Eine ganz besondere CD hat die Pianistin Ira Maria Witoschynskyj im Gedenken an eine berühmte Kollegin bei Dabringhaus und Grimm veröffentlicht: Mit ihrem Aufnahme- projekt erkundete sie das familiäre Umfeld von Clara Schumann, der bedeutendsten Pianistin des 19. Jahrhunderts, deren 200. Geburtstag in diesem Jahr von der Musikwelt gefeiert wurde.
Clara Schumann (1819 bis 1896) war eine Ausnahmekünstlerin, die sich nicht so recht in das biedermeierliche Bild von Familie einfügen lässt. Denn mit ihrem Klavierspiel ernährte sie ihre Familie, den komponierenden Gatten Robert oftmals inklusive – Konzertreisen also statt Kinder, Küche, Kirche. Und zunehmend wird auch ihr eigenes Schaffen geschätzt.
Diese CD, entstanden anlässlich des 100. Todestages von Clara Schumann 1996, gilt dennoch dem familiären Umkreis der Musikerin. Denn dort gibt es noch immer einiges zu entdecken; Ira Maria Witoschynskyj hat das Programm dafür gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Joachim Draheim mit großer Sorgfalt vorbereitet und begeistert fast durchweg mit Ersteinspielungen.
Die Werke von Robert und Clara Schumann, Johannes Brahms und Claras Halbbruder Woldemar Bargiel (1828 bis 1897) ergeben ein ungemein erhellendes Bild ihrer kompositorischen Kompetenz und der künstlerischen Atmosphäre im engsten Kreis ihrer Familie. Clara Schumann tritt uns darin nicht nur als Virtuosin, Komponistin, Arrangeurin und als Assistentin Robert Schumanns, sondern auch als Widmungsempfängerin, Schwester, Freundin, Ehefrau und Mutter entgegen. Hinreißend, voller Überraschungen, und obendrein exquisit gespielt. Brava!
Dienstag, 31. Dezember 2019
Handel: Apollo e Dafne (Linn)
Apollo e Dafne, eine Kantate von Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759), komponiert von diesem bei seinem Aufenthalt in Italien, steht im Mittelpunkt dieser CD. Das Ensemble Marsyas unter Leitung von Peter Whelan kombinierte sie mit der Ouvertüre zu Il pastor fido und einigen weiteren, eher selten gespielten, Musikstücken des Komponisten. Gesangssolisten sind Mhairi Lawson, Sopran, und Callum Thorpe, Bass.
Monteverdi: Madrigali Libri i - IX (Brilliant Classics)
Auf zwölf CD bietet diese Box die Möglichkeit, sämtliche Madrigalbücher von Claudio Monteverdi (1567 bis 1643) anzuhören, sehr schön gesungen vom Ensemble Le Nuovo Musiche unter Leitung von Krijn Koetsveld.
In den acht zu Lebzeiten den Komponisten veröffentlichten Madrigalbüchern lässt sich der Übergang von der strengen Polyphonie („stile antico“) zu den erweiterten harmonischen Möglichkeiten der „nuova pratica“ nachvollziehen. Für die Musikgeschichte gilt dies als ein wichtiger Schritt auf dem Wege von der Renaissance zum Barock. Ein neuntes Buch, das nach dem Tode Monteverdis erschienen ist, erweist sich als eine Sammlung früher Werke im alten Stil. Ein Beiheft ergänzt die Edition durch eine Fülle von Informationen zu jedem Madrigalbuch und zu den beteiligten Musikern.
Die niederländischen Alte-Musik-Spezialisten beeindrucken durch einen stets ausgewogenen, harmonisch abgestimmten Ensembleklang. Wer an Monteverdis Madrigalen den Wohlklang schätzt, der wird mit dieser Aufnahme glücklich sein. Wer allerdings auf musikalischen Ausdruck besonderen Wert legt, der wird mit dieser Box nicht vollends zufriedengestellt. Dramatik kommt hier leider zu kurz. Schade.
In den acht zu Lebzeiten den Komponisten veröffentlichten Madrigalbüchern lässt sich der Übergang von der strengen Polyphonie („stile antico“) zu den erweiterten harmonischen Möglichkeiten der „nuova pratica“ nachvollziehen. Für die Musikgeschichte gilt dies als ein wichtiger Schritt auf dem Wege von der Renaissance zum Barock. Ein neuntes Buch, das nach dem Tode Monteverdis erschienen ist, erweist sich als eine Sammlung früher Werke im alten Stil. Ein Beiheft ergänzt die Edition durch eine Fülle von Informationen zu jedem Madrigalbuch und zu den beteiligten Musikern.
Die niederländischen Alte-Musik-Spezialisten beeindrucken durch einen stets ausgewogenen, harmonisch abgestimmten Ensembleklang. Wer an Monteverdis Madrigalen den Wohlklang schätzt, der wird mit dieser Aufnahme glücklich sein. Wer allerdings auf musikalischen Ausdruck besonderen Wert legt, der wird mit dieser Box nicht vollends zufriedengestellt. Dramatik kommt hier leider zu kurz. Schade.
Montag, 30. Dezember 2019
Il giardino dei sospiri (Pentatone)
Tragische Schicksale werden besungen in den weltlichen Kantaten von Benedetto Marcello (1686 bis 1739), Leonardo Leo (1694 bis 1744) und Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759), die Magdalena Kožená gemeinsam mit dem Collegium 1704 unter Leitung von Václav Luks auf dieser CD präsentiert.
Für ihr erstes Album bei dem audiophilen Label Pentatone kehrt die tschechische Mezzosopranistin zum Barock-Repertoire zurück, mit dem sie einst ihre Weltkarriere startete. „With this recording I would like to take you with me on a particularly exciting journey, not only because we uncovered some pieces which haven't been performed since they were first composed, but also because I could hardly imagine more passionate, savage, uninhibited yet loving and caressing companions for these desperate heroines than Václav Luks and the musicians of Collegium 1704“, schreibt Magdalena Kožená in ihrem Geleitwort.
Il giardino dei sospiri, der Garten der Seufzer, lautet der Titel des Albums – doch die Klage ist nur eine der vielen Möglichkeiten für die Heldinnen, ihren Gefühlen Ausdruck zu geben. Die musikalischen Mini-Dramen bieten so der Sängerin Gelegenheit, die unterschiedlichsten Affekte auszuloten. Magdalena Kožená gestaltet die Arien und Rezitative mit betörend schöner, beweglicher Stimme – koloratursicher, eher reflektiert und mit Noblesse. Komplettiert wird das faszinierende Programm durch eine Arie von Francesco Gasparini (1661 bis 1727) sowie durch Sinfonien von Leonardo Vinci (1690 bis 1730) und Händel.
Für ihr erstes Album bei dem audiophilen Label Pentatone kehrt die tschechische Mezzosopranistin zum Barock-Repertoire zurück, mit dem sie einst ihre Weltkarriere startete. „With this recording I would like to take you with me on a particularly exciting journey, not only because we uncovered some pieces which haven't been performed since they were first composed, but also because I could hardly imagine more passionate, savage, uninhibited yet loving and caressing companions for these desperate heroines than Václav Luks and the musicians of Collegium 1704“, schreibt Magdalena Kožená in ihrem Geleitwort.
Il giardino dei sospiri, der Garten der Seufzer, lautet der Titel des Albums – doch die Klage ist nur eine der vielen Möglichkeiten für die Heldinnen, ihren Gefühlen Ausdruck zu geben. Die musikalischen Mini-Dramen bieten so der Sängerin Gelegenheit, die unterschiedlichsten Affekte auszuloten. Magdalena Kožená gestaltet die Arien und Rezitative mit betörend schöner, beweglicher Stimme – koloratursicher, eher reflektiert und mit Noblesse. Komplettiert wird das faszinierende Programm durch eine Arie von Francesco Gasparini (1661 bis 1727) sowie durch Sinfonien von Leonardo Vinci (1690 bis 1730) und Händel.
Biber: Fidicinium Sacro-Profanum (Accent)
Sechs Sonaten für fünf Stimmen, zwei Violinen, zwei Violen und Basso continuo, und sechs Sonaten für – eigentlich – zwei Violinen, Viola und Bass – was das 1682 in Salzburg gedruckte Fidicinium Sacro-Profanum von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644 bis 1704) so besonders macht, das erschließt sich erst auf den zweiten Blick, oder aber beim Zuhören. Dazu sei an dieser Stelle eine neue Einspielung empfohlen, die diese Sonatensammlung mit ihren raffinierten motivischen Korrespondenzen aufs Beste zur Geltung bringt. Florian Deuter, Mónica Waisman und ihre Musikerkollegen vom Ensemble Harmonie Universelle erweisen sich als kongeniale Interpreten dieser noch immer viel zu selten aufgeführten Werke. Und mit der Toccata Duodecima aus Georg Muffats Apparatus musico-organisticus verweist Francesco Corti auch auf die klangschöne Orgel der Kirche St. Leodegar in Niederehe, wo diese Aufnahme entstanden ist. Sie wurde 1714/15 durch Balthasar König aus Münstereifel erbaut.
Samstag, 28. Dezember 2019
Les Vendredis (SWR Music)
Mitrofan Petrowitsch Beljajew (1836 bis 1904), Sohn und Erbe eines reichen Holzhändlers, war nicht nur ein erfolgreicher Kaufmann, sondern auch ein großer Musikfreund und Mäzen. Um Musik russischer Kompo- nisten zu publizieren, gründete er 1885 sogar einen Musikverlag in Leipzig.
Immer freitags gab es bei Beljajew für den Freundeskreis ein Hauskonzert sowie Essen und Trinken. Der Hausherr selbst wirkte im Streichquartett mit – er spielte ausgezeichnet Bratsche. Neben Klassikern der Gattung, wie den Streichquartetten von Haydn oder Mozart, erklang dort natürlich regelmäßig auch ganz neue Musik. Die Komponisten des Beljajew-Kreises, wie Nikolai Rimski-Korsakow, Alexander Borodin, Alexander Glasunow, Anatoli Ljadow, Nikolai Sokolow oder der Pianist Felix Blumenfeld, schrieben sogar Musikstücke dafür.
Immer wieder veröffentlichte Beljajew ihre Werke in seinem Verlag. So publizierte er 1899 in zwei Heften eine Kollektion von Musikstücken der bedeutenden russischen Komponisten für Streichquartett. Sie erhielt den Titel „Les Vendredis“, nach den berühmten Freitags-Konzerten des Verlegers.
Das Szymanowski Quartett hat nun eine Auswahl aus dieser wichtigen Sammlung eingespielt. Mit Staunen folgt man den kunstvollen Miniaturen, die nicht nur musikhistorisch außerordentlich bedeutsam sind, sondern auch wirklich zauberhafte Musik. Das Szymanowski Quartett musiziert mit Leidenschaft und technischer Perfektion. Mit schönem, beseelten Ton bringt das Ensemble insbesondere auch die lyrischen Momente dieser Kompositionen wunderbar zur Geltung. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Immer freitags gab es bei Beljajew für den Freundeskreis ein Hauskonzert sowie Essen und Trinken. Der Hausherr selbst wirkte im Streichquartett mit – er spielte ausgezeichnet Bratsche. Neben Klassikern der Gattung, wie den Streichquartetten von Haydn oder Mozart, erklang dort natürlich regelmäßig auch ganz neue Musik. Die Komponisten des Beljajew-Kreises, wie Nikolai Rimski-Korsakow, Alexander Borodin, Alexander Glasunow, Anatoli Ljadow, Nikolai Sokolow oder der Pianist Felix Blumenfeld, schrieben sogar Musikstücke dafür.
Immer wieder veröffentlichte Beljajew ihre Werke in seinem Verlag. So publizierte er 1899 in zwei Heften eine Kollektion von Musikstücken der bedeutenden russischen Komponisten für Streichquartett. Sie erhielt den Titel „Les Vendredis“, nach den berühmten Freitags-Konzerten des Verlegers.
Das Szymanowski Quartett hat nun eine Auswahl aus dieser wichtigen Sammlung eingespielt. Mit Staunen folgt man den kunstvollen Miniaturen, die nicht nur musikhistorisch außerordentlich bedeutsam sind, sondern auch wirklich zauberhafte Musik. Das Szymanowski Quartett musiziert mit Leidenschaft und technischer Perfektion. Mit schönem, beseelten Ton bringt das Ensemble insbesondere auch die lyrischen Momente dieser Kompositionen wunderbar zur Geltung. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Donnerstag, 26. Dezember 2019
Bach: Goldberg Variations (Supraphon)
Kann man die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach auch mit einem Holzbläser-Trio spielen? Václav Vonášek hat versucht, ein Arrangement für diese Besetzung anzufertigen, musste aber bald feststellen: Es „fehlt eine Tenorstimme, die den Freiraum zwischen der Klarinette und dem Fagott füllt.“ Es funktionierte nicht, berichtet der Fagottist: „Von allen Variationen konnten bei bestem Willen nur etwa die Hälfte umgeschrieben werden.“ Und so wurde aus dem Terzett aus Oboe, Klarinette und Fagott das Arundo Quartett: „Das Bassetthorn erwies sich als eine ausgezeichnete Wahl, nicht nur dank seines Tonumfangs von der großen bis zur dreigestrichenen Oktave, aber auch dank seiner Fähigkeit, sich farbig mit anderen Instrumenten zu verbinden“, schreibt Vonášek. „Der Klang des Ensembles gewann an Fülle und Kompaktheit und der Weg zu den Goldberg-Variationen war frei.“
Jan Souček, Oboe, Jan Mach, Klarinette, Karel Dohnal, Bassetthorn und Václav Vonášek, Fagott, musizieren exquisit und bescheren uns eine der schönsten Aufnahmen der Goldberg-Variationen überhaupt. Denn die Holzbläser mit ihrem ebenso ausgewogenen wie farbenreichen Klang erweisen sich als perfekte Besetzung dafür. Und als Zugabe spielen die vier Musiker anschließend noch die Orchestersuite BWV 1066. Bravi!
Jan Souček, Oboe, Jan Mach, Klarinette, Karel Dohnal, Bassetthorn und Václav Vonášek, Fagott, musizieren exquisit und bescheren uns eine der schönsten Aufnahmen der Goldberg-Variationen überhaupt. Denn die Holzbläser mit ihrem ebenso ausgewogenen wie farbenreichen Klang erweisen sich als perfekte Besetzung dafür. Und als Zugabe spielen die vier Musiker anschließend noch die Orchestersuite BWV 1066. Bravi!
Sonntag, 22. Dezember 2019
Beethoven - Méhul (Rubicon)
Seit 2010 ist Christoph König Chefdirigent der Solistes Européens Luxembourg. Mit dem Orchester, das übrigens in diesem Jahr sein 30jähriges Bestehen feierte, hat er eine Reihe höchst interessanter Programme gestaltet. Zwei davon dokumentieren diese CD bei dem Label Rubicon.
So erkundet König mit dem ersten Live-Mitschnitt, welchen Einfluss Musik aus der Zeit der Französischen Revolution auf das Schaffen Ludwig van Beethovens (1770 bis 1827) hatte (und wie wiederum Beethoven die französischen Komponisten jener Tage beeinflusste). Dafür kombiniert König die Sinfonie Nr. 1 in g-Moll von Étienne-Nicolas Méhul (1763 bis 1817) mit Beethovens Eroica. Diese 3. Sinfonie hatte der Komponist ursprünglich Napoleon gewidmet; er strich die Widmung allerdings, nachdem sich Bonaparte zum Kaiser gekrönt hatte.
Eine weitere Aufnahme verknüpft Franz Schuberts letzte vollendete Sinfonie Nr. 8 in C-Dur, bekannt als „Die Große“ , mit Rendering, einem Werk, in dem Luciano Berio (1925 bis 2003) Entwürfe und Skizzen zu einer Sinfonie in D-Dur verarbeitete, die Schubert kurz vor seinem Tode niedergeschrieben hatte.
Berio hat sie „restauriert“, wie heutzutage ein Fresko restauriert wird – behutsam, ehrfurchtsvoll, und gegebenenfalls mit Lücken, mit musikalischem „Zement“, der auch deutlich als solcher erkennbar ist. Die Skizzen sind faszinierend, weil sie zeigen, wie Schubert sich neue Klangwelten erschloss. Der Komponist studierte den Kontrapunkt, und er notierte polyphone Klänge – doch seine Musik wirkt ganz erstaunlich modern; manches klingt, als hätte es Gustav Mahler geschrieben.
Man staunt, und man freut sich über all diese Entdeckungen. Es scheint fast, als leuchte König mit seinen Konzerten immer wieder ganz bewusst auch in die Abstellkammern der Musikgeschichte hinein. Es sind derer viele. Und man darf gespannt darauf sein, was die Solistes Européens Luxembourg dort in Zukunft noch aufspüren werden.
So erkundet König mit dem ersten Live-Mitschnitt, welchen Einfluss Musik aus der Zeit der Französischen Revolution auf das Schaffen Ludwig van Beethovens (1770 bis 1827) hatte (und wie wiederum Beethoven die französischen Komponisten jener Tage beeinflusste). Dafür kombiniert König die Sinfonie Nr. 1 in g-Moll von Étienne-Nicolas Méhul (1763 bis 1817) mit Beethovens Eroica. Diese 3. Sinfonie hatte der Komponist ursprünglich Napoleon gewidmet; er strich die Widmung allerdings, nachdem sich Bonaparte zum Kaiser gekrönt hatte.
Eine weitere Aufnahme verknüpft Franz Schuberts letzte vollendete Sinfonie Nr. 8 in C-Dur, bekannt als „Die Große“ , mit Rendering, einem Werk, in dem Luciano Berio (1925 bis 2003) Entwürfe und Skizzen zu einer Sinfonie in D-Dur verarbeitete, die Schubert kurz vor seinem Tode niedergeschrieben hatte.
Berio hat sie „restauriert“, wie heutzutage ein Fresko restauriert wird – behutsam, ehrfurchtsvoll, und gegebenenfalls mit Lücken, mit musikalischem „Zement“, der auch deutlich als solcher erkennbar ist. Die Skizzen sind faszinierend, weil sie zeigen, wie Schubert sich neue Klangwelten erschloss. Der Komponist studierte den Kontrapunkt, und er notierte polyphone Klänge – doch seine Musik wirkt ganz erstaunlich modern; manches klingt, als hätte es Gustav Mahler geschrieben.
Man staunt, und man freut sich über all diese Entdeckungen. Es scheint fast, als leuchte König mit seinen Konzerten immer wieder ganz bewusst auch in die Abstellkammern der Musikgeschichte hinein. Es sind derer viele. Und man darf gespannt darauf sein, was die Solistes Européens Luxembourg dort in Zukunft noch aufspüren werden.
Stamitz: Symphonies (Naxos)
Die sogenannte „Mannheimer Schule“ gehört zu den Meilensteinen der Musikgeschichte. Begründet wurde sie durch den Geiger Johann Stamitz (1717 bis 1757), der 1742 als Konzertmeister in die Dienste des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz trat. Von 1750 bis zu seinem Tod leitete er dann als Musikdirektor die Instrumentalmusik der renommierten Mannheimer Hofkapelle.
Der Kurfürst war ein Kunstfreund; er scheute keine Kosten, und engagierte hervorragende Musiker. Stamitz wiederum führte dieses Orchester zu europäischem Ruhm. Die Brillanz und Präzision, mit der die Mannheimer aufspielten, waren einzigartig.
Insbesondere Stamitz' Sinfonien waren ein Ereignis. Denn in diesen Kompositionen machte er quasi das ganze Orchester zum Solisten. Im Orchestersatz sorgten vor allem die Bläser für Farbe, was zuvor so nicht üblich war. Außerdem etablierte Stamitz eine Reihe von Klangeffekten, die das zeitgenössische Publikum verblüfften und begeisterten, und die später als „Mannheimer Manieren“ klassifiziert wurden.
Auf dieser CD stellt das Musica Viva Moscow Chamber Orchestra unter Leitung von Alexander Rudin fünf der sechs Sinfonien op. 3 vor. Die Aufnahme ist aber weit weniger spektakulär als die Werke selbst. Wer will, der kann hier die Mannheimer Orchestereffekte studieren, von der Rakete über die Mannheimer Seufzer bis hin zur Walze. Das auskomponierte Orchestercrescendo beeindruckt noch heute. Und beim Anhören dieser CD wird zudem recht deutlich erkennbar, wieviel Mannheim tatsächlich in Mozarts Musik steckt.
Mit diesen Sinfonien gab Stamitz der Weiterentwicklung der Gattung einen Schub, der bis weit in die Romantik hinein wirkte. Leider sind Einspielungen Raritäten; man wünscht sich mehr davon.
Der Kurfürst war ein Kunstfreund; er scheute keine Kosten, und engagierte hervorragende Musiker. Stamitz wiederum führte dieses Orchester zu europäischem Ruhm. Die Brillanz und Präzision, mit der die Mannheimer aufspielten, waren einzigartig.
Insbesondere Stamitz' Sinfonien waren ein Ereignis. Denn in diesen Kompositionen machte er quasi das ganze Orchester zum Solisten. Im Orchestersatz sorgten vor allem die Bläser für Farbe, was zuvor so nicht üblich war. Außerdem etablierte Stamitz eine Reihe von Klangeffekten, die das zeitgenössische Publikum verblüfften und begeisterten, und die später als „Mannheimer Manieren“ klassifiziert wurden.
Auf dieser CD stellt das Musica Viva Moscow Chamber Orchestra unter Leitung von Alexander Rudin fünf der sechs Sinfonien op. 3 vor. Die Aufnahme ist aber weit weniger spektakulär als die Werke selbst. Wer will, der kann hier die Mannheimer Orchestereffekte studieren, von der Rakete über die Mannheimer Seufzer bis hin zur Walze. Das auskomponierte Orchestercrescendo beeindruckt noch heute. Und beim Anhören dieser CD wird zudem recht deutlich erkennbar, wieviel Mannheim tatsächlich in Mozarts Musik steckt.
Mit diesen Sinfonien gab Stamitz der Weiterentwicklung der Gattung einen Schub, der bis weit in die Romantik hinein wirkte. Leider sind Einspielungen Raritäten; man wünscht sich mehr davon.
Freitag, 20. Dezember 2019
Johann Nepomuk Hummel Edition (Brilliant Classics)
Als Box mit immerhin 20 CD veröffentlichte Brilliant Classics die erste umfassende Kollektion der Werke von Johann Nepomuk Hummel (1778 bis 1837). Über den Lebensweg des Musiker, der in Pressburg, dem heutigen Bratislava, zur Welt kam, wurde in diesem Blog bereits an anderer Stelle ausführlich berichtet. Der musikalisch hochbegabte Junge lebte in Wien zwei Jahre lang im Haushalt von Wolfgang Amadeus Mozart, der ihn kostenlos unterrichtete. Hummel nutzte seine Chance, und wurde zu einem berühmten Klaviervirtuosen, Komponisten und Hofkapellmeister. So wurde er Nachfolger Haydns beim Fürsten Esterházy; später wirkte er in Stuttgart und in Weimar, wo er letztendlich auch starb.
Die Sammlung enthält neben Hummels Oper Mathilde von Guise auch das Oratorium Der Durchzug durchs rote Meer, in einer schönen Aufnahme mit einem exzellenten Solistenensemble sowie der Rheinischen Kantorei und Das kleine Konzert unter Leitung von Hermann Max, eine weitere CD mit geistlichen Werken, zwei CD mit diversen Instrumentalkonzerten, etliche Aufnahmen von Kammermusik und natürlich Klavierkonzerte, die 24 Etüden op. 125, eine Auswahl an anderen Klavierstücken und sämtliche Klaviersonaten. Zu hören sind diverse Solisten und Ensembles, oftmals auf historischen Instrumenten.
So spielt beispielsweise Hammerflügelspezialist Costantino Mastroprimiano Hummels Klaviersonaten auf einem Instrument von Urbano Petroselli nach einem Vorbild von Anton Walter, um 1790, und auf einem Tafelklavier von Érard aus dem Jahre 1838. Und das Konzert für Klavier, Violine und Orchester in G-Dur op. 17 interpretieren Alessandro Commelato an einem Böhm-Hammerklavier aus dem Jahre 1823, Stefano Barneschi und das Kammerorchester Milano Classica ebenfalls auf zeitgenössischen Instrumenten unter Leitung des Hummel-Spezialisten Didier Talpain.
Insgesamt gibt es in dieser Box viel zu entdecken, und das lohnt sich auch. Hummel gehört zu jenen Beethoven-Zeitgenossen, die zu Unrecht, sozusagen im Schatten des Genies, aus der allgemeinen Wahrnehmung verschwunden sind. Die Musik jener Komponisten aufmerksam anzuschauen und gegebenenfalls auch wieder ans Licht zu bringen, das bleibt eine dankbare Aufgabe.
Die Sammlung enthält neben Hummels Oper Mathilde von Guise auch das Oratorium Der Durchzug durchs rote Meer, in einer schönen Aufnahme mit einem exzellenten Solistenensemble sowie der Rheinischen Kantorei und Das kleine Konzert unter Leitung von Hermann Max, eine weitere CD mit geistlichen Werken, zwei CD mit diversen Instrumentalkonzerten, etliche Aufnahmen von Kammermusik und natürlich Klavierkonzerte, die 24 Etüden op. 125, eine Auswahl an anderen Klavierstücken und sämtliche Klaviersonaten. Zu hören sind diverse Solisten und Ensembles, oftmals auf historischen Instrumenten.
So spielt beispielsweise Hammerflügelspezialist Costantino Mastroprimiano Hummels Klaviersonaten auf einem Instrument von Urbano Petroselli nach einem Vorbild von Anton Walter, um 1790, und auf einem Tafelklavier von Érard aus dem Jahre 1838. Und das Konzert für Klavier, Violine und Orchester in G-Dur op. 17 interpretieren Alessandro Commelato an einem Böhm-Hammerklavier aus dem Jahre 1823, Stefano Barneschi und das Kammerorchester Milano Classica ebenfalls auf zeitgenössischen Instrumenten unter Leitung des Hummel-Spezialisten Didier Talpain.
Insgesamt gibt es in dieser Box viel zu entdecken, und das lohnt sich auch. Hummel gehört zu jenen Beethoven-Zeitgenossen, die zu Unrecht, sozusagen im Schatten des Genies, aus der allgemeinen Wahrnehmung verschwunden sind. Die Musik jener Komponisten aufmerksam anzuschauen und gegebenenfalls auch wieder ans Licht zu bringen, das bleibt eine dankbare Aufgabe.
Leipziger Disputation (Carus)
Und gleich noch einmal Musik aus der Zeit der Renaissance. Sie sollte ebenfalls beeindrucken – wenn auch in einem gänzlich anderen Umfeld: Vom 27. Juni bis zum 16. Juli 1519 trafen im Leipzig die führenden Vertreter der Reformation – Martin Luther, Andreas Karlstadt und Philipp Melanchton – auf Johannes Eck, einen ganz entschieden papsttreuen Theologen. Ihr mit aller Vehemenz geführtes Streitgespräch, bei dem wesentliche Unterschiede zwischen katholischer und reformatorischer Lehre offenbar wurden, ist als „Leipziger Disputation“ in die Geschichte eingegangen.
Das von der Universität Leipzig organisierte Ereignis fand in Anwesenheit Herzogs Georg von Sachsen – ein entschiedener Gegner Luthers – in der Hofstube der Leipziger Pleißenburg statt. Nach der Begrüßung gingen alle Beteiligten zunächst gemeinsam zur Messe in die Thomaskirche, wo natürlich auch der Thomanerchor unter der Leitung des damaligen Thomaskantors Georg Rhau zu hören war.
Welche Musik damals erklungen ist, mit dieser Frage haben sich nun zwei renommierte A-Cappella-Formationen aus Leipzig beschäftigt: Sowohl Amarcord als auch das Calmus Ensemble haben ihre Ursprünge im Thomanerchor. Miteinander gesungen hatten sie zuvor noch nie. Doch dieses Aufnahmeprojekt haben sie nun gemeinsam verwirklicht – und sie mussten sich zusätzlich Verstärkung dazuholen.
Denn im Mittelpunkt des Programmes steht die Messe Et ecce terrae motus von Antoine Brumel (um 1460 bis nach 1513). Sie beruht auf den ersten sieben Tönen der gleichnamigen Oster-Antiphon, und gibt auch musikalisch einen Eindruck von diesem Erdbeben. Dieses Werk ist unglaublich kunstvoll, ebenso unglaublich in seiner Wirkung – und es ist zwölfstimmig, hohe Stimmen inklusive, so dass die beiden jeweils fünfköpfigen Ensembles noch die Sopranistinnen Anja Kellnhofer und Isabel Schicketanz mit vor die Mikrophone gebeten haben.
Komplettiert wird die Messe auf der Carus-CD durch das ebenfalls zwölfstimmige Agnus Dei aus der Missa Tempore Paschali von Nicolas Gombert, sowie Werken von Johann Walter Thomas Stoltzer, Cipriano de Rore, Josquin des Préz und gregorianischen Gesängen. Mehr als eine Stunde lang lauscht man gebannt dem Gesang, und die beiden Leipziger Vokalensembles geben dazu auch allen Anlass. Ob meditativ-schlichte Gregorianik oder die enorm komplexen Kompositionen von Brumel und Gombert – die Sängerinnen und Sänger beeindrucken durch ihren stets homogenen, traumhaft ausgewogenen Gesang, individuelles Gestaltungsvermögen und sagenhafte Präzision. Ein musikalisches Ereignis!
Das von der Universität Leipzig organisierte Ereignis fand in Anwesenheit Herzogs Georg von Sachsen – ein entschiedener Gegner Luthers – in der Hofstube der Leipziger Pleißenburg statt. Nach der Begrüßung gingen alle Beteiligten zunächst gemeinsam zur Messe in die Thomaskirche, wo natürlich auch der Thomanerchor unter der Leitung des damaligen Thomaskantors Georg Rhau zu hören war.
Welche Musik damals erklungen ist, mit dieser Frage haben sich nun zwei renommierte A-Cappella-Formationen aus Leipzig beschäftigt: Sowohl Amarcord als auch das Calmus Ensemble haben ihre Ursprünge im Thomanerchor. Miteinander gesungen hatten sie zuvor noch nie. Doch dieses Aufnahmeprojekt haben sie nun gemeinsam verwirklicht – und sie mussten sich zusätzlich Verstärkung dazuholen.
Denn im Mittelpunkt des Programmes steht die Messe Et ecce terrae motus von Antoine Brumel (um 1460 bis nach 1513). Sie beruht auf den ersten sieben Tönen der gleichnamigen Oster-Antiphon, und gibt auch musikalisch einen Eindruck von diesem Erdbeben. Dieses Werk ist unglaublich kunstvoll, ebenso unglaublich in seiner Wirkung – und es ist zwölfstimmig, hohe Stimmen inklusive, so dass die beiden jeweils fünfköpfigen Ensembles noch die Sopranistinnen Anja Kellnhofer und Isabel Schicketanz mit vor die Mikrophone gebeten haben.
Komplettiert wird die Messe auf der Carus-CD durch das ebenfalls zwölfstimmige Agnus Dei aus der Missa Tempore Paschali von Nicolas Gombert, sowie Werken von Johann Walter Thomas Stoltzer, Cipriano de Rore, Josquin des Préz und gregorianischen Gesängen. Mehr als eine Stunde lang lauscht man gebannt dem Gesang, und die beiden Leipziger Vokalensembles geben dazu auch allen Anlass. Ob meditativ-schlichte Gregorianik oder die enorm komplexen Kompositionen von Brumel und Gombert – die Sängerinnen und Sänger beeindrucken durch ihren stets homogenen, traumhaft ausgewogenen Gesang, individuelles Gestaltungsvermögen und sagenhafte Präzision. Ein musikalisches Ereignis!
Ein musikalisches Gipfeltreffen 1503 (Musikmuseum)
In den Jahren 1502 bis 1504 reiste Philipp von Österreich, genannte „der Schöne“, mit seinem Hofstaat von Spanien über Frankreich nach Brüssel. Dabei stattete er 1503 seinem Vater, Kaiser Maximilian, in Innsbruck einen Besuch ab. Das war ein großes Ereignis und ging wie jeder Staatsakt mit Turnieren, Jagden, allerlei Feierlichkeiten und natürlich auch Gottesdiensten einher. Bekannt ist, dass am 17. September 1503 die Hofkapellen beider Herrscher gemeinsam ein Hochamt in der Innsbrucker St. Jakobs-Pfarrkirche gestalteten. Auch in den nachfolgenden Tagen musizierten sie mehrfach zusammen.
Und das war ohne Zweifel ein musikalisches Gipfeltreffen – denn die beiden Hofkapellen gehörten zum Besten, was das Abendland seinerzeit zu bieten hatte. So reisten mit Philipp 39 Musiker, darunter elf Trompeter, und zusätzlich Kapellknaben. Auch Maximilian beschäftigte zahlreiche Könner ihres jeweiligen Faches.
Welche Wirkung es auf das Publikum hatte, wenn sie gemeinsam musizierten, davon vermittelt diese CD einen ungefähren Eindruck. Denn die Capella de la Torre unter Leitung der Oboistin Katharina Bäuml hat sich an eine Rekonstruktion der Feierlichkeiten gewagt. Als Schauplatz dafür wurde die Hofkirche Innsbruck ausgewählt, auch wenn sie damals noch nicht stand – aber sie ist heute der einzige verbliebene Renaissance-Sakralbau der Stadt, und dort befindet sich auch die älteste erhaltene Orgel Österreichs. Zentrale Werke der Einspielung sind insbesondere die Missa Virgo Prudentissima von Heinrich Isaac und die Missa pro fidelibus defunctis von Pierre de la Rue; die beiden Musiker waren Mitglieder der beteiligten Hofkapellen.
„Wie in einem Zeitraffer lassen wir die knapp vier Wochen von September bis Oktober 1503 Revue passieren“, berichtet das Beiheft: „Auf den Einzug der Fürsten mit ihrem Hofstaat und ihren Kapellen folgt der feierliche Gottesdienst, ein Bankett mit ausgelassener Tafelmusik schließt sich an und das Requiem für Hermes Sforza bildet den Schlusspunkt der Festlichkeiten. Wir haben versucht, einen möglichst vielfältigen Eindruck von der Klangpracht eines außergewöhnlichen, musikhistorisch denkwürdigen Ereignisses der Hochrenaissance zu geben. Dazu sind unterschiedliche Klanggruppen aufgeboten: Eine ,Alta Capella' mit Blasinstrumenten der Zeit, Singknaben und hervorragende Gesangssolisten.“
Die Capella de la Torre musiziert daher gemeinsam mit den Sängern Kai Wessel, Bernd-Oliver Fröhlich, Harry van Berne und Matthias Lutze sowie den Wiltener Sängerknaben, einem Innsbrucker Knabenchor, dessen Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurück reicht. Die Einspielung entführt den Hörer in die Klangwelt des Innsbrucker Hofes unter Kaiser Maximilian, und sie beeindruckt noch heute durch ihre enorme Klangpracht. Überwältigend!
Und das war ohne Zweifel ein musikalisches Gipfeltreffen – denn die beiden Hofkapellen gehörten zum Besten, was das Abendland seinerzeit zu bieten hatte. So reisten mit Philipp 39 Musiker, darunter elf Trompeter, und zusätzlich Kapellknaben. Auch Maximilian beschäftigte zahlreiche Könner ihres jeweiligen Faches.
Welche Wirkung es auf das Publikum hatte, wenn sie gemeinsam musizierten, davon vermittelt diese CD einen ungefähren Eindruck. Denn die Capella de la Torre unter Leitung der Oboistin Katharina Bäuml hat sich an eine Rekonstruktion der Feierlichkeiten gewagt. Als Schauplatz dafür wurde die Hofkirche Innsbruck ausgewählt, auch wenn sie damals noch nicht stand – aber sie ist heute der einzige verbliebene Renaissance-Sakralbau der Stadt, und dort befindet sich auch die älteste erhaltene Orgel Österreichs. Zentrale Werke der Einspielung sind insbesondere die Missa Virgo Prudentissima von Heinrich Isaac und die Missa pro fidelibus defunctis von Pierre de la Rue; die beiden Musiker waren Mitglieder der beteiligten Hofkapellen.
„Wie in einem Zeitraffer lassen wir die knapp vier Wochen von September bis Oktober 1503 Revue passieren“, berichtet das Beiheft: „Auf den Einzug der Fürsten mit ihrem Hofstaat und ihren Kapellen folgt der feierliche Gottesdienst, ein Bankett mit ausgelassener Tafelmusik schließt sich an und das Requiem für Hermes Sforza bildet den Schlusspunkt der Festlichkeiten. Wir haben versucht, einen möglichst vielfältigen Eindruck von der Klangpracht eines außergewöhnlichen, musikhistorisch denkwürdigen Ereignisses der Hochrenaissance zu geben. Dazu sind unterschiedliche Klanggruppen aufgeboten: Eine ,Alta Capella' mit Blasinstrumenten der Zeit, Singknaben und hervorragende Gesangssolisten.“
Die Capella de la Torre musiziert daher gemeinsam mit den Sängern Kai Wessel, Bernd-Oliver Fröhlich, Harry van Berne und Matthias Lutze sowie den Wiltener Sängerknaben, einem Innsbrucker Knabenchor, dessen Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurück reicht. Die Einspielung entführt den Hörer in die Klangwelt des Innsbrucker Hofes unter Kaiser Maximilian, und sie beeindruckt noch heute durch ihre enorme Klangpracht. Überwältigend!
Donnerstag, 19. Dezember 2019
Telemann's Garden (Pentatone)
Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) war nicht nur als Musiker produktiv. Mit großer Leidenschaft pflegte er auch seinen Garten: „Ich bin unersättlich, wenn es um Hyazinthen und Tulpen geht, gierig nach Ranunkuli und besonders nach Anemonen“, so schrieb der Komponist an einen Freund.
Das Elephant House Quartet ließ sich davon inspirieren und lädt mit seinem Debütalbum bei Pentatone zu einem Spaziergang durch das Werk von Telemann ein. Diese musikalische Blütenlese ergab eine farbenfrohe, abwechslungsreiche Kollektion kammermusikalischer Pretiosen – mitunter duftig, dann wieder tänzerisch grazil, und immer elegant und ausgewogen.
Der Zuhörer hat daran ebenso Vergnügen wie die Mitglieder des Ensembles – Bolette Roed, Blockflöte, Aureliusz Goliński, Violine, Reiko Ichise, Viola da gamba und Allan Rasmussen, Cembalo: „Moreover, each flower ebbs and flows between solo and quartet performances, hence creating a perpetual story“, erklären die Musiker in ihrem Geleitwort zu dieser CD. „Out of the silence, the evocative sound of harpsichord awakens the senses, and through some of Telemann's most dramatic masterpieces, one's passion unfolds. As flowers wither, the last note fades away into silence.“ Vom ersten bis zum letzten Ton berückend.
Das Elephant House Quartet ließ sich davon inspirieren und lädt mit seinem Debütalbum bei Pentatone zu einem Spaziergang durch das Werk von Telemann ein. Diese musikalische Blütenlese ergab eine farbenfrohe, abwechslungsreiche Kollektion kammermusikalischer Pretiosen – mitunter duftig, dann wieder tänzerisch grazil, und immer elegant und ausgewogen.
Der Zuhörer hat daran ebenso Vergnügen wie die Mitglieder des Ensembles – Bolette Roed, Blockflöte, Aureliusz Goliński, Violine, Reiko Ichise, Viola da gamba und Allan Rasmussen, Cembalo: „Moreover, each flower ebbs and flows between solo and quartet performances, hence creating a perpetual story“, erklären die Musiker in ihrem Geleitwort zu dieser CD. „Out of the silence, the evocative sound of harpsichord awakens the senses, and through some of Telemann's most dramatic masterpieces, one's passion unfolds. As flowers wither, the last note fades away into silence.“ Vom ersten bis zum letzten Ton berückend.
Dienstag, 17. Dezember 2019
Bübchens Weihnachtstraum (Genuin)
Einladung zum Krippenspiel, mit Chor und einem kleinen Orchester: Stimmungsvoll wie die Märchenoper Hänsel und Gretel ist auch Bübchens Weihnachtstraum, ebenfalls von Engelbert Humperdinck. Seine Musik führt uns mitten hinein in die festliche Atmosphäre am Heiligabend. Es duftet nach Backwerk und Tannenzweigen, in der Stube ist es heute besonders heimelig, und draußen vor dem Fenster tanzen die Schneeflocken. Einem kleinen Jungen dauert das Warten aufs Christkind zu lang. Er schlummert ein, und Humperdinck zeigt uns in seiner Kombination aus Liedern, Sprechtext und Orchestermusik, wie das Bübchen im Traum schon an die Krippe tritt.
Dabei kombinierte der Komponist bekannte Weihnachtslieder und neue Ideen. Humperdinck erweist sich gerade in diesem kleinen Stück als ein großer Meister, der mit bescheidenen Mitteln ganz enorme Wirkung erzielen kann. Seine Orchestration und auch seine Chorsätze sind schlicht und zugleich raffiniert – und der MDR Kinderchor hat nun glücklicherweise Bübchens Weihnachtstraum wiederentdeckt und das „melodramatische Krippenspiel für Schule und Haus“ auf CD eingespielt.
Das Leipziger Ensemble, das seit Januar 2018 von Alexander Schmitt geleitet wird, ist der einzige Kinderchor der ARD – und künstlerisch ein Juwel, wie diese Aufnahme beweist. Daran haben auch das MDR-Sinfonieorchester sowie Sopranistin Lisa Rothländer mitgewirkt, die das kleine Solo hinreißend singt. Als Erzähler brilliert Axel Thielmann, der die Hörer gekonnt und humorvoll durch die Geschichte geleitet. Und weil es so schön ist, gibt’s als Zugabe gleich noch einige Weihnachtslieder aus der Chortradition.
Dabei kombinierte der Komponist bekannte Weihnachtslieder und neue Ideen. Humperdinck erweist sich gerade in diesem kleinen Stück als ein großer Meister, der mit bescheidenen Mitteln ganz enorme Wirkung erzielen kann. Seine Orchestration und auch seine Chorsätze sind schlicht und zugleich raffiniert – und der MDR Kinderchor hat nun glücklicherweise Bübchens Weihnachtstraum wiederentdeckt und das „melodramatische Krippenspiel für Schule und Haus“ auf CD eingespielt.
Das Leipziger Ensemble, das seit Januar 2018 von Alexander Schmitt geleitet wird, ist der einzige Kinderchor der ARD – und künstlerisch ein Juwel, wie diese Aufnahme beweist. Daran haben auch das MDR-Sinfonieorchester sowie Sopranistin Lisa Rothländer mitgewirkt, die das kleine Solo hinreißend singt. Als Erzähler brilliert Axel Thielmann, der die Hörer gekonnt und humorvoll durch die Geschichte geleitet. Und weil es so schön ist, gibt’s als Zugabe gleich noch einige Weihnachtslieder aus der Chortradition.
Montag, 16. Dezember 2019
Cantate Domino (MDG)
Singet dem Herrn ein neues Lied!, lautet der Titel dieser CD – wie treffend, denn hier präsentiert sich zum ersten Mal auf Tonträger das Ensemble BachWerkVokal. Es wurde im April 2015 in Salzburg durch Gordon Safari gegründet, und lässt sich hier nun nicht nur mit Bachs (rekonstruierter) festlicher Neujahrskantate BWV 190 sowie seiner doppelchörigen Motette BWV 225 über den 98. Psalm hören. Auch Psalmvertonungen von Dieterich Buxtehude, Georg Philipp Telemann und Georg Friedrich Händel erklingen, und als Zugabe gibt es gleich vier Lösungen für Wolfgang Amadeus Mozarts Rätselkanon über denselben Text.
Damit schafft das Ensemble zugleich die Verbindung von Salzburg nach Leipzig. Denn Mozart kam 1789 auf einer Reise in die Messestadt. Dort hörte er eine Probe der Thomaner, und fragte nach, von wem denn diese unglaubliche Musik sei. Daraufhin legte man ihm die Noten der Bach-Motette vor. Was Mozart dann von Bach gelernt hat, das zeigt sein Rätselkanon. Er ist immerhin neunstimmig (!) – und wird auf dieser CD ganz in Bachs Sinn interpretiert.
Auch sonst zeigt sich das Ensemble BachWerkVokal rundum versiert; staunend stellt man beim Blick ins Beiheft fest, wie schlank und flexibel besetzt die jungen Musiker agieren. Jeder ist hier ein Solist. Und die Sängerinnen und Sänger formieren sich je nach Bedarf zu Chören. Auch die Instrumentalisten sind exzellent.
Sie lassen Harfe, Trompeten und Posaunen ertönen, das Meer brausen und die Wasserströme frohlocken. Gordon Safari versteht sich bestens darauf, sein Ensemble sprechend-vital und farbenreich musizieren zu lassen. Ganz erstaunlich, wie lebendig doch „Alte“ Musik sein kann! Unbedingt anhören, das ist eine der schönsten CD des Jahres.
Damit schafft das Ensemble zugleich die Verbindung von Salzburg nach Leipzig. Denn Mozart kam 1789 auf einer Reise in die Messestadt. Dort hörte er eine Probe der Thomaner, und fragte nach, von wem denn diese unglaubliche Musik sei. Daraufhin legte man ihm die Noten der Bach-Motette vor. Was Mozart dann von Bach gelernt hat, das zeigt sein Rätselkanon. Er ist immerhin neunstimmig (!) – und wird auf dieser CD ganz in Bachs Sinn interpretiert.
Auch sonst zeigt sich das Ensemble BachWerkVokal rundum versiert; staunend stellt man beim Blick ins Beiheft fest, wie schlank und flexibel besetzt die jungen Musiker agieren. Jeder ist hier ein Solist. Und die Sängerinnen und Sänger formieren sich je nach Bedarf zu Chören. Auch die Instrumentalisten sind exzellent.
Sie lassen Harfe, Trompeten und Posaunen ertönen, das Meer brausen und die Wasserströme frohlocken. Gordon Safari versteht sich bestens darauf, sein Ensemble sprechend-vital und farbenreich musizieren zu lassen. Ganz erstaunlich, wie lebendig doch „Alte“ Musik sein kann! Unbedingt anhören, das ist eine der schönsten CD des Jahres.
Festival of Carols (Naxos)
Eine Kollektion der schönsten Weihnachtslieder – vorwiegend aus der britischen Tradition – bietet diese CD mit dem Indianapolis Symphonic Choir und dem Indianapolis Chamber Orchestra, dirigiert von Chorleiter Eric Stark. Sie fasst die Höhepunkte der „Festival of Carols“-Konzerte des Chores aus den Jahren 2015 und 2016 zusammen. Als Stargast wirkte die renommierte Sopranistin Sylvia McNair mit. Sie gestaltet unter anderem, gemeinsam mit dem Pianisten David Duncan, eine vom Gospel inspirierte Interpretation von Go tell it on the mountain, die man von einer klassisch ausgebildeten Sängerin so nicht unbedingt erwartet hätte. Auch sonst hält das Programm einige Überraschungen bereit – man staunt immer wieder, wie abwechslungsreich doch Weihnachtsprogramme gestaltet werden können...
Freitag, 13. Dezember 2019
Ein Wintermärchen 2 (Deutsche Grammophon)
Weihnachten – das bedeutet Tannengrün und Kerzenschein, dazu ein wohlig prasselndes Kaminfeuer, den Duft von Plätzchen und Glühwein, und gemeinsames Musizieren. Das dachte sich auch der Berliner Komponist, Pianist und Produzent Christoph Israel. Er hat daher zwölf Festtagsklassiker neu arrangiert, und dann zum Mitspielen und Mitsingen eingeladen.
Zu hören ist nun das Swonderful Orchestra unter Leitung von Catherine Larsen-Maguire. „Dieses Ensemble der besten Musiker Berlins wurde eigens für dieses Projekt zusammengestellt“, sagt Christoph Israel. „Ich bin sehr froh, dass ich mit diesem wunderbaren Orchester an diesem großartigen Ort arbeiten durfte. Nachdem die Studioarbeiten in der Jesus-Christus-Kirche abgeschlossen waren, bin ich mit den Instrumentalversionen in so illustre Weltstädte wie New York, Nashville, San Francisco oder Münster gereist, um den Gesang der einzelnen Sängerinnen und Sänger aufzunehmen.“
Und so geben Ute Lemper, Nadine Sierra, Kandace Springs, Max Raabe, Carolin Niemczyk (Glasperlenspiel), Michael Schulte, Götz Alsmann und Theo Bleckmann, und natürlich die Arrangements von Christoph Israel, den Weihnachtsklassikern jeweils einen ganz individuellen Charakter. Sie erklingen elegant-feierlich, fröhlich und beschwingt, andächtig, mitunter auch keck oder sehnsuchtsvoll.
Komplettiert wird das abwechslungsreiche Programm durch stimmungsvolle Instrumentalversionen der bekannten Melodien. Das macht diese CD tatsächlich zum Wintermärchen – und wer sich gut auskennt, für den hat der Arrangeur noch eine ganz spezielle Einladung: „Ich liebe Rätselspiele“, so Christoph Israel, „und habe für Weihnachtsliedexperten wieder die eine oder andere Referenz zum Mitraten in die Stücke eingebaut.“
Zu hören ist nun das Swonderful Orchestra unter Leitung von Catherine Larsen-Maguire. „Dieses Ensemble der besten Musiker Berlins wurde eigens für dieses Projekt zusammengestellt“, sagt Christoph Israel. „Ich bin sehr froh, dass ich mit diesem wunderbaren Orchester an diesem großartigen Ort arbeiten durfte. Nachdem die Studioarbeiten in der Jesus-Christus-Kirche abgeschlossen waren, bin ich mit den Instrumentalversionen in so illustre Weltstädte wie New York, Nashville, San Francisco oder Münster gereist, um den Gesang der einzelnen Sängerinnen und Sänger aufzunehmen.“
Und so geben Ute Lemper, Nadine Sierra, Kandace Springs, Max Raabe, Carolin Niemczyk (Glasperlenspiel), Michael Schulte, Götz Alsmann und Theo Bleckmann, und natürlich die Arrangements von Christoph Israel, den Weihnachtsklassikern jeweils einen ganz individuellen Charakter. Sie erklingen elegant-feierlich, fröhlich und beschwingt, andächtig, mitunter auch keck oder sehnsuchtsvoll.
Komplettiert wird das abwechslungsreiche Programm durch stimmungsvolle Instrumentalversionen der bekannten Melodien. Das macht diese CD tatsächlich zum Wintermärchen – und wer sich gut auskennt, für den hat der Arrangeur noch eine ganz spezielle Einladung: „Ich liebe Rätselspiele“, so Christoph Israel, „und habe für Weihnachtsliedexperten wieder die eine oder andere Referenz zum Mitraten in die Stücke eingebaut.“
Weihnachten mit dem Dresdner Kreuzchor (Berlin Classics)
Für viele Dresdner gehört der Gesang des Kreuzchores ebenso selbst- verständlich zu Weihnachten wie ein Besuch auf dem Striezelmarkt. Ob Bachs Weihnachtsoratorium in der Kreuzkirche, oder das große Adventskonzert im Rudolf-Harbig-Stadion – stets sind die Bänke, Ränge und Emporen voll.
In der Adventszeit haben die jungen Sänger enorm viel zu tun. Und das Weihnachtsfest feiern die Kruzianer ebenfalls beim Dresdner Kreuzchor. Am 24. Dezember gestalten sie die Christvespern, und am ersten Weihnachtsfeiertag beginnt der Tag bereits früh, denn da singen die Kruzianer um sechs Uhr die Christmette in der Dresdner Kreuzkirche. Wer den Chor nicht in Dresden hören kann, für den hat Berlin Classics ins Archiv geschaut und auf dieser CD eine Auswahl der schönsten Weihnachtslieder zusammengestellt. Sie verweist zugleich auf die lange Geschichte des Dresdner Kreuzchores.
In der Adventszeit haben die jungen Sänger enorm viel zu tun. Und das Weihnachtsfest feiern die Kruzianer ebenfalls beim Dresdner Kreuzchor. Am 24. Dezember gestalten sie die Christvespern, und am ersten Weihnachtsfeiertag beginnt der Tag bereits früh, denn da singen die Kruzianer um sechs Uhr die Christmette in der Dresdner Kreuzkirche. Wer den Chor nicht in Dresden hören kann, für den hat Berlin Classics ins Archiv geschaut und auf dieser CD eine Auswahl der schönsten Weihnachtslieder zusammengestellt. Sie verweist zugleich auf die lange Geschichte des Dresdner Kreuzchores.
Donnerstag, 12. Dezember 2019
Magnificat - Christmas in Leipzig (Sony)
Nach Leipzig führt uns das CD-Debüt des britischen Ensembles Solomon’s Knot. Es erklingen Werke von Johann Schelle (1648–1701), Johann Kuhnau (1660–1722) und Johann Sebastian Bach (1685–1750). „We spent a lot of time thinking about our approach for this recording“, berichtet Jonathan Sells, der künstlerische Direktor. „Since our singers sing everything by heart and perform without a conductor, our mode of performance and audience experience is very ,live', and that very special and close connection with our audience has become a key part of what we do.“
Allerdings habe das Publikum den Wunsch geäußert, Solomon's Knot auch zu Hause hören zu wollen. Und so habe man sich entschlossen, den Live-Mitschnitt eines Konzertes, mit nur wenigen Nachaufnahmen, zu veröffentlichen.
Das Repertoire, das das Ensemble dafür ausgewählt hat, ist anspruchsvoll. Für den ersten Adventssonntag schrieb Johann Schelle einst die Kantate Machet die Tore weit – und kombinierte dabei den großen Auftritt, einschließlich Pauken und Trompeten, mit individuellen Solo-Versen.
Zeitzeugen schildern, dass „wegen des süßen Honigs von Schelles Musik die Zuhörer stets in die Kirchen flogen wie die Bienen zur Blüte“. Ich bin aber von dieser Interpretation der Kantate des Thomaskantors nicht so begeistert. Zum einen denke ich, dass Stimmen mit einem ausgeprägten Opernvibrato nicht besonders gut zu „Alter“ Musik passen. Und zum anderen ist das bloße Absingen eines solchen Werkes durch ein Profi-Ensemble live sicherlich ein Erlebnis; aber für eine Aufnahme reicht das nicht ganz.
Ein interessantes Konzept hingegen ist die Kombination aus dem Magnificat von Johann Kuhnau – das umfangreichste überlieferte Vokalwerk des Komponisten – mit Bachs Magnificat BWV 243a. Diese Version steht in Es-Dur; sie ist älter als die bekannte BWV 243, und wohl auch etwas anders instrumentiert. Bach schrieb diese Musik für sein erstes Weihnachtsfest in Leipzig 1723. Zwischen einigen Sätzen erklingen zudem Strophen von Weihnachtsliedern, vertont für Chor oder Solisten, mit Bezug zur Weihnachtsgeschichte. Es wird vermutet, dass Bach Kuhnaus Magnificat gekannt hat, und dass er durch dieses Werk selbst inspiriert wurde.
Hier wird nun auch der Zuhörer munter. Denn diese beiden Magnificat-Kompositionen werden von Solomon's Knot mit Schwung und Engagement vorgetragen. Nun denn, es werde Weihnachten!
Allerdings habe das Publikum den Wunsch geäußert, Solomon's Knot auch zu Hause hören zu wollen. Und so habe man sich entschlossen, den Live-Mitschnitt eines Konzertes, mit nur wenigen Nachaufnahmen, zu veröffentlichen.
Das Repertoire, das das Ensemble dafür ausgewählt hat, ist anspruchsvoll. Für den ersten Adventssonntag schrieb Johann Schelle einst die Kantate Machet die Tore weit – und kombinierte dabei den großen Auftritt, einschließlich Pauken und Trompeten, mit individuellen Solo-Versen.
Zeitzeugen schildern, dass „wegen des süßen Honigs von Schelles Musik die Zuhörer stets in die Kirchen flogen wie die Bienen zur Blüte“. Ich bin aber von dieser Interpretation der Kantate des Thomaskantors nicht so begeistert. Zum einen denke ich, dass Stimmen mit einem ausgeprägten Opernvibrato nicht besonders gut zu „Alter“ Musik passen. Und zum anderen ist das bloße Absingen eines solchen Werkes durch ein Profi-Ensemble live sicherlich ein Erlebnis; aber für eine Aufnahme reicht das nicht ganz.
Ein interessantes Konzept hingegen ist die Kombination aus dem Magnificat von Johann Kuhnau – das umfangreichste überlieferte Vokalwerk des Komponisten – mit Bachs Magnificat BWV 243a. Diese Version steht in Es-Dur; sie ist älter als die bekannte BWV 243, und wohl auch etwas anders instrumentiert. Bach schrieb diese Musik für sein erstes Weihnachtsfest in Leipzig 1723. Zwischen einigen Sätzen erklingen zudem Strophen von Weihnachtsliedern, vertont für Chor oder Solisten, mit Bezug zur Weihnachtsgeschichte. Es wird vermutet, dass Bach Kuhnaus Magnificat gekannt hat, und dass er durch dieses Werk selbst inspiriert wurde.
Hier wird nun auch der Zuhörer munter. Denn diese beiden Magnificat-Kompositionen werden von Solomon's Knot mit Schwung und Engagement vorgetragen. Nun denn, es werde Weihnachten!
Dienstag, 10. Dezember 2019
Santa Claus Is Coming To Town (K&K)
Wenn die New Orleans Jazz Band of Cologne weihnachtlich aufspielt, dann ist dies quasi eine Einladung, das Fest einmal ganz lässig und entspannt zu feiern. Die Kölner Jazzformation, die auf eine mehr als 60jährige Geschichte zurückblicken kann, musizierte im Dezember 2018 im Homburger Schloss. Josef-Stefan Kindler und Andreas Otto Grimminger haben dieses Konzert nicht nur organisiert, sondern auch aufgezeichnet.
Der Mitschnitt ist nun bei ihrem Label K&K erhältlich. Und er ist überwältigend, so fröhlich und voll Musizierlust; diese CD sorgt garantiert für allerbeste Laune. Das Ensemble pflegt den typischen New-Orleans-Sound, und das richtig gut. Kein Wunder, dass alle Bandmitglieder auf ihrer ersten Reise nach New Orleans 1994 wegen ihrer Verdienste um den Jazz zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt wurden. Ein Hoch auf Bruno van Acoleyen, Bart Brouwer, John Defferary, Hans-Martin „Büli“ Schöning, Markus „Benny“ Daniels, Reinhard Küpper sowie Dominik Dötsch, der mit seinem Klavierspiel als Gast die Band hervorragend komplettierte. Santa Claus is coming to town – man vernimmt es mit einem Schmunzeln.
Der Mitschnitt ist nun bei ihrem Label K&K erhältlich. Und er ist überwältigend, so fröhlich und voll Musizierlust; diese CD sorgt garantiert für allerbeste Laune. Das Ensemble pflegt den typischen New-Orleans-Sound, und das richtig gut. Kein Wunder, dass alle Bandmitglieder auf ihrer ersten Reise nach New Orleans 1994 wegen ihrer Verdienste um den Jazz zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt wurden. Ein Hoch auf Bruno van Acoleyen, Bart Brouwer, John Defferary, Hans-Martin „Büli“ Schöning, Markus „Benny“ Daniels, Reinhard Küpper sowie Dominik Dötsch, der mit seinem Klavierspiel als Gast die Band hervorragend komplettierte. Santa Claus is coming to town – man vernimmt es mit einem Schmunzeln.
Regina Coeli (Tyxart)
Kirchenmusik erklang in der Regensburger Stiftskirche Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle bereits im Mittelalter. So gab es dort jahrhundertelang einen Knabenchor. Und im 19. Jahrhundert engagierten sich einige der Stiftskanoniker für die Wiederentdeckung lang vergessener Musik, von der Gregorianik bis zu Palestrina und seinen Zeitgenossen. Diese kirchenmusikalische Reformbewegung, der sogenannte Cäcilianismus, pflegte vor allem auch den A-cappella-Gesang.
In Regensburg entwickelte sich damals eine ganz eigene Tradition der Vokalpolyphonie; sogar im Dom begann man wieder, a cappella zu singen.
Dort sind die Regensburger Domspatzen ansässig, bei denen Josef Kohlhäufl einst nach dem Studium seine Musikerlaufbahn begann. Er wirkte von 1984 bis 2011 als Stiftskapellmeister an der Basilika Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle. Und er leitete etliche Chöre, so den Regensburger Motettenchor, Choralschola und Männerchor ehemaliger Regensburger Domspatzen sowie die von ihm gegründeten (semiprofessionellen) Regensburger Vokalsolisten.
Kohlhäufl engagierte sich stark für die Weitergabe des musikalischen Erbes und die Traditionspflege, wie diese CD zeigt. Zu hören sind „seine“ Ensembles mit Werken von Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525 bis 1594), Francesco Suriano (1549 bis 1621) und Gregor Aichinger (1564 bis 1628). Außerdem erklingen Kompositionen von Michael Haller (1840 bis 1915), der als „Palestrina des 19. Jahrhunderts“ gilt. Musikhistorisch ist diese Produktion sehr interessant.
In Regensburg entwickelte sich damals eine ganz eigene Tradition der Vokalpolyphonie; sogar im Dom begann man wieder, a cappella zu singen.
Dort sind die Regensburger Domspatzen ansässig, bei denen Josef Kohlhäufl einst nach dem Studium seine Musikerlaufbahn begann. Er wirkte von 1984 bis 2011 als Stiftskapellmeister an der Basilika Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle. Und er leitete etliche Chöre, so den Regensburger Motettenchor, Choralschola und Männerchor ehemaliger Regensburger Domspatzen sowie die von ihm gegründeten (semiprofessionellen) Regensburger Vokalsolisten.
Kohlhäufl engagierte sich stark für die Weitergabe des musikalischen Erbes und die Traditionspflege, wie diese CD zeigt. Zu hören sind „seine“ Ensembles mit Werken von Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525 bis 1594), Francesco Suriano (1549 bis 1621) und Gregor Aichinger (1564 bis 1628). Außerdem erklingen Kompositionen von Michael Haller (1840 bis 1915), der als „Palestrina des 19. Jahrhunderts“ gilt. Musikhistorisch ist diese Produktion sehr interessant.
Montag, 9. Dezember 2019
Advent Carols (Delphian)
Adventskonzerte sind nicht nur in Deutschland beliebt. Auch in Großbritannien strömen in der Vorweihnachtszeit die Menschen in die Kirchen, um in besonderer Atmosphäre Musik zu hören. Insbesondere die Adventskonzerte des Chores am King’s College London sind über Jahre ausgebucht; sie werden alljährlich vom BBC in alle Welt übertragen.
Im vergangenen Jahr präsentierten die jungen Sängerinnen und Sänger unter Leitung von Joseph Fort ein hochinteressantes Programm, das mittelalterliche Weisen und hinreißend schöne moderne Chorsätze gekonnt kombiniert. Eingebettet in die Abfolge der traditionellen gregorianischen „O-Antiphonen“, erklangen neben großartigen Chören aus dem kulturellen Erbe vor allem Werke von Komponisten, die dem King's College nahestehen. So wirkt George Benjamin derzeit dort als Professor für Komposition.
Der Chor singt exzellent, und wer Lust hat auf ein Adventsprogramm, das komplett auf all die bekannten Hits verzichtet, der wird diesem Album beglückt lauschen. Unbedingte Empfehlung!
Im vergangenen Jahr präsentierten die jungen Sängerinnen und Sänger unter Leitung von Joseph Fort ein hochinteressantes Programm, das mittelalterliche Weisen und hinreißend schöne moderne Chorsätze gekonnt kombiniert. Eingebettet in die Abfolge der traditionellen gregorianischen „O-Antiphonen“, erklangen neben großartigen Chören aus dem kulturellen Erbe vor allem Werke von Komponisten, die dem King's College nahestehen. So wirkt George Benjamin derzeit dort als Professor für Komposition.
Der Chor singt exzellent, und wer Lust hat auf ein Adventsprogramm, das komplett auf all die bekannten Hits verzichtet, der wird diesem Album beglückt lauschen. Unbedingte Empfehlung!
Ludwig Güttler - Europa cantat (Berlin Classics)
Wenn die Trompeten und Pauken der Herrscher gemeinsam mit den Oboen der Hirten musizieren, dann ist wieder einmal Weihnachten. Das Fest verbindet Himmel und Erde, Arme und Reiche, und Menschen aus der ganzen Welt. Ludwig Güttler war es deshalb ein Anliegen, auf eine Tradition europäischer Musik hinzuweisen, die man aus heutiger Sicht oftmals vergisst: Musik überschreitet Grenzen. Und Musiker in Europa haben schon immer über Grenzen geschaut.
Flämische Musiker inspirierten Italiener, deutsche Musiker lernten in Italien, Musiker aus Böhmen waren nicht nur in Österreich sehr begehrt, und der französische Hof bot mit seiner Pracht und seinem Sonnenkönig ein Vorbild, das europaweit vielfach kopiert wurde. Händel stammte aus Halle an der Saale, er war schon in Italien erfolgreich, und er ging schließlich nach England. Hasse stammte aus Bergedorf bei Hamburg; in Italien wurde er – nach heutigen Maßstäben – zum Star, und er wirkte schließlich in Dresden.
Bachs weiteste Reise ging nach Lübeck. Doch in seiner Musik griff er, ebenso wie sein Kollege Telemann und viele andere, Anregungen aus Italien ebenso auf wie die neuesten Trends aus Frankreich. Denn nicht nur Musiker reisten von Rom bis nach St. Petersburg, von Stockholm bis Madrid und von Wien bis London quer durch Europa. Auch Noten wurden eifrig studiert, kopiert und weitergegeben.
„Europa cantat“, überschrieb Ludwig Güttler seine neuen CD, Europa singt. Und das prägt auch die Musikauswahl: „Mir war es wichtig, Komponisten zu versammeln, die den Europagedanken zum Ausdruck bringen, sei es in ihrer Herkunft, ihrer Ausbildung, den Reisen und Umzügen nach unterschiedlichen Wirkungsorten“, sagt Güttler. Und so fasst der Trompeter und Dirigent auf dieser CD barocke Weihnachtsmusiken aus verschiedenen Regionen Europas zusammen, die verdeutlichen, wie gut doch seinerzeit der kulturelle Austausch europaweit funktionierte.
Werke namhafter Komponisten wie Bach, Händel und Telemann stehen dabei neben denen weniger bekannter Musiker, wie Pietro Torri, Pavel Josef Vejvanovský oder William Brade. Im Laufe seiner langen Musiker- karriere hat Güttler etliche davon in Archiven wiederentdeckt und mit seinen Ensembles aufgeführt. Dort sind aber auch weiterhin Schätze zu heben, meint der Musiker: „Der Fundus an Meisterwerken ist riesig“, unterstreicht Güttler. „Wir dürfen heute mit unseren Taschenlampen Lichtkegel darauf richten.“
Flämische Musiker inspirierten Italiener, deutsche Musiker lernten in Italien, Musiker aus Böhmen waren nicht nur in Österreich sehr begehrt, und der französische Hof bot mit seiner Pracht und seinem Sonnenkönig ein Vorbild, das europaweit vielfach kopiert wurde. Händel stammte aus Halle an der Saale, er war schon in Italien erfolgreich, und er ging schließlich nach England. Hasse stammte aus Bergedorf bei Hamburg; in Italien wurde er – nach heutigen Maßstäben – zum Star, und er wirkte schließlich in Dresden.
Bachs weiteste Reise ging nach Lübeck. Doch in seiner Musik griff er, ebenso wie sein Kollege Telemann und viele andere, Anregungen aus Italien ebenso auf wie die neuesten Trends aus Frankreich. Denn nicht nur Musiker reisten von Rom bis nach St. Petersburg, von Stockholm bis Madrid und von Wien bis London quer durch Europa. Auch Noten wurden eifrig studiert, kopiert und weitergegeben.
„Europa cantat“, überschrieb Ludwig Güttler seine neuen CD, Europa singt. Und das prägt auch die Musikauswahl: „Mir war es wichtig, Komponisten zu versammeln, die den Europagedanken zum Ausdruck bringen, sei es in ihrer Herkunft, ihrer Ausbildung, den Reisen und Umzügen nach unterschiedlichen Wirkungsorten“, sagt Güttler. Und so fasst der Trompeter und Dirigent auf dieser CD barocke Weihnachtsmusiken aus verschiedenen Regionen Europas zusammen, die verdeutlichen, wie gut doch seinerzeit der kulturelle Austausch europaweit funktionierte.
Werke namhafter Komponisten wie Bach, Händel und Telemann stehen dabei neben denen weniger bekannter Musiker, wie Pietro Torri, Pavel Josef Vejvanovský oder William Brade. Im Laufe seiner langen Musiker- karriere hat Güttler etliche davon in Archiven wiederentdeckt und mit seinen Ensembles aufgeführt. Dort sind aber auch weiterhin Schätze zu heben, meint der Musiker: „Der Fundus an Meisterwerken ist riesig“, unterstreicht Güttler. „Wir dürfen heute mit unseren Taschenlampen Lichtkegel darauf richten.“
Sonntag, 8. Dezember 2019
Weihnacht mit Johann Sebastian Bach (MDG)
„Weihnacht mit Johann Sebastian Bach“ lautet das Motto dieser CD, die Gerhard Löffler für MDG eingespielt hat. Die Aufnahme bereitet gleich dreifach Freude. Da wäre zum ersten Bachs erlesene Musik, die der Organist exquisit vorträgt. Zum zweiten bringt Gerhard Löffler eine wirklich grandiose Orgel zum Klingen: Die Arp-Schnitger-Orgel in der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi ist das größte Instrument des berühmten norddeutschen Orgelbauers, dessen Todestag sich 2019 zum 300. Male jährt. Und zum dritten ist es dem audiophilen Label Dabringhaus und Grimm einmal mehr gelungen, die Akustik der Jacobikirche prachtvoll dreidimensional auf Super Audio CD einzufangen. So wird auch Tontechnik zur Kunst, die höchste Ansprüche erfüllt. Bravo, bravo, bravo!
Freitag, 6. Dezember 2019
The Choral Collection (Naxos)
Eine komplette CD-Box beschert Naxos allen Freunden von Chormusik. Die Kollektion umfasst auf 30 CD Werke von Pérotin und Palestrina bis hin zu Penderecki und Pärt, vorgetragen von namhaften Ensembles. Selbst für Kenner der Materie bietet sie dabei mitunter Überraschendes. So erklingt beispielsweise Kirchenmusik der Notre-Dame-Schule, gesungen vom Ensemble Tonus Peregrinus, Musik der Hildegard von Bingen, interpretiert von den Oxford Camerata unter Leitung von Jeremy Summerly, die Matthäuspassion von Orlando di Lasso, mit einem umfangreichen Solistenensemble und Musica Ficta unter Bo Holten, die Missa sine nomine sowie drei Motetten von Giovanni Pierluigi da Palestrina, gesungen von den Solisten der Cappella Musicale di S. Petronio Bologna unter Leitung von Sergio Vartolo, Te Deum und Ode for St Cecilia's Day von Henry Purcell, mit Choir and Orchestra of the Golden Age unter Robert Glenton, Joseph Haydns Harmoniemesse mit dem Trinity Choir und dem Rebel Barockorchester unter Leitung von Jörg Michael Schwarz, Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem mit dem Gewandhaus-Kammerchor und dem Leipziger Kammerorchester unter Morten Schuldt-Jensen, zwei Messen von Johann Baptist Vanhal mit den Tower Voices New Zealand und dem Aradia Ensemble unter Uwe Grodd, das Requiem von Antonín Dvořák mit Warsaw Philharmonic Orchestra and Choir unter Antoni Witt, oder aber Chormusik von Kim André Arnesen mit dem Ensemble Kantorei unter Joel Rinsema. The Choral Collection – das sind mehr als 30 Stunden Chorgesang, mit Werken vom Mittelalter bis zur Gegenwart in sorgfältig ausgewählten Einspielungen.
Werner Auer - My Special Christmas (Preiser)
Wer eher die amerikanische Weihnacht liebt, und Lieder von Driving home for Christmas bis Rudolph the red nosed Reindeer schätzt, der sollte in diese CD hineinhören. Werner Auer präsentiert darauf seinen ganz persönlichen Soundtrack zum Fest. Der erfolgreiche Musical-Sänger hat dafür Songs unter anderem von Chris Rea, John Denver, Mike Batt, Leonard Cohen, Michael Bublé und Udo Jürgens ausgewählt. Und natürlich darf in diesem Jahr auch Stille Nacht nicht fehlen – von Auer zunächst gesungen als Silent Night, und dann als Bonus noch einmal im Original; es soll wohl mehr cool sein als österreichisch. Na, dann Halleluja!
Bach: Weihnachtsoratorium (Accentus)
Jauchzet, frohlocket! Johann Sebastian Bachs Weihnachts- oratorium, erstmals aufgeführt zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag 1734 und dem Epiphaniasfest 1735 in den beiden Hauptkirchen St. Thomas und St. Nikolai, gehört mittlerweile zu den Fundamenten der Identität und des musikalischen Erbes der Stadt Leipzig. Ohne Bachs musikalisches Meisterwerk ist ein Weihnachtfest an der Pleiße kaum vorstellbar.
Allerdings haben musikalische Traditionen so ihre Tücken, wie man feststellen wird, wenn man die Aufnahmen anhört, die die Thomaner in der Vergangenheit vorgelegt haben. Umso erfreulicher ist es, nun zu erleben, dass Thomaskantor Gotthold Schwarz die Erbe-Pflege offenbar nicht eine lästige Verpflichtung, sondern eine Herzensangelegenheit ist. Bachs 17. Amtsnachfolger hat sehr genau in die Partitur geschaut, und lässt ebenso präzise musizieren.
Diese Einspielung aus dem Jahre 2018 mit dem Thomanerchor und dem Gewandhausorchester Leipzig berückt nicht nur mit festlichem Glanz, sondern auch mit unendlich vielen kleinen Details, die zeigen, wie sorgfältig Schwarz arbeitet. Die Thomaner singen hinreißend, und auch das Solistenensemble beeindruckt. Unbedingte Empfehlung!
Allerdings haben musikalische Traditionen so ihre Tücken, wie man feststellen wird, wenn man die Aufnahmen anhört, die die Thomaner in der Vergangenheit vorgelegt haben. Umso erfreulicher ist es, nun zu erleben, dass Thomaskantor Gotthold Schwarz die Erbe-Pflege offenbar nicht eine lästige Verpflichtung, sondern eine Herzensangelegenheit ist. Bachs 17. Amtsnachfolger hat sehr genau in die Partitur geschaut, und lässt ebenso präzise musizieren.
Diese Einspielung aus dem Jahre 2018 mit dem Thomanerchor und dem Gewandhausorchester Leipzig berückt nicht nur mit festlichem Glanz, sondern auch mit unendlich vielen kleinen Details, die zeigen, wie sorgfältig Schwarz arbeitet. Die Thomaner singen hinreißend, und auch das Solistenensemble beeindruckt. Unbedingte Empfehlung!
Donnerstag, 5. Dezember 2019
Tchaikovsky: The Nutcracker (Naxos)
Peter Tschaikowskis Ballett Der Nussknacker gehört zur Weihnachtszeit wie Kerzen und Lebkuchen, wie Weihnachtskugeln zum Weihnachtsbaum – es geht zwar auch ohne, aber schöner ist's mit.
Eine ganz besondere Version der Ballettmusik hat nun Septura eingespielt. Das britische Bläserseptett, in dem exzellente Blechbläser aus London Symphony, London Philharmonic, Royal Philharmonic und Philharmonia Orchestra mitwirken, interpretiert Tschaikowskis Erfolgsstück auf seine ganz eigene Weise. Unterstützt wurden die Bläser dabei durch Scott Lumsdaine, Percussion.
Strahlende Trompetenklänge begleiten uns hinein in die festlich geschmückten Räume der Familie Stahlbaum. Doch Blechbläser können auch geheimnisvoll klingen, und sehr exotisch, wie wir später feststellen werden. Denn Matthew Knight und Simon Cox, die künstlerischen Leiter von Septura, haben Tschaikowskis farbenreiche Partitur für ihr Ensemble arrangiert – was insbesondere beim Ausflug in das Zauberreich Zuckerburg einige Herausforderungen mit sich brachte: Der Tanz der Zuckerfee ohne Celesta? Und der Tanz der Rohrflöten ohne Flöten? Ja, auch das lässt sich mit Trompeten, Posaunen und Tuba spielen; die Arrangeure haben dafür eine verblüffende Lösung gefunden. Und dazu erzählt der Schauspieler Derek Jacobi mit sonorer Stimme die Geschichte vom Nussknacker und dem Mausekönig. Eins ist sicher: So war diese Musik noch nie zu hören. Ganz erstaunlich!
Eine ganz besondere Version der Ballettmusik hat nun Septura eingespielt. Das britische Bläserseptett, in dem exzellente Blechbläser aus London Symphony, London Philharmonic, Royal Philharmonic und Philharmonia Orchestra mitwirken, interpretiert Tschaikowskis Erfolgsstück auf seine ganz eigene Weise. Unterstützt wurden die Bläser dabei durch Scott Lumsdaine, Percussion.
Strahlende Trompetenklänge begleiten uns hinein in die festlich geschmückten Räume der Familie Stahlbaum. Doch Blechbläser können auch geheimnisvoll klingen, und sehr exotisch, wie wir später feststellen werden. Denn Matthew Knight und Simon Cox, die künstlerischen Leiter von Septura, haben Tschaikowskis farbenreiche Partitur für ihr Ensemble arrangiert – was insbesondere beim Ausflug in das Zauberreich Zuckerburg einige Herausforderungen mit sich brachte: Der Tanz der Zuckerfee ohne Celesta? Und der Tanz der Rohrflöten ohne Flöten? Ja, auch das lässt sich mit Trompeten, Posaunen und Tuba spielen; die Arrangeure haben dafür eine verblüffende Lösung gefunden. Und dazu erzählt der Schauspieler Derek Jacobi mit sonorer Stimme die Geschichte vom Nussknacker und dem Mausekönig. Eins ist sicher: So war diese Musik noch nie zu hören. Ganz erstaunlich!
Dienstag, 3. Dezember 2019
Schubert: Elysium (Genuin)
Nun ist sie komplett, die Gesamteinspielung aller Werke für Männerchor von Franz Schubert durch die Camerata Musica Limburg. Was für ein Projekt! Seit 2015 folgte CD auf CD, und jedesmal wieder erfreuten die Chorsänger mit ihrem makellosen, strahlenden, perfekt homogenen Chorklang. Da ist deutlich zu spüren, dass die Mitwirkenden schon viele Jahre in bester Harmonie zusammen singen, und zugleich vom Kinderalter an eine solide Ausbildung erfahren haben.
Das Vokalensemble, geleitet von Jan Schumacher, ist aus den Limburger Domsingknaben hervorgegangen. Mittlerweile bestehen die Camerata Musica Limburg seit gut 20 Jahren. Sie musizieren nach wie vor auf allerhöchstem Niveau, und konnten zudem offenbar auch die freundschaftliche Verbindung aus der gemeinsamen Zeit im Knabenchor aufrecht erhalten. Man spürt es jedenfalls, dass sie sich schon sehr lange kennen und ausgezeichnet verstehen.
Und es ist wunderbar, dass diese Herren auch nach dem Stimmbruch weiter Lust auf Chorgesang hatten. Denn es gibt heute nicht mehr sehr viele Ensembles, die sich an alle Lieder Schuberts wagen können. So verwundert es auch nicht, dass die Camerata Musica Limburg mittlerweile mehrfach zur Schubertiade in Schwarzenberg und Hohenems eingeladen worden sind. Schließlich sind gerade die Chöre, die Schubert oftmals für seine Freunde geschrieben hat, ein zentraler Bestandteil seines Werkes. Und so freut man sich über die umfassende Einspielung, die nun mit dem sechsten und letzten Teil bis in die Gegenwart weist.
„Perspectives on Schubert“ setzt Lieder der Romantiker in spannungsvolle Beziehung zu Werken, die zeitgenössische Komponisten eigens für dieses CD-Projekt geschaffen haben. Diese Produktion vereint Bearbeitungen ebenso wie Stücke, die Schuberts Chorsätze reflektieren. Das reicht von den Arrangements Friedrich Silchers und Johannes Brahms' über Franz Abt und Peter Cornelius bis hin zu Ersteinspielungen, etwa von Mårten Jansson, Alwin Schronen, Nicola Campogrande, Thomas Thurnher oder Christopher Tarnow. Beauftragt wurden dafür Komponisten, die dem Ensemble persönlich bekannt waren. Entstanden ist auf diesem Wege eine hochinteressante CD, die die Reihe würdig komplettiert. Bravi!
Das Vokalensemble, geleitet von Jan Schumacher, ist aus den Limburger Domsingknaben hervorgegangen. Mittlerweile bestehen die Camerata Musica Limburg seit gut 20 Jahren. Sie musizieren nach wie vor auf allerhöchstem Niveau, und konnten zudem offenbar auch die freundschaftliche Verbindung aus der gemeinsamen Zeit im Knabenchor aufrecht erhalten. Man spürt es jedenfalls, dass sie sich schon sehr lange kennen und ausgezeichnet verstehen.
Und es ist wunderbar, dass diese Herren auch nach dem Stimmbruch weiter Lust auf Chorgesang hatten. Denn es gibt heute nicht mehr sehr viele Ensembles, die sich an alle Lieder Schuberts wagen können. So verwundert es auch nicht, dass die Camerata Musica Limburg mittlerweile mehrfach zur Schubertiade in Schwarzenberg und Hohenems eingeladen worden sind. Schließlich sind gerade die Chöre, die Schubert oftmals für seine Freunde geschrieben hat, ein zentraler Bestandteil seines Werkes. Und so freut man sich über die umfassende Einspielung, die nun mit dem sechsten und letzten Teil bis in die Gegenwart weist.
„Perspectives on Schubert“ setzt Lieder der Romantiker in spannungsvolle Beziehung zu Werken, die zeitgenössische Komponisten eigens für dieses CD-Projekt geschaffen haben. Diese Produktion vereint Bearbeitungen ebenso wie Stücke, die Schuberts Chorsätze reflektieren. Das reicht von den Arrangements Friedrich Silchers und Johannes Brahms' über Franz Abt und Peter Cornelius bis hin zu Ersteinspielungen, etwa von Mårten Jansson, Alwin Schronen, Nicola Campogrande, Thomas Thurnher oder Christopher Tarnow. Beauftragt wurden dafür Komponisten, die dem Ensemble persönlich bekannt waren. Entstanden ist auf diesem Wege eine hochinteressante CD, die die Reihe würdig komplettiert. Bravi!
Donnerstag, 28. November 2019
Saint-Saens: Works for Violin and Orchestra (Naxos)
Mit Leidenschaft, feinem Sinn für musikalische Differenzierung und technischer Brillanz begeistert Tianwa Yang auch bei dieser CD mit Musik von Camille Saint-Saëns (1835 bis 1921). Die Solistin musiziert hier gemeinsam mit dem Malmö Symphony Orchestra, das von Marc Soustrot dirigiert wird. Introduction et Rondo capriccioso op. 28, Caprice andalou op. 122 oder die Havannaise in E-Dur op. 83 profitieren von Yangs ganz besonderer Beziehung zu spanischer Musik. Bei La Muse et le Poète op. 132 ist einmal mehr auch der Cellist Gabriel Schwabe zu hören, der sich erneut als ein grandioser Duo-Partner erweist. Einen weiteren Glanzpunkt setzt die Solistin im Morceau de concert in G-Dur op. 62; dieses Meisterwerk würde man auch im Konzert gern öfters hören.
Brahms: Violin Concerto / Double Concerto (Naxos)
Dass Tianwa Yang auch Standardrepertoire kann, zeigt sie beim Violinkonzert von Johannes Brahms (1833 bis 1897). Dieses spielt sie wirklich phänomenal; sie musiziert technisch brillant, klug strukturiert und mit herrlichem, beseelten Ton. Unterstützt wird sie dabei durch das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter Antoni Wit, das in der bewährten Akustik der Berliner Jesus-Christus-Kirche seinen Part zu dieser Aufnahme beiträgt, die an Klangschönheit kaum zu übertreffen ist. Auf der CD erklingt zudem Brahms' populäres Doppelkonzert, das Tianwa Yang gemeinsam mit dem Berliner Cellisten Gabriel Schwabe interpretiert. Wie diese beiden Solisten miteinander in den Dialog treten, das ist einfach großartig. Eine Einspielung, die bis zur letzten Note spannend bleibt.
Lalo: Symphonie espagnole (Naxos)
Unter den derzeit amtierenden Geigenvirtuosen ist Tianwa Yang eine Klasse für sich. Drei Aufnahmen liegen vor mir auf dem Schreibtisch, auf denen sich die Violinistin sehr unterschiedlichem Repertoire zuwendet. Doch sie musiziert stets mit unglaublicher Energie, mit sagenhaftem Elan, und mit einer Technik, die ihr alle Freiheiten gibt. Bei Tianwa Yang sitzt jeder Akkord und jeder Akzent, nichts ist hier Zufall – und doch wirkt das alles so gelöst, so entspannt, dass man nur staunen kann.
Faszinierend ist insbesondere auch jenes Album, mit dem Tianwa Yang zwei höchst virtuose Violinkonzerte aus Spanien vorstellt: Auf dem Programm stehen das Concierto español, das der Geiger Joan Manén (1883 bis 1971) einst für sich selbst geschrieben hat, und die Symphonie Espagnole, komponiert seinerzeit von Édouard Lalo (1823 bis 1892) für seinen Freund Pablo de Sarasate. Beide Konzerte bestechen durch melodischen Reichtum und spanisches Kolorit; das Konzert von Manén bietet dazu außerdem noch eine gehörige Portion Hollywood-Romantik. Kaum zu glauben, dass dieses Violinkonzert von einem Fünfzehnjährigen (!) komponiert wurde.
Eingespielt hat Tianwa Yang die beiden Konzerte mit dem Orquestra Simfònica de Barcelona i Nacional de Catalunya, und am Pult steht ihr mit Darrell Ang dabei einer der besten jungen Dirigenten zur Seite. Beim renommierten Besançon Dirigierwettbewerb war es ihm gelungen, alle drei Hauptpreise zu erringen. Mit dieser Aufnahme nun veranlassten die Musiker die Musikkritik zu Lobeshymnen. Ihre Interpretation von Lalos Symphonie espagnole gilt zu Recht als neue Referenzaufnahme. Und dem ersten der drei Violinkonzerte von Joan Manén haben sie mit dieser CD wohl wieder den Weg auf das Konzertpodium gebahnt – danke für die Wiederentdeckung!
Faszinierend ist insbesondere auch jenes Album, mit dem Tianwa Yang zwei höchst virtuose Violinkonzerte aus Spanien vorstellt: Auf dem Programm stehen das Concierto español, das der Geiger Joan Manén (1883 bis 1971) einst für sich selbst geschrieben hat, und die Symphonie Espagnole, komponiert seinerzeit von Édouard Lalo (1823 bis 1892) für seinen Freund Pablo de Sarasate. Beide Konzerte bestechen durch melodischen Reichtum und spanisches Kolorit; das Konzert von Manén bietet dazu außerdem noch eine gehörige Portion Hollywood-Romantik. Kaum zu glauben, dass dieses Violinkonzert von einem Fünfzehnjährigen (!) komponiert wurde.
Eingespielt hat Tianwa Yang die beiden Konzerte mit dem Orquestra Simfònica de Barcelona i Nacional de Catalunya, und am Pult steht ihr mit Darrell Ang dabei einer der besten jungen Dirigenten zur Seite. Beim renommierten Besançon Dirigierwettbewerb war es ihm gelungen, alle drei Hauptpreise zu erringen. Mit dieser Aufnahme nun veranlassten die Musiker die Musikkritik zu Lobeshymnen. Ihre Interpretation von Lalos Symphonie espagnole gilt zu Recht als neue Referenzaufnahme. Und dem ersten der drei Violinkonzerte von Joan Manén haben sie mit dieser CD wohl wieder den Weg auf das Konzertpodium gebahnt – danke für die Wiederentdeckung!
Mittwoch, 27. November 2019
Prinz Johann Ernst von Sachsen-Weimar: Concerti (Audite)
Bislang war es nur Insidern bekannt – doch diese CD zeigt es unüber- hörbar: In der langen Reihe der musizierenden Monarchen, von König David bis hin zu Friedrich II. und Kaiser Leopold I., gebührt Johann Ernst IV. von Sachsen-Weimar (1696 bis 1715) ein Ehrenplatz.
Der Prinz war der jüngste Sohn von Herzog Johann Ernst III. Doch sein Vater, wohl nicht nur der Kunst, sondern auch dem Alkohol zugeneigt und mit seinem Bruder Herzog Wilhelm Ernst in andauerndem Zwist lebend, starb bereits 1707. Und während in der Weimarer Wilhelmsburg streng und fromm regiert wurde, gingen im Roten Schloss, wo Johann Ernst und sein Halbbruder Ernst August heranwuchsen, die Musiker aus und ein. So kam 1708 der Mühlhäuser Hoforganist Johann Sebastian Bach als Hoforganist nach Weimar, und er unterrichtete gemeinsam mit seinem Vetter, dem Stadtorganisten Johann Gottfried Walther, und mit dem Primarius der Weimarer Hofkapelle Gregor Christoph Eylenstein die beiden Prinzen.
Auf seiner Kavalierstour durch Belgien und die Niederlande lernte Johann Ernst IV. unter anderem die Concerti op. 3 von Antonio Vivaldi kennen, 1711 in Amsterdam unter dem Titel L'Estro armonico im Druck erschienen. Der Prinz blieb einige Monate an der Universität Utrecht – und brachte dann eine umfangreiche Kollektion an Musikalien mit nach Weimar, wo sie auch der junge Bach mit großem Interesse studierte.
Nach seiner Rückkehr im Juli 1713 komponierte der junge Herzog „19 Instrumental-Stücke in der Zeit von ¾ Jahren“, so schreibt Johann Gottfried Walther. Da freilich plagte den Prinzen bereits eine Geschwulst, gegen die die ärztliche Kunst jener Tage nichts ausrichten konnte. Und so starb der Herzog dann, im Alter von gerade einmal achtzehn Jahren. Bei einem Kuraufenthalt im Hessischen aber lernte er zuvor Georg Philipp Telemann kennen, der dem Prinzen sechs Violinsonaten widmete.
Außerdem veröffentlichte Telemann 1718 in einem prachtvollen Druck sechs Violinkonzerte von Johann Ernst. Zwei weitere wurden als Stimmensätze verschenkt und blieben so erhalten. Und Bach hat nicht nur Konzerte von Vivaldi und Marcello, sondern auch vier Konzerte von Johann Ernst für Tasteninstrument bearbeitet. Eines davon, ein Doppelkonzert für zwei Violinen nach BWV 984 und 595, hat Gernot Süßmuth für diese Einspielung rekonstruiert.
In seiner Debüt-Aufnahme widmet sich das auf historischen Instrumenten spielende Thüringer Bach Collegium unter seiner Leitung den Konzerten des Prinzen mit faszinierender Spielfreude. Der Zuhörer kommt aus dem Staunen gar nicht heraus. Denn diese Werke von Johann Ernst von Sachsen-Weimar haben Qualität. Sie imitieren zudem nicht einfach das italienische Vorbild; bei aller „Vivaldimania“ wird durchaus eine eigene musikalische Handschrift erkennbar. Und man staunt darüber, wie gut dieser Prinz seinerzeit Geige gespielt hat. Denn die Konzerte sind anspruchsvoll, ja mitunter sogar virtuos – und Johann Ernst hat sie für sich selbst komponiert.
Das Thüringer Bach Collegium musiziert ebenso stilkundig und feinfühlig wie lebendig. Mit dieser CD erweist das Ensemble einem Herrscher seine Reverenz, der ein ausgezeichneter Musiker war. Was für ein Verlust, dass Johann Ernst IV. so jung gestorben ist...
Der Prinz war der jüngste Sohn von Herzog Johann Ernst III. Doch sein Vater, wohl nicht nur der Kunst, sondern auch dem Alkohol zugeneigt und mit seinem Bruder Herzog Wilhelm Ernst in andauerndem Zwist lebend, starb bereits 1707. Und während in der Weimarer Wilhelmsburg streng und fromm regiert wurde, gingen im Roten Schloss, wo Johann Ernst und sein Halbbruder Ernst August heranwuchsen, die Musiker aus und ein. So kam 1708 der Mühlhäuser Hoforganist Johann Sebastian Bach als Hoforganist nach Weimar, und er unterrichtete gemeinsam mit seinem Vetter, dem Stadtorganisten Johann Gottfried Walther, und mit dem Primarius der Weimarer Hofkapelle Gregor Christoph Eylenstein die beiden Prinzen.
Auf seiner Kavalierstour durch Belgien und die Niederlande lernte Johann Ernst IV. unter anderem die Concerti op. 3 von Antonio Vivaldi kennen, 1711 in Amsterdam unter dem Titel L'Estro armonico im Druck erschienen. Der Prinz blieb einige Monate an der Universität Utrecht – und brachte dann eine umfangreiche Kollektion an Musikalien mit nach Weimar, wo sie auch der junge Bach mit großem Interesse studierte.
Nach seiner Rückkehr im Juli 1713 komponierte der junge Herzog „19 Instrumental-Stücke in der Zeit von ¾ Jahren“, so schreibt Johann Gottfried Walther. Da freilich plagte den Prinzen bereits eine Geschwulst, gegen die die ärztliche Kunst jener Tage nichts ausrichten konnte. Und so starb der Herzog dann, im Alter von gerade einmal achtzehn Jahren. Bei einem Kuraufenthalt im Hessischen aber lernte er zuvor Georg Philipp Telemann kennen, der dem Prinzen sechs Violinsonaten widmete.
Außerdem veröffentlichte Telemann 1718 in einem prachtvollen Druck sechs Violinkonzerte von Johann Ernst. Zwei weitere wurden als Stimmensätze verschenkt und blieben so erhalten. Und Bach hat nicht nur Konzerte von Vivaldi und Marcello, sondern auch vier Konzerte von Johann Ernst für Tasteninstrument bearbeitet. Eines davon, ein Doppelkonzert für zwei Violinen nach BWV 984 und 595, hat Gernot Süßmuth für diese Einspielung rekonstruiert.
In seiner Debüt-Aufnahme widmet sich das auf historischen Instrumenten spielende Thüringer Bach Collegium unter seiner Leitung den Konzerten des Prinzen mit faszinierender Spielfreude. Der Zuhörer kommt aus dem Staunen gar nicht heraus. Denn diese Werke von Johann Ernst von Sachsen-Weimar haben Qualität. Sie imitieren zudem nicht einfach das italienische Vorbild; bei aller „Vivaldimania“ wird durchaus eine eigene musikalische Handschrift erkennbar. Und man staunt darüber, wie gut dieser Prinz seinerzeit Geige gespielt hat. Denn die Konzerte sind anspruchsvoll, ja mitunter sogar virtuos – und Johann Ernst hat sie für sich selbst komponiert.
Das Thüringer Bach Collegium musiziert ebenso stilkundig und feinfühlig wie lebendig. Mit dieser CD erweist das Ensemble einem Herrscher seine Reverenz, der ein ausgezeichneter Musiker war. Was für ein Verlust, dass Johann Ernst IV. so jung gestorben ist...
Dienstag, 26. November 2019
Muffat: Armonico Tributo (Pan Classics)
In Mégève in den Savoyen kam er zur Welt, er betrachtete sich selbst als Deutschen, hatte aber schottische Vorfahren, und in seiner Musik sind neben französischen vor allem italienische Einflüsse deutlich zu spüren – Georg Muffat (1653 bis 1704) war Europäer mit Leib und Seele, und das prägte auch seine Kompositionen.
Nach Studien bei Lully in Paris sowie bei Pasquini und Corelli in Rom wirkte Muffat im Elsaß, in Wien, Prag, Salzburg und Passau. In den fünf Kammersonaten, die Muffat 1682 nach seiner Rückkehr aus Italien in Salzburg unter dem Titel Armonico Tributo veröffentlichte, kombinierte er französische Grazie und italienische Formen; vor allem Corellis Concerti grossi waren ihm dabei offensichtlich ein wichtiges Vorbild.
Bei der Wahl der Instrumente räumte Muffat den Interpreten sehr viel Spielraum ein; Armonico Tributo ist sowohl als Kammermusik als auch mit einem Orchester aufführbar. Gunar Letzbor und sein Ensemble Ars Antiqua Austria haben sich für eine schlank besetzte Version entschieden. Diese Einspielung möchte man immer wieder anhören, denn sie sprüht geradezu von Musizierlust. Grandios!
Nach Studien bei Lully in Paris sowie bei Pasquini und Corelli in Rom wirkte Muffat im Elsaß, in Wien, Prag, Salzburg und Passau. In den fünf Kammersonaten, die Muffat 1682 nach seiner Rückkehr aus Italien in Salzburg unter dem Titel Armonico Tributo veröffentlichte, kombinierte er französische Grazie und italienische Formen; vor allem Corellis Concerti grossi waren ihm dabei offensichtlich ein wichtiges Vorbild.
Bei der Wahl der Instrumente räumte Muffat den Interpreten sehr viel Spielraum ein; Armonico Tributo ist sowohl als Kammermusik als auch mit einem Orchester aufführbar. Gunar Letzbor und sein Ensemble Ars Antiqua Austria haben sich für eine schlank besetzte Version entschieden. Diese Einspielung möchte man immer wieder anhören, denn sie sprüht geradezu von Musizierlust. Grandios!
Montag, 25. November 2019
Erlebach: Complete Trio Sonatas (Ricercar)
Hoch erfreut darf ich vermelden, dass sich wieder einmal ein Ensemble dem Schaffen von Philipp Heinrich Erlebach (1657 bis 1714) zugewandt hat. Er wirkte als Kapellmeister am Hofe des Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt. Leider ist 1735 bei einem Brand in dem thüringischen Schloss fast die gesamte musikalische Hinterlassenschaft des Komponisten vernichtet worden. Nur eine Handvoll seiner Werke sind uns erhalten geblieben, weil sie von ihm zu Lebzeiten veröffentlicht oder in Abschriften außerhalb seiner Wirkungsstätte aufgefunden wurden. Doch diese Raritäten lassen erahnen, wie groß der Verlust ist.
Auf dieser CD erklingen sechs Sonaten für Violine, Viola da gamba und Basso continuo, die Erlebach 1694 drucken lassen konnte. Wie der Komponist französische und italienische Einflüsse in seinen ganz persönlichen Stil integrierte, das ist an diesen Werken gut zu erkennen. Mit seinem Ensemble L’Achéron erweckt François Joubert-Caillet diese Raritäten liebevoll wieder zum Klingen. Sensibilität und Sorgfalt zeichnen diese Einspielung aus, die den Charme dieser Musik aufs Schönste zur Geltung bringt. Unbedingte Empfehlung!
Auf dieser CD erklingen sechs Sonaten für Violine, Viola da gamba und Basso continuo, die Erlebach 1694 drucken lassen konnte. Wie der Komponist französische und italienische Einflüsse in seinen ganz persönlichen Stil integrierte, das ist an diesen Werken gut zu erkennen. Mit seinem Ensemble L’Achéron erweckt François Joubert-Caillet diese Raritäten liebevoll wieder zum Klingen. Sensibilität und Sorgfalt zeichnen diese Einspielung aus, die den Charme dieser Musik aufs Schönste zur Geltung bringt. Unbedingte Empfehlung!
Bach: Berühmte Orgelwerke (Oehms Classics)
Mit dieser CD widmet sich Organist Joseph Kelemen einmal mehr der Orgelmusik Johann Sebastian Bachs. An der Treutmann-Orgel der Klosterkirche Grauhof hat er vor allem Werke des Komponisten in Moll-Tonarten eingespielt.
Im Vergleich zum Gesamtwerk sind das nicht viele – und Kelemen zeigt, wie Bach in diesen Kompositionen „aus melancholischen Tiefen immer wieder vollendete Eleganz (um nicht zu sagen: überraschenden Glanz)“ entwickelt, schreibt der Organist im Beiheft, „so dass die erwartete Moll-Tendenz bei vielen Bach-Werken eigentlich zur Nebensache wird.“
Und so ist der Kontrast zu den beigefügten Werken in Dur eigentlich auch gar nicht groß. Man freut sich über ein klug zusammengestelltes Programm, überlegt vorgetragen auf einem historischen Instrument, das mit seinem Klang und seinen Eigenheiten ebenfalls zum Hörvergnügen beiträgt.
Im Vergleich zum Gesamtwerk sind das nicht viele – und Kelemen zeigt, wie Bach in diesen Kompositionen „aus melancholischen Tiefen immer wieder vollendete Eleganz (um nicht zu sagen: überraschenden Glanz)“ entwickelt, schreibt der Organist im Beiheft, „so dass die erwartete Moll-Tendenz bei vielen Bach-Werken eigentlich zur Nebensache wird.“
Und so ist der Kontrast zu den beigefügten Werken in Dur eigentlich auch gar nicht groß. Man freut sich über ein klug zusammengestelltes Programm, überlegt vorgetragen auf einem historischen Instrument, das mit seinem Klang und seinen Eigenheiten ebenfalls zum Hörvergnügen beiträgt.
Thomas Tallis - Gentleman of the Chapel Royal (Resonus)
Die Gentlemen of HM Chapel Royal sind eine musikalische Institution mit einer ganz erstaunlichen Tradition: Seit mehr als 500 Jahren singen sie in den Gottesdiensten der königlichen Kapelle im Hampton Court Palace, und zwar gewöhnlich zu sechst. Bei Bedarf kann diese Besetzung aber erweitert werden – insgesamt wirken in dem Ensemble bis zu 14 Sänger mit, und zusätzlich stehen bis zu 18 Kapellknaben zur Verfügung, die in einer nahe gelegenen Schule unterrichtet werden. Geleitet wird das Ensemble derzeit von Carl Jackson. Auf dieser CD singen die Gentlemen of the Chapel Royal Werke von Thomas Tallis (um 1505 bis 1585). Er gehörte einst selbst dem Ensemble an, und seine Musik ist von berückender Schönheit. So stimmt seine Missa Puer natus est nobis perfekt auf die bevorstehende Weihnachtszeit ein. Himmlisch!
Donnerstag, 21. November 2019
Madame Schumann - Ragna Schirmer (Berlin Classics)
In diesem Jahr feiert die Musikwelt den 200. Geburtstag von Clara Schumann (1819 bis 1896). Ausgebildet wurde sie von ihrem Vater Friedrick Wieck, der sich mit Leidenschaft für sein Wunderkind einsetzte; ihr Debüt gab Clara als Neunjährige im Leipziger Gewandhaus. Sie komponierte auch schon früh, und wurde, da war sie gerade einmal 18 Jahre alt, in Wien zur kaiserlich-königlichen Kammer-Virtuosin ernannt.
Robert Schumann lernte Clara Wieck schon im Kindesalter kennen. Dass sie sich dann in ihn verliebte, war ihrem Vater gar nicht recht. 1837 verlobte sich das Paar, doch erst 1840 gelang es den beiden, über das Gericht die Genehmigung zur Eheschließung zu erhalten.
Wie es dann im Hause Schumann zuging, das kann man aus dem Ehetagebuch erfahren, das das Paar führte; es wurde mittlerweile veröffentlicht. Konflikte gab es jedenfalls genug, denn Clara dachte gar nicht daran, sich mit einem Dasein als Hausfrau und Mutter zu bescheiden. Auch mit Blick auf die Finanzen der Familie nahm sie schon bald das Konzertieren wieder auf.
Clara Schumann galt schon in jungen Jahren als Klaviervirtuosin; ihre Zeitgenossen schätzten sie ebenso sehr wie etwa Sigismund Thalberg oder Franz Liszt. Ihre Konzertreisen führten sie quer durch Europa, wobei sie oftmals gemeinsam mit Kollegen musizierte. So spielte sie hunderte Konzerte zusammen mit dem Geiger Joseph Joachim. Reine Klavierabende hingegen waren damals eher unüblich.
Mit dem Leben und Schaffen der Künstlerin, die letzten Endes bis ins hohe Alter als Berufsmusikerin tätig war, hat sich kaum jemand ähnlich intensiv auseinandergesetzt wie Ragna Schirmer. So hat die Hallenser Pianistin mit der Staatskapelle Halle unter Leitung von Ariane Matiakh das Klavierkonzert a-Moll op. 7, das Clara als 15jährige komponiert hat, und das 4. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven eingespielt, das Clara mehr als 50mal in Konzerten vorgetragen hat, und zu dem sie eigene Kadenzen verfasste.
Was Clara Schumann in ihren Konzerten gespielt hat, das lässt sich vielfach noch heute nachvollziehen. Denn die Musikerin hat im Laufe ihres Lebens mehr als 1.300 Programmzettel zusammengetragen, auf denen ihre Konzert dokumentiert sind. Diese Sammlung hat Ragna Schirmer im Schumannhaus Zwickau angesehen - „voller Bewunderung, wie viele großartige Werke Sie in Ihrem Leben studiert und zur Aufführung gebracht haben“, so schreibt sie in einem Brief ihre Gedanken nieder. Zum 200. Geburtstag widmete die Pianistin der berühmten Kollegin dann ein ganz besonderes Projekt: Sie spielte einige ihrer Konzertprogramme nach.
So waren Clara und ihr Mann Robert Schumann im Jahre 1847 zu Gast bei einer Matinee im Berliner Salon von Fanny Hensel. Neben zwei Liedern, eines von Robert Schumann und eines von der Gastgeberin, erklangen dort die Uraufführungen des Klavierquartetts op. 47 von Robert und des Klaviertrios op. 17 von Clara Schumann. Dieses Programm, das einen direkten Vergleich der Kompositionen der beiden Eheleute gestattet, ist im ersten Teil dieser Einspielung zu hören. Musizierpartner von Ragna Schirmer sind hier die Sopranistin Nora Friedrichs sowie Iason Keramidis, Violine, Julien Heichelbech, Viola, und Benedict Klöckner, Violoncello.
„Der zweite Silberling wiederholt Ihren letzten reinen Klavierabend, erklungen in den Assembly Rooms in St. Leonards-on-Sea, England“, wendet sich Ragna Schirmer in ihrem Brief an Clara Schumann. „Ein unglaubliches Programm, wie ich finde! Wissen Sie noch, wie Sie sich fühlten? Sie hatten Schmerzen in den Händen und präsentierten dennoch dem Publikum all die schönen Stücke, die Ihr Leben begleiteten. Sie schenkten den Zuhörern sogar Ihre improvisierten Überleitungen zwischen einigen Werken, an denen ich mich bescheiden auch versuche, indem ich mir solche von einem Kollegen komponieren ließ, der die Improvisations-Studien Ihres Vaters und Ihre Aufzeichnungen über das Präludieren verglich und einflocht. So sind Ihre Konzerte heute noch lebendig.“
Von Schumanns Kinderszenen über einzelne Werke von Beethoven, Scarlatti, Händel, Gluck, Chopin und Mendelssohn reicht dieses Programm, das Ragna Schirmer versiert und wunderbar nuancenreich vorstellt. Dazu bietet das Beiheft umfangreiche, mit ebenso großer Sorgfalt zusammengestellte Info-Texte. Ohne Zweifel ist dies der wichtigste musikalische Beitrag zum Clara-Schumann-Jahr.
Robert Schumann lernte Clara Wieck schon im Kindesalter kennen. Dass sie sich dann in ihn verliebte, war ihrem Vater gar nicht recht. 1837 verlobte sich das Paar, doch erst 1840 gelang es den beiden, über das Gericht die Genehmigung zur Eheschließung zu erhalten.
Wie es dann im Hause Schumann zuging, das kann man aus dem Ehetagebuch erfahren, das das Paar führte; es wurde mittlerweile veröffentlicht. Konflikte gab es jedenfalls genug, denn Clara dachte gar nicht daran, sich mit einem Dasein als Hausfrau und Mutter zu bescheiden. Auch mit Blick auf die Finanzen der Familie nahm sie schon bald das Konzertieren wieder auf.
Clara Schumann galt schon in jungen Jahren als Klaviervirtuosin; ihre Zeitgenossen schätzten sie ebenso sehr wie etwa Sigismund Thalberg oder Franz Liszt. Ihre Konzertreisen führten sie quer durch Europa, wobei sie oftmals gemeinsam mit Kollegen musizierte. So spielte sie hunderte Konzerte zusammen mit dem Geiger Joseph Joachim. Reine Klavierabende hingegen waren damals eher unüblich.
Mit dem Leben und Schaffen der Künstlerin, die letzten Endes bis ins hohe Alter als Berufsmusikerin tätig war, hat sich kaum jemand ähnlich intensiv auseinandergesetzt wie Ragna Schirmer. So hat die Hallenser Pianistin mit der Staatskapelle Halle unter Leitung von Ariane Matiakh das Klavierkonzert a-Moll op. 7, das Clara als 15jährige komponiert hat, und das 4. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven eingespielt, das Clara mehr als 50mal in Konzerten vorgetragen hat, und zu dem sie eigene Kadenzen verfasste.
Was Clara Schumann in ihren Konzerten gespielt hat, das lässt sich vielfach noch heute nachvollziehen. Denn die Musikerin hat im Laufe ihres Lebens mehr als 1.300 Programmzettel zusammengetragen, auf denen ihre Konzert dokumentiert sind. Diese Sammlung hat Ragna Schirmer im Schumannhaus Zwickau angesehen - „voller Bewunderung, wie viele großartige Werke Sie in Ihrem Leben studiert und zur Aufführung gebracht haben“, so schreibt sie in einem Brief ihre Gedanken nieder. Zum 200. Geburtstag widmete die Pianistin der berühmten Kollegin dann ein ganz besonderes Projekt: Sie spielte einige ihrer Konzertprogramme nach.
So waren Clara und ihr Mann Robert Schumann im Jahre 1847 zu Gast bei einer Matinee im Berliner Salon von Fanny Hensel. Neben zwei Liedern, eines von Robert Schumann und eines von der Gastgeberin, erklangen dort die Uraufführungen des Klavierquartetts op. 47 von Robert und des Klaviertrios op. 17 von Clara Schumann. Dieses Programm, das einen direkten Vergleich der Kompositionen der beiden Eheleute gestattet, ist im ersten Teil dieser Einspielung zu hören. Musizierpartner von Ragna Schirmer sind hier die Sopranistin Nora Friedrichs sowie Iason Keramidis, Violine, Julien Heichelbech, Viola, und Benedict Klöckner, Violoncello.
„Der zweite Silberling wiederholt Ihren letzten reinen Klavierabend, erklungen in den Assembly Rooms in St. Leonards-on-Sea, England“, wendet sich Ragna Schirmer in ihrem Brief an Clara Schumann. „Ein unglaubliches Programm, wie ich finde! Wissen Sie noch, wie Sie sich fühlten? Sie hatten Schmerzen in den Händen und präsentierten dennoch dem Publikum all die schönen Stücke, die Ihr Leben begleiteten. Sie schenkten den Zuhörern sogar Ihre improvisierten Überleitungen zwischen einigen Werken, an denen ich mich bescheiden auch versuche, indem ich mir solche von einem Kollegen komponieren ließ, der die Improvisations-Studien Ihres Vaters und Ihre Aufzeichnungen über das Präludieren verglich und einflocht. So sind Ihre Konzerte heute noch lebendig.“
Von Schumanns Kinderszenen über einzelne Werke von Beethoven, Scarlatti, Händel, Gluck, Chopin und Mendelssohn reicht dieses Programm, das Ragna Schirmer versiert und wunderbar nuancenreich vorstellt. Dazu bietet das Beiheft umfangreiche, mit ebenso großer Sorgfalt zusammengestellte Info-Texte. Ohne Zweifel ist dies der wichtigste musikalische Beitrag zum Clara-Schumann-Jahr.
Mittwoch, 20. November 2019
Welter: Gott sey uns gnädig (Christophorus)
Elf
Kantaten, zwei Magnificat-Vertonungen und elf Kirchenlieder – das
ist alles, was von dem einstmals umfangreichen Werk Johann Samuel
Welters (1650 bis 1720) erhalten geblieben ist. Im Nachlass des
langjährigen Organisten der Kirche St. Michael in Schwäbisch Hall
waren noch ca. 400 Kompositionen aufgelistet; und wer diese CD angehört
hat, der wird den Verlust sehr bedauerlich finden. Nicht umsonst
schätzen Musikwissenschaftler Welter als einen bedeutenden
Choralkomponisten zwischen Hieronymus Praetorius und Johann Sebastian
Bach.
Johann
Samuel Welter kam in Obersontheim zur Welt; sein musikalisches Talent
war schon früh erkennbar, und so durfte er als Stipendiat am
Gymnasium illustre in Schwäbisch Hall lernen. Musikunterricht
erteilte dort der örtliche Kantor. Die weitere Ausbildung übernahm
dann ein Verwandter, der Stadtmusicus in Nürnberg war. Nach
einer Anstellung als Organist und Kanzlist am Hofe des Grafen Joachim
Albrecht von Hohenlohe-Langenburg auf Schloss Kirchberg a.d. Jagst wurde Welter 1675
Organist von Michael in Schwäbisch Hall, und dort wirkte er bis an
sein Lebensende.
Diese
Einspielung mit dem Ensemble ecco la musica stellt die Choralkantaten
von Johann Samuel Welter vor. Es sind effektvolle Kompositionen,
traditionell besetzt mit Violinen, Zinken, Viola da gamba und
Posaunen, aber ausgesprochen ideenreich in der musikalischen
Ausgestaltung, und in der Harmonik sogar kühn und extravagant.
Komplettiert
wird dieses sehr ansprechende Programm durch Sonaten aus dem
Langenburger Notenbestand – zumindest waren sie zu Welters Zeiten
dort, wie ein Inventar verrät. Das Ensemble ecco la musica hat
einige der dort verzeichneten Instrumentalwerke in anderen Sammlungen
aufgespürt und bringt auch diese prächtigen Stücke, unter anderem
von Bertali und Schmelzer, wieder zum Klingen. Eine hochinteressante
und zudem ausgesprochen klangschöne CD. Unbedingte Empfehlung!