänzt das Festspiel-Orchester Göttingen unter Leitung von Laurence Cummings. Die Musiker sind Spezialisten aus dem Bereich der historischen Aufführungspraxis, und auch sie begeistern mit jener Kombination aus Sachkenntnis und Leidenschaft, die man schon beim NDR Chor gar nicht genug loben kann.
Dem Heerführer Joshua, sehr hörenswert gesungen von dem tenore di grazia Kenneth Tarver, überbringt ein Engel Gottes Weisungen. Auch diese Partie ist mit einem Tenor besetzt. Sie ist klein, aber alles andere als trivial und wird von Joachim Duske übernommen. Leider erfährt man über diesen Solisten im ansonsten umfangreichen Beiheft nichts. Alle anderen Mitwirkenden werden mit Biographien vorgestellt. Man fühlt sich in die Oper versetzt, wenn dann der junge Kämpfer Othniel und seine Freundin Achsah (Renata Pokupic und Anna Dennis, Mezzosopran und Sopran) miteinander turteln. Othniel hofft, nach der Schlacht bei ihrem Vater Caleb (gesungen von Bariton Tobias Berndt) um ihre Hand anhalten zu können. Wie Händel Kampf und Liebe als Kontraste nebeneinander stellt, wie er Affekte zu Musik und Musik zu Gefühl werden lässt, das ist immer wieder faszinierend. Unbedingt anhören!
Strauss: Bläsersonatinen (Berlin Classics)
Warum die Bläsersonatinen von Richard Strauss (1864 bis 1949) so selten aufgeführt werden, das gehört zu den Rätseln der Musikgeschichte. Möglicherweise liegt es mit daran, dass es vortrefflicher Bläser bedarf, will man diese Werke angemessen spielen. Das Leipziger Armonia Ensemble kann so viele exzellente Solisten aufbieten, dass sie sich abwechseln müssen. Die Musiker, die sich neben der täglichen Arbeit im Gewandhausorchester oder im MDR-Sinfonieorchester der großbesetzten Bläserkammermusik verschrieben haben, haben bei Berlin Classics diese großartigen Werke eingespielt – eine würdige Gabe zum 150. Geburtstag des Komponisten im vergangenen Jahr.
Strauss wuchs mit Bläserklängen auf, sein Vater war ein berühmter Horn- virtuose. Bereits als Schüler schuf er Werke für ein kopfstarkes Bläser- ensemble. Im Alter schrieb er dann jene beiden Meisterwerke für 16 Blas- instrumente, die auf dieser CD zu hören sind. Die Sonatine Nr. 1 in F-Dur aus dem Jahre 1943 nannte er „Aus der Werkstatt eines Invaliden“ – in Anspielung an eine glücklich überstandene Grippe. Ein Jahr später komponierte Strauss die zweite Sonatine in Es- Dur, die er mit „Fröhliche Werkstatt“ betitelt. Es ist, obwohl mitten im Krieg entstanden, eine geradezu erschreckend heitere Musik.
Strauss erweist sich in diesen Werken als ein Magier, der mit Klangfarben Ausdrucksnuancen zaubert und Harmonien wie schillernde Seifenblasen aufsteigen und dahintreiben lässt. Die erste Sonatine, die ein wenig an den Rosenkavalier erinnert, gefällt mir fast noch ein wenig mehr als die zweite, übermütige, in der Till Eulenspiegel und der junge Mozart gemeinsam so einige Scherze treiben. Sinfonische Klangfülle und kammermusikalische Klarheit, kollektiver Klangfarbenreichtum und solistischer Glanz – diese Sonatinen sind ein musikalischer Kosmos voll Überraschungen. Und die Leipziger Bläsersolisten präsentieren Strauss' Musik mit luzider Eleganz, wunderbar. Bravi!
Strauss wuchs mit Bläserklängen auf, sein Vater war ein berühmter Horn- virtuose. Bereits als Schüler schuf er Werke für ein kopfstarkes Bläser- ensemble. Im Alter schrieb er dann jene beiden Meisterwerke für 16 Blas- instrumente, die auf dieser CD zu hören sind. Die Sonatine Nr. 1 in F-Dur aus dem Jahre 1943 nannte er „Aus der Werkstatt eines Invaliden“ – in Anspielung an eine glücklich überstandene Grippe. Ein Jahr später komponierte Strauss die zweite Sonatine in Es- Dur, die er mit „Fröhliche Werkstatt“ betitelt. Es ist, obwohl mitten im Krieg entstanden, eine geradezu erschreckend heitere Musik.
