Eine Aufnahme aus dem Jahre 1966, die aber überraschend frisch und lebendig daher kommt.
Das liegt zum einen ganz sicher am Dirigenten Václav Neumann, der, geprägt durch die enge Zusammen-arbeit mit Walter Felsenstein, sehr genau auf die Partitur schaut, und keine Manierismen duldet. Er leitete ein Ensemble von Weltrang: Es spielt das Gewandhausorchester Leipzig, und die Chöre singt der Rundfunkchor Leipzig. Sie werden von Neumann sehr schlank und durchhörbar geführt.
Das liegt zu anderen aber auch an den brillanten Sängerinnen. Die Altistin Grace Bumbry singt einen ergreifenden Orfeo, Anneliese Rothenberger eine von Trauer und Leid zerissene Euridice, und Ruth-Margret Pütz dem Amor. Keine Originalinstrumente, keine historische Aufführungspraxis, keine Barockstimmen - aber dennoch eine stimmige, stimmungsvolle Aufnahme, die man noch heute gut anhören kann.
Donnerstag, 31. Dezember 2009
Strauss: Walzer, Polkas - Edition Ferenc Fricsay Vol. XII (Audite)
Raritäten aus fernen Mono-Tagen, solide remastert und so hinübergerettet in unsere Hightech-Zeit. Diese Aufnahmen von Strauss' Walzern und Polkas entstanden im Juni 1950 sowie im Oktober 1952. Wer eine Hochglanz-Aufnahme im Stile der Neujahrskonzerte erwartet, der wird enttäuscht werden.
Dennoch beeindruckt diese CD durch die Vitalität und Geradlinigkeit des Musizierens. Daran ändert auch der eine oder andere schiefe Ton nichts, der trotz aller Schnitte verblieben ist. Mitunter meint man, nicht das Rias-Symphonie-Orchester zu hören, sondern eine Militärkapelle, wie sie der jugendliche Fricsay einst in Szeged geleitet hat. Köstlich sind beispielsweise der "Kaiser-Walzer" mit seiner langsamen Einleitung, das temperamentvolle "Künstler-Leben" oder das "Perpetuum mobile", ein musikalischer Scherz, der insbesondere die Bläser vor einige Herausforderungen stellt. Vermisst man gelegentlich eine gewisse Leichtigkeit und Beweglichkeit, so wird man hingegen erstaunt Spuren jener Melancholie wahrnehmen, die ungarische Musiker wohl auszeichnet. Und spätestens die daunenleichte, witzige "Pizzicato-Polka" entschädigt für den eher schwachen Beginn.
Sonntag, 27. Dezember 2009
Bach: Fugues; Emerson String Quartet (Deutsche Grammophon)
Das Emerson Streichquartett, bei einigen Stücken verstärkt um Da-Hong Seetoo, Violine, spielt vier- und fünfstimmige Fugen aus Bachs Wohltemperiertem Clavier. Nun sind Streichinstrumente, anders als beispielsweise ein Cembalo, in ihrer Stimmung nicht auf Kompromisse angewiesen. So erklingen die vertrauten Werke "sauber", aber ungewohnt glatt. Dieser Eindruck wird zusätzlich noch durch die Interpretation unterstützt, der leider die Ecken und Kanten fehlen.
Die Arrangements stammen von Mozart, der Bachs Werke im Hause des Wiener Mäzens Baron van Swieten kennenlernte, und von seinem Zeitgenossen Emanuel Aloys Förster. So klingen die Stücke auch, wie Frühklassik; sehr kultiviert und linear vorgetragen, aber ein bisschen langweilig. Wenn es zu Bachs Zeiten schon Streichquartette gegeben hätte - der Komponist hätte für diese Besetzung ganz sicher etwas geschrieben, zumal für solche exzellenten Musiker wie die Emersons. Aber ob er ausgerechnet das Wohltemperierte Clavier für Streicher bearbeitet hätte, daran habe ich Zweifel.
Samstag, 26. Dezember 2009
Kreuzchorvespern: Uns ist ein Kind geboren (Berlin Classics)
"Geistliche Musik aus Dresden", soll die neue Reihe mit Kreuzchorvespern vorstellen; dem Kirchenjahr folgend, beginnt sie mit dem Advent. Zumindest aus Sachsen stammen in der Tat sämtliche Stücke dieser CD. Allerdings waren die Kreuzkantoren in der Vergangenheit, allen voran der legendäre Rudolf Mauersberger, wohl mutiger als Roderich Kreile, der seinen Chor hier ausschließlich mit Weihnachtsmusik aus dem 16. und 17. Jahrhundert vorstellt.
Die Kruzianer singen mittlerweile wieder auf einem erfreulich hohen Niveau. Sowohl der Chor als auch die zahlreichen Chorsolisten können sich hören lassen. Die Cappella Sagittariana Dresden, bestehend aus Mitgliedern der Staatskapelle, musiziert ohnehin hochprofessionell. Dennoch hätte man von einem solchen Album etwas mehr Sinn für musikalische Dramaturgie erhofft. Eine "reale" Kreuzchorvesper, wie sie in Dresden zu erleben ist, bietet Raum für Orgelklang und Gemeindechoral, Ansprache und Gebet. Auf der CD ist davon leider nichts zu finden; für die nachfolgenden Exemplare wünscht man sich mehr Mut zu Ausflügen in die Moderne, etwas mehr original Dresdner Kreuzkirchenstimmung - und weniger klanglichen Einheitsbrei.
Bach: Goldberg-Variationen; Ragna Schirmer (Berlin Classics)
Hermann Freiherr von Keyserlingk, russischer Gesandter am kursächsischen Hofe, erbat einst von Bach "einige Klavierstücke (...) die so sanften und etwas munteren Charakters wären, daß er dadurch in seinen schlaflosen Nächten ein wenig aufgeheitert werden könnte". Spielen musste sie Keyserlingks exzellenter Cembalist Goldberg, mit dessen Namen sie dann schließlich die Überlieferung verknüpfte. Bach selbst nannte sein Werk schlicht "Clavier-Übung", und bezeichnete es als "Aria mit verschiedenen Veränderungen" - für einen Zyklus diesen Formats wahrlich sehr tief gestapelt.
Das ganze Werk ist um die Zahl 32 herum konstruiert: Die Aria besteht aus 32 Takten, und ihre Bass-Stimme wiederum, auf der die Variation beruht, aus 32 Gerüsttönen. 32 Teile hat das Gesamtwerk; göttliche Ordnung gegen irdisches Leiden und menschliche Schlaflosigkeit. Dennoch zeigt Bach Humor - das Opus endet in einem Quodlibet, in dem deutlich erkennbar der Kehraus "Ich bin so lang nicht bei dir gwest" sowie "Kraut und Rüben haben mich vertrieben" erklingen. Darauf folgt dann die Aria da capo.
Ragna Schirmer gelang mit dieser ihrer allerersten CD seinerzeit ein großer Wurf. Diese Einspielung ist ohne Zweifel zu den Referenz-aufnahmen zu zählen; sie gehört in eine Reihe mit Interpretationen wie jenen von Glenn Gould, Keith Jarrett oder Wilhelm Kempff. Schirmer nimmt die Stücke ruhig, aber zugleich erfasst sie mit beeindruckendem Gespür ihren jeweiligen Charakter, und arbeitet jedes noch so kleine musikalische Detail mit großer Sorgfalt heraus. Chapeau! das ist wirklich hörenswert.
Mittwoch, 23. Dezember 2009
Stylus phantasticus (Berlin Classics)
Was ist "stylus phantasticus"? Eine hervor-ragende Möglichkeit jedenfalls, tradierte Formen auszureizen bis an ihre Grenzen - und noch ein gehöriges Stückchen darüber hinaus, wie diese CD beweist. Die norddeutschen Meister des 17. Jahrhunderts setzten auf den Wechsel von freien Passagen, die teilweise wie improvisiert klingen, und streng dem Kontrapunkt folgenden Abschnitten, die jedoch mitunter durch ihre überaus kühne harmonische Gestaltung verblüffen.
Ob Dietrich Buxtehude, Nicolaus Adam Strungk, Matthias Weckmann, Johann Vierdanck oder weniger bekannte Komponisten wie Samuel Peter Sidon, Dietrich Becker oder Thomas Baltzer - es ist erstaunlich, wie unterschiedlich sie die Freiheiten nutzten, die ihnen diese musikalische Innovation brachte. Die Partita in a-moll, komponiert von Johann Adam Reincken für zwei Violinen, Viola da gamba und Cembalo, bearbeitete später Johann Sebastian Bach für Cembalo solo.
Das Ensemble Bell'Arte Salzburg - Annegret Siedel und Ulrike Titze, Barockviolinen, Matthias Müller, Viola da gamba, Zvi Meniker, Cembalo und Margit Schultheiss, Orgel - hat für diese CD eine Reihe typischer Stücke ausgewählt, und das sowohl mit sozusagen pädagogischer Sorgfalt als auch dramaturgischem Geschick. Das Ergebnis ist in jeder Hinsicht gelungen: Eine abwechslungsreiche, spannungsvolle Aufnahme, mit Lust musiziert. Das hört man gern.
Sonntag, 20. Dezember 2009
Vivaldi: Mottetti Sacri - Harmonices Mundi (Stradivarius)
Vivaldi ist allgemein bekannt als Violinvirtuose und als Autor einer Vielzahl von Instrumentalwerken. Doch der Komponist schuf auch zahlreiche Opern, die leider derzeit auf den Bühnen wenig präsent sind, Kantaten und Motetten. Vier geistliche Motetten "per voci, due cori e due orchestre" hat Claudio Astronio für diese Aufnahme mit dem Bozener Barock-Ensemble "Harmonices Mundi" ausgewählt.
Diese vier Werke zeigen einerseits in den Vokalpartien eine große Nähe zur Gattung Oper. Sie nehmen jedoch zugleich in ihrer Doppelchörigkeit Bezug auf die traditionelle Psalmodie, und erweisen so Vergangenheit und Zukunft zugleich auf charmante Weise Referenz. Insbesondere für die Sänger bringen Vivaldis Mottetti so manche Herausforderung.
Musiziert wird in Minimalbesetzung, ohne Netz und doppelten Boden. Das gilt für die Instrumentalisten ebenso wie für die Sänger, die durchweg solistisch agieren - auch, wenn sie "nur" in einem der Chöre zu hören sind. "Lauda Jerusalem" RV 609, "Laudate Pueri Dominum" RV 602/a - mit per Bonustrack beigefügten Alternativfassungen der Verse VI und VII -, "Salve Regina" RV 618 und das Kyrie RV 587 geben den Musikern reichlich Gelegenheit, in wechselnder Formation sowohl solistische Brillanz als auch kollegiales Miteinander zu demonstrieren. Genannt seien hier nur die Solo-Sopranistinnen Susanne Rydén und Gemma Bertagnolli sowie Massimiliano Mauthe von Degerfeld, als Altus im "Salve Regina".
Um es in einem Satz zu sagen: Diese CD, eingespielt in Kloster Muri-Gries, ist ein in vielen Facetten funkelndes Juwel, das die lange Reihe von Vivaldi-Wiederentdeckungen der letzten Jahre würdig ergänzt. Die Interpretation ist exzellent, und der Repertoirewert ist ebenfalls hoch.
Donnerstag, 10. Dezember 2009
Corellisante - Sonatas for Two Violins & Basso Continuo by Corelli & Telemann (Dorian)
Das Ensemble Rebel, benannt nach dem französischen Komponisten Jean-Féry Rebel, ist heute in New York ansässig. Obwohl es 1991 in den Niederlanden gegründet wurde, hat es mittlerweile seinen festen Platz im Musikleben der USA gefunden. So hat Rebel gemeinsam mit dem renommierten Trinity Choir in den letzten Jahren eine Gesamtaufnahme der Haydn-Kantaten eingespielt.
Die vorliegende CD aber kombiniert vier Triosonaten des italienischen Barockkomponisten Arcangelo Corelli mit vier von insgesamt sechs Werken Georg Philipp Telemanns, die er "Sonates corellisante" nannte. Das mag als cleveres Marketing durchgehen; denn erstaunlicherweise sind sich diese Stücke keineswegs ähnlich. Zwar scheint sich Teleman hier und dort tatsächlich am Vorbild Corelli zu orientieren. Doch letzten Endes sind seine Werke - Telemann. Mit den zeittypischen Anleihen unter anderem beim französischen Stil, der damals auch "en vogue" war. Und einem Feuerwerk an musikalischen Einfällen.
Karen Marie Marmer und Jörg-Michael Schwarz, Violine, John Moran, Violoncello, Dongsok Shin, Cembalo und Orgel sowie Daniel Swenberg, Laute, musizieren schwung- und lustvoll, und gerade heraus. So kommt auch beim Zuhörer keine Langeweile auf.
Humperdinck: Hänsel und Gretel (Berlin Classics)
Wie gut, dass es Archive gibt! Berlin Classics jedenfalls hat dort eine ganz besondere Weihnachtsgabe entdeckt: Eine Aufnahme von Humperdincks Märchenoper von einer derart hohen Qualität, dass man nur staunen kann. Was für ein Streichersound, was für ein Hörnerklang, was für eine phantastische musikalische Gestaltung!
Schon während der ersten Takte der Ouvertüre ist wohl jedem klar: Das kann nur die Staatskapelle Dresden sein. Bei dieser Aufnahme aus dem Jahre 1969 wurde sie geleitet von Otmar Suitner. Er verortet Humperdincks Werk irgendwo zwischen Wagner und Strauss - das ist kein Provinz-Weihnachts- märchen, das ist große Oper.
Und obendrein singen einige der besten Sänger, die die DDR seinerzeit aufzubieten hatte. Renate Hoff und Ingeborg Springer sind als Hänsel und Gretel zu hören, Renate Krahmer als Sand- und Taumännchen, Gisela Schröter und Theo Adam singen das Elternpaar. Besonders köstlich: Peter Schreier als Hexe. Der Sänger verlegt sich nicht aufs Chargieren und Knödeln; seine Hexe ist gerade deshalb so bedrohlich, weil sie ihre Partie in weiten Teilen schön singt - vollkommen irre! Als Lebkuchenkinder agieren Mitglieder des Dresdner Kreuzchores.
Wer sich eine wirklich großartige CD zu Weihnachten schenken möchte - diese hier sei wärmstens empfohlen.
Mittwoch, 9. Dezember 2009
Handel: Serse (Deutsche Grammophon)
Händels Oper zeigt ihre Helden in heftiger emotionaler Verstrickung, befangen in Liebeshändeln, himmelhoch jauchzend, voll Zweifel und zu Tode betrübt. Das gibt Anlass zu grandiosen Arien und heftigen Szenen.
Und obwohl die allgemeine Verwirrung für viel Komik sorgt, zeigt der Komponist doch gelegentlich Xerxes auch als den Herrscher von Persien - ein gefährlicher Tyrann, der jederzeit seine Mitmenschen vom Leben zum Tode befördern kann.
Und obwohl die allgemeine Verwirrung für viel Komik sorgt, zeigt der Komponist doch gelegentlich Xerxes auch als den Herrscher von Persien - ein gefährlicher Tyrann, der jederzeit seine Mitmenschen vom Leben zum Tode befördern kann.
Die Deutsche Grammophon macht nun eine Aufzeichnung aus dem Jahre 1965 wieder zugänglich - es war die erste vollständige Einspielung des Werkes in italienischer Sprache. Als sie entstand, war man gerade dabei, Händels Opern wiederzuentdecken - unter Verzicht auf die rabiate Bearbeitungspraxis der Vergangenheit, aber ebenso noch meilenweit entfernt von den Debatten der Originalklang-Jünger.
Wie Brian Priestman, ein erfahrener Dirigent und Händel-Kenner, das Ensemble durch die Oper führt, hätte dem Pragmatiker Händel sicherlich gefallen - schon allein aufgrund des überaus versierten Continuo-Cembalisten Martin Isepp. Die Musiker des Orchesters des Österreichischen Rundfunks spielen auf modernen Instrumenten, aber in kleiner Besetzung. Unter den durchweg hochkarätigen Sängern war ebenfalls kein einziger ausgewiesener Barock-Spezialist. Dennoch überzeugt diese Einspielung, weil sich die Solisten zurücknehmen und auf die reduzierte Klangkulisse einstellen. Maureen Forrester (Serse), Maureen Lehane (Arsamene), Mildred Miller (Armastre), Lucia Popp (Romilda), Marilyn Tyler (Atalanta), Thomas Hemsley (Ariodante) und Owen Brannigan (Elviro) haben ihre Gesangskarrieren längst beendet. Umso erfreulicher ist dieses klingende Zeugnis aus ferner Zeit, das im übrigen auch durch exzellentes Remastering der alten Bänder beeindruckt.
Dienstag, 8. Dezember 2009
Mozart: I Concerti per Flauto e Orchestra (Stradivarius)
In seiner Mannheimer Zeit schrieb Mozart zwei Flötenkonzerte plus das berühmte Andante. Unzählige Flötisten haben diese Werke eingespielt; es stellt sich also die Frage, was Luisa Sello dazu bewogen hat, dem noch eine weitere Version hinzuzufügen. Die Antwort darauf bleibt beim Anhören dieser CD leider aus - eine Aufnahme, die die Welt nicht braucht, zumal auch nicht durchweg mit schönen Tönen.
Handel: Alcina (Deutsche Grammophon)
Am 15. Mai 1959 wollte der WDR aus Köln live Händels Oper "Alcina" übertragen. Doch als die Proben begannen, bemerkten die Verantwortlichen, dass da mehr als ein Problem einer Lösung harrte. Denn Nicola Monti, der Startenor aus Mailand, hatte versehentlich die falsche Partie einstudiert - statt den Ruggiero, Liebhaber der Zauberin und Verlobter der Bradamante, hatte er den Oronte, Feldherr Alcinas, erarbeitet. Und die Sopranistin, die eigentlich die Titelrolle singen sollte, war ein Totalausfall.
Eine Umbesetzung war zwingend erforderlich, und sie erwies sich als Glücksgriff. Denn es sprangen zwei Sänger kurzfristig ein, die leider nie wieder gemeinsam auf einer Bühne standen: Joan Sutherland hatte die Alcina bereits gesungen, allerdings in englischer Sprache, so dass sie "nur noch" den italienischen Text lernen musste. Wie es aber Fritz Wunderlich gelungen ist, sich innerhalb von wenigen Tagen eine derart umfangreiche, anspruchsvolle Partie rundum überzeugend anzueignen, das verblüffte selbst Kritiker und Kollegen.
Komplettiert wurde das Ensemble seinerzeit durch Norma Procter als Bradamante, Jeanette van Dijck als Alcinas Schwester Morgana und Thomas Hemsley als Melisso, Lehrer der Bradamante, sowie den Kölner Rundfunkchor und die Cappella Coloniensis unter Ferdinand Leitner. Sie gehörte zu den Pionieren der historischen Aufführungs-praxis; die Cappella war das weltweit erste Orchester, das auf Originalinstrumenten musizierte und sich um eine stilistisch korrekte Interpretation bemühte.
Wie klingt nun dieses Dokument, das die Deutsche Grammophon im Archiv des Rundfunksenders ausgegraben hat? Erstaunlich modern, frisch und schwungvoll. Die Sänger sind durchweg exzellent, und die Live-Stimmung, die diese Aufnahme prägt, fasziniert bis heute. Denn statt des befürchteten Desasters ereignete sich letztendlich eine jener raren Sternstunden, die das Publikum zu Beifallsstürmen hinreißen - und uns auch heute noch begeistern können, dem Mitschnitt sei Dank. Ein großer Wurf! Auf weitere Entdeckungen darf man gespannt sein.
Montag, 7. Dezember 2009
Christoph Graupner: Suite de Suites; Antichi Strumenti (Stradivarius)
Wer war Christoph Graupner? Seine musikalische Ausbildung erhielt er wohl in erster Linie in Leipzig, wo er auch Jura studierte, bei den Thomaskantoren Schelle und Kuhnau. Dann ging er nach Hamburg, wo er als Cembalist an einem von Reinhard Keiser geleiteten Opernorchester wirkte und einige Opern komponierte, die offenbar das Publikum begeisterten.
Auch Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt zeigte sich angetan, und nahm Graupner 1709 in seine Dienste. 1722 bewarb sich der Musiker erfolgreich um die Anstellung als Thomaskantor in Leipzig - allein sein Landgraf ließ ihn nicht ziehen, so dass letzten Endes Bach die Stelle bekam. Als der Hofkapellmeister 1754 erblindete und mit seiner Arbeit aufhörte, hatte er um die 2000 Werke geschaffen, darunter mehr als 1400 Kirchenkantaten und etwa 270 Instrumentalwerke.
Kein einziges Bildnis Graupners aber ist überliefert. Und dass seine Musik heute noch gespielt werden kann, ist einem Zufall zu verdanken. Denn der Komponist hatte verfügt, dass all seine Werke nach seinem Tode vernichtet werden sollen. Doch sein Arbeitgeber war der Meinung, diese seien Eigentum des Darmstädter Hofes - und so kamen sie nach diversen juristischen Scharmützeln ins Archiv. Dort harren sie nun ihrer Wiederentdeckung.
Das könnte sich durchaus lohnen, wie die beiden hier eingespielten Ouvertüren zeigen. 85 (!) davon sollen wohl insgesamt erhalten sein. Die Stücke verweisen auf einen Komponisten, der sein Handwerk überaus solide beherrschte, nicht jeder Mode hinterherlief und sich auch sonst einen gewissen Eigensinn bewahrte. Mit Pauken und Trompeten zelebriert werden die beiden Suiten hier von den "Antichi Strumenti", einem Ensemble aus Frankfurt/Main, das in wechselnden Besetzungen um Laura Toffetti, Violine, und Tobias Bonz, Violoncello, überwiegend im Elsass agiert. Und diese Aufnahme kann man gut anhören.
Sonntag, 6. Dezember 2009
Per il Santissimo Natale - Deborah York, Elbipolis (Berlin Classics)
Barockmusik zur Weihnacht - festlich, strahlend und wunderschön musiziert. Das Elbipolis Barockorchester Hamburg reiht Stücke aneinander, die zum einen für eine derart kleine Besetzung - zwei Violinen, Viola, zwei Trompeten, Traversflöte und diverse Continuo-Instrumente - geschrieben wurden. Zum anderen folgt die CD inhaltlich der Weihnachtsgeschichte. Und das sorgt zusätzlich für den perfekten Spannungsbogen.
Die CD beginnt mit dem energischem Trompetengeschmetter einer Sonate von Alessandro Melani. Es folgt das Magnificat, in einer hier zum ersten Male eingespielten Vertonung durch Melchior Hoffmann, einen ebenso einfallsreichen wie versierten Musikus, der vor Bach in Leipzig wirkte. Dann hört man die Hirten, wie sie dem Jesuskindchen aufspielen - und zwar die Sinfonia Pastorale per il Santissimo Natale von Francesco Onofrio Manfredini.
Und die Engel stimmen das Gloria an, berichtet die Weihnachtsgeschichte. Auf dieser CD stammt es aus der Feder von Händel; offensichtlich ein Jugendwerk des Komponisten, das erst vor wenigen Jahren im Archiv der Londoner Royal Academy of Music entdeckt wurde. Es verblüfft durch seine kammermusikalische Besetzung, und durch die virtuose Gestaltung des Gesangsparts.
Die CD beginnt mit dem energischem Trompetengeschmetter einer Sonate von Alessandro Melani. Es folgt das Magnificat, in einer hier zum ersten Male eingespielten Vertonung durch Melchior Hoffmann, einen ebenso einfallsreichen wie versierten Musikus, der vor Bach in Leipzig wirkte. Dann hört man die Hirten, wie sie dem Jesuskindchen aufspielen - und zwar die Sinfonia Pastorale per il Santissimo Natale von Francesco Onofrio Manfredini.
Und die Engel stimmen das Gloria an, berichtet die Weihnachtsgeschichte. Auf dieser CD stammt es aus der Feder von Händel; offensichtlich ein Jugendwerk des Komponisten, das erst vor wenigen Jahren im Archiv der Londoner Royal Academy of Music entdeckt wurde. Es verblüfft durch seine kammermusikalische Besetzung, und durch die virtuose Gestaltung des Gesangsparts.
Die CD endet mit einer Weihnachtskantate von Christian August Jacobi, die sozusagen das irdische Echo auf den Lobgesang der Engel darstellt: "Der Himmel steht uns wieder offen", bekannt durch eine phänomenale Einspielung mit Peter Schreier, erklingt hier in der originalen Version für Sopran. Auch diese Partie kann durchaus als anspruchsvoll bezeichnet werden.
Das Elbipolis-Orchester spielt mit Lust, und auch die Sopranistin Deborah York hat hörbar Vergnügen an dem Repertoire, das - für die Sängerin wie für die Instrumentalisten - so einige Herausforderungen bereit hält. Doch die Musiker sind dem jederzeit gewachsen. Insbesondere York überzeugt durch einen schlanken, knabenhaften Ton. In den Chorälen ist ihre Stimme gerade heraus zu hören, vollkommen frei von Vibrato, schmucklos schlicht; sie ist jedoch durchaus in der Lage, ihr Timbre einzufärben, wenn dies zum Stück passt. Und ihre Koloraturen perlen wie die winzigen Gasbläschen im Champagner, in perfekten Linien und in teilweise atemberaubendem Tempo.
Diese CD verbreitet Feststimmung, man hört sie gern, und wird sie auch im kommenden Jahr des öfteren wieder aus dem Regal holen. Wer noch ein Weihnachtsgeschenk sucht - diese Aufnahme ist zu empfehlen!
Samstag, 5. Dezember 2009
Es ist ein Ros' entsprungen - Choir and Organ Christmas Music (audite)
Diese Super Audio CD widmen Karin Freist-Wissing, Leiterin der Chor- und Orchester-arbeit, und Stefan Horz, Organist an der Evangelischen Kreuzkirche in Bonn, der Gottesmutter Maria.
Die hierfür ausgewählten Lieder und die Orgelmusik feiern Weihnachten nicht als Fest der Familie, der Freude und der Liebe, sondern sie erinnern daran, dass die Geburt Christi untrennbar verbunden ist mit dem Tod. Die Musiker haben die entsprechenden Stücke mit großer Sorgfalt ausgesucht.
Sie gehen von Praetorius' populärem Lied "Es ist ein Ros entsprungen", und von Kaminskis "Maria durch ein' Dornwald ging" aus - und tragen schon in den Orgelimprovisationen dazu dieses Konzept in die Gegenwart. Statt Wiegenlieder gibt's Max Regers "Ave Maria". Und immer wieder kehren sie zum "Ros" zurück - so in Brahms' Choralvorspiel, in Distlers Choralmotette oder in einem Chorsatz des schwedischen Zeitgenossen Jan Sandström.
Die hierfür ausgewählten Lieder und die Orgelmusik feiern Weihnachten nicht als Fest der Familie, der Freude und der Liebe, sondern sie erinnern daran, dass die Geburt Christi untrennbar verbunden ist mit dem Tod. Die Musiker haben die entsprechenden Stücke mit großer Sorgfalt ausgesucht.
Sie gehen von Praetorius' populärem Lied "Es ist ein Ros entsprungen", und von Kaminskis "Maria durch ein' Dornwald ging" aus - und tragen schon in den Orgelimprovisationen dazu dieses Konzept in die Gegenwart. Statt Wiegenlieder gibt's Max Regers "Ave Maria". Und immer wieder kehren sie zum "Ros" zurück - so in Brahms' Choralvorspiel, in Distlers Choralmotette oder in einem Chorsatz des schwedischen Zeitgenossen Jan Sandström.
Trotz der drei Bach-Werke am Ende erscheint diese Einspielung spröde, sperrig und seltsam distanziert. Das mag auch mit am Chor liegen: "Vox Bona", Gute Stimme, heißt der Kammerchor der Kreuzkirche Bonn - mit 40 Sängerinnen und Sängern ist das Ensemble freilich üppig bestückt, jedenfalls im Vergleich zu so mancher Chorempore hierzulande. Sie singen wie die Engel, lupenrein sauber, brav und perfekt. Letztendlich aber fehlt mir jener Funke, der Musik lebendig macht. Schade.
Handel for Brass - Schweriner Blechbläser-Collegium (Berlin Classics)
Händel für Blechbläser? Klar! Klingt doch fantastisch, wie dafür geschrieben. Der Schweriner Trompeter Hans-Joachim Drechsler, Gründer des dortigen Blechbläser-Collegiums, macht jedoch im Booklet deutlich, dass derartige Ensembles erstaunlicherweise noch keine lange Tradition haben. Aus diesem Grunde müssen die Stücke für diese Besetzung sehr häufig erst mühsam arrangiert werden.
In dem vorliegenden Falle ist das exzellent gelungen. Das gilt sowohl für die Kreationen der Schweriner als auch für "Die Ankunft der Königin von Saba", wo die Blechbläser ein Arrangement von Paul Archibald spielen - eine Verneigung vor dem legendären Philip Jones Brass Ensemble, gegründet in den 50er Jahren, in dem wohl erstmals Trompeten, Posaunen, Horn und Tuba gemeinsam musizierten.
Das Schweriner Blechbläser-Collegium besteht seit 1975. Und man staunt, dass dieser Klangkörper nicht bekannter ist. Die Qualität dieser Einspielung jedenfalls überzeugt; es wäre erfreulich, wenn Berlin Classics die Zusammenarbeit mit den Schwerinern fortsetzen würde.
Mittwoch, 2. Dezember 2009
Praeludien für die heilige Weihnachtszeit (audite)
Wenn die Orgel Bordunbässe fröhlich dröhnen lässt, wenn die Melodien in Terzen laufen und in Siciliano-Rhythmen daherhüpfen, wenn die Flöten säuseln und die Schalmeien näseln - dann ist Weihnachten, und der Organist spielt Pastorellen. Diese Stücke, die vor allem in Süddeutschland und im Alpenraum bis heute sehr beliebt sind, imitieren die Hirtenmusik. Und Hirten gehören bekanntlich zur Weihnacht, das berichtet ja schon das Evangelium nach Lukas.
Johannes Strobl, Organist an der Klosterkirche Muri im Schweizer Kanton Aargau, hat an diesen stimmungsvollen Miniaturen hörbar Vergnügen. Er registriert geschickt, und spielt temperamentvoll bis virtuos. Und die Stücke, die er ausgewählt hat, sind in der Tat wunderschön. Eine Schwäche allerdings hat diese Super Audio CD, das sei nicht verschwiegen. Sie ähnelt in ihrer Überfülle einer großen Packung allerbester Pralinen. Die sind bekanntlich alle appetitlich anzusehen, und schmecken hervorragend. Isst man aber alle auf einmal, hält sich der Genuss arg in Grenzen. So ist das auch mit dieser Einspielung: Portionsweise angehört, bringt sie mehr Freude.
Franz Schubert: String Quartets - Mandelring Quartett, Vol. 1 (audite)
Endlich ist es dem Rezensenten gelungen, ein Abspielgerät aufzutreiben, in dem Super Audio CD laufen (von wegen "Plays on all CD Players!"). Und voll Neugier habe ich gleich zwei Quartette angehört, die schon seit langem bei mir im Regal warten. Das hat sich gelohnt.
Das Streichquartett in Es-Dur D 87 schrieb der 16jährige Franz Schubert zum Gebrauch bei der familiären Hausmusik. Es startet in Haydnscher Delikatesse, ohne sich jedoch wirklich um den Sonatenhauptsatz zu scheren, und es endet eher bei Beethoven. Das Streichquartett d-moll D 810 "Der Tod und das Mädchen" hingegen ist zur Gänze Schubert - hochdramatisch, und wohl auch spieltechnisch eine Herausforderung. Das Mandelring Quartett gestaltet Schuberts Musik souverän; die vier Streicher spielen wie aus einem Atem. Ihrer Interpretation zu folgen, ist ein ringsum faszinierendes Erlebnis. In dieser Qualität hört man das nicht oft.
Montag, 30. November 2009
Andrea Bocelli: My Christmas (Universal Music)
Vom ersten bis zum letzten Ton durchgestylter Pop, hochprofessionell arrangiert für den Weltmarkt.
Wer amerikanische Weihnachtslieder liebt, der wird diese CD lieben. Wer einen anderen Musikgeschmack hat, der muss zumindest anerkennen, dass diese Einspielung auch handwerklich rundum perfekt gemacht ist. Bocelli und seine Partnerinnen singen perfekt, Streicher und Bläser schluchzen und triumphieren dezent und perfekt, und der Chor bringt ebenfalls jeden Ton perfekt. Hochglanz, wohin man blickt. Einzig die Muppets, die aus unerfindlichen Gründen "Jingle Bells" mitsingen, bringen ein ironisches Augenzwinkern.
Wer amerikanische Weihnachtslieder liebt, der wird diese CD lieben. Wer einen anderen Musikgeschmack hat, der muss zumindest anerkennen, dass diese Einspielung auch handwerklich rundum perfekt gemacht ist. Bocelli und seine Partnerinnen singen perfekt, Streicher und Bläser schluchzen und triumphieren dezent und perfekt, und der Chor bringt ebenfalls jeden Ton perfekt. Hochglanz, wohin man blickt. Einzig die Muppets, die aus unerfindlichen Gründen "Jingle Bells" mitsingen, bringen ein ironisches Augenzwinkern.
Sonntag, 29. November 2009
Sebastian Knauer: Pure Mendelssohn (Berlin Classics)
"Dass der zu seinen Lebzeiten gerühmte und gefeierte Mendelssohn nach seinem frühen Tod von vielen als musikalisches Leichtgewicht abqualifiziert wurde und bis ins 20. Jahrhundert der Rehabilitierung bedürfen sollte, ist mir immer unbegreiflich geblieben", meint Sebastian Knauer. Goethe hörte den Zwölfjährigen 1821 improvisieren, und fühlte sich an Mozart erinnert. Schon 1847, wenige Monate nach seiner Schwester Fanny, starb der Gewandhaus-Kapellmeister und Gründer der ersten Musikhochschule Deutschlands in Leipzig. Er hinterließ ein ebenso umfangreiches wie gehaltvolles Werk. "Und nicht nur als Komponist scheint mir Mendelssohn aller Ehren wert zu sein", resümiert Knauer; "auch seine übrigen Talente und Leistungen, ob als Dirigent, Pianist, Maler, Zeichner, Wiederentdecker Bachs oder Konservatoriumsgründer, und nicht zuletzt seine großen menschlichen Qualitäten verdienen größte Achtung."
Bei der Auswahl der Stücke für diese CD folgte Knauer offenkundig nicht stupide dem Werkverzeichnis, sondern seinem musikalischen Gespür: Er entschied sich für einige "Lieder ohne Worte", die er durch andere, mehr oder minder prominente, Werke des Komponisten ergänzte.
Die Folge ist in sich durchaus stimmig; Knauer gelingt ein großer Spannungsbogen, von g-Moll nach C-Dur, über die grandiosen "Variations sérieuses" op. 54 bis hin zum finalen "Rondo capriccioso" op. 14. Dass der Pianist sich mit Mendelssohns Schaffen grundlegend auseinandergesetzt hat, zeigt unter anderem die Tatsache, dass ihm so ganz nebenher noch vier Ersteinspielungen gelungen sind. Was hier zu hören ist, das ist keineswegs gefällige Salonmusik, keine Hausmusik für die höhere Tochter.
Knauer nimmt die "Lieder" überwiegend federleicht, scheut aber auch die große dramatische Geste nicht. Er rettet diese Musik damit vorm romantischen Puderzucker - und zeigt, wie elegant und exzellent strukturiert Mendelssohns Stücke sind. Knauer macht deutlich, dass diese Miniaturen ernst genommen werden wollen. So aber mag man den Mendelssohn hören. Bravo, gern mehr davon.
In Dulci Jubilo - Maria Stader Sings European Christmas Songs (Deutsche Grammophon)
Diese CD gehört zu meinen ganz persönlichen Weihnachtsfavoriten. Im Kerzenschein den glocken-reinen Stimmen von Maria Stader und der Münchner Chorbuben zu lauschen, das gleicht einer Begegnung mit dem Engel der Weihnacht, der seine Frohe Botschaft verkündet.
Maria Stader (1911-1999), geboren in Budapest, aufgewachsen in der Schweiz, wurde in den 50er und 60er Jahren vor allem für ihre Interpretationen von Partien Mozarts und Bachs gefeiert. Zur Legende wurde insbesondere ihre Königin der Nacht. Dieses Album lässt ahnen, wieso die Sängerin das Publikum seinerzeit derart begeisterte.
Stader singt vom ersten bis zum letzten Ton mit mitreißender Freude. Die Sopranistin interpretiert die alten Weihnachtslieder wie Mozarts herrliche Motette "Exsultate, jubilate" mit überragender musika-lischer Intelligenz und entwickelt so eine fantastische Ausstrahlung, die vielen makellosen, aber "abwaschbaren" Einspielungen heutzutage leider fehlt. Was für eine Künstlerpersönlichkeit! Und welch festlicher Glanz! Diese Aufnahmen muss man einfach lieben.
Stader singt vom ersten bis zum letzten Ton mit mitreißender Freude. Die Sopranistin interpretiert die alten Weihnachtslieder wie Mozarts herrliche Motette "Exsultate, jubilate" mit überragender musika-lischer Intelligenz und entwickelt so eine fantastische Ausstrahlung, die vielen makellosen, aber "abwaschbaren" Einspielungen heutzutage leider fehlt. Was für eine Künstlerpersönlichkeit! Und welch festlicher Glanz! Diese Aufnahmen muss man einfach lieben.
Mittwoch, 25. November 2009
Bach - Mozart; Sabine Meyer - Trio di Clarone (Avi-Music)
In Wien, im Hause des Barons van Swieten, hörte Mozart erstmals Werke der Familie Bach.
Dieses Erlebnis veränderte das musikalische Denken des Komponisten.
Der Kontrapunkt war für ihn nicht länger eine Technik für den Unterricht und fürs Museum; dieses Formprinzip inspirierte Mozart möglicherweise gerade aufgrund seiner Strenge. Denn in Bachs Musik erlebte er, wie kühn man es zum Klingen bringen kann.
Dieses Erlebnis veränderte das musikalische Denken des Komponisten.
Der Kontrapunkt war für ihn nicht länger eine Technik für den Unterricht und fürs Museum; dieses Formprinzip inspirierte Mozart möglicherweise gerade aufgrund seiner Strenge. Denn in Bachs Musik erlebte er, wie kühn man es zum Klingen bringen kann.
Wie intensiv sich Mozart mit Bachs Werk auseinandersetzte, zeigt das Trio di Clarone mit einer CD, die Kompositionen der Bach-Familie mit Stücken Mozarts kombiniert, in denen er solche Werke umsetzt, und oftmals auch mit eigenen Sätzen ergänzt und kommentiert. So hat Mozart Bachsche Fugen für Streichertrio bearbeitet, und ihnen jeweils ein Adagio als Präludium vorangestellt. Die meisten davon schrieb er selbst - im alten Stile zwar, aber mit unverkennbar eigener Melodik.
Das Trio di Clarone wiederum spielt Bearbeitungen dieser Bearbeitungen - und zwar für Klarinetten, Bassetthorn und Bassklarinette, jeweils in welchselnden Besetzungen. Sabine Meyer, ihr Mann Reiner Wehle und ihr Bruder Wolfgang Meyer musizieren blitzsauber; diese CD ist rundum perfekt und gelungen. Wie versiert diese Musiker sind, das zeigt sich insbesondere in jenen Stücken, in denen sie sich alle drei auf dem Bassetthorn hören lassen. Mit dem Adagio für Glasharmonika in C-Dur und einem weiteren Adagio in F-Dur erweisen sie Mozart augenzwinkernd Reverenz, der ja bekanntlich für jenes etwas störrische Mitglied der Klarinetten-Instrumentenfamilie und seinen dunklen, melancholischen Klang ein Faible hatte.
Freitag, 20. November 2009
Beethoven/Schubert; Duo Mattick Huth (Westfire)
Christian Mattick, Flöte, und Mathias Huth, Klavier, sind gestandene Profis. Dennoch haben sie sich offenbar ihre Liebe zur Musik und ihre Begeisterungsfähigkeit bewahrt - und ein ausgeprägtes Interesse für Entdeckungen am Rande des üblichen Repertoires.
Für die vorliegende CD haben sie zwei Werke aus der Zeit der Wiener Klassik ausgewählt, die beide ursprünglich für andere Instrumente entstanden sind. So erweist sich die Serenade op. 41 als die Klavierbearbeitung eines Stückes, das Ludwig von Beethoven ursprünglich für Flöte, Violine und Viola geschrieben hatte. Franz Schubert komponierte seine Sonate a-moll "Arpeggione" D 821 für "guitar d'amour", eine Art Kreuzung zwischen Gitarre und Violoncello. Dieses kuriose Instrument verschwand nach wenigen Jahren wieder aus dem Musikleben, und das hübsche Stück gilt seitdem als eine Domäne der Cellisten und auch der Bratscher.
Für die vorliegende CD haben sie zwei Werke aus der Zeit der Wiener Klassik ausgewählt, die beide ursprünglich für andere Instrumente entstanden sind. So erweist sich die Serenade op. 41 als die Klavierbearbeitung eines Stückes, das Ludwig von Beethoven ursprünglich für Flöte, Violine und Viola geschrieben hatte. Franz Schubert komponierte seine Sonate a-moll "Arpeggione" D 821 für "guitar d'amour", eine Art Kreuzung zwischen Gitarre und Violoncello. Dieses kuriose Instrument verschwand nach wenigen Jahren wieder aus dem Musikleben, und das hübsche Stück gilt seitdem als eine Domäne der Cellisten und auch der Bratscher.
Christian Mattick beweist, dass sich dieses Repertoire auch hervorragend für Flöte eignet. Er setzt auf einen strahlend schönen, beseelten Ton, und Mathias Huth begleitet kongenial. Nahezu unmerklich vollzieht sich in der Schubert-Sonate eine Entwicklung von der Melancholie des Beginns bis zur melodiösen Heiterkeit des Finales. Ganz besonders im Mittelsatz, einem verhältnismäßig kurzen Adagio, lässt Mattick seine Flöte singen - wunderschön!
Die Beethoven-Serenade hingegen rückt ihre Interpretation hörbar in die Nähe zu Haydn - und dort gehört das frühe Stück wohl auch hin. Eine stimmungsvolle und zugleich ob ihrer musikalischen Kompetenz beeindruckende CD, die man gern öfters anhört. Chapeau!
Donnerstag, 19. November 2009
Piano Songs - Silke Avenhaus (Avi-Music)
Das erklärte Ziel der Pianistin Silke Avenhaus ist es, "auf dem Klavier zu singen". Für diese Einspielung hat sie sich ein Programm ausgesucht, an dem sich dieses Ideal perfekt umsetzen lässt. Denn sie kombiniert Franz Liszts Bearbeitungen von Schubert-Liedern mit "Liedern ohne Worte" von Felix Mendelssohn Bartholdy.
"Mendelssohn hat mit seinen Liedern ohne Worte [...] Stimmungsbilder geschaffen, Schubert hat darüber hinaus Seelenlandschaften ausgebreitet", merkt Avenhaus dazu an. Liszt hat diese Stücke vergleichsweise milde modifiziert; dramatische Zuspitzung und virtuose Mätzchen halten sich bei seinen Schubert-Bearbeitungen im Rahmen.
Auf dieser CD wechseln sich die Werke beider Komponisten ab. Avenhaus hat mit Sorgfalt nach Stücken gesucht, die sich in der musikalischen Gestaltung ebenso wie im Ausdruck ähnlich sind. So kombiniert sie Schuberts "Der Wanderer" und Mendelssohns op. 62 Nr. 3, bekannt auch als "Trauermarsch", oder auch das berühmte "Gretchen am Spinnrade" mit op. 67 Nr. 4, unüberhörbar das "Spinnerlied". In solchen Werk-Paaren lotet die Pianistin Gemeinsamkeiten und Unterschiede aus. Dabei wird der Zuhörer viele Entdeckungen machen.
Er wird aber auch bedauern, dass Avenhaus sich darauf beschränkt, melodische Linien aufzuzeigen, und darüber nur zu oft versäumt, musikalische Struktur diesseits der "Melodiestimme" zu gestalten. So versinkt vieles, was man eigentlich hören möchte, im undefinierbaren Mulm eilig dahinströmender Arpeggien und Akkordblöcke. Das gilt weniger für den Schubert, der Avenhaus ganz offensichtlich liegt, als insbesondere für die "Lieder ohne Worte". Sie nicht romantisierend als Vortragsstücke für die höhere Tochter interpretieren zu wollen, ist ein ehrbarer, aber leider kein hinreichender Vorsatz. Dieses fehlende vertikale Gestaltungsvermögen deutet darauf hin, dass Avenhaus zwar eine gute Pianistin ist - aber im Vergleich zur allerersten Liga fehlt dann möglicherweise doch ein Stück.
Jakub Jan Ryba: Czech Christmas Mass (Deutsche Grammophon)
"Ich hatte gerade mein Studium beendet, es war eine wunderbare Zeit in meinem Leben. Ich reiste durch die Lande, sang in wunder-schönen Schlössern und Kirchen, darunter auch die, in der wir diese CD aufnahmen", erinnert sich Magdalena Kozena. 1998 spielte sie zusammen mit der Sopranistin Gabriela Eibenova, Tenor Jaroslav Brezina und Bass Michael Pospisil sowie der Capella Regia Musicalis unter Robert Hugo drei Pastorellas von Jakub Jan Ryba ein - und seine Böhmische Hirtenmesse, in Tschechien zur Weihnachtszeit so unverzichtbar wie bei uns Bachs Weihnachtsoratorium.
Die Sänger - durchweg solide "klassisch" ausgebildet - nehmen sich zurück, und das bekommt dem Werk ungemein gut: "Man muss die Messe schlicht und ohne Vibrato singen, wie ein Volkslied", erläutert Kozena. Begleitet wird schwungvoll auf historischen Instrumenten.
Diese Aufnahme begeistert durch ihre ungeheure Musikalität und Musizierlust. Wer den Geist der Weihnacht sucht - beim Anhören dieser CD bekommt er eine Ahnung davon, warum dieses Fest immer noch etwas ganz besonderes ist. Und man möchte mit den böhmischen Hirten zur Krippe eilen...
Donnerstag, 12. November 2009
Händel: Arien; Rolando Villazón (Deutsche Grammophon)
Ein klassisch-lyrisch ausgebildeter Tenor, der bisher vor allem durch Aufnahmen "unter Volldampf" aufgefallen ist, singt Händel? Doch spätestens beim dritten Stück, "Pastorello d'un povero armento" aus der Oper "Rodelinda", wird der Zuhörer begeistert nicken. Denn hier ist Leichtigkeit gefordert - und das tut Villazóns Stimme hörbar gut.
Diese CD zeigt, welche enormes Potential dieser Sänger hat - und welch wundervolles Piano. Das ist in der Tat eine große Überraschung. Denn in Arien aus "Serse", aus "La Ressurrezione" und aus "Tamerlano" klingt sein Tenor schlank und strahlend. Ausdruck und Intensität sind Villazóns Stärken. So erzeugt die Sterbeszene des Bajazet, ohnehin eine der berückendsten Partien der Operngeschichte überhaupt, beim Hörer Gänsehaut. Dazu trägt auch das Orchester seinen Part bei. Die Gabrieli Players unter Paul McCreesh musizieren souverän, und geleiten den Sänger mit ihrer ausgeprägten Klangsprache.
Vielleicht sollte Villazón generell das Fach wechseln, und sich stärker der Alten Musik zuwenden. Ich jedenfalls habe den Eindruck, dass dieses Repertoire ihm liegt - und seiner Stimme gut tut, was man von den bisherigen Arien-Alben leider nicht uneingeschränkt behaupten konnte.
Mittwoch, 11. November 2009
Portrait Christoph Genz - Songs and Arias (Berlin Classics)
Diese CD stellt einen Sänger vor, der seit Jahren im Geschäft ist, und bereits mit vielen namhaften Orchestern und Dirigenten musiziert hat. Dennoch erweist sich die Compilation als Überraschung. Denn sie offenbart die überragende gestalterische wie gesangs-technische Brillanz von Christoph Genz.
Der gebürtige Erfurter begann seinen künstlerischen Werdegang, in bester mitteldeutscher Gesangstradition, als Thomaner. Danach studierte er Musikwissenschaft am King's College in Cambridge, und Gesang an der Musikhochschule Leipzig. Genz singt einen strahlenden lyrischen Tenor; er verfügt über eine klare, farbenreiche Stimme.
Der gebürtige Erfurter begann seinen künstlerischen Werdegang, in bester mitteldeutscher Gesangstradition, als Thomaner. Danach studierte er Musikwissenschaft am King's College in Cambridge, und Gesang an der Musikhochschule Leipzig. Genz singt einen strahlenden lyrischen Tenor; er verfügt über eine klare, farbenreiche Stimme.
Die vorliegende CD bringt zunächst englische und deutsche Lautenlieder des 17. Jahrhunderts - schön gesungen, aber einen Tick zu brav. Aufhorchen aber lassen seine Interpretationen von Bach-Kantaten, insbesondere der Solokantate "Ich Armer Mensch, Ich Sündenknecht" BWV 55. Genz beeindruckt nicht nur durch sein herrliches Timbre. Der sichere Einsatz der stimmlichen Mittel ermöglicht ihm insbesondere ein nuancenreiches, ausdrucksvolles Piano, um das ihn so mancher Kollege beneiden dürfte.
Mit drei Kanzonetten Haydns und der "Abendempfindung" Mozarts präsentiert sich der Tenor zudem als ein begnadeter Liedersänger. Genz gestaltet alle Stücke stilsicher und intelligent. Nicht nur darin erinnert er an Peter Schreier. Bislang aber gehört er nicht zu den Stars - warum eigentlich nicht?
Dienstag, 10. November 2009
Pergolesi: Stabat Mater / Orfeo (Arte Verum)
Donnerwetter, die legen aber los! Sopranistin Barbara Hendricks, Mezzo Ulrika Tenstam und das Drottningholms Barockensemble musizieren, dass der Staub der Jahrhunderte hinwegfliegt. Affektive Klangsprache, Musik als Reflex und als Mittel zur Reflexion - Pergolesis Stück freilich lädt dazu ein. Die Instrumentalisten musizieren mit Esprit und mit Leidenschaft. Und die beiden Sängerinnen gestalten klug, was der Komponist ihnen aufgeschrieben hat. Auch der "Orfeo", eine Cantate da Camera, gesungen von Barbara Hendricks, erweist sich als hörenswert.
Diese Aufnahme ist perfekt - aber sie hat eine Schwäche, die hier nicht verschwiegen werden soll: Sie wird von Frauenstimmen gesungen, die auf Operngesang trainiert sind. Wer mit Vibrato und mit einem entsprechenden Stimmvolumen leben kann, der wird diese Aufnahme sicherlich lieben. Wer Alte Musik lieber mit schlanken Stimmen hören möchte, der wird wohl nach wie vor lieber die Einspielung mit René Jacobs und dem Concerto Vocale aus dem Regal holen.
Steve Hackett: Tribute (Edel Records)
Steve Hackett, vormals Gitarrist von Genesis, beweist, dass er auch "richtige" Musik kann. "Tribute", so programmatisch der Name seiner CD, zollt er Klassikern wie Bach, Byrd, Segovia, Barrios, Rodrigo oder Granados.
Und das ziemlich eigenwillig. Denn Hackett beschränkt sich nicht darauf, schlicht Stücke vorzutragen. Er bearbeitet sie, verfremdet sie, folgt ihnen im Geiste - oder komponiert gleich ganz selbst, in der Auseinandersetzung mit dem Werk des jeweils solcherart Geehrten. Und zu jedem Stück gibts im Booklet noch ein launiges Sprüchlein - zum Prelude BWV 999 beispielsweise notierte Hackett. "Obwohl dieses Stück lediglich eine Minute lang ist, gelingt es Bach, damit mehr zu sagen als die meisten Komponisten in ihrem ganzen Leben."
Der Musiker kann sich ein solches Urteil erlauben, denn seine CD ist wesentlich mehr als nur ein Virtuosenstückchen. Grundsolide musiziert wird hier freilich auch; dass die CD obendrein auf Klangräume aus der Schellack-Zeit gestylt wurde, mag als persönliche Note durchgehen.
Montag, 9. November 2009
Die schönsten Kinderlieder; Heike Makatsch & derhundmarie (Diogenes)
Volkstümliche Hitparade für das Kinderzimmer: Fröhliche Rums-Wums-Arrangements, und dazu ein Gesang, dass man schon vom Anhören Halsschmerzen bekommt. Die lieben Kleinen freilich sehen das etwas anders: "Grün ja grün sind alle meine Kleider", jodelt es wenig später begeistert aus den Betten.
Ich fürchte, dass ich diese CD noch oft werde ertragen müssen. Nun ja. Geschmack ist bekanntlich relativ. Und nach einer Woche "bitte nochmal" ist man zudem geneigt, selbst dann aus dem Zimmer zu flüchten, wenn Nigel Kennedy die Lerche aufsteigen lässt...
Ich fürchte, dass ich diese CD noch oft werde ertragen müssen. Nun ja. Geschmack ist bekanntlich relativ. Und nach einer Woche "bitte nochmal" ist man zudem geneigt, selbst dann aus dem Zimmer zu flüchten, wenn Nigel Kennedy die Lerche aufsteigen lässt...
Mittwoch, 21. Oktober 2009
Mozart: Piano Concertos No. 23, K488 & No. 24, K491; Mitsuko Uchida (Decca)
Mitsuko Uchida hat gemeinsam mit dem Cleveland Orchestra zwei berühmte und bekannte Klavierkonzerte Mozarts eingespielt. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn die Pianistin führt ihre Mitmusiker vom Steinway aus.
Uchida atmet "ihren" Mozart. Sie lässt den Flügel wie auch die Orchesterinstrumente singen. Betont wird die musikalische Phrase, das Sangliche; mitunter wird recht "gefühlig" musiziert. Auch hätte man sich etwas mehr dynamische Differenzierung gewünscht.
Mozart kommt hier recht romantisch daher. Das sei nicht verschwiegen. Doch all das verzeiht man Uchida gern, denn in erster Linie bewirkt ihre Interpretation, dass das Werk durchhörbar wird bis ins kleinste Detail. Die Mittelstimmen erklingen ausgesprochen klar und deutlich; und auch die Bläser erfreuen mit manch delikater Linie. Viele schöne Melodien, die üblicherweise gerne im allgemeinen Orchesterklang untergehen. Je öfter man diese CD anhört, desto mehr derartige "Kleinigkeiten" entdeckt man - und man ist erfreut. Wer schon Weihnachtsgeschenke sucht - hier ist eines, das empfohlen werden kann.
Samstag, 17. Oktober 2009
Handel: Organ Concertos, op. 4; Ottavio Dantone, Accademia Bizantina (L'Oiseau Lyre)
Um Publikum zu seinen Oratorien-Aufführungen zu locken, erfand Händel - der ja auch ein gewiefter Geschäftsmann war - eine gänzlich neue Gattung: Das Orgelkonzert, eingeleitet vom Meister höchstpersönlich mit einem freien Präludium, erklang als Zwischenaktmusik, und begeisterte das anspruchsvolle Londoner Publikum. Das ist kein Wunder, denn die Musik ist ebenso virtuos wie eingängig. Und während die Oratorien heute nur noch Insidern bekannt sind, erfreuen sich die Orgelkonzerte wieder enormer Beliebtheit.
Eine Neueinspielung derart populärer Stücke ist immer auch ein Risiko. Denn nur dann, wenn die Interpreten wirklich etwas zu sagen haben, wird die CD tatsächlich gekauft. Bei der vorliegenden Aufnahme jedoch dürfte die Gefahr gering sein, dass sie wie Blei im Regal liegen bleibt. Das liegt zum einen an dem schlanken, frischen Klang des Ensembles, das in kleinster Besetzung musiziert. Dantone selbst entschied sich für ein kleines Orgelpositiv im böhmischen Stil, einmanualig, ohne Pedal und mit lediglich sechs Registern, aus der Werkstatt des Dresdener Orgelbauers Kristian Wegscheider.
Der Organist und seine Mitmusiker haben zudem den Mut und die technischen Fähigkeiten, Händels Partituren so zu lesen, wie sie einst gedacht waren: Als Skizzen, versehen mit reichlich Fragezeichen, Stichwort: "ad libitum". Ihre Lösungen sind ausgesprochen akzeptabel; Dantone gelingen schöne kleine Präludien, die den Charakter des folgenden Stückes bestens treffen. So hört man diese CD mit Vergnügen. Und als augenzwinkernde Verneigung vor dem Meister wurden die Stücke obendrein in der Kirche St. Bartholomäus zu Halle/Saale eingespielt; dort war Händels Großvater seinerzeit Pfarrer.
Eine Neueinspielung derart populärer Stücke ist immer auch ein Risiko. Denn nur dann, wenn die Interpreten wirklich etwas zu sagen haben, wird die CD tatsächlich gekauft. Bei der vorliegenden Aufnahme jedoch dürfte die Gefahr gering sein, dass sie wie Blei im Regal liegen bleibt. Das liegt zum einen an dem schlanken, frischen Klang des Ensembles, das in kleinster Besetzung musiziert. Dantone selbst entschied sich für ein kleines Orgelpositiv im böhmischen Stil, einmanualig, ohne Pedal und mit lediglich sechs Registern, aus der Werkstatt des Dresdener Orgelbauers Kristian Wegscheider.
Der Organist und seine Mitmusiker haben zudem den Mut und die technischen Fähigkeiten, Händels Partituren so zu lesen, wie sie einst gedacht waren: Als Skizzen, versehen mit reichlich Fragezeichen, Stichwort: "ad libitum". Ihre Lösungen sind ausgesprochen akzeptabel; Dantone gelingen schöne kleine Präludien, die den Charakter des folgenden Stückes bestens treffen. So hört man diese CD mit Vergnügen. Und als augenzwinkernde Verneigung vor dem Meister wurden die Stücke obendrein in der Kirche St. Bartholomäus zu Halle/Saale eingespielt; dort war Händels Großvater seinerzeit Pfarrer.
Vivaldi: Violinkonzerte; Daniel Hope (Deutsche Grammophon)
Mit dem Chamber Orchestra of Europe hat Daniel Hope vier Violinkonzerte von Antonio Vivaldi eingespielt, plus die Sonate "La Follia", und die Arie "Sovvente il sole" aus der Serenade "Andromeda Liberata" mit einer hübschen Partie für Violino obligato. Dieses Kabinettstückchen, das die Ruhe nach dem Sturm preist, wird von Anne Sofie von Otter gesungen, und ist ohne Zweifel der Höhepunkt der CD. Ansonsten bleibt der Eindruck blass: Das ist alles hochvirtuos, penibel gespielt, aber seltsam leblos. Zu gut durchdacht, zu glatt durchgestylt, zu brav und zu perfekt. Weniger schöne Töne und etwas mehr Leidenschaft hätten dieser Musik gut zu Gesicht gestanden, zumal im ersten Konzert, mit seinem scheinbaren Tohuwabohu, oder in der tänzerisch-ausdrucksstarken "Follia". Tut mir leid, aber diese CD lässt mich einschlafen. Und je öfter ich sie mir anhöre, desto weniger begeistert sie mich.
Donnerstag, 15. Oktober 2009
Wilhelm Friedemann Bach: Six Duets F54-59; Omar Zoboli, Sergio Delmastro (Stradivarius)
Duette gehören quasi zwangsweise zum Repertoire eines jeden Bläsers. Denn er lernt daran, typischerweise im Zusammenspiel mit seinem Lehrer. Wenn man solche Stücke auf CD bringen will, dann gehört viel Mut dazu, ein überaus solides Handwerk - und ein Feuerwerk an musikalischen Ideen. Sonst wird auch der geduldigste Zuhörer seine gute Laune einbüßen.
Bei dieser CD besteht diese Gefahr nur zum Teil. Das liegt zum einen daran, dass Omar Zoboli - Oboe, Oboe d'Amore, Englischhorn und Sopransaxophon - und Sergio Delmastro - Klarinetten in B und A sowie Bassethorn - ausgesprochen virtuos musizieren, und die Klangfarben ihrer Instrumente sehr geschickt einsetzen. Zum anderen wurden, wohl aus dramaturgischen Gründen, die Duette umsortiert. Das längste Stück steht am Beginn, und es ist in der Tat auch dasjenige mit gewissen Längen. Ansonsten verspricht die CD erstaunlich viel Kurzweil - der "Hallesche Bach" hat seinerzeit, ursprünglich für zwei Querflöten, kleine Stückchen komponiert, die einige Überraschungen aufbieten.
Bach: Harpsichord Concertos; Accademia Bizantina, Ottavio Dantone (L'Oiseau Lyre)
Ottavio Dantone und seine Accademia Bizantina - in Minimalbesetzung, diesmal nur als Streichquartett, verstärkt durch einen Kontrabass - haben vier Cembalokonzerte von Bach eingespielt. Der Komponist gilt mit diesen Werken für Streicher und Tasteninstrument als einer der Väter des Klavierkonzertes.
Davon ist hier freilich noch nichts zu spüren; die Cembalokonzerte, entstanden zumeist als Bearbeitungen anderer Stücke, sind hochvirtuos und setzen in ihrer musikalischen Substanz voll auf die Klangmöglichkeiten sowie die Spieltechnik des Instrumentes. Wer sich daran wagt, der muss sich warm anziehen. Dantone ist diesem Experiment bestens gewachsen. Und der schlanke Klang, den er mit seinen Streichern produziert, bekommt den Werken gut. Hier weht ein frischer Wind, und er weht offenbar jede Menge Staub hinweg. Das Ergebnis jedenfalls kann überzeugen.
Dienstag, 13. Oktober 2009
Haydn: 11 Piano Sonatas; Alfred Brendel (Decca)
Alfred Brendel spielt Haydn - und da hört man plötzlich Wiener Klassik. Das liegt nicht nur an der Auswahl dementsprechender Werke. In dieser Interpretation gibt es nichts Gefälliges; statt Charme und Eleganz entdeckt Brendel Dramatik. Die Tempi sind überwiegend forsch. Gespielt wird virtuos; allzu melodiöses, singendes Spiel vermeidet der Pianist.
Gelegentlich aber vermeint man, eine Spur Ironie zu entdecken. Ist es die des Komponisten, der sich über musikalische Klischees amüsiert und manche Figur, manche Wendung überzieht? Oder ist es der Interpret, der darüber schmunzeln muss? In jedem Falle bietet diese Box mit vier CD etliche Stunden feinster Klaviermusik. Und dank Haydns Einfallsreichtum wird das auch niemals langweilig.
Sonntag, 11. Oktober 2009
Edition Fischer-Dieskau Vol. IV; Beethoven: Lieder, Brahms: Lieder (Audite)
Als Mittzwanziger hat Dietrich Fischer-Dieskau diese Lieder von Beethoven und Brahms eingespielt, 1951 und 1952 in Studio von Rias in Berlin. Donnerwetter! Das muss ihm erst einmal jemand nachmachen. Eine solche Intelligenz und Reife in der Gestaltung, eine derart souveräne Beherrschung der stimmlichen Mittel! und zudem die Gabe des gemeinsamen Musizierens mit der Pianistin Hertha Klust - sie atmet mit dem Sänger mit, er nimmt auf, was das Klavier anstimmt, und trägt es im Gesang weiter. Diese frühe Aufnahme hat schon alles, was den Bariton in späteren Jahren zu einer Legende werden ließ - völlig zu recht: Davon gern mehr!
Revisited - Joseph Haydn: Klavierwerke; Ragna Schirmer (Berlin Classics
Hier also kommt sie nun, die musikalische Meterware. U-Musik aus dem 18. Jahrhundert, komponiert für zarte Damenhände, geschaffen zum Amüsement im Salon. Haydn allerdings wahrt ein gewisses Niveau selbst bei diesen klingenden Galanterien, die seinerzeit bestimmt dem Kontostand des Künstlers (und seines Musikverlegers) ebenso behagt haben werden wie der Fortepiano spielenden Damenwelt. Kunst geht nach Brot, und das ist ja auch keine Schande.
Dass man die zwei CD dennoch rundum mit Vergnügen anhört, ist Ragna Schirmer zu verdanken. Die Pianistin geht mit Neugier daran, Haydns Sonaten, Variationen und Menuette zu erkunden: "Mich interessiert, wie man in der damaligen Zeit wohl verziert hat", erläutert Schirmer. "Es ist schwer, mit so wenigen Tönen umzugehen. Für mich macht aber dies das Spannende und die Herausforderung aus. Selbst wenn es bei Haydn einstimmig wird, steckt in dieser einen Linie so viel. Und das muss man mit Leben und Intensität füllen." Ragna Schirmer spielt die kleinen Stücke mit Esprit und Witz. Auch eine große Portion Virtuosität sowie ihr ausgeprägter Sinn für Klangfarben tun Haydns Werken gut. So kommt letztendlich keine Langeweile auf - das freilich ist bei reichlich anderthalb Stunden Musik "à l'usage des Dames" schon große Klavierkunst.
Mittwoch, 23. September 2009
Bach Concertos; Julia Fischer (Decca)
Diese CD lässt schon bei den ersten Takten aufhorchen: Mit soviel Schwung, Energie und Hingabe hat man Bach selten gehört. Bachs Doppelkonzert spielt Fischer gemeinsam mit Alexander Sitkovetsky, das Konzert für Oboe und Violine in c-moll mit Andrey Rubtsov. Das passt perfekt, wie schnell deutlich wird.
Denn diese Einspielung überzeugt vom ersten bis zum letzten Ton - durch ihre Frische ebenso wie durch das perfekte Zusammenspiel der Solisten und der Academy of St Martin in the Fields. Da wird nicht brilliert und brav begleitet, es wird gemeinsam musiziert, beinahe kammermusikalisch. Bachs Musik tut das erstaunlich gut. So werden Details hörbar, die zwar in der Partitur stehen, aber üblicherweise irgendwo im Mittelstimmen-Mulm versacken. Fischer setzt auf Dynamik, und auf Klangfarben - schlank, klar und klug differenziert. Von dieser jungen Musikerin wird man noch viel hören; mit ihrer Virtuosität und Intelligenz kann sie schon heute den Großen ihres Faches durchaus das Wasser reichen.
Samstag, 19. September 2009
Johann Adolf Hasse: Miserere / Salve Regina / Te Deum (Berlin Classics)
Hasse gehörte zu den Stars des 18. Jahrhunderts. Heute sind seine Werke nahezu vergessen - zu unrecht, wie die vorliegende CD beweist. Diese Musik ist wunderbar. Einmal mehr zeigt Ludwig Güttler mit seinen "Virtuosi Saxoniae", dass in den europäischen Archiven noch viele Schätze schlummern, deren Wiederentdeckung lohnt. Das "Salve Regina" beispielsweise ist überaus anspruchsvoll. Die Altistin Elisabeth Wilke aber hat an den hohen Anforderungen hörbar Vergnügen. Auch Katherina Müller, Ulrike Staude, Gerald Hupach und Wolf Matthias Friedrich sowie das Ensemble "Ars Vocalis", bestehend aus Mitgliedern des Chores der Semperoper Dresden, musizieren engagiert und klangschön. Eine Aufnahme, die man nur empfehlen kann.
Freitag, 11. September 2009
Händel: Arien; Danielle de Niese (Decca)
Die australische Sopranistin Danielle de Niese hat für ihr Album "starke Heldinnen" ausgesucht und "intelligente Charaktere". Zu ihrer Persönlicheit dürfte dies ohne Zweifel passen. Zur Stimme der jungen Sängerin, einem lyrischen Sopran reinsten Wassers, passt dies aber leider meistens nicht. Sehr hübsch gelingen ihr die Arien aus "Apolle e Dafne", "Armadigi di Gaula" und "Semele". Doch Partien wie Medea, Armida oder Cleopatra brauchen mehr Volumen, als ihr derzeit zur Verfügung steht. Die Sängerin versucht, das über Vibrato auszugleichen - zum Teil sogar in den Koloraturen, die dadurch unsauber und verwischt klingen. Das ist kein Hörvergnügen - auch Les Arts Florissants können mit ihrer perfekten Begleitung da nichts retten.
Händel: Die Klaviersuiten; Ragna Schirmer (Berlin Classics)
"Man muß lernen, was zu lernen ist, und dann seinen eigenen Weg gehen." Was seinerzeit Georg Friedrich Händel, geboren in Halle/Saale, anmerkte, das hat Berlin Classics sinnigerweise, sozusagen als Geleitwort, diesen drei CD vorangestellt. "Ich bin mit Bach großgeworden und habe dreimal erfolgreich am Bach-Wettbewerb teilgenommen", berichtet Ragna Schirmer. "Die Stimmführung, die Perfektion der horizontalen Linien wie der vertikalen Struktur ist bei Bach einzigartig. Demzufolge beziffert und notiert er seine Werke mit absoluter Genauigkeit." Händel hingegen, als Virtuose ebenso erfolgreich wie als Komponist und als Geschäftsmann, hat oftmals nur Skizzen hinterlassen. Ragna Schirmer hat sie mit Leben erfüllt - und wie! Sie spielt die "Suites de Pièces pour le Clavecin", geschrieben also eigentlich für Cembalo, auf einem modernen Konzertflügel. Und sie nutzt dessen Klangmöglichkeiten aus, keine Frage. Dennoch wird sie mit ihrer Interpretation Händel rundum gerecht; der Altmeister wäre mit der Pianistin, die Halle zu ihrer Wahlheimat erkoren hat, wahrscheinlich sehr zufrieden gewesen. Schirmer hat über jedes einzelne Stück offenbar lange nachgedacht - und schließlich Interpretationen gefunden, die überzeugen. Sie kommen sehr schlicht daher, ohne gefälligen romantischen Puderzucker, sehr geradlinig und auf den Punkt. Das Wunder geschieht: Diese Musik atmet. Und sie ist von einer Leichtigkeit und Heiterkeit, die begeistert. Für diese geballte Ladung Allemanden, Sarabanden, Couranten und Menuette, geschrieben wohl oftmals als Übungsstücke für Klavierschüler, ist das eine ganze Menge.
Donnerstag, 10. September 2009
Mozart: The Violin Concertos; Giuliano Carmignola (Deutsche Grammophon)
Drei Jahre lang konzertierten Claudio Abbado, Giuliano Carmignola und das Mozart-Orchester - und nun haben sie Mozarts Violinkonzerte sowie die "Sinfonia Concertante" auch für die Deutsche Grammophon eingespielt. Das muss sehr viel Arbeit gemacht haben, denn diese Aufnahme ist dynamisch außerordentlich differenziert. Man könnte sie allerdings auch als maniriert bezeichnen, zumal fast durchweg überaus rasante Tempi gewählt werden. Mozart im Schnellzug, Akzentchen hier, niedliches kleines Echo da - mein Fall ist das nicht.
Heinrich Schütz: Musikalische Exequien; Schütz-Akademie (Berlin Classics)
"Nacket bin ich vom Mutterleibe kommen, nacket werde ich dahinfahren", wusste Heinrich Reuß Posthumus, Herrscher in dem thüringischen Provinzstädtchen Gera nebst Umgebung. Mehrmal hatte der Dreißigjährige Krieg sein Ländchen gestreift; dass alles Irdische vergänglich ist, das hatten die Menschen damals täglich vor Augen. Und den Tod auch. Mit eigener Hand notierte Heinrich jene Bibelsprüche, die er auf seinen Sarg gemalt haben wollte - und von dem damals weithin berühmten Heinrich Schütz, geboren im benachbarten Bad Köstritz, und seinem Landesherrn lebenslang eng verbunden, wünschte er sich obendrein eine Vertonung, als Trauermusik. Die Schütz-Akademie, ein loser Zusammenschluss von Musikern, die sich vor allem der Musik von Komponisten aus Mitteldeutschland verschrieben haben, hat unter der Leitung von Howard Arman die "Musikalischen Exequien" nebst weiteren zeitgenössischen Begräbnismusiken eingespielt. Eine Aufnahme von hoher Perfektion, man staunt - es ist, als ob die Engel selber singen...
Beethoven: Piano Concertos Nos. 2 & 4; Mikhail Pletnev (Deutsche Grammophon)
"Beethoven-Aufführungen wirken oft wie ein Mausoleum, ein monumentales Denkmal. Vermutlich behandelt man den Komponisten aus großer Ehrfurcht so, aber diese Haltung hat auch etwas Negatives", meint Mikhail Pletnev. Mit dem von ihm gegründeten Russischen Nationalorchester ging er daran, alle Sinfonien und Klavierkonzerte des Titanen einzuspielen. Und was hier zu hören ist, das überrascht. Zum einen deshalb, weil die Konzerte nicht pathetisch zelebriert werden, sondern klingen wie improvisiert - sie wirken frisch und lebendig. Auch faszinieren Pletnevs sangliche Gestaltung, und sein perfektes Zusammenspiel mit dem Orchester. So macht Beethoven Spaß - diese CD möchte man immer wieder hören...
Montag, 10. August 2009
amor profano - Vivaldi Arias - Simone Kermes (Deutsche Grammophon)
Nach "amor sacro", einer CD mit Motetten von Vivaldi, legt Simone Kermes nun ein weiteres Album vor mit durchaus weltlichen Arien des Venezianers. Obwohl auch sie vom Venice Baroque Orchestra unter Andrea Marcon begleitet wird, unterscheidet sich diese Einspielung grundlegend von der Kozenas. Die Kermes beginnt furios, steigert sich, angefeuert durch das Orchester, bald zum Orkan, und zeigt nur in einigen wenigen Stücken, dass sie auch spannungsvolle, langsame Tempi durchaus zu gestalten vermag. In diesen Arien ist sie stark. Zwar gelingen ihr auch die schnellsten Koloraturen bestechend sauber. Doch mit der Strahlkraft der melodischen Stücke können die rasanten nicht durchweg mithalten. Man mag nicht hören, dass Singen Arbeit ist - und nicht daran denken, dass es tausender Stunden Tonleiterstudien bedarf, bis die Töne in einem solchen Tempo treffsicher perlen. Ein gewisses metallisches Timbre in der Höhe mag als Gestaltungsmittel durchgehen. -- Die stärkste CD der Kermes ist dies ganz sicher nicht.
Magdalena Kozena - Vivaldi (Deutsche Grammophon)
Ein Vater, der seiner Frau befohlen hat, sich selbst und seinen Sohn zu töten. Eine Mutter, die nicht nur von ihrem Mann verstoßen und aus dem Palast verjagt wird, sondern just in diesem Moment obendrein die Entführung ihres Sohnes beobachten muss. Ein junger Mann, der einen Befehl nicht befolgt hat, und nun im Gefängnis sitzt und seine Hinrichtung erwartet. Mit Leidenschaft spürt Mezzosopranistin Magdalena Kozena Menschen in Extremsituationen nach, und in Vivaldis Opern wurde sie reichlich fündig. Sie erweist sich als Meisterin der Melancholie, zeigt aber zugleich in einigen Stücken, dass sie auch die rasante Tour durchaus beherrscht. Der Bartoli freilich, der seinerzeit mit ihrem Vivaldi-Album der große Durchbruch gelang, mit ihrem Temperament und mit ihrem dunklen Timbre, liegt dies wohl besser. Magdalena Kozenas Stärke liegt hörbar in der großen, schmerzlichen Linie, spannungsgeladen, stimmungsvoll. Andrea Marcon und das Venice Baroque Orchestra tragen sie dabei, verzichten aber keineswegs darauf, eigene Akzente zu setzen. So entsteht ein in der Summe grandioses Album, das man immer wieder hören möchte.
Händel: Wassermusik - Concerto Köln (Berlin Classics)
Am 17. Juli 1717 ließ sich George I. von England von Whitehall nach Chelsea rudern. Und wer in London damals auf sich hielt, der setzte alles daran, den König auf dieser Lustpartie zu begleiten. Diese freilich wäre längst vergessen, wenn nicht auch ein Schiff mit Musikern unterwegs gewesen wäre, die drei eigens zu diesem Anlass komponierte Suiten spielten. Sie gefielen dem König so gut, dass er sie zweimal wiederholen ließ, berichten die Zeitungen.
Nicht nur dem König sagten die knackigen Musikstücke zu - Händels "Wassermusik", benannt nach dem Anlass ihrer Erstaufführung, gehört sozusagen zu den Klassikern der U-Musik. Und das Concerto Köln, bekannt als Spezialist für historische Aufführungspraxis, bläst und fegt in der vorliegenden Interpretation erstaunlich viel Staub davon. So lustvoll musiziert, so beschwingt dahingleitend, so leicht, spritzig und elegant hat man das noch nicht gehört. Da sitzt jeder Ton, da stimmt jeder Bogenstrich, und auch die Hörner zeigen sich jeglicher Herausforderung bestens gewachsen. Und als Zugabe bringt die CD noch zwei Sinfonien in B-Dur, entstanden wohl in jungen Jahren. Sehr erfreulich!
Nicht nur dem König sagten die knackigen Musikstücke zu - Händels "Wassermusik", benannt nach dem Anlass ihrer Erstaufführung, gehört sozusagen zu den Klassikern der U-Musik. Und das Concerto Köln, bekannt als Spezialist für historische Aufführungspraxis, bläst und fegt in der vorliegenden Interpretation erstaunlich viel Staub davon. So lustvoll musiziert, so beschwingt dahingleitend, so leicht, spritzig und elegant hat man das noch nicht gehört. Da sitzt jeder Ton, da stimmt jeder Bogenstrich, und auch die Hörner zeigen sich jeglicher Herausforderung bestens gewachsen. Und als Zugabe bringt die CD noch zwei Sinfonien in B-Dur, entstanden wohl in jungen Jahren. Sehr erfreulich!
Sonntag, 19. Juli 2009
La Diva - Handel: Arias for Cuzzoni (Berlin Classics)
"Es scheint, als habe Händel diese Arien nicht nur für die Cuzzoni geschrieben, sondern auch für mich", scherzt Simone Kermes. Denn als die Leipziger Sopranistin ihre Händel-Lieblingsarien für diese CD auswählte, musste sie feststellen, dass der Komponist sie seinerzeit alle für Francesca Cuzzoni, eine der Starsolistinnen seiner Zeit, geschrieben hatte. Das Album zeigt das ganze Spektrum menschlicher Leidenschaften - Liebe und Verführung, Hoffnung, Zorn, Trotz, Hass, Rachsucht, Verzweiflung und Todesahnung. Kermes ist ihnen allen gewachsen. Die Sängerin begeistert mit locker perlenden, stets sicher geführten Koloraturen ebenso wie mit großen Bögen und lyrischem Schmelz. Egal, wie furios sie agiert - Timbre und Intonation sind in jeder Situation unter Kontrolle. Gigantisch! Chapeau! Soviel Stimmkultur macht einfach Freude. Die Lautten Compagney Berlin begleitet Kermes mit Feingefühl und auch mit Temperament. Bravi!
Samstag, 18. Juli 2009
Haydn in London - La Gaia Scienza (Winter & Winter)
Als Haydn seine Stelle bei Fürst Esterhazy verloren hatte, reiste er 1791 zu Konzerten nach London. Dort hatte er enormen Erfolg: In London brach - wenn man Zeitgenossen glauben darf - ein regelrechtes Haydn-Fieber aus. Diese CD lässt ahnen, warum. Mein Haydn-Bild jedenfalls hat sie vom Kopf auf die Füße gestellt, erweist sich der Komponist doch keineswegs als Meister des Galant-Routinierten, sondern als Mann mit Humor, der für einen geistreichen Scherz immer zu haben ist. Das gilt nicht nur für "The Surprise", hierzulange bekannt als Sinfonie mit dem Paukenschlag - und auf der CD zu hören in einer Adaption für Fortepiano, Flöte, Violine und Violoncello. Auch die Klaviertrios sind überaus delikate Kabinettstückchen. Marco Brolli, Traversflöte, Stefano Barneschi, Violine, Paolo Beschi, Violoncello, und Federica Valli, Fortepiano, musizieren, dass es eine Freude ist. Besondere Überraschung: Der Klang des Hammerklaviers, erbaut 2005 von Andrea Restelli in Mailand nach einem Vorbild von Ludwig Dulcken aus den 1790er Jahren - und so erstaunlich wandlungsfähig, so perfekt im Zusammenspiel mit der Flöte! Historische Instrumente öffnen mitunter ganz erstaunliche Klangräume.