Ein außergewöhnliches Ensemble ist auf dieser CD zu hören: Schwesterhochfuenf - das sind tatsächlich fünf Schwestern, und gelegentlich singt zusätzlich noch ein Bruder mit.
Monika, Agnes, Franziska, Maria und Cordula sowie Hans Tschuschke singen Abendlieder und Gedichtvertonungen. Einige Arrangements wurden speziell für die jungen Damen komponiert. Die Schwestern bezeichnen sich charmant als Laienmusikerinnen. Das mag bei der Gesangstechnik sowie beim Stimmklang stimmen - aber bei der Programmgestaltung und der harmonischen, stets lupenreinen Interpretation wird erkennbar, dass die Sängerinnen von Schwesterhochfuenf durchaus über Konzerterfahrung verfügen.
"Wir kommen aus einem musikbegeisterten Elternhaus, haben lange Jahre in der Mädchenkantorei am Bamberger Dom gesungen und hatten im Jahr 2004 die Idee zu einem ersten Konzert", berichten die Sängerinnen im Beiheft zu dieser CD. Das Ensemble hat mittlerweile etliche Programme erarbeitet, und damit zahlreiche Preise gewon- nen, so 2009 einen ersten Preis beim Bayerischen Chorwettbewerb und einen dritten Preis sowie einen Sonderpreis der Hamelstiftung beim Deutschen Chorwettbewerb. 2012 haben die Geschwister als ausgewähltes Ensemble an einem Meisterkurs mit John Potter teilgenommen, einem ehemaligen Mitglied des Hilliard Ensembles.
Dass diese CD dem Abend und der Nacht gewidmet ist, das ist nur konsequent: "Seit es Schwesterhochfuenf gibt, beschließen wir jedes Konzert mit einem Abendlied", erläutern die Sängerinnen im Beiheft. Schon das Wort Mond erweckt Kindheitserinnerungen - "an die große Mondkarte im Treppenhaus unseres Großvaters, seinerzeit Professor für Astronomie. Ihm verdanken wir auch den rationalen Blick durchs Fernrohr in den Nachthimmel auf der Suche nach Jupiter- monden und Andromedanebel. So ist der Mondaufgang für uns beides: naturwissenschaftliches Spektakel und inniger Moment." So sind auch auf dieser CD romantische Klänge - Verstohlen geht der Mond auf im Chorsatz von Johanns Brahms - und klangliche Experi- mente vereint.
Denn die Schwestern lieben es, moderne Chormusik zu erkunden, und sie geben auch selbst Werke in Auftrag. Da kann es dann durchaus zu Klängen kommen, wie sie Florina Karl, ein Chorkollege aus Regens- burg, in seiner Version von Verstohlen geht der Mond auf dem Quintett in den Hals gelegt hat. Sein Ziel war es, den absolut mögli- chen Tonumfang der Sängerinnen auszureizen und jede von ihnen auch mit solistischen Aufgaben zu betrauen. Das führt dann zu Tönen, die man eher Fledermäusen zuschreiben würde - und zeigt auf, dass ein Laienensemble stimmlich in der Tat auch an Grenzen gelangen kann. Von solchen Kuriositäten abgesehen, ist dieses Album aber durchaus hörenswert.
Sonntag, 28. April 2013
Amarcord: Folks & Tales (Raumklang)
Mit diesem Album hat das Leipzi- ger Ensemble Amarcord erneut einen großen Wurf gelandet. Es gehört wenig Phantasie dazu, vorherzusagen, dass Folks & Tales nicht nur die Fans des Vokalquin- tetts begeistern wird.
Amarcord besteht nunmehr seit 20 Jahren. Konzertreisen haben Wolfram und Martin Lattke, Frank Ozimek, Daniel Knauft und Holger Krause in über 50 Länder geführt. Die Sänger haben dabei, als Refe- renz an ihr Publikum, oftmals auch Volkslieder aus der betreffenden Region in ihre Programme aufgenommen.
17 derartige "Folksongs" haben sie nun auf dieser CD zusammengetra- gen. Die ohnehin eingängigen Lieder erklingen in hinreißenden und farbenfrohen Arrangements, die speziell für die fünf Sänger entstan- den sind. Sie sind kein bisschen sentimental und volkstümelnd, sondern pfiffig und mitunter mit ihren Anleihen bei Pop und Jazz sogar etwas kühn.
Die Reise führt rund um die Welt, von Deutschland über Amerika und Australien, die Philippinen, Thailand, Korea und Japan, Kuba und Ghana, Israel, Sardinien, Irland und Schweden, Lettland und Russ- land bis nach Böhmen. Man folgt dem Quintett dabei gern. Denn die fünf Sänger von Amarcord sind perfekt aufeinander eingespielt. Das Ensemble beeindruckt durch seinen homogenen, ausgewogenen Klang - und durch Charme und Humor. Bravi! und mehr davon.
17 derartige "Folksongs" haben sie nun auf dieser CD zusammengetra- gen. Die ohnehin eingängigen Lieder erklingen in hinreißenden und farbenfrohen Arrangements, die speziell für die fünf Sänger entstan- den sind. Sie sind kein bisschen sentimental und volkstümelnd, sondern pfiffig und mitunter mit ihren Anleihen bei Pop und Jazz sogar etwas kühn.
Die Reise führt rund um die Welt, von Deutschland über Amerika und Australien, die Philippinen, Thailand, Korea und Japan, Kuba und Ghana, Israel, Sardinien, Irland und Schweden, Lettland und Russ- land bis nach Böhmen. Man folgt dem Quintett dabei gern. Denn die fünf Sänger von Amarcord sind perfekt aufeinander eingespielt. Das Ensemble beeindruckt durch seinen homogenen, ausgewogenen Klang - und durch Charme und Humor. Bravi! und mehr davon.
Samstag, 27. April 2013
Homilius: Markuspassion (Carus)
Gottfried August Homilius (1714 bis 1785) kam im Alter von acht Jahren nach Dresden, wo er an der Dresdner Annenschule lernte. Ab Mai 1735 studierte er Jura in Leipzig. Musikalisch muss er da schon ziemlich versiert gewesen sein, denn er vertrat den Organi- sten der Nikolaikirche beim Generalbass-Spiel - und könnte möglicherweise sogar die Thoma- ner begleitet haben, die dort unter ihrem Kantor Johann Sebastian Bach gesungen haben. Homilius soll auch selbst ein Schüler Bachs gewesen sein.
1742 wurde er Organist an der Dresdner Frauenkirche, 1755 Kreuz- kantor. Die Kreuzkirche allerdings wurde 1760 im Siebenjährigen Krieg zerstört, so dass Homilius mit den Kruzianern in der Frauen- und in der Sophienkirche musizierte. Zu seinen Schülern zählen Johann Adam Hiller und Johann Friedrich Reichardt. Homilius' Werke waren sehr beliebt und weit verbreitet; Carl Philipp Emanuel Bach beispielsweise hat sie in Hamburg aufgeführt. Kurioserweise sind die Abschriften zumeist auch die einzigen Quellen. Denn nach Homilius' Tod haben die Erben sämtliche Musikalien verkauft. Und so ist kaum eines seiner Werke autograph überliefert.
Die Markuspassion widmete Homilius der preußischen Prinzessin Anna Amalia. Die Schwester Friedrichs des Großen liebte die Musik; sie komponierte selber, und hat unter anderem Carl Heinrich Graun zu seinem berühmten Passionsoratorium Der Tod Jesu inspiriert. Auch in Dresden wurden damals solche "modernen" Werke aufgeführt, die nur noch aus reflektierenden, Andacht und Gefühl ansprechenden Texten bestehen.
Die Passionen "alter Art", die auf den Bericht des Evangelisten setzen, und ihn durch Chöre, Choräle und Arien ergänzen, waren zu Homilius' Zeiten aus der Mode geraten. Der Kreuzkantor aber verwendet dieses traditionelle Formmodell - und er folgt auch in seiner Musik keines- wegs nur dem Zeitgeschmack.
Die Theoretiker der Empfindsamkeit forderten Schlichtheit und Ein- gängigkeit: Musik soll den Hörer unmittelbar berühren; die "alten", barocken Werke wurden als kompliziert und gekünstelt empfunden. Homilius zeigt mit seiner Markuspassion, wie man auf kunstvolle Weise "einfache" Melodien schreiben kann. Dem Komponisten geht es nicht um die dramatische Zuspitzung, sondern um Reflexion. Die Rezitative sind nüchtern, aber elegant. Die Arien sind rar; sie sind melodiös und für den Zuhörer leicht fassbar. Die Texte verweisen auf den Tod Jesu als Heilsgeschehen. Zeilen aber wie "Ihr spottet und wollt Christen heißen / und sklavisch euch den Lastern weihn? / Wie Töpfe wird er euch zerschmeißen; / und er wird groß und herrlich sein." dürften beim Publikum heute eher Schmunzeln als Andacht hervorrufen. Die Textdeutung hat Homilius weitgehend dem Orchester übertragen. Am deutlichsten wird das in der Begleitung der Arien hörbar, mit einer bewundernswerten Instrumentierung.
Die Turbachöre sind erstaunlich lang und expressiv. Und die Choräle reflektieren das Passionsgeschehen, nicht anders als bei Bach. Fritz Näf hat mit seinen Basler Madrigalisten hier eine nicht übermäßig dankbare Aufgabe, denn der Part des Chores ist nicht sonderlich umfangreich. Die Solisten sind im Bereich der "Alten" Musik überwiegend etabliert. Monika Mauch, Ruth Sandhoff, Hans Jörg Mammel und Thomas Laske fügen sich perfekt in den schlanken, durch feine Nuancen geprägten Gesamtklang ein. Auch das Orchester L'arpa festante erweist sich einmal mehr als versierter Partner der Sänger. Das hört man gern. Und es ist kaum zu glauben, doch die vorliegende Aufnahme dieses Werkes ist die Weltersteinspielung.
1742 wurde er Organist an der Dresdner Frauenkirche, 1755 Kreuz- kantor. Die Kreuzkirche allerdings wurde 1760 im Siebenjährigen Krieg zerstört, so dass Homilius mit den Kruzianern in der Frauen- und in der Sophienkirche musizierte. Zu seinen Schülern zählen Johann Adam Hiller und Johann Friedrich Reichardt. Homilius' Werke waren sehr beliebt und weit verbreitet; Carl Philipp Emanuel Bach beispielsweise hat sie in Hamburg aufgeführt. Kurioserweise sind die Abschriften zumeist auch die einzigen Quellen. Denn nach Homilius' Tod haben die Erben sämtliche Musikalien verkauft. Und so ist kaum eines seiner Werke autograph überliefert.
Die Markuspassion widmete Homilius der preußischen Prinzessin Anna Amalia. Die Schwester Friedrichs des Großen liebte die Musik; sie komponierte selber, und hat unter anderem Carl Heinrich Graun zu seinem berühmten Passionsoratorium Der Tod Jesu inspiriert. Auch in Dresden wurden damals solche "modernen" Werke aufgeführt, die nur noch aus reflektierenden, Andacht und Gefühl ansprechenden Texten bestehen.
Die Passionen "alter Art", die auf den Bericht des Evangelisten setzen, und ihn durch Chöre, Choräle und Arien ergänzen, waren zu Homilius' Zeiten aus der Mode geraten. Der Kreuzkantor aber verwendet dieses traditionelle Formmodell - und er folgt auch in seiner Musik keines- wegs nur dem Zeitgeschmack.
Die Theoretiker der Empfindsamkeit forderten Schlichtheit und Ein- gängigkeit: Musik soll den Hörer unmittelbar berühren; die "alten", barocken Werke wurden als kompliziert und gekünstelt empfunden. Homilius zeigt mit seiner Markuspassion, wie man auf kunstvolle Weise "einfache" Melodien schreiben kann. Dem Komponisten geht es nicht um die dramatische Zuspitzung, sondern um Reflexion. Die Rezitative sind nüchtern, aber elegant. Die Arien sind rar; sie sind melodiös und für den Zuhörer leicht fassbar. Die Texte verweisen auf den Tod Jesu als Heilsgeschehen. Zeilen aber wie "Ihr spottet und wollt Christen heißen / und sklavisch euch den Lastern weihn? / Wie Töpfe wird er euch zerschmeißen; / und er wird groß und herrlich sein." dürften beim Publikum heute eher Schmunzeln als Andacht hervorrufen. Die Textdeutung hat Homilius weitgehend dem Orchester übertragen. Am deutlichsten wird das in der Begleitung der Arien hörbar, mit einer bewundernswerten Instrumentierung.
Die Turbachöre sind erstaunlich lang und expressiv. Und die Choräle reflektieren das Passionsgeschehen, nicht anders als bei Bach. Fritz Näf hat mit seinen Basler Madrigalisten hier eine nicht übermäßig dankbare Aufgabe, denn der Part des Chores ist nicht sonderlich umfangreich. Die Solisten sind im Bereich der "Alten" Musik überwiegend etabliert. Monika Mauch, Ruth Sandhoff, Hans Jörg Mammel und Thomas Laske fügen sich perfekt in den schlanken, durch feine Nuancen geprägten Gesamtklang ein. Auch das Orchester L'arpa festante erweist sich einmal mehr als versierter Partner der Sänger. Das hört man gern. Und es ist kaum zu glauben, doch die vorliegende Aufnahme dieses Werkes ist die Weltersteinspielung.
Montag, 22. April 2013
Spohr: Doppelkonzerte - Musik am Gothaer Hof (Es-Dur)
Die Pflege musikalischer Traditio- nen wird beim Landessinfonie- orchester Thüringen, heute Thüringen Philharmonie Gotha, groß geschrieben. Zu den Namen, die vom Glanz der einstigen Hofkapelle in den zurückliegenden Jahrhunderten künden, zählt auch der von Louis Spohr ( 1784 bis 1859). Der Geiger, der nach seinem Debüt 1804 im Leipziger Gewand- haus als bedeutendster deutscher Violinvirtuose gefeiert wurde, wirkte von 1805 bis 1812 in der thüringischen Residenzstadt. Der junge Musiker wurde durch Herzo- gin Caroline Amalie von Sachsen-Gotha zum Konzert- und Kapell- meister der Hofkapelle berufen.
In Gotha organisierte er öffentliche Konzerte, Musikfeste und Konzertreisen, er musizierte, dirigierte, unterrichtete, und fand trotz dieser Vielzahl von Aufgaben noch die Zeit zum Komponieren. Auf dieser CD erklingen zwei sogenannte Concertanten, Doppelkonzerte für zwei Violinen bzw. Violine und Violoncello und Orchester, aus den Jahren 1808 und 1803, sowie ein Potpourri für diese Solo-Instrumen- te und Orchester, in dem Spohr 1823 Themen aus seiner Oper Jesson- da verarbeitete. Das sind Raritäten, die man so leicht sonst nirgends hören kann.
Die Musik ist kraftvoll, romantisch und heiter - Unterhaltung im besten Sinne, und die Solisten Antje Weithaas und Mila Georgieva, Violine, und Michael Sanderling, Violoncello, setzen Spohrs Werke mit Virtuosität und Temperament in bestes Licht.
In Gotha organisierte er öffentliche Konzerte, Musikfeste und Konzertreisen, er musizierte, dirigierte, unterrichtete, und fand trotz dieser Vielzahl von Aufgaben noch die Zeit zum Komponieren. Auf dieser CD erklingen zwei sogenannte Concertanten, Doppelkonzerte für zwei Violinen bzw. Violine und Violoncello und Orchester, aus den Jahren 1808 und 1803, sowie ein Potpourri für diese Solo-Instrumen- te und Orchester, in dem Spohr 1823 Themen aus seiner Oper Jesson- da verarbeitete. Das sind Raritäten, die man so leicht sonst nirgends hören kann.
Die Musik ist kraftvoll, romantisch und heiter - Unterhaltung im besten Sinne, und die Solisten Antje Weithaas und Mila Georgieva, Violine, und Michael Sanderling, Violoncello, setzen Spohrs Werke mit Virtuosität und Temperament in bestes Licht.
Sonntag, 21. April 2013
Williams: Greatest Hits (Telos Music)
Moderne Musik gilt üblicherweise als sperrig und unerfreulich. Steht ein zeitgenössisches Werk auf dem Programm, so löst dies beim Publi- kum oftmals eine Massenflucht aus. Ist sie nicht möglich, so er- zeugt dies Unmut.
In Metropolen ist den Musikern das zumeist ziemlich egal. In ländlichen Regionen aber kann ein anhaltender Zuhörerschwund durchaus dazu führen, dass der Kapellmeister gehen muss - oder clevere Politiker das Orchester gleich ganz "einsparen". Wie gelingt es einem Orchester in einem solchen Umfeld, Gegenwartsmusik in seine Konzertprogramme ein- zubinden - und damit erfolgreich zu sein?
Evan Christ, seit 2008 Generalmusikdirektor und somit Leiter des Philharmonischen Orchesters am Staatstheater Cottbus, ist es gelungen, dort sogar einen "composer in residence" zu etablieren, und acht Uraufführungen in acht Konzerten vorzustellen. Für die Saison 2010/2011 erhielt das Orchester die Auszeichnung "Bestes Konzertprogramm" des Deutschen Musikverleger-Verbandes e.V.
Im Januar 2010 hatte das Ensemble erstmals zu einer John-Williams-Gala eingeladen - "vom Publikum euphorisch gefeiert", wie Martin Schüler, der Intendant des Staatstheaters Cottbus, im Beiheft zu dieser CD versichert. Sie ist dann offensichtlich ein Jahr später entstanden - und wer seine Freude an Star Wars, Harry Potter, E.T. oder an Indiana Jones hat, der wird diese Melodien natürlich sofort wiedererkennen.
Für seine Filmmusiken hat John Williams, nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit Steven Spielberg und George Lucas, mittlerweile fünf Oscars bekommen, zudem war er sagenhafte fünfundvierzigmal für den Preis nominiert. Der Komponist hat einen eigenen, sehr typischen Stil mit einem hohen Wiedererkennungswert entwickelt - und ganze Generationen von Kinogängern kennen seine Melodien. "Wie viele von uns bin ich mit der Musik von John Williams aufge- wachsen", zeigt sich auch Evan Christ begeistert von diese Klängen: "Seitdem ich Dirigent bin, wollte ich immer diese gigantische Musik dirigieren. Die Gelegenheit das hat sich erst in Cottbus ergeben." Das Programm bietet eine stimmungsvolle Auswahl aus Williams' Sound- tracks, von Der weiße Hai bis zu Harry Potter und die Kammer des Schreckens, engagiert gespielt vom Philharmonischen Orchester des Staatstheaters Cottbus.
In Metropolen ist den Musikern das zumeist ziemlich egal. In ländlichen Regionen aber kann ein anhaltender Zuhörerschwund durchaus dazu führen, dass der Kapellmeister gehen muss - oder clevere Politiker das Orchester gleich ganz "einsparen". Wie gelingt es einem Orchester in einem solchen Umfeld, Gegenwartsmusik in seine Konzertprogramme ein- zubinden - und damit erfolgreich zu sein?
Evan Christ, seit 2008 Generalmusikdirektor und somit Leiter des Philharmonischen Orchesters am Staatstheater Cottbus, ist es gelungen, dort sogar einen "composer in residence" zu etablieren, und acht Uraufführungen in acht Konzerten vorzustellen. Für die Saison 2010/2011 erhielt das Orchester die Auszeichnung "Bestes Konzertprogramm" des Deutschen Musikverleger-Verbandes e.V.
Im Januar 2010 hatte das Ensemble erstmals zu einer John-Williams-Gala eingeladen - "vom Publikum euphorisch gefeiert", wie Martin Schüler, der Intendant des Staatstheaters Cottbus, im Beiheft zu dieser CD versichert. Sie ist dann offensichtlich ein Jahr später entstanden - und wer seine Freude an Star Wars, Harry Potter, E.T. oder an Indiana Jones hat, der wird diese Melodien natürlich sofort wiedererkennen.
Für seine Filmmusiken hat John Williams, nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit Steven Spielberg und George Lucas, mittlerweile fünf Oscars bekommen, zudem war er sagenhafte fünfundvierzigmal für den Preis nominiert. Der Komponist hat einen eigenen, sehr typischen Stil mit einem hohen Wiedererkennungswert entwickelt - und ganze Generationen von Kinogängern kennen seine Melodien. "Wie viele von uns bin ich mit der Musik von John Williams aufge- wachsen", zeigt sich auch Evan Christ begeistert von diese Klängen: "Seitdem ich Dirigent bin, wollte ich immer diese gigantische Musik dirigieren. Die Gelegenheit das hat sich erst in Cottbus ergeben." Das Programm bietet eine stimmungsvolle Auswahl aus Williams' Sound- tracks, von Der weiße Hai bis zu Harry Potter und die Kammer des Schreckens, engagiert gespielt vom Philharmonischen Orchester des Staatstheaters Cottbus.
Donnerstag, 18. April 2013
Tessarini: Sonates pour violon et clavecin (Calliope)
Pedrona hatte mit seinem Ensem- ble Guidantus bereits die Violin- konzerte op. 1 eingespielt. Hier erklingen nun die VI Sonate à violino o flauto traversiere e cembalo op. 14, die Carlo Tessarini selbst auf das Jahr 1748 datiert. Die beiden Solisten haben zudem noch drei Sonaten aus Tessarinis op. 2 hinzugefügt, die entsprechen- de Sammlung ist 1720 in Amsterdam im Druck erschienen. Man wird feststellen, dass die Sonaten des Komponisten deutlich origineller und künstlerisch reifer sind als seine Violinkonzerte.
"Tessarini chiede al solista un sicuro controllo della tecnica fino alle posizioni acute, una buona capacità di fraseggio, la conoscenza dell'ornamentazione indicata e sottintesa, una vivace articolazione; il classico ,armamentario tecnico' proprio do ogni buon violinista della metà del XVIII secolo", schreiben die Musiker in dem Beiheft zu dieser CD.
Das würde wohl jeder Geiger für jede Art von Musik bestätigen. Was man sich hier allerdings doch wünschen würde, das wäre ein echtes Miteinander-Musizieren der beiden Solisten. Denn im 18. Jahrhun- dert war eine Violinsonate noch kein Solostück für Violine und Begleitung, so wie man das aus späteren Jahrhunderten kennt. Selbst Haydn und Mozart schrieben noch Werke, die sie als Sonate per pianoforte con accompagnamento di violino bezeichneten.
Es gilt also, die Passagen zu identifizieren, wo die Violine ein "echtes" Solo spielt. Dort darf sie gern dominieren. Doch wo das Cembalo diese Funktion hat, sollte die Geige deutlich zurücktreten, und dem Cemba- lo viel mehr Raum lassen. Das würde auch dynamisch eine wesentlich stärkere Differenzierung mit sich bringen. Varietas delectat; der Zu- hörer wird dafür dankbar sein.
Mittwoch, 17. April 2013
Hasse: Didone abbandonata (Naxos)
Johann Adolph Hasse (1699 bis 1783) schrieb Didone abbando- nata 1742 anlässlich des Geburts- tages des polnischen Königs und sächsischen Kurfürsten August III. Die Oper erzählt die Geschichte der Didone, der verwitweten Königin von Karthago, die, von Enea ver- lassen und von dem afrikanischen König Iarba bedrängt, letztendlich in den Tod geht.
Das Werk ist insofern eine Rarität, als es auf das lieto fine, das für die Opera seria doch recht typisch ist, verzichtet - Textdichter Pietro Metastasio wagte sich hier einmal an einen tragischen Schluss.
Hasse war mit dem Dichter eng befreundet, und vertonte etliche seiner Libretti. Die beiden Künstler hatten sich in Italien kennen- und schätzengelernt, wo Hasse, der Sohn eines Organisten aus Bergedorf bei Hamburg, von 1722 bis 1725 bei Nicola Porpora und Alessandro Scarlatti seine musikalische Ausbildung vervollständigte. In Neapel begann dann Hasses Karriere als Opernkomponist, die ihn schließlich als Hofkapellmeister nach Dresden führte. In Neapel heiratete Hasse auch die Sängerin Faustina Bordoni.
Für diese Sopranistin, die in ganz Europa gefeiert wurde, komponierte Hasse die Partie der Didone - es ist also eine schwierige Aufgabe, die die junge Sängerin Theresa Holzhauser achtbar meistert. Valer Barna-Sabadus ist in der Rolle des Iarba zu hören. Der junge Countertenor hat die halsbrecherischen Koloraturen des afrikanischen Königs bereits auf seiner Solo-CD "Hasse reloaded" vorgetragen - hier singt er sie noch einmal, live, ebenso souverän und nun ergänzt auch um die Rezitative. Wie er in seiner letzten Arie buchstäblich in den Trümmern steht, siegreich, und doch statt eines Triumphgesanges ein Klagelied anstimmt, das ist großes Kino.
Die Partie des Enea übernahm Flavio Ferri-Benedetti, ebenfalls ein Countertenor. Dieser Held wird durch Hasses Musik entblättert, er erweist sich als ein Feigling und als eitler Gockel; der Sänger macht dies auch hörbar. Selene, die Schwester Didones, singt Magdalena Hinterdobler. Araspe, den Vertrauten Iarbas, singt Maria Celeng. Und als Osmida, Didones machtgieriger General, der zu Iarba überläuft, ist der Bariton Andreas Burkhart zu hören.
Lautes Gepolter erinnert den Zuschauer daran, dass es sich bei dieser Aufnahme um einen Live-Mitschnitt handelt. Die Inszenierung dürfte, wenn man die Bühnengeräusche recht interpretiert, wohl ziemlich bewegungsintensiv gewesen sein. Den Opernfreund wird das nicht weiter stören, denn Didone abbandonata war gut 240 Jahre lang überhaupt nicht auf der Bühne präsent. Und es war eine Hochschul- aufführung der Bayerischen Theaterakademie August Everding 2011 im Prinzregententheater München, der wir die Wiederentdeckung dieses Werkes verdanken. Insofern sind kleine Schwächen einiger Sänger absolut zu entschuldigen.
Begleitet werden die jungen Gesangssolisten durch die Hofkapelle München unter der Leitung von Michael Hofstetter. Den Einsatz des Orchesters kann man nicht genug loben - nicht nur, weil es phantas- tisch spielt. Rüdiger Lotter, der Konzertmeister dieses Ensembles, hatte die Oper aufgespürt, und die Hasse-Gesellschaft München war dabei behilflich, das Notenmaterial nach der Handschrift, die sich in Venedig befindet, für eine Aufführung verfügbar zu machen. Besten Dank dafür - und vielleicht inspiriert diese Einspielung ja dazu, auch die anderen Opern Hasses auf die eine oder andere Bühne zu bringen. Das wäre wirklich wünschenswert.
Das Werk ist insofern eine Rarität, als es auf das lieto fine, das für die Opera seria doch recht typisch ist, verzichtet - Textdichter Pietro Metastasio wagte sich hier einmal an einen tragischen Schluss.
Hasse war mit dem Dichter eng befreundet, und vertonte etliche seiner Libretti. Die beiden Künstler hatten sich in Italien kennen- und schätzengelernt, wo Hasse, der Sohn eines Organisten aus Bergedorf bei Hamburg, von 1722 bis 1725 bei Nicola Porpora und Alessandro Scarlatti seine musikalische Ausbildung vervollständigte. In Neapel begann dann Hasses Karriere als Opernkomponist, die ihn schließlich als Hofkapellmeister nach Dresden führte. In Neapel heiratete Hasse auch die Sängerin Faustina Bordoni.
Für diese Sopranistin, die in ganz Europa gefeiert wurde, komponierte Hasse die Partie der Didone - es ist also eine schwierige Aufgabe, die die junge Sängerin Theresa Holzhauser achtbar meistert. Valer Barna-Sabadus ist in der Rolle des Iarba zu hören. Der junge Countertenor hat die halsbrecherischen Koloraturen des afrikanischen Königs bereits auf seiner Solo-CD "Hasse reloaded" vorgetragen - hier singt er sie noch einmal, live, ebenso souverän und nun ergänzt auch um die Rezitative. Wie er in seiner letzten Arie buchstäblich in den Trümmern steht, siegreich, und doch statt eines Triumphgesanges ein Klagelied anstimmt, das ist großes Kino.
Die Partie des Enea übernahm Flavio Ferri-Benedetti, ebenfalls ein Countertenor. Dieser Held wird durch Hasses Musik entblättert, er erweist sich als ein Feigling und als eitler Gockel; der Sänger macht dies auch hörbar. Selene, die Schwester Didones, singt Magdalena Hinterdobler. Araspe, den Vertrauten Iarbas, singt Maria Celeng. Und als Osmida, Didones machtgieriger General, der zu Iarba überläuft, ist der Bariton Andreas Burkhart zu hören.
Lautes Gepolter erinnert den Zuschauer daran, dass es sich bei dieser Aufnahme um einen Live-Mitschnitt handelt. Die Inszenierung dürfte, wenn man die Bühnengeräusche recht interpretiert, wohl ziemlich bewegungsintensiv gewesen sein. Den Opernfreund wird das nicht weiter stören, denn Didone abbandonata war gut 240 Jahre lang überhaupt nicht auf der Bühne präsent. Und es war eine Hochschul- aufführung der Bayerischen Theaterakademie August Everding 2011 im Prinzregententheater München, der wir die Wiederentdeckung dieses Werkes verdanken. Insofern sind kleine Schwächen einiger Sänger absolut zu entschuldigen.
Begleitet werden die jungen Gesangssolisten durch die Hofkapelle München unter der Leitung von Michael Hofstetter. Den Einsatz des Orchesters kann man nicht genug loben - nicht nur, weil es phantas- tisch spielt. Rüdiger Lotter, der Konzertmeister dieses Ensembles, hatte die Oper aufgespürt, und die Hasse-Gesellschaft München war dabei behilflich, das Notenmaterial nach der Handschrift, die sich in Venedig befindet, für eine Aufführung verfügbar zu machen. Besten Dank dafür - und vielleicht inspiriert diese Einspielung ja dazu, auch die anderen Opern Hasses auf die eine oder andere Bühne zu bringen. Das wäre wirklich wünschenswert.
Locatelli: L'arte del violino - 24 Capricci (Newton)
Pietro Antonio Locatelli (1695 bis 1764) war einer der großen Violinvirtuosen. Er stammt aus Bergamo, wo er offenbar schon früh in der cappella musicale der Kirche Santa Maria Maggiore gespielt hat. 1711 ging der junge Musiker nach Rom; drei Jahre später berichtet er in einem Brief an seinen Vater, dass er in der Hauskapelle des Fürsten Michelan- gelo I. Caetani musiziert.
Wer ihn unterrichtet hat, das kann man nur vermuten - aber er muss in Rom, wie auch zuvor schon in Bergamo, exzellente Lehrer gefun- den haben. 1721 erschien in Amsterdam Locatellis erstes Werk im Druck, XII Concerti grossi op. 1, gewidmet Kardinal Camillo Cybo.
Locatelli muss durch halb Europa gereist sein, doch es gibt wenig Berichte über seine Auftritte; wer etwas über das Wirken des Vir- tuosen erfahren will, der muss in Hofjournalen, Kassenbüchern und privaten Aufzeichnungen mühsam nach seinen Spuren suchen. So lässt sich rekonstruieren, dass er 1727 in München weilte, und 1728 am preußischen Hof, in Frankfurt/Main und in Kassel musizierte. 1729 ließ sich der Geiger in Amsterdam nieder, wo er bis an sein Lebensende blieb. Er ließ dort seine Werke drucken, unterrichtete und musizierte gelegentlich im privaten Kreis.
Der Katalog seines Nachlasses verrät uns, dass Locatelli damit ein Vermögen erworben hat. Der Musiker besaß nicht nur Kleidung, Hausrat und Musikalien, sondern auch eine umfangreiche Bibliothek und zahlreiche Gemälde.
Die 24 Capricci, die Emmanuele Baldini 1998 eingespielt hat, sind Bestandteil von L'arte del violino op. 3. Es sind virtuose Zugaben