Strauss erweist sich in diesen Werken als ein Magier, der mit Klangfarben Ausdrucksnuancen zaubert und Harmonien wie schillernde Seifenblasen aufsteigen und dahintreiben lässt. Die erste Sonatine, die ein wenig an den Rosenkavalier erinnert, gefällt mir fast noch ein wenig mehr als die zweite, übermütige, in der Till Eulenspiegel und der junge Mozart gemeinsam so einige Scherze treiben. Sinfonische Klangfülle und kammermusikalische Klarheit, kollektiver Klangfarbenreichtum und solistischer Glanz – diese Sonatinen sind ein musikalischer Kosmos voll Überraschungen. Und die Leipziger Bläsersolisten präsentieren Strauss' Musik mit luzider Eleganz, wunderbar. Bravi!
Daniel Otttensamer - Mein Wien (Sony Classical)
Daniel Ottensamer, seit 2009 Solo-Klarinettist der Wiener Philharmo- niker, ist in Wien geboren und aufgewachsen. Seine Debüt-CD bei Sony Classical hat er seiner Heimatstadt gewidmet. Um das Klarinettenkonzert KV 622 von Wolfgang Amadeus Mozart, das der Musiker im Mai 2014 gemeinsam mit dem Salzburger Mozarteumorchester unter Paul Goodwin auf einer Spanientournee gespielt hat – der Mitschnitt auf dieser CD stammt aus Pamplona – hat er noch weitere Werke gruppiert, die dem legendären Wiener Charme und Schmelz nachspüren. Dabei musiziert er mit dem Mozarteumorchester ohne Dirigenten. Das Zusammenspiel funktioniert dennoch bestens, und ist so perfekt abgestimmt, als würden die Beteiligten Kammermusik vortragen.
Mit zwei Liedvertonungen von Franz Schubert zu beginnen, das ist, wenn es um Wien geht, keine schlechte Idee. Und Ottensamer lässt seine Klarinette wundervoll singen. Doch bevor das Ständchen („Leise flehen meine Lieder“) zum Kitsch gerinnt, übernimmt der Solist flugs einen Teil des Zwischenspiels, und mit den virtuosen Passagen fliegt auch die Sentimentalität dahin. Nicht ohne Ironie schickt Ottensamer anschließend einen Gruß an die Elbe: L'abeille stammt aus einem Zyklus von Bagatellen für Geige und Klavier, komponiert um 1860 vom Konzertmeister der Staatskapelle Dresden, der sich allerdings François Schubert nannte. Das pfiffige Arrangement für den Flug des Bienchens, wie für die beiden anderen Schubert-Stücke, stammt von dem Geiger Erich Schagerl, der ebenfalls bei den Wiener Philharmonikern musiziert.
Mozarts berühmtes Klarinettenkonzert erklingt hier in der bekannten Version für A-Klarinette. Ottensamer begeistert mit seinem sinnlichen, runden Ton, der auch in schnellen Läufen und in der Höhe niemals kippt, nie grell und spitz wird. Seine Phrasierung ist vorbildlich, und sein Zusammenspiel mit dem Mozarteumorchester ist ungemein harmonisch. Wie die Melodie des Solisten hier aus dem Orchesterpart heraus erblüht, ganz dezent und ohne sich plump in den Vordergrund zu drängeln, das ist schlicht hinreißend. Obwohl dieses Konzert sehr viel gespielt wird, ist Ottensamer damit ohne Zweifel eine Referenzaufnahme gelungen.
Mit Mozart setzt der Klarinettist sein Programm dann fort – es erklingt eine Melodie aus seiner Oper Don Giovanni, in Variationen von Ludwig van Beethoven, arrangiert für Klarinette und Orchester von Simeon Bellison, einem legendären Virtuosen aus Moskau, der in den USA berühmt wurde. Entsprechend anspruchsvoll ist diese Musik; das gibt Ottensamer Gelegenheit, seine exzellente Technik zu demonstrieren. Wiener Hits aus dem 19. Jahrhundert von Joseph Lanner, Josef Strauss und Philipp Fahrbach Sr. komplettieren die Werkauswahl. Und zum Abschluss erklingt eine Improvisation, Ottensamer pur sozusagen. Ein gelungenes Konzept- album, und zugleich das hochklassige musikalische Porträt eines jungen Virtuosen, der schon heute zu den Besten seines Faches gehört.
Mit zwei Liedvertonungen von Franz Schubert zu beginnen, das ist, wenn es um Wien geht, keine schlechte Idee. Und Ottensamer lässt seine Klarinette wundervoll singen. Doch bevor das Ständchen („Leise flehen meine Lieder“) zum Kitsch gerinnt, übernimmt der Solist flugs einen Teil des Zwischenspiels, und mit den virtuosen Passagen fliegt auch die Sentimentalität dahin. Nicht ohne Ironie schickt Ottensamer anschließend einen Gruß an die Elbe: L'abeille stammt aus einem Zyklus von Bagatellen für Geige und Klavier, komponiert um 1860 vom Konzertmeister der Staatskapelle Dresden, der sich allerdings François Schubert nannte. Das pfiffige Arrangement für den Flug des Bienchens, wie für die beiden anderen Schubert-Stücke, stammt von dem Geiger Erich Schagerl, der ebenfalls bei den Wiener Philharmonikern musiziert.
Mozarts berühmtes Klarinettenkonzert erklingt hier in der bekannten Version für A-Klarinette. Ottensamer begeistert mit seinem sinnlichen, runden Ton, der auch in schnellen Läufen und in der Höhe niemals kippt, nie grell und spitz wird. Seine Phrasierung ist vorbildlich, und sein Zusammenspiel mit dem Mozarteumorchester ist ungemein harmonisch. Wie die Melodie des Solisten hier aus dem Orchesterpart heraus erblüht, ganz dezent und ohne sich plump in den Vordergrund zu drängeln, das ist schlicht hinreißend. Obwohl dieses Konzert sehr viel gespielt wird, ist Ottensamer damit ohne Zweifel eine Referenzaufnahme gelungen.
Mit Mozart setzt der Klarinettist sein Programm dann fort – es erklingt eine Melodie aus seiner Oper Don Giovanni, in Variationen von Ludwig van Beethoven, arrangiert für Klarinette und Orchester von Simeon Bellison, einem legendären Virtuosen aus Moskau, der in den USA berühmt wurde. Entsprechend anspruchsvoll ist diese Musik; das gibt Ottensamer Gelegenheit, seine exzellente Technik zu demonstrieren. Wiener Hits aus dem 19. Jahrhundert von Joseph Lanner, Josef Strauss und Philipp Fahrbach Sr. komplettieren die Werkauswahl. Und zum Abschluss erklingt eine Improvisation, Ottensamer pur sozusagen. Ein gelungenes Konzept- album, und zugleich das hochklassige musikalische Porträt eines jungen Virtuosen, der schon heute zu den Besten seines Faches gehört.
Mittwoch, 10. Juni 2015
Couperin: Les Nations (Naxos)
„La Première Sonade de ce Recüeil fut auscy la première que je composai et qui ait été composée en France“, schreibt Francois Couperin (1668 bis 1733) im Vorwort zur Edition von Les Nations: Sonades et suites de simphonies en trio. „L'Histoire même en est singulière. Charmé de celles de Signor Corelli, dont j'aimeray les œuvres tant que je vivray, ainsi que Les Ouvrages francois de Monsieur de Lulli, j'hasarday d'en composer une que je fis exécuter dans le Concert où j'avois entendu celles de Corelli.“ In den vier Abschnitten dieses Werkes, gewidmet jeweils Frankreich, Spanien, Rom sowie dem Haus Savoyen, das nicht nur das Piemont, sondern auch das Königreich Sardinien regierte (und später die Könige von Italien hervorbrachte), kombiniert Couperin je eine Sonate nach italienischem Vorbild mit einer traditionellen französischen Suite. Das Alte-Musik-Ensemble der renommierten Juilliard School in New York City hat diese spektakuläre Sammlung nun auf zwei CD bei Naxos eingespielt. Mitglieder von Juilliard Baroque sind nicht etwa Studierende dieser hochangesehenen Musikhochschule, sondern gestandene Profis. Sie musizieren versiert, aber auch mit einer gehörigen Portion Abgeklärtheit.
Der Musikgeschmack das französischen Hofes war zur Zeit Couperins ziemlich konservativ; insbesondere auch im Bereich der Oper waren Innovationen aus Italien gar nicht willkommen. Insofern war es ziemlich kühn von dem Komponisten, neue italienische Ideen und französische Traditionen miteinander zu verknüpfen. Den Mut, den Couperin seinerzeit hatte – er trieb das Experiment soweit, dass er Werke unter Pseudonym verfasste und als italienische aufführen ließ – wünschte ich mir in der Interpretation gespiegelt: Mehr Esprit, mehr Glanz, mehr Temperament. So ganz zufrieden macht mich daher diese Aufnahme nicht.
Der Musikgeschmack das französischen Hofes war zur Zeit Couperins ziemlich konservativ; insbesondere auch im Bereich der Oper waren Innovationen aus Italien gar nicht willkommen. Insofern war es ziemlich kühn von dem Komponisten, neue italienische Ideen und französische Traditionen miteinander zu verknüpfen. Den Mut, den Couperin seinerzeit hatte – er trieb das Experiment soweit, dass er Werke unter Pseudonym verfasste und als italienische aufführen ließ – wünschte ich mir in der Interpretation gespiegelt: Mehr Esprit, mehr Glanz, mehr Temperament. So ganz zufrieden macht mich daher diese Aufnahme nicht.