Freitag, 31. Dezember 2021

Heinrich Scheidemann: Organ Musik (MDG)

 

Die Orgel der Barockkirche St. Pankratius in Neuenfelde ist ein ganz besonderes Instrument. Errichtet wurde sie 1688 von Arp Schnitger. 

Der Orgelbauer hatte eine enge Beziehung zu Neuenfelde; seine Frau stammte aus der Gemeinde, und Schnitger erwarb 1693 den Hof seines Schwiegervaters. In späteren Jahren wohnte er dort, und er liegt in St. Pankratius auch begraben. 

Es ist seine größte zweimanualige Orgel, mit 34 Registern in Rückpositiv, Oberwerk und Pedal. Außerdem ist sie durch den Meister vollständig neu angefertigt worden; das vorhandene Instrument von Hans Christoph Fritzsche aus den Jahren 1672/73, das für das 1682 neu errichtete Gotteshaus offenbar zu klein war, wurde durch Schnitger seinerzeit in eine andere Kirche nach Stade umgesetzt. 

Im 19. Jahrhundert wurde die Arp-Schnitger-Orgel durch Umbauten erheblich verändert. Im Zuge der Orgelbewegung und auch danach gab es diverse Versuche, das Instrument wieder zu instand zu setzen. Weil das Ergebnis nicht überzeugte, veranlasste Organist Hilger Kespohl schließlich eine umfassende Restaurierung. Sie wurde in den Jahren 2015 bis 2017 durch die Orgelwerkstatt Kristian Wegscheider ausgeführt – und dabei ist nach denkmalpflegerischen Grundsätzen der Zustand von 1688 weitgehend wieder hergestellt worden. 

Für seine zweite Einspielung an diesem herrlichen Instrument hat Hilger Kespohl ein Programm mit Werken von Heinrich Scheidemann (ca. 1596 bis 1663) zusammengestellt. Es umfasst sowohl Beispiele für Motettenkolorierungen des Hamburgers, als auch elegante Stücke nach weltlichen Vorlagen, die wohl eher im häuslichen Umfeld erklungen sind, sowie Choralbearbeitungen, wie Scheidemanns berühmte Choralfantasie Ein feste Burg ist unser Gott

Kespohl musiziert wunderbar, und auch die technische Qualität der Aufnahme gilt es an dieser Stelle zu rühmen. Man hat wirklich den Eindruck, im Kirchenraum zu sitzen. Grandios! 


12 Stradivari - Janine Jansen (Decca)

 

Gleich zwölf Stradivaris erklingen auf dieser CD. Janine Jansen hat dafür gemeinsam mit ihrem Klavierbegleiter Sir Antonio Pappano ein interessantes Programm erarbeitet, das nicht nur die klanglichen Vorzüge jeder einzelnen Geige betont, sondern auch einen Bezug zu berühmten Violinisten herstellt, die diese Instrumente in der Vergangenheit gespielt haben. 

Dieses Projekt ist beispiellos. Denn eine Stradivari gibt man nicht so einfach aus der Hand. Als Antonio Stradivari 1737 im Alter von 94 Jahren starb, hatte der Geigenbauer bereits einen einzigartigen Ruf. Könige kauften seine Instrumente – Gitarren, Violoncellos, Harfen, Bratschen, vor allem aber Violinen mit einem ausgeprägt individuellen Klang. Obwohl sie schon damals sehr wertvoll waren, sind im Laufe der Zeit durch Brände, Unfälle und Kriege etliche dieser Preziosen zerstört worden. 

Wenn heute Instrumente Stradivaris zum Verkauf stehen, dann werden Millionenbeträge dafür geboten. Nicht wenige der verbliebenen Geigen befinden sich daher gut geschützt in den Safes von Sammlern. Andere sind in Museen zu sehen. Einige werden aber auch von Solisten gespielt – Janine Jansen beispielsweise musiziert derzeit auf einer Stradivari, die vormals im Besitz von Pierre Rode und Oskar Shumsky war. 

J & A Beare Ltd gehört zu den wenigen Händlern, die sich heute noch in diesem hochspekulativen Markt bewegen. Die Experten dieses Unternehmens werden in Kürze eine sechsbändige Dokumentation veröffentlichen, „the ultimate Stradivari iconography“, wie Geschäftsführer Steven Smith im Beiheft zu dieser CD schreibt. Dazu passt diese Einspielung gut, und sie ist auch nur durch die Unterstützung durch J & A Beare möglich geworden. 

Die Aufnahmen sind für Stradivari-Fans ein Ereignis; das Repertoire, das von Tschaikowsky über Clara Schumann bis hin zu Szymanovski, Elgar und Vieuxtemps reicht, Fritz Kreisler natürlich nicht zu vergessen, ermöglicht es Janine Jansen, die individuellen Charaktere der einzelnen Instrumente zu demonstrieren und sie auf bestmögliche Art und Weise zu präsentieren. Einige dieser zwölf Geigen, die für die Aufnahmen aus der ganzen Welt nach London gebracht worden sind, hat seit Jahrzehnten niemand mehr gespielt; umso spannender ist diese CD. 


Donnerstag, 30. Dezember 2021

In the Secret of the World (Florentyn Music)


 „Es waltet in jeder Zeit ein geheimes Bündnis verwandter Geister“, zitiert das Beiheft zu dieser CD Robert Schumann. In der Tat: Die Pianistin Anna-Maria Maak und der deutsch-venezolanische Komponist und Gitarrist Sef Albertz zeigen mit ihrem zweiten Konzeptalbum, wie vielfältig die Inspiration ist, die sie bei ihrer künstlerischen Arbeit bewegt. 

Da ist zum einen Krzysztof Penderecki, der selbst keine Musik für Klavier solo geschrieben hat, sich aber noch zu Lebzeiten von Aria, Ciaccona und Vivace, die Sef Albertz nach Orchesterwerken des polnischen Komponist kompiliert hat, sehr angetan gezeigt haben soll. 

Seine Musik steht direkt neben The White Sarabande nach Johann Sebastian Bach. Er ist im musikalischen Universum des Paares, das sich in Leipzig niedergelassen hat, ein wichtiger Bezugspunkt. Nicht umsonst nannten Maak und Albertz ihr erstes Album Resplendences around Bach. Es wurde übrigens, wie auch In the Secret of the World, vom Publikum über Crowdfunding finanziert. Dies gibt den Künstlern die Möglichkeit, trotz aller Einschränkungen durch Corona schöpferisch tätig zu werden und ihre Musik vor Zuhörer zu bringen – auch wenn Konzertsäle in diesem Jahr zumeist verschlossen geblieben sind. 

Die beiden Musiker legen generell Wert auf Autonomie; sie wollen die Verantwortung für ihre kreative Botschaft nicht aus den Händen geben, und veröffentlichen Einspielungen deshalb bei ihrem eigenen Label Florentyn Music. Die zweite CD des Paares enthält erneut ausschließlich Weltersteinspielungen; in der Musik von Sef Albertz fließen dabei kompositorische Ideen, Stimmungsbilder, Kontinente und Jahrhunderte ineinander. Wer darauf aus ist, der wird zahlreiche Anspielungen und Zitate erkennen – nicht nur in Ludovicus and the Allegories of the Sea, nach Motiven von Ludwig van Beethoven. 

Barocke Wendungen führt Albertz zusammen mit Harmonik aus Jazz- und Popmusik, argentinischer Tango trifft in seiner Musik auf Schumann, und Kontemplation auf Leidenschaft. Anna-Maria Maak erweist sich als geniale Interpretin seiner komplexen Werke. Sie teilt offenbar Albertz‘ Liebe zum Atmosphärischen: In the Secret of the World will das Geheimnis nicht ergründen, sondern eher ein Teil davon werden. 

Das facettenreiche Album greift aber über das Medium Musik noch hinaus; es lohnt sich, auch die Titel der Stücke mit Verstand zu lesen und das Beiheft anzuschauen. Hier wird erkennbar, dass das kreative Konzept von Maak und Albertz, in guter Leipziger Tradition, nicht zuletzt ein zutiefst romantisches ist. 1835 schrieb Joseph Freiherr von Eichendorff: „Schläft ein Lied in allen Dingen, / Die da träumen fort und fort, / Und die Welt hebt an zu singen, / Triffst du nur das Zauberwort.“


Mittwoch, 29. Dezember 2021

Joseph Boulogne, Chevalier de Saint-Georges: Symphonies concertantes (Naxos)


 Einmal mehr trägt das Label Naxos dazu bei, Kompositionen wieder vor das Publikum zu bringen, die zu unrecht in Vergessenheit geraten sind. Joseph Boulogne, Chevalier de Saint-Georges (1745 bis 1799), gehört ohne Zweifel zu den Persönlichkeiten, die Musikgeschichte geschrieben haben. Er kam auf Guadeloupe zur Welt, und war der illegitime Sohn eines Franzosen mit einer blutjungen senegalesischen Sklavin, der Zofe seiner Ehefrau. 

Joseph Boulogne wuchs in Frankreich auf und erhielt dort standesgemäß eine ebenso umfassende wie exzellente Ausbildung. Der junge Chevalier de Saint-Georges war nicht nur ein brillanter Fechter, ein erfolgreicher Dirigent und ein herausragender Geigenvirtuose. Er war auch ein ausgezeichneter Reiter, Schwimmer und Eisläufer, und er beeindruckte die Damen der Pariser Gesellschaft obendrein durch seine guten Manieren. In späteren Jahren, beim Militär, hatte er leider ein weniger glückliches Händchen; die Schreckensherrschaft der Jakobiner setzte seiner Karriere ein Ende. Doch das ist eine andere Geschichte. 

Musikgeschichte schrieb Joseph Boulogne, Chevalier de Saint-Georges, weil er sich als Komponist intensiv der Symphonie concertante widmete. Derartige Werke, die Elemente der Sinfonie und des Solokonzertes miteinander verbinden, waren vor allem dort beliebt, wo es viele hervorragende Musiker gab, die die Aufführungen als Solisten gestalteten – in Mannheim beispielsweise, in Wien, in London und in Paris. 

Saint-Georges schätzte offenbar diese Gattung, die ihm sowohl als Komponist als auch als Violinist aufgrund der zusätzlichen Solo-Instrumente gänzlich neue Möglichkeiten bot. Er fand dabei ganz eigene musikalische Lösungen. So sind die konzertanten Symphonien von Saint-Georges in der Tat einzigartig und unverwechselbar. 

Auf dieser CD erklingen einige seiner Werke, exemplarisch eingespielt vom Czech Chamber Philharmonic Orchestra Pardubice unter Leitung von Michael Halász. Solisten sind Yuri Revich und Libor Ježek, Violine, sowie Pavla Honsová, Viola. Sie musizieren sehr elegant, und bringen Ausdrucksstärke und Erfindungsreichtum dieser Kompositionen bestens zur Geltung. 


Dienstag, 28. Dezember 2021

None but the Brave - Maximilian Ehrhardt (Carpe Diem)


Mit diesem Album erweist Maximilian Ehrhardt einem berühmten Kollegen seine Referenz: John Parry (1710 bis 1782) gilt als Vater der neueren walisischen Harfentradition. 

Der blinde Musiker, der seit seiner Kindheit die Harfe spielte, kam als Angestellter eines Adligen aus Wales nach London. Dort erwarb er sich aufgrund seiner Virtuosität bald großes Ansehen. In seinen Konzertprogrammen kombinierte er bekannte Lieder mit Werken seiner Zeitgenossen. 

Er war auch als Lehrer hochgeschätzt, und er ließ etliche Stücke, die er selbst spielte, drucken. Maximilian Ehrhardt, stets auf der Suche nach Harfenmusik, die in Vergessenheit geraten ist, hat sich mit diesen Notendrucken befasst. In der walisischen Nationalbibliothek in Aberystwyth studierte er zudem die drei ältesten Manuskripte mit Harfenmusik. 

Auch mit der jahrhundertealten walisischen Harfentradition hat sich Ehrhardt intensiv beschäftigt. Man lese nur seinen Aufsatz im Beiheft - wirklich beeindruckend, denn die Harfe ist das Nationalinstrument von Wales, und sie ist dort offenbar schon zu Zeiten der Römer erklungen. 

Im Ergebnis dieser gründlichen Studien entstand diese CD – stilecht eingespielt auf einer walisischen Tripelharfe. Hoch interessant und dazu hinreißend klangschön. Faszinierend! 

In dulci jubilo (SWR Classic)

 

Das SWR Vokalensemble widmet sein aktuelles Album zum Weihnachtsfest dem Schaffen von Michael Praetorius (1571 bis 1621). Er war Kammerorganist und Hofkapellmeister der Herzöge Heinrich Julius und Friedrich Ulrich, Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel, weithin hochgeschätzt, und auch über deutsche Grenzen hinaus bestens vernetzt. 

Ursprünglich sollte Praetorius allerdings Pfarrer werden, nach dem Vorbild seines Vaters und etlicher seiner Verwandten. Doch am Ende setzte sich das musikalische Talent durch. Macht nichts, denn: „Nach dem heiligen Wort Gottes ist nichts so hoch zu rühmen und zu loben als eben die Musica“, schrieb der Komponist in der Vorrede zum ersten Band der Musae Sioniae – das erste Werk, dass er drucken ließ. 

Acht weitere Bände dieser Sammlung von Chorälen, in allen nur denkbaren Besetzungen, folgten. Daran wird ersichtlich, welch große Bedeutung Michael Praetorius der Pflege und Förderung des protestantischen Kirchenliedes zumaß. Einen besonderen Platz in den Musae Sioniae haben die Weihnachtslieder. 

Für diese Einspielung des SWR Vokalensembles hat Chorleiter Marcus Creed eine Auswahl aus dieser Kollektion zu Weihnachtskonzerten zusammengestellt. Traditionelle Chorsätze, mit der Liedmelodie in der Oberstimme, kombinierte er mit Bicinien und Tricinien, in denen zwei oder drei gleiche Stimmen kunstvoll miteinander zu wetteifern scheinen, und mehrchörigen Strophen mit ihrer enormen Klangpracht. 

Das SWR Vokalensemble singt hinreißend schön. Allerdings hätte mich gelegentlich anstelle von perfektem Gesang doch ein wenig mehr Ausdruck erfreut. Aber das ist Gemecker auf hohem Niveau; die Klangkultur des Chores ist wirklich beeindruckend. 


Donnerstag, 23. Dezember 2021

Lieder zur Weihnacht - Peter Schreier (Berlin Classics)

 

Schätze aus dem Archiv legt Berlin Classics Klassikfreunden auch in diesem Jahr wieder auf den Gabentisch. Gleich zwei CD präsentieren historische Aufnahmen mit Peter Schreier. So hat der legendäre Tenor 1969 in Leipzig mit Musikern des Gewandhausorchesters unter der Leitung von Thomaskantor Erhard Mauersberger Arien von Johann Sebastian Bach gesungen; die Schallplatte ist 1970 erschienen. 

1978 entstand im Studio Lukaskirche Dresden eine Einspielung mit Weihnachtsliedern von vier großen Liedmeistern der Spätromantik: Peter Cornelius (1824 bis 1874), Joseph Haas (1879 bis 1960), Max Reger (8173 bis 1916) und Hugo Wolf (1860 bis 1903). Klavierpartner des Sängers war bei dieser Produktion Norman Shetler. Zu hören sind beispielsweise Cornelius‘ bekannte Weihnachtslieder op. 8 oder aber Regers berühmtes Maria am Rosenstrauch op. 142 Nr. 3. Und man staunt noch heute, mit welcher Intensität sich Peter Schreier jedem einzelnen dieser Lieder zuwendet. Noch immer ist dies eine der schönsten Aufnahmen mit diesem Repertoire. 


Wie schön leuchtet der Morgenstern (Ambiente Audio)

 

Diese CD ist ein Familienprojekt: Seit nunmehr elf Jahren gestalten Simon Becker-Foss, Bassklarinette/Saxophon, und Hans Christoph Becker-Foss, Orgel, Adventskonzerte in der Hamelner Marktkirche St. Nicolai. Adelheid Becker-Foss ist daran als Registrandin beteiligt, und die vorliegende Aufnahme lag in den Händen von Claudio Becker-Foss. Das Coverfoto stammt von Raphael Becker-Foss. 

Es ist dies ein wunderbares Beispiel dafür, wie Großes entstehen kann, wenn jeder etwas dazu beisteuert, seine Ideen und seine Persönlichkeit einbringt. In dem Programm, das wohldurchdacht auf der Grundlage theologischer Überlegungen zusammengestellt worden ist, finden sich auch Werke der Altmeister Johann Sebastian Bach, Johann Gottfried Walther, Johann Philipp Kirnberger, Georg Friedrich Kauffmann und Georg Philipp Telemann. Doch sie erklingen nicht, damit der Organist seine Virtuosität unter Beweis stellen kann. 

Hans Christoph Becker-Foss, der seit vielen Jahren als Professor an der Musikhochschule Hannover unterrichtet, ist ganz offensichtlich mit Leidenschaft Kirchenmusiker. Er nimmt seine Zuhörer in einem chaotischen Jahr mit auf eine musikalische Reise zum Jesuskind; Pastor Jürgen Harms hat für das Beiheft dazu kurze theologische Betrachtungen geschrieben. 

Leitmotiv ist der Choral Wie schön leuchtet der Morgenstern. Er kehrt mehrfach wieder – als Improvisation von Simon Becker-Foss, aber auch als Orgelchoral, gespielt von Hans Christoph Becker-Foss an der Beckerath/Goll-Orgel der Marktkirche St. Nicolai Hameln. Kompositionen und Choralbearbeitungen von ganz eigener Qualität hat der Saxophonist Simon Becker-Foss geschaffen. Im Dialog mit seinem Vater vermittelt er konzentriert die Botschaft all der alten, lieben Lieder. 

Die Musik erinnert an das Warten auf die Ankunft des Heilands, auf die Freude über die Geburt Christi. Die Krippe bietet einen Ruhepunkt, aber das Programm erinnert auch daran, dass die Heilige Familie gezwungenermaßen zur jener langen Reise aufgebrochen ist, zu Fuß, und froh sein musste, in einem Stall ihr Nachtlager aufschlagen zu dürfen. Doch für uns Menschen bleibt immer Hoffnung – als Zeichen dafür steht der Morgenstern; der Choral beschriebt in geradezu erotischer Ekstase die enge Bindung zwischen Gott und Mensch. 


Mittwoch, 22. Dezember 2021

Festive Trumpets for Christmas (Berlin Classics)


 Weihnachten ohne Trompeten und Posaunen? Das wäre wie Weihnachten ohne Kerzenschimmer und ohne Tannenduft. „Seit meiner Kindheit gehört es zum Weihnachtsfest dazu, in den Gottesdiensten, meist mit Orgel oder einem Blechbläserensemble, zu musizieren“, meint auch Matthias Höfs. 

Für sein diesjähriges Weihnachtsalbum hat der Trompeter ein stimmungsvolles Programm zusammengestellt, das festlichen Glanz und weihnachtliche Atmosphäre zu uns nach Hause bringt – besonders wichtig in einer Zeit, in der vielerorts Konzerte abgesagt sind und auch der Besuch von Gottesdiensten nur eingeschränkt möglich ist. 

Gemeinsam mit vielen renommierten Bläserkollegen sowie Marc Engelhardt, Fagott, Carsten Lohff, Cembalo und Christian Schmitt, Orgel, führt Matthias Höfs musikalische Traditionen weiter. Einen Glanzpunkt setzt gleich zu Beginn Händels bekannte Melodie Tochter Zion in zwölf Variationen von Ludwig van Beethoven, ursprünglich für Violoncello und Klavier, für Blechbläserensemble arrangiert von Matthias Höfs. In wechselnden Besetzungen wird musiziert; es erklingen Sonaten von Georg Friedrich Händel, Antonio Vivaldi und Tomaso Albinoni sowie die Canzon Cornetto für vier Trompeten SSWV 56 von Samuel Scheidt. 

Zu hören sind weiter die Advents- und Weihnachtslieder Maria durch ein’ Dornwald ging, Es kommt ein Schiff, geladen und Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich in sehr schönen Choralbearbeitungen von Peter Lawrence. Den Schlusspunkt setzt The North Star Suite nach Motiven aus Bachs Weihnachtsoratorium. Dieses Werk, hier erstmals eingespielt, wurde 2020 durch Matthias Höfs bei Erik Morales in Auftrag gegeben. Und es ist großartig, wirklich überwältigend. 

Mit dem abwechslungsreichen Programm vermittelt Höfs nicht nur Musiktraditionen. Es gelingt dem Trompeter und seinen Kollegen zudem, auch jene Faszination spürbar und hörbar werden zu lassen, die die Musiker und ihre Instrumente verbindet. „Blechbläser sind enorm vielseitig“, zitiert das Beiheft Matthias Höfs. „In der Kirche kommen bei festlichen Gottesdiensten Posaunenchöre zusammen. Für weltliche Feste haben wir Blasmusik und Bigbands. Musik für Blechbläser erreicht ein großes Publikum.“ Diese CD, soviel ist sicher, wird dazu ebenfalls beitragen. Grandios! 


Dienstag, 21. Dezember 2021

Jonas Kaufmann - It's Christmas! (Sony)

 


Das Weihnachtsalbum von Jonas Kaufmann gehörte im vergangenen Jahr bereits zu den Highlights. Nun hat der Tenor das Programm noch einmal erweitert: „Der unglaublich schöne Erfolg und die Freude über das erste Weihnachtsalbum reizten mich, in diesem Jahr erneut ins Studio zu gehen, um einer Musikgattung Tribut zu zollen, die für mich, der ich in Bayern und Tirol aufgewachsen bin, sofort Weihnachtsstimmung auslöst: die alpenländische Stubenmusi.“ Zugleich wird die ohnehin beeindruckende Liste der Mitwirkenden ergänzt, um die Mezzosopranistin Stefanie Irányi und die Spielmusik Karl Edelmann. Und das ist ohne Zweifel ein Gewinn; die stimmungsvollen Klänge werden in ihrer Schlichtheit und Innigkeit auch Flachlandtiroler bezaubern. 

Wer die beiden Versionen des Albums vergleicht, wird zudem feststellen: Im internationalen Teil, auf der zweiten CD, ist ebenfalls ein neues Lied dazugekommen. Auf das Lied Trois anges sont venus ce soir machte Kaufmann sein Sängerkollege Ludovic Tézier aufmerksam. Darüber hinaus enthält das Beiheft jetzt einige Gedichte und weihnachtliche Rezepte sowie jede Menge Fotos aus dem privaten Album von Jonas Kaufmann. Abgedruckt sind in dem ziemlich umfangreichen, mehrsprachigen, ansprechend gestalteten Heft aber auch sämtliche Liedtexte. 

Wenn ich mich entscheiden müsste – ich würde trotz des höheren Preises die „Extended Version“ wählen. Die Stubenmusi ist wirklich hinreißend. Und es ist erneut faszinierend, wie gekonnt der Sänger von der Opernbühne ins populäre Genre wechselt. Weihnachten und Jonas Kaufmann? Gefällt mir! 


Sonntag, 19. Dezember 2021

Herrnhuter Weihnacht (Berlin Classics)

 

Mit dem Ensemble Vocal Concert Dresden wendet Peter Kopp sich einmal mehr einem interessanten und bislang wenig beachteten Kapitel der Musikgeschichte zu: Die Herrnhuter Brüdergemeine feiert im nächsten Jahr nicht nur 300jähriges Bestehen, sie wird auch wird UNESCO-Weltkulturerbe. 

Ab 1722 siedelten sich Böhmische Brüder, Anhänger einer vorreformatorischen Bewegung in Böhmen und Mähren, nachdem sie in der Heimat verfolgt worden waren, in der Oberlausitz auf einem Gut des Grafen Zinzendorf an. Dort gründeten sie eine Kolonie in der Obhut des Herrn Jesus – Herrnhut. 

Damit legten sie den Grundstein für ein noch heute lebendiges Zentrum des Glaubens, mit höchst internationaler Ausstrahlung. Der Brüdergemeinde gehören heute weit über eine Million Menschen an. In Tansania leben derzeit die meisten Mitglieder der „Moravian Church“. Herrnhuter Missionare wirken weltweit, von Dänemark bis Südafrika, von Nepal bis Albanien und von Grönland und Alaska bis in die Karibik. 

Mit den Gläubigen zogen ihre Lieder in die Welt. Denn die Brüdergemeine war von Anfang an eine singende Gemeinde. Und so bauten die „Moravians“ musikalische Brücken zwischen Europa und der Neuen Welt. Faszinierend ist dabei die Tatsache, dass bereits im 18. Jahrhundert Kompositionen, die in fernen Gebieten entstanden, wieder nach Deutschland gelangten und dort in das Repertoire aufgenommen wurden. Eine Ahnung davon vermittelt diese CD mit weihnachtlichen Klängen. 

Den Aufnahmen sind intensive Recherchen in Archiven der Herrnhuter Brüdergemeine in der Oberlausitz, aber auch in Übersee vorangegangen. Bei fast allen Werken handelt es sich um Weltersteinspielungen. Einige Stücke wurden eigens für das Programm rekonstruiert. Somit gibt die CD einen einmaligen Einblick in die Herrnhuter Musik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Und das ist ebenso spannend wie erstaunlich. 

Denn Zinzendorf betrachtete das Singen als eine Gabe des Heiligen Geistes, und viele Lieddichter und Komponisten leisteten Beiträge zu dieser „Liederpredigt“. Im Gottesdienst der Herrnhuter wurde so recht von Herzen musiziert; insbesondere die Blechbläser beeindruckten und wurden Vorbild auch für „normale“ evangelische Gemeinden – Posaunenchöre sind noch heute in ganz Deutschland beliebt und weit verbreitet. 

In ihren „Singstunden“ entwickelten die Herrnhuter zudem einen kreativen Umgang mit überlieferten Gesängen: Oft wurden nicht Strophen einzelner Lieder fortlaufend gesungen, sondern thematisch zusammengehörige Verse; aneinandergefügt wurden dabei manchmal sogar einzelne Zeilen verschiedener Lieder. Doch nicht nur die versammelte Gemeinde musizierte; regelmäßig trafen sich auch ein Sängerchor oder aber das Collegium musicum. Sie haben natürlich auch erfolgreiche Werke von bekannten Komponisten aufgeführt, wie Homilius, Händel oder Haydn. 

Was also in der Brüdergemeine erklang, das konnte sich wahrlich hören lassen: „Die Herrnhuter haben Musices von allen Instrumenten unter sich, die theils für Virtuosen passieren können, und wird man in mancher Fürstlichen Capelle keine so solide Music antreffen“, schrieb ein Zeitgenosse. 

Diese musikalische Welt also bringt Peter Kopp, mittlerweile Rektor der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle (Saale), in diesem Jahr in die heimatlichen Stuben. Im Mittelpunkt des Programmes steht eine Christ-Nachts-Music für das Jahr 1765 von Christian Gregor (1723 bis 1801). Er war Organist, Prediger und Administrator; als solcher besuchte er auch Glaubensbrüder in Nordamerika. Schließlich wurde er zum Bischof ernannt. Die Musik in der Herrnhuter Brüdergemeine prägte er auch als Herausgeber eines Gesangbuches. Seine Christ-Nachts-Music zeigt sehr schön exemplarisch, wie damals in Herrnhut solche Musiken zusammengestellt worden sind – und wer beim Anhören bekannte Melodien entdeckt, der irrt sich keineswegs. 

Auch die anderen Beispiele, die Kopp ausgewählt hat, sind durchweg hörenswert. Er präsentiert mit dem Vocal Concert Dresden, dem Dresdner Instrumental-Concert und einer ganzen Reihe musikalischer Gäste festliche weihnachtliche Musik, Pauken und Trompeten inklusive, vollkommen abseits des vertrauten Repertoires. Was für eine Entdeckung! 


Mittwoch, 15. Dezember 2021

Little Christmas - St. Florianer Sängerknaben (Ars Produktion)


 Mit dem Chorherrenstift St. Florian feiern auch die St. Florianer Sängerknaben in diesem Jahr 950jähriges Bestehen. Zu den Aufgaben des renommierten Knabenchores, der zu seinen Mitgliedern einstmals unter anderem Anton Bruckner zählte, gehört noch immer die musikalische Gestaltung von Gottesdiensten im Stift St. Florian in Linz. Doch die Jungs singen ebenso zu den Salzburger Festspielen, sie übernehmen Knabenpartien an bedeutenden europäischen Opernhäusern und konzertieren weltweit. 

Zu ihrem Repertoire gehören aber auch Volksweisen, in oftmals coolen modernen Arrangements – und jede Menge Weihnachtslieder, wie diese CD beweist. Sie enthält Aufnahmen aus den Jahren 1998 bis 2021; der Chor wird zumeist vom langjährigen künstlerischen Leiter Franz Farnberger dirigiert, mitunter steht auch Chorleiter Markus Stumpner am Pult. Die Leistungen der Sängerknaben sind ganz erstaunlich; die Leistungen all der Pädagogen, die die Burschen betreuen, kann man gar nicht genug würdigen. 

Der Chorklang ist immer beeindruckend, aber insgesamt doch von Jahr zu Jahr recht unterschiedlich. Das hat seinen Grund. In St. Florian werden die Knaben offensichtlich als heranreifende Künstlerpersönlichkeiten wahrgenommen und individuell gefördert. So sind aus dem Chor im Laufe der Jahre einige exzellente Solisten hervorgegangen. Auch auf dieser CD ist das Solistenensemble mehrfach zu erleben. 

Und gemeinsam mit den Sängerknaben singen bei etlichen Stücken die Herren des Männerchores, den Franz Farnberger 1989 gegründet hat. Das war eine kluge Entscheidung, denn damit hat er einerseits den den St. Florianer Sängerknaben Zugang zu einem sehr viel umfangreicheren Repertoire ermöglicht. Zum anderen bietet der Männerchor aber auch eine Perspektive für Choristen nach dem Stimmbruch – und die Sängerknaben bekommen zugleich „große“ Vorbilder. 

Diese Strategie war sehr erfolgreich, wie die vorliegende CD zeigt. Der Zuhörer darf sich über ein abwechslungsreiches, mit viel Fingerspitzengefühl und wenig Puderzucker zusammengestelltes Programm freuen. Bei jedem einzelnen Lied ist die Begeisterung der jungen Sänger sowie die Freude am Singen zu spüren. Ein gelungenes Weihnachtsgeschenk zum Chorjubiläum. 

Dienstag, 7. Dezember 2021

Angelo Notari - Giovanni Battista Fontana (Audite)

 

Die Stadt Mantua ist wesentlich kleiner als Rom, Mailand , Neapel oder Florenz. Dennoch war sie zur Barockzeit weithin bekannt. Geprägt wurde die lombardische Stadt durch die Familie Gonzaga. Sie schätzte und förderte die Kunst – Musiker wie Claudio Monteverdi waren ein Grund dafür, dass sich der Ruhm Mantuas in ganz Europa verbreitete. Für herrschaftlichen Glanz sorgten auch Maler und Architekten. So vermag der herzogliche Palast noch heute zu beeindrucken. 

Auf dieser CD ist die zum Palazzo gehörende Kirche Santa Barbara zu erleben. Sie ist ein repräsentatives Gesamtkunstwerk, und mit ihrer exzellenten Akustik sowie einander gegenüber liegenden Emporen zudem ein idealer Raum für Musik. Obendrein verfügt sie über eine berühmte Orgel, erbaut 1565 von Graziadio Antegnati. Diese erklingt heute nach einer umfangreichen Restaurierung durch Giorgio Carli wieder in der ursprünglichen Disposition und Stimmung. Und sie hat einen wirklich hinreißend schönen, charaktervollen Klang. 

Diesen magischen Ort hat die Blockflötistin Julia Fritz zusammen mit dem Organisten Johannes Hämmerle ausgewählt, um die vorliegende CD einzuspielen. Zu hören sind Werke von Giovanni Battista Fontana und Angelo Notari, Zeitgenossen Monteverdis. 

Angelo Notari stammte wahrscheinlich aus Padua, und lebte dann etliche Jahre in Venedig, bevor er 1610 nach England ging. Er war Hofmusiker des Königs Charles I., und in der British Library befindet sich ein Notenband, den er wahrscheinlich geschrieben hat. Dieses Manuskript enthält neben eigenen Werken unter anderem Kompositionen von Claudio Monteverdi, nicht selten für eine konkrete Besetzung bearbeitet. Eine Auswahl davon erklingt auf dieser CD, zumeist in Ersteinspielung. 

Die Variationen und Liedbearbeitungen machen deutlich, dass die Kunst der Verzierung in jener Zeit in Italien ebenso beliebt war wie in England. Höchst lebendig wiedergegeben werden diese Stücke von der Sopranistin Magdalene Harer und Blockflötistin Julia Fritz gemeinsam mit der Harfenistin Reinhild Waldek und Johannes Hämmerle an der historischen Orgel. 

Das Programm komplettiert eine Auswahl von Sonaten Giovanni Battista Fontanas. Er stammte aus Brescia, und wirkte in Rom, Venedig und Padua, wo er vermutlich 1630 der Pest zum Opfer fiel. Julia Fritz interpretiert seine Violinsonaten auf verschiedenen Flöten. 

Für mich war diese CD eine Entdeckung. Die Musiker überzeugen vor allem auch durch Sensibilität. Die Flötistin, obzwar technisch jeglicher Herausforderung gewachsen, erliegt nicht der Versuchung, ihre Virtuosität zur Schau zu stellen. Im Dialog mit den Musikerkollegen gestaltet Julia Fritz große melodische Bögen, traumschöne kantable Linien, die sie variantenreich und feinfühlig mit Diminutionen versieht. 

Ein großes Lob geht an dieser Stelle zudem an das Ton-Team. Denn auch die Aufnahmequalität ist hervorragend. Und beim Anhören der CD spürt man den Raum der Basilika – es ist mit Worten schwer zu beschreiben, aber es ist ein Erlebnis, grandios! 


Montag, 8. November 2021

Triptychon - Iveta Apkalna (Berlin Classics)


Einmal mehr hat Iveta Apkalna ein faszinierendes Album veröffentlicht. Nach ihrer Ersteinspielung der Orgel der Elbphilharmonie Hamburg und einer Aufnahme mit Orgelsinfonien von Charles-Marie Widor und Louis Victor Vierne, aufgezeichnet an der Doppelorgel des National Kaohsiung Center for the Arts in Taiwan – im größten Kulturzentrum Asiens befindet sich auch die größte Orgel des Kontinents, erbaut von der Orgelbauwerkstatt Klais – kombiniert die Organistin nun auf Tryptichon Musik von Pēteris Vasks, Johann Sebastian Bach und Franz Liszt. 

Damit spannt sie einen Bogen über drei Jahrhunderte und drei Konfessionen. Im Tryptichon führt sie zugleich drei musikalische Welten zusammen, die sich erheblich unterscheiden. Im Zentrum steht dabei Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750), protestantisch, Barockmensch, brillanter Organist und langjähriger Thomaskantor; seine Werke signierte er soli deo gloria. Ausgewählt hat Apkalna für diese Einspielung Toccata, Adagio und Fuge in C-Dur BWV 564, die Triosonate BWV 527 und die Schübler-Choräle BWV 645-650. 

Bach zur Seite stellt sie den lettischen Komponisten Pēteris Vasks, Jahrgang 1946, Sohn eines Baptistenpfarrers, im Glauben und in seiner Heimat zutiefst verwurzelt. „Lettland ist Pēteris Vasks und Pēteris Vasks ist Lettland“, kommentiert Iveta Apkalna. „In seiner Musik höre ich die Landschaft Lettlands, den weiten Horizont unseres flachen Landes, die Wiesen und Wälder, Vogelstimmen und das Meer.“ Pēteris Vasks ist derzeit neben Arvo Pärt der meistgespielte Komponist des Baltikums. 

Die dritte CD widmet die Organistin Franz Liszt (1811 bis 1886), Wunderkind und reisender Klaviervirtuose, in ganz Europa gefeiert, verehrt und umschwärmt. Er war katholisch, und nach vielen erfolgreichen Jahren als Kapellmeister in Weimar wandte sich Liszt im Alter verstärkt dem Glauben zu. 1865 erhielt er die niederen Weihen. Er schrieb stets auch geistliche Musik, und elf Werke für Orgel. Aus seinem Schaffen wählte Iveta Apkalna die Choralbearbeitung Nun danket alle Gott, von Liszt einst komponiert für die Einweihung der Walcker-Orgel im Dom zu Riga, Fantasie und Fuge über den Choral Ad nos, ad salutarem undam sowie Präludium und Fuge über B-A-C-H

Das Instrument, an dem Iveta Apkalna all diese doch so unterschiedlichen Komponisten spielt, befindet sich in Neubrandenburg. Dort wurde die einstige Marienkirche, im April 1945 vom Feuer zerstört, als Konzertkirche rekonstruiert und schließlich 2001 wieder eröffnet. Der Unternehmer Günther Weber stiftete dann zwei Millionen Euro und ermöglichte so den Bau einer Orgel. 

Dieses Projekt wurde durch Iveta Apkalna begleitet, und die Organistin spielte schließlich im Juli 2017 auch das erste Konzert auf dem neuen Instrument, das von Johannes Klais Orgelbau Bonn und der Karl Schuke Berliner Orgelbauwerkstatt gemeinsam errichtet worden ist. Die Orgel umfasst insgesamt 2852 Pfeifen, in vier Manualen und Pedal. Die Konzertkirche bietet dazu eine phantastische Akustik - der perfekte Ort also für Orgelvirtuosen. 

„Die Orgel klingt unglaublich warm, samtig und rund“, berichtet Iveta Apkalna. „Und sie gibt dem Organisten durch ihre klar definierten 70 Register alle Möglichkeiten, ob solo oder mit Orchester, vom Frühbarock über romantische Literatur bis hin zur Moderne. Durch den umfassenden Prozess und die intensive, freundschaftliche Zusammenarbeit mit den beiden Orgelbauern Philipp Klais und Martin Schwarz sowie dem Stifter Günther Weber ist diese Orgel wirklich zu einer persönlichen Liebesgeschichte geworden.“ Auf dieser CD ist das Instrument nun in Ersteinspielung zu hören; die geschickte Zusammenstellung des Programmes gestattet es der Organistin, die vielen Klangmöglichkeiten der Orgel durch die sehr unterschiedlichen Register mit ihren verschiedenen Farben eindrucksvoll zu demonstrieren. 

 

Donnerstag, 4. November 2021

Cello Unlimited (Deutsche Grammophon)


 Was würdest du machen, wenn du kein Musiker wärst? Für Kian Soltani, berichtet das Beiheft zu diesem Album, ist die Antwort klar: „Irgendwas mit Film und Kino!“ Denn das fasziniert den Cellisten ebenso sehr wie sein Instrument. Schon während des Studiums entdeckte er die Filmmusik für sich, und erarbeitete erste Arrangements, mit seinem Cello und dem Smartphone. 

Nach seinem Einstieg in den Konzertbetrieb hatte Soltani dazu allerdings kaum noch Zeit dafür. Das änderte sich allerdings im Jahr 2020, als das Corona-Virus alles zum Stillstand brachte. Die Zwangspause durch den Wegfall der Konzerttätigkeit nutzte der Musiker, um sich wieder dem geliebten Film zuzuwenden: „Ich wollte Regisseur, Hauptdarsteller, Nebendarsteller, Komparse und teilweise sogar Komponist sein.“ 

Im Ergebnis entstand dieses Album – und Soltani zeigt sich allen Rollen gewachsen; vor allem aber erweist er sich als ein geschickter Arrangeur und als ein Klangvisionär. Denn der Cellist spielte jede einzelne Stimme selbst. Tontechnik macht es möglich. Und selbst da, wo man Percussion hört, ist es letztendlich doch – Cello-Orchester. 

Zu hören sind Melodien aus Fluch der Karibik, Der Herr der Ringe, Agonia, Die Bourne Identität, The Da Vinci Code und Das Parfüm, und dazu zwei Kompositionen von Kian Soltani. „Alles auf diesem Album wurde ausschließlich mit dem Cello gemacht. Sein Potenzial kennt keine Grenzen. Cello Unlimited ist eine Huldigung an dieses Instrument, aber auch an die Filmmusik. Denn ihr gelingt es, Brücken zu schlagen zwischen Menschen jedes Alters, besonders aber den jungen, und der Welt der Klassik“, unterstreicht Soltani. Mit sattem Sound und den abwechslungsreichen Filmmelodien ist dieses Album interessant auch für Hörer, die mit Beethovens Klaviertrios (noch) nichts anzufangen wissen. 


Montag, 1. November 2021

Abrahám: Ball at the Savoy (Naxos)

 

Paul Abrahám (1892 bis 1960) kombinierte in seinen Operetten österreichische Tradition, zeitgenössischen Schlager, und moderne Klänge. Für seine Werke wurde der ungarische Komponist, der 1930 nach Berlin kam, vom Publikum in ganz Europa gefeiert. Doch ihm war nur eine kurze Frist beschieden: Die Uraufführung der Operette Ball im Savoy, die im Dezember 1932 stattfand, war für manche das letzte große kulturelle Ereignis der Weimarer Republik. 

Ein Orchester, das durch eine Jazz-Band ergänzt wurde, eine kesse, mitunter sogar frivole Geschichte, und dazu Helden, wie sie sich die Regenbogenpresse nicht bunter ausdenken könnte – Ball im Savoy wirkt aus heutiger Perspektive wie ein Abgesang auf die Berliner Weltoffenheit in den „goldenen“ 20er Jahren. Dann kam das Jahr 1933. Und der Zauber war vorbei. 

In jüngster Zeit sind etliche Werke aus jener Zeit, die so abrupt zu Ende ging, wieder für die Bühne entdeckt worden. Das gilt auch für Ball im Savoy. Auf dieser Doppel-CD ist eine Aufführung der Folks Operetta unter Anthony Barrese in englischer Sprache aus dem Jahre 2014 dokumentiert. Man hat viel Freude beim Anhören. Und man fragt sich, wie zeitgenössische Musik denn heute klingen würde, wenn sich seinerzeit bürgerliche Kräfte hätten behaupten können. Welch ein Verlust! 


Witches, Queens & Heroines (Perfect Noise)

 

Wenn brave Mädchen in der Barockoper vorkommen, dann sind sie entweder Opfer, oder eine Trophäe – und deshalb haben Margriet Buchberger und das Ensemble Il Giratempo für diese CD nach den „wilden“ Frauen in den Opern von Georg Friedrich Händel Ausschau gehalten. 

Lange mussten sie nicht suchen, denn Händels Opernheldinnen sind meistens Charaktere – von der Königstochter Medea über die Königin Cleopatra bis hin zur Fee Morgana oder Zauberin Alcina, die alle Männer, die auf ihrer Insel eintreffen, in Schweine verwandelt. 

Bevor diese Damen siegreich, oder zumindest geläutert, von der Bühne abtreten, bevor sie endgültig entfliehen oder gar untergehen, singen sie grandiose Arien. Denn Händel standen in seiner Company mit Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni gleich zwei erstklassige Sängerinnen zur Verfügung, die er mit attraktiven Rollen und hochvirtuosen Partien bei Laune halten musste. 

Virtuos singt auch Margriet Buchberger. Die Sopranistin wird vom Ensemble Il Giratempo, unter Leitung von Konzertmeisterin Zsuzanna Czentnár, schwungvoll begleitet. Leider achtet die Sängerin mehr auf das Dekorative als auf das Dramatische in der Musik. So klingen auf diesem Album alle Rollen irgendwie ähnlich. Wer eine Hexe ist, und wer eine Königin, das möchte man aber hören. Eigentlich kann ein Sänger auch deutlich machen, warum gerade an dieser Stelle jetzt genau diese atemberaubende Koloratur erklingt. In diesem Falle bleibt es ein Rätsel. Schade. 


Sonntag, 31. Oktober 2021

Amazone (Erato)

 

„Dans l’enfance, mes héroïnes volaient au-dessus des toits, dévalaient de vertes prairies en chantant, rêvaient sous des ciels pleins d’étoiles, s’élançaient à cheval avec une liberté et un courage qui me fascinent encore“, erinnert sich Lea Desandre. Kein Wunder, dass die Mezzo-Sopranistin für ihr Solo-Debüt bei Erato auf den Spuren der Amazonen wandelt. 

Das Programm, das sie auf diesem Album vorstellt, bietet eine Fülle von Entdeckungen und somit auch zahlreiche Weltersteinspielungen. Über die Qualität dieser Funde kann man nur staunen. Das mythische Volk, in dem die Kriegerinnen alle Macht haben, hat offensichtlich die Phantasie von vielen Librettisten und erstklassigen Opernkomponisten bewegt. 

Frauen, die ebenso selbstverständlich ihr Land regieren, wie sie in die Schlacht ziehen, und Männer, die nichts zu sagen haben – verkehrte Welt, ein reizvolles Sujet also, zumal für die Barockoper, die ohnehin gern mit komplexen Figuren und unklaren Situationen spielt. Lea Desandre zeigt, wie Komponisten die Amazonen mit musikalischen Mitteln darstellten. Die ausgewählten Arien sind sowohl technisch als auch darstellerisch anspruchsvoll. 

Die junge Sängerin bewältigt diese Herausforderungen versiert; ob virtuoser Koloraturgesang oder ausdrucksstarke Kantilene, jeder Ton überzeugt. Das gilt erst recht für jene Stücke, wo Desandre zugunsten des Szenischen auf Schönklang verzichtet und die Stimme als Mittel zur Charakterisierung der jeweiligen Figur einsetzt. 

Quasi als Bonus erscheinen auf dem Album zudem drei Stars der Barockszene als Ehrengäste: Cecilia Bartoli und Véronique Gens singen jeweils ein Duett mit Lea Desandre, und William Christie spielt auf dem Cembalo ein Werk von Louis Couperin. 

Das ist freundlich, aber nötig wäre dies nicht gewesen. Denn Desandre singt wirklich faszinierend, und auch das Ensemble Jupiter, das sie unter Leitung von Thomas Dunford begleitet, hat im Verlaufe des Programmes mehrfach Gelegenheit, Klasse zu demonstrieren. So wird die Folge der Arien immer wieder durch Sinfonien aus den Opern und andere Instrumentalstücke ergänzt. Inspirierend. 


"Denn Silbermann wird aus dem Werck erkennt" (Rondeau)


 Aus dem sächsischen Kleinbobritzsch stammte Gottfried Silbermann (1683 bis 1753). Das Orgelbauerhandwerk erlernte er im Elsass bei seinem Bruder Andreas. Doch weil er diesem nicht Konkurrenz machen wollte, kehrte er schließlich als Meister nach Sachsen zurück. In Frauenstein, wo er aufgewachsen war, baute er 1711 die erste Orgel in der Heimat - „weil Frauenstein mein Vaterland, Gott zu Ehren und der Kirche zu Liebe“, so schrieb Silbermann, und dies, ohne ein Honorar dafür einzufordern. 

Wenn das zutrifft, so war es dennoch eine kluge Investition. Denn das Instrument gefiel. Der junge Orgelbauer richtete seine Werkstatt im sächsischen Freiberg ein. Die große Orgel im dortigen Dom St. Marien wurde sein zweites Projekt. Und viele weitere Aufträge folgten; etwa 50 Orgeln errichtete der Meister mit seinen Gesellen. In Sachsen sind 31 davon erhalten geblieben. 

Schon eine Weihegedicht für die Crostauer Orgel verweist darauf, wie einzigartig diese Instrumente sind: „Silbermann wird aus dem Werck erkennt“, meinte damals der Dichter. Denn die Orgeln, die er gebaut hat, haben einen unverwechselbaren Klang; Gottfried Silbermann zählt ohne Zweifel zu den bedeutendsten Orgelbauern überhaupt. 

Auf dieser CD präsentiert Lucas Pohle, Kantor an der Kirche in Crostau, „sein“ Hausinstrument, dessen Restaurierung durch die Hermann Eule Orgelbau GmbH 2016 er initiiert und begleitet hat. Zu hören sind Präludium und Fuge G-Dur BWV 541 von Johann Sebastian Bach, zwei der Schübler-Choräle (BWV 645 und 647) sowie die Sonate e-Moll BWV 528 – was dem Organisten Gelegenheit gibt, die Stärken des Instrumentes und die allermeisten Register ins beste Licht zu rücken. 

Drei Choralbearbeitungen sowie die Fantasie in f-Moll für Oboe und Orgel des Bach-Schülers Johann Ludwig Krebs machen deutlich, wie exzellent der Klang beider Instrumente harmoniert. Hier musiziert Pohle gemeinsam mit der Dresdner Oboistin Luise Haugk. Einen Glanzpunkt zum Schluss setzt die Solo-Kantate Geist und Seele wird verwirret BWV 35 – eine der wenigen Kantaten Bachs mit obligater Orgelstimme. Als Partner dafür hat Pohle die Altistin Britta Schwarz sowie das renommierte Dresdner Barockorchester gewählt. Ein schönes Programm, und ein gelungenes Orgelporträt. 

Freitag, 15. Oktober 2021

Bottesini: Revolution of Bass (Berlin Classics)

 

 „So eine Riesenkiste, die wirklich wunderbare Töne hervorbringen kann. Faszinierend!“, schildert Dominik Wagner seine erste Begegnung mit dem Kontrabass. Damals war er zehn Jahre alt, und spielte eigentlich Cello – doch den einstigen Wiener Sängerknaben hat die Faszination Kontrabass nicht wieder losgelassen. Den einzigartigen Klang dieses Instrumentes zu ergründen, den Ton differenziert gestalten zu können, daran arbeitet er seitdem. Und obwohl er noch immer studiert, konnte er bereits zahlreiche Preise gewinnen, unter anderem beim ARD Musikwettbewerb und dem Fanny Mendelssohn Förderpreis. Wagner ist zudem Echo Klassik Preisträger. 

Auch auf dieser CD frönt er seiner Leidenschaft: Die Kompositionen von Giovanni Bottesini – über dessen Lebensweg in diesem Blog bereits an anderer Stelle berichtet worden ist – sind Belcanto für Kontrabass. Dazu stellen sie höchste Anforderungen an die Spieltechnik; nicht umsonst gilt Bottesini, dessen 200. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern können, als „Paganini des Kontrabasses“. 

Wie schwierig es ist, aus diesen Noten tatsächlich Musik werden zu lassen, das allerdings wird der Hörer nicht merken, wenn er diese CD genießt. Das Programm beginnt mit dem Concerto Nr. 1 in fis-Moll, das Wagner gemeinsam mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn unter Leitung von Emmanuel Tjeknavorian interpretiert. Es ist ein ebenso virtuoses wie effektvolles Konzert, das man gern auch auf dem Konzertpodium öfter erleben würde. 

Zu hören sind weiter das Gran Duo Concertante für Violine, Kontrabass und Orchester sowie das Gran Duo Concertante über Themen aus Bellinis Oper I Puritani für Violoncello, Kontrabass und Orchester. Als Solisten musizieren hier an der Seite von Dominik Wagner Benjamin Schmid, Violine, und Jeremias Fliedl, Violoncello. 

Ebenso brillant gesetzt sind die Bonustitel, mit Can Çakmur am Klavier: Une bouche aimée und Tutto che il mondo serra, mit Sopranistin Ursula Langmayr, sowie das Allegretto Capriccio und die Rêverie für Kontrabass und Klavier. 

Somit zeigt diese CD, wie ein Kaleidoskop, verschiedenste Facetten des Werkes des Jubilars. Und Wagner galoppiert mit seinem Kontrabass so leichtfüßig durch Bottesinis Virtuosenstücke, dass man nur staunen kann. Alles wirkt so einfach und so natürlich, und hat dabei so viel Ausdruck und Seele – großes Kompliment an die Musiker, sie spielen wirklich großartig; Dominik Wagner stehen alle Wege offen für eine Zukunft als Solist. 


Montag, 4. Oktober 2021

Bach: Harpsichord Concertos transcribed for Mandolin (Dynamic)


 „Risulta facile pensare come qualunque musicista desideri studiare ed eseguire la musica di Johann Sebastian Bach“, schreibt Davide Ferella im Beiheft zu dieser CD. Doch wer Mandoline spielt, der hat nicht das Glück, einfach Originalrepertoire aus dem Notenschrank nehmen zu können. 

Aus diesem Grunde hat Ferella geeignete Werke herausgesucht und transkribiert; seine Wahl fiel dabei auf die Cembalokonzerte des verehrten Meisters: „Il lavoro di transcrizione e rielaborazione è basato sugli originali per clavicembalo perché molto più adatti all’esecuzione con il mandolino. Basti pensare all’emissione sonora che in entrambi gli strumenti avviene mediante il pizzico della penna; ciò fa sì che la scrittura risulti particolarmente confacente allo strumento esaltandone peculiarità espressive oltre che tecniche.“ 

Die Cembalokonzerte, von Davide Ferella und den Musikern des Ensembles Profili Barocchi virtuos und mit Spielfreude vorgetragen, sind im Klang dem Original tatsächlich verblüffend ähnlich. Zu hören sind die Concerti BWV 1052 und 1055. Das Concerto BWV 1059 hat Ferella nach Kantatensinfonien aus Geist und Seele sind verwirret BWV rekonstruiert, wobei er den langsamen Satz aus dem Concerto BWV 1056 übernommen hat. 

Besonderes Highlight der Einspielung: Das Concerto 1060, für zwei Cembali; ursprünglich waren die Solo-Instrumente wahrscheinlich Oboe und Violine. Hier musiziert Ferella gemeinsam mit Dorina Frati. Rundum gelungen! Diese CD erfreut nicht nur Mandolinen-Enthusiasten. 


Sonntag, 3. Oktober 2021

Grand Tour (Genuin)


 Auf der sogenannten Kavalierstour reisten einstmals Sprösslinge aus gutem Hause quer durch Europa. Die angehenden Regenten lernten dabei fremde Sprachen und fremde Sitten kennen; sie erlebten allerlei Abenteuer und erhielten weltmännischen Schliff. 

Doch nicht nur den Adel, auch Musiker zog es in die Ferne: Von großen Meistern lernen, Vorbilder aus anderen Musikkulturen aufmerksam studieren, und daraus Inspiration und Anregung für das eigene Schaffen erfahren – insbesondere Italien war seinerzeit ein wichtiges Reiseziel, und Frankreich hatte ebenfalls viel zu bieten. 

Das Cicerone Ensemble nimmt uns mit auf eine musikalische Reise auf den Spuren von Komponisten, die ein selbst durch Europa gereist sind. Die drei jungen Musiker erweisen sich als ebenso kenntnisreiche wie leidenschaftliche Reiseführer. Thomas Wormitt, Traversflöte, Adrian Cygan, Violoncello, und Andreas Gilger, Cembalo, kombinieren musikwissenschaftliche Erkenntnisse und technische Exzellenz mit überraschenden Repertoire-Entdeckungen. Auf dieser CD präsentieren sie ein abwechslungsreiches Programm, das auch beim Zuhörer die Reiselust weckt. Mehr davon! 

Sonntag, 19. September 2021

Bach: Dritter Theil der Clavier Übung (MDG)

 

Die große Orgel in der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen gehörte einst zu den beeindruckenden Erbstücken des hanseatischen Orgelbarock. Ein Instrument gab es dort wohl bereits um 1400; über Jahrhunderte haben Organisten wie David und Heinrich Scheidemann oder Jan Adam Reincken immer wieder Umbauten und Erweiterungen veranlasst. Bereits Hans Scherer d.J., der 1605/06 ein neues Gehäuse mit Hamburger Prospekt anfertigte, hat Pfeifenbestände seiner Vorgänger übernommen und erweitert. Ab 1631 ergänzte Gottfried Fritzsche ein Brustwerk und jeweils ein Register im Pedal und im Hauptwerk; dessen Schüler Friedrich Stellwagen zeichnete in den Jahren 1644 bis 1647 für einen Umbau verantwortlich, und unter Reincken fügte Friedrich Besser ab 1671 unter anderem die Pedalregister Groß-Posaune und Principal 32‘ hinzu. 

An diesem Instrument hat Johann Sebastian Bach 1720 musiziert, als er sich um die Organistenstelle an St. Jacobi bewarb. Er zeigte sich begeistert von der „Schönheit und Verschiedenheit des Klanges“ der 16 (!) Zungenregister „dieses in allen Stücken vortrefflichen Werkes“, und er spielte mehr als zwei Stunden. Auch die Zuhörer waren sehr beeindruckt: „Ich dachte, diese Kunst wäre ausgestorben, ich sehe aber, dass sie in Ihnen noch lebet“, soll der betagte und von Bach verehrte Reincken nach dem Probespiel gesagt haben. 

Dennoch bewarb sich der Thüringer damals vergebens. Die Stelle erhielt ein Kollege, der bereit war, dafür eine Spende von 4.000 Mark – seinerzeit eine immense Summe – aufzuwenden. Bach wurde später Thomaskantor, und noch später schrieb er die Orgelchoräle, die auf dieser CD zu hören sind. Doch noch einmal zurück zur Geschichte der Orgel in St. Katharinen. Denn dieses Instrument, mittlerweile eine Großorgel, wurde auch in den darauffolgenden Jahrhunderten immer wieder verändert. 1943 veranlasste schließlich der Organist Friedrich Brinkmann, dass 17 Register demontiert und im Kellergewölbe von St. Michaelis eingelagert wurden. 

Bei einem Luftangriff wenig später, am 30. Juli 1943, wurden Kirche und Orgel zerstört. Nach dem Wiederaufbau errichtete die Firma Kemper in den Jahren 1960 bis 62 eine neue Orgel. Sie wurde aber zunehmend als unbefriedigend empfunden, und schließlich 2007 an eine polnische Gemeinde verkauft – mit Ausnahme jener Pfeifen, die einst Bestandteil der historischen Orgel waren. 

Sie wurden zum Schlüsselmaterial für einen rekonstruktiven Neubau, der auf der Grundlage aller Informationen erfolgte, die man über das Instrument im Jahre 1720 hatte. Die „Orgel für Bach“ wurde in den Jahren 2007 bis 2013 durch die Orgelbaufirma Flentrop (Zaandam/Niederlande) errichtet. Der Initiator dieses Projektes, Andreas Fischer, Kantor und Organist an St. Katharinen, hat nun Bachs exemplarischen Zyklus von Orgelchorälen an diesem Instrument eingespielt: Der berühmte Dritte Theil der Clavier Übung – 21 Choralvorspiele, quasi eingerahmt zwischen einem großen Präludium und einer ebenso gewichtigen Tripelfuge. In dieser Kollektion zeigt Bach an repräsentativen Beispielen die vielfältigen Möglichkeiten der Choralbearbeitung. 

Fischers Interpretation ist exzellent, und die Aufnahme macht zudem deutlich, dass die Flentrop-Orgel mit ihren vielfältigen Klangfarben und der norddeutschen Wucht ihrer Pedalregister bestens zu Bachs Musik passt. Zu loben ist außerdem, dass die Aufnahme einen ausgezeichneten akustischen Eindruck vom Kirchenraum vermittelt. Eine grandiose Einspielung, vom ersten bis zum letzten Ton rundum gelungen. Unbedingte Empfehlung! 


Dienstag, 14. September 2021

Bach: The Well-Tempered Clavier I (Avi-Music)

 

„Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib“, so vermerkte Johann Sebastian Bach 1722 auf seinem Manuskript. Inspiriert durch die Ariadne Musica von Johann Caspar Ferdinand Fischer (1662 bis 1746), der sich auf 20 Tonarten beschränkte, hatte der Musiker, weiland Hofkapellmeister in Köthen, 24 Präludien und Fugen komponiert – in jeder Tonart ein Paar, womit er zugleich zeigte, dass sich dies auf einem Tasteninstrument („Clavier“) in wohltemperierter Stimmung bestens spielen ließ. 

Das Cembalo, das Luca Guglielmi für diese Aufnahme ausgewählt hat, ist ein zeitgenössisches Original aus der Werkstatt von Christian Zell (Hamburg, 1737). Es befindet sich im Museu de la Musica in Barcelona, wo auch die Aufnahme entstanden ist, und es klingt eher voll und dunkel. Der italienische Musiker, der mittlerweile als Professor an der Musikhochschule in Barcelona lehrt, spielt Bachs Musik in geradezu exemplarischer Weise; seine Anmerkungen zu den einzelnen Stücken im Beiheft sind prägnant und erhellend. 

Und genau so ist auch sein Cembalo-Spiel. Virtuosität ist hier kein Selbstzweck; es gibt keinen romantischen Überschwang, keine Eitelkeit, keine leeren Passagen. Bei aller Liebe zum Detail behält Guglielmi immer den gesamten Zyklus im Blick. So wirkt die Einspielung als Einheit, ebenso wie jedes Stück für sich überzeugt. Der Interpret lockt den Zuhörer hinein in Bachs Klang-Kosmos. Man wird demütig vor dieser großen Kunst. Vom ersten bis zum letzten Ton ein Mirakel, unbedingt anhören! 


Montag, 13. September 2021

Bach: Piano Transkriptions (Naxos)


 2020, auf dem Höhepunkt der Pandemie, saßen weltweit Künstler ebenso wie ihr Publikum zu Hause. Konzerte wurden abgesagt oder verschoben. Der lang andauernde Lockdown sorgte für eine Zwangspause, die etliche Musiker kreativ nutzten. Viele von ihnen erschlossen sich nicht nur neues Repertoire; sie suchten zudem nach einem alternativen Zugang zum Publikum. So gab auch der Pianist Kotaro Fukuma Online-Konzerte. 

Der Japaner, der zeitweise in Berlin lebt, fragte außerdem über Social Media seine Follower, welche Klaviermusik sie am liebsten hören. Die Antwort war: Werke von Johann Sebastian Bach. So entstand dieses Album, denn Bach gehört ohnehin zu den Lieblingskomponisten von Kotaro Fukuma. Der Musiker beschränkt sich dabei allerdings nicht auf die Klavierstücke; sein besonderes Interesse gilt den Klaviertranskriptionen. 

Sein Programm ist eine Zusammenstellung von historischen Bearbeitungen. Unter den Arrangeuren sind etliche berühmte Klaviervirtuosen, von Franz Liszt über Ferruccio Busoni bis hin zu Johannes Brahms und Wilhelm Kempf. Fukuma selbst hat eine Transkription der Erbarme Dich-Arie aus der Matthäus-Passion BWV 244 geschrieben, die sich in dieser illustren Reihe nicht verstecken muss. 

Am Bechstein überzeugt Kotaro Fukuma durch eine exquisite Technik und seinen ebenso einfühlsamen wie brillanten Vortrag. Bei seinem Spiel sind ihm aber nicht nur Klangfarben und Ausdruck wichtig, sondern auch die ganz besonderen spirituellen Qualitäten dieser Musik. 


Sonntag, 12. September 2021

Mephistopheles and other bad guys (Pentatone)

 

Wenn es darum geht, Finsterlinge auf die Opernbühne zu bringen, dann entscheiden sich Komponisten oftmals für die tiefe Stimmlage. Ob der Landsknecht Caspar in Carl Maria von Webers Freischütz, ob Stadtrat Lindorf und Dapertutto aus Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach – eine Oper, in der der Teufel durch jeden Akt geistert – oder Alberich aus Richard Wagners Rheingold – auf dieser CD präsentiert Kevin Short seine ganz persönliche Auswahl an fiesen Charakteren. 

Begleitet vom Orchestre Philharmonique de Marseille unter der Leitung von Lawrence Foster, singt der Bassbariton Arien aus gut 200 Jahren Musikgeschichte, von Mozart über Beethoven, Verdi und Meyerbeer bis hin zu Stravinsky und Getty. In den Mittelpunkt stellt Short die Figur des Mepistopheles, in all ihren diversen Opernfacetten von Gounod bis Berlioz und von Boito bis Mussorgsky. 

Kevin Short, im Charakterfach herausragend, hat eine faszinierende Stimme, wandelbar und farbenreich. Vom strahlenden, warmen Baritonglanz bis hin zum unheilvollen tiefen Grollen steht dem Amerikaner ein unglaublich breites Spektrum an stimmlichem Ausdruck zur Verfügung. Phänomenal – unbedingt anhören, lohnt sich! 


Donnerstag, 9. September 2021

Segreti Accenti (Quartz)


 Seit vielen Jahren beschäftigt sich das Duo Cantar alla Viola mit einer Aufführungspraxis, die zur Zeit der Renaissance üblich war: Eine Singstimme, kombiniert mit einem Streichinstrument, dessen Klang sich perfekt mit dem der menschlichen Stimme mischt. 

Fernando Marín spielt verschiedene historische Fideln: Zu hören sind eine Viella nach einem aragonesischen Vorbild aus dem Jahre 1361, eine Vihuela de arco nach einem mitteleuropäischen Modell aus dem Jahre 1541, der Nachbau einer spanischen Vihuela de arco um 1550 sowie eine Viola da gamba nach einem englischen Vorbild vom Ende des 16. Jahrhunderts. Sämtliche Streichinstrumente hat Javier Martinéz angefertigt; die Saiten stammen von Joan Xandrich. 

Die Musiker erwecken damit eine Musizierweise wieder zum Leben, die heute eigentlich nur noch auf Bildern aufzufinden ist. Doch die Lieder und Instrumentalstücke von Renaissance-Komponisten wie Luca Marenzio, Luzzascho Luzzaschi, oder Magister Piero sind alle Mühen wert. Und man lauscht mit Vergnügen dem charaktervollen Sopran von Nadine Balbeisi, im Dialog mit den historischen Streichinstrumenten. Wunderschön! 


Freundliches Glücke, süßeste Liebe (Resonando)

 

Weltliche Lieder und Duette aus dem 17. Jahrhundert tragen Nuria Rial und Jan Börner auf dieser CD vor. Das Programm ist erlesen, abwechslungsreich und dramaturgisch sorgsam durchdacht. Natürlich geht es um die Liebe, und wie in einer Oper folgen auf die einführende Sinfonia bald allerlei Zweifel, Verwicklungen und Missverständnisse – was sich bis zur Verzweiflung steigern und dann zum guten Schluss in eitel Wohlgefallen auflösen lässt. 

Die Gesangsstücke stammen, mit einer Ausnahme, von Philipp Heinrich Erlebach (1657 bis 1714), Hofkapellmeister im thüringischen Rudolstadt, und Adam Krieger (1634 bis 1666), Hoforganist in Dresden. Die beiden Barockkomponisten verstanden sich bestens darauf, mit einer scheinbar schlichten Melodie ein Universum an Gefühlen zu erfassen. 

Sopranistin Nuria Rial und Altus Jan Börner präsentieren diese kleinen musikalischen Kabinettstückchen aufs Schönste, unterstützt durch den Geigenconsort Il Profondo sowie Josías Rodríguez Gándara, Erzlaute und Johannes Keller, Cembalo. Dieser musiziert auf einem Instrument von Matthias Griewisch, nach einem Original aus der berühmten Ruckers-Werkstatt, das nicht nachträglich umgebaut worden ist. Und das macht sich beim Klang recht deutlich bemerkbar. 

So erweist sich diese CD gleich doppelt als Entdeckung, denn die Musiker heben eben nicht nur Repertoireschätze. Hochinteressant – wer sich dafür aber nicht interessiert, dem bietet diese Einspielung einfach rundum Hörvergnügen. Bravi! 



Mittwoch, 8. September 2021

Leclair: Trio Sonatas Op. 4 (Audax)

 

Auf dieser CD wagt sich das Ensemble Diderot an ein Spitzenwerk der französischen Kammermusik des 18. Jahrhunderts: Johannes Pramsohler und Roldán Bernabé, Violine, Gulrim Choï, Violoncello, und Philippe Grisvard, Cembalo, spielen die Triosonaten op. 4 von Jean-Marie Leclair (1697 bis 1764). 

Hört man sich die ersten Aufnahmen des Ensembles an, und vergleicht sie mit dieser, so wird deutlich, welch enorme Entwicklung die Musiker genommen haben. 

Die Beschäftigung mit der Geschichte der Triosonate, und mit wichtigen Kompositionen dieses Genres, trägt hier nun wunderbare Früchte. Das Ensemble Diderot gestaltet Leclairs Sonaten als perfekte Mixtur aus italienischen und französischen Stilelementen – mitunter vermeint man fast, Corelli zu hören; doch dann sind da diese Verzierungen, zu hundert Prozent französisch, und diese alles überstrahlende Eleganz. Hinreißend! 


Montag, 6. September 2021

Bach: Goldberg Variations (MDG)


 Das Berlage Saxophone Quartet spielt Bachs Goldberg-Variationen. Für seine Kollegen vom Berlage Saxophone Quartet hat Peter Vigh Bachs grandioses Werk vollkommen neu instrumentiert, und dabei höchst interessante Klangfarben zum Vorschein gebracht. 

Anders als etwa ein Streichquartett, dessen Besetzung quasi unveränderlich feststeht, nutzen die Saxophonisten jeweils unterschiedliche Instrumente – zehn sind es insgesamt. Lars Niederstrasser, Peter Vigh, Juani Palop und Eva van Grinsven haben sich für dieses Aufnahmeprojekt zudem unter Anleitung durch den Barockspezialisten Walter van Hauwe intensiv mit der historischen Musizierpraxis auseinandergesetzt. 

Im Ergebnis haben die Saxophonisten einen sehr individuellen Zugang zu Bachs Komposition gefunden: Fast entrückt wirkt die Aria, mit der der Zyklus beginnt. Jede Variatio erhält dann einen ganz eigenen Charakter. Das Berlage Saxophone Quartet überrascht mit einer großen Klarheit. Es ist, als hätte man die Goldberg-Variationen noch nie gehört; man sitzt förmlich auf der Stuhlkante, bis dann die Aria abschließend erneut erklingt. Unbedingt anhören, höchst spannend! 


Sonntag, 5. September 2021

The Trumpets of Matthias Höfs (Berlin Classics)

 


Den Trompeter Matthias Höfs zu würdigen, das heißt Eulen nach Athen tragen. Er hat sich bereits als Steppke für das Instrument entschieden, und dann mit Fleiß und mit Talent seinen Lebenstraum verwirklicht: Nach dem Studium wurde Höfs, gerade einmal 18 Jahre alt, Solotrompeter des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg. Er musiziert bei German Brass, arrangiert auch selbst, und er inspiriert Komponisten, Instrumentenbauer und Musikerkollegen. Er setzt sich für die Trompete ein, und er gibt seine Leidenschaft für das Instrument auch gern an den musikalischen Nachwuchs weiter. So unterrichtet Höfs mit großem Engagement als Professor an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. 

Mit diesem Album gibt Höfs nun Einblick in seine ganz persönliche Trompeten-Kollektion. Die ausgewählten Stücke führen von der Barocktrompete in Händels The Trumpet Shall Sound – aus dem Messias – über Haydns Trompetenkonzert und den bekannten Triumphmarsch aus Verdis Oper Aida bis hin zu Wolf Kerscheks Poem for Matthias for Flügelhorn, Jazz-Trio and String Quartet

Im Laufe seiner Karriere hat Matthias Höfs nicht nur zahlreiche Trompeten besessen, sondern in Zusammenarbeit mit den Bremer Brüdern Thein auch neue Modelle mitentwickelt. Wer darüber mehr erfahren möchte, muss allerdings auf Höfs‘ Webseite nachschauen; im Beiheft steht zu den Instrumenten fast nichts. 


Stille Klagen (Passacaille)

 

Buße, Reue und Erlösung stehen im Zentrum der vorliegenden CD. Für diese Aufnahme haben Griet de Geyter und das Ensemble Il Gardellino drei Kantaten aus der Barockzeit ausgewählt: Dieterich Buxtehude vertonte für O dulcis Jesu BuxWV 83 einen Text, der dem Zisterzienser Bernhard von Clairvaux zugeschrieben wird. Ein Bußpsalm ist die Textgrundlage für Georg Philipp Telemanns Ach Herr, strafe mich nicht TWV 7:2. Johann Sebastian Bachs Kantate Mein Herze schwimmt im Blut BWV 199 wiederum basiert auf dem biblischen Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner. 

Es ist durchaus möglich, dass die alten Texte einen Menschen heutzutage zunächst wenig ansprechen; zu fremd erscheint ihr Ausdruck, überwältigend oft ihre Metaphernwelt. Desto beredter kann allerdings die Musik wirken, die in ihrer emotionalen Kraft die Botschaft des Textes quasi übersetzt. Die Musiker von Il Gardellino sowie Organist Leo van Doeselaar bringen den schlanken, klaren Sopran von Griet de Geyter exquisit zur Geltung. Besonders schön erklingt die Gesangsstimme dabei im Duett mit der Oboe von Marcel Ponseele (Telemann) bzw. Lidewei De Sterck (Bach). Zum Programm gehören zudem eine Buxtehude-Sonate und zwei Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, ebenfalls hinreißend musiziert. Bravi! 


Melodies - 17 Original Horn Themes (Tyxart)

 

Eine Kollektion traumschöner Horn-Melodien präsentieren Hervé Joulain und seine Klavierpartnerin Ariane Jacob auf dieser CD. 

Der Hornist berückt dabei mit seinem samtweichen, wandelbaren und faszinierend farbenreichen Ton. Zu hören sind bekannte und weniger populäre Horn-Soli, unter anderem von Richard Strauss und seinem Vater, dem Hornisten Franz Strauss, Luigi Cherubini, Leonard Bernstein, Jean-Michel Damase, Reinhold Glière, Alexander Glasunow, Vincent d’Indy oder Maurice Ravel. 

Mitunter staunt man beim Anhören, doch ein Blick in das höchst informative Beiheft macht schnell deutlich, dass es sich tatsächlich um 17 originale Horn-Themen handelt. Die perfekte Musik für einen sonnigen Spätsommer-Nachmittag, zu genießen mit einem Seitenblick auf die ersten gilbenden Blätter. 

Mittwoch, 1. September 2021

Haydn: Baryton Trios (Naxos)

 


Joseph Haydn (1732 bis 1809) war viele Jahre lang am Hof der Familie Esterházy tätig. Seine Dienstherren waren sehr vermögend, und sie schätzten die Musik. So liebte Fürst Nikolaus den Klang des Barytons, und er spielte das Instrument auch selbst. 

Die Viola di bordone ähnelt einer Gambe und wird auch so gespielt; allerdings hat sie zu den sechs normalen (Darm-)Saiten zusätzlich noch Resonanzsaiten aus Metall, die auch gezupft werden können. So entsteht die typische Klangfärbung. Das aufwendige Instrument war immer eine Rarität; gespielt wurde es vor allem von der Aristokratie, und von einigen wenigen professionellen Musikern. 

Haydn schrieb mehr als 170 Kompositionen für Baryton, darunter über 120 Trios für Baryton, Viola und Violoncello. Eine kleine Auswahl dieser Werke präsentiert das Valencia Baryton Project auf dieser CD. Sehr elegante Musik, höchst hörenswert. 


Dienstag, 31. August 2021

nothing but tuba (Genuin)


Tuba? Ist das nicht das ganz tiefe Blasinstrument, verantwortlich für das Fundament des Blechbläserklanges? So ist es – und auf dieser CD zeigen gleich drei Tubisten, wie wunderschön man damit musizieren kann. 

Constantin Hartwig, Fabian Neckermann und Steffen Schmid präsentieren Kompositionen aus 500 Jahren Musikgeschichte. Allerdings ist die Tuba ein ziemlich junges Instrument; die ersten Exemplare erklangen um 1835. Repertoire für Tuba-Trio ist ohnehin rar, und deshalb haben sich die drei Musiker passende Arrangements meist selbst geschrieben. 

Zu hören sind jedoch auch Originalkompositionen von Nico Samitz, die dieser eigens für das Tuba-Trio 21meter60 geschrieben hat. Ansonsten reicht das Programm von Monteverdis Canzonetten bis hin zur Filmmusik von Ennio Morricone. Was für ein Sound! Bei einigen Stücken komplettiert Schlagzeuger Severin Stitzenberger die Besetzung. 

Im Beiheft berichten die Tubisten, warum sie als Trio unterwegs sind: „Das Ganze hat ehrlich gesagt als verrückte Idee bei einem gemeinsamen Bier angefangen.“ Denn sie alle haben 2016 als Solisten am Deutschen Musikwettbewerb teilgenommen. Als Trio musizieren sie nun bereits fünf Jahre gemeinsam – und zu diesem Jubiläum kann man dem einzigartigen Bläserensemble nur gratulieren: Auf die nächsten fünf Jahre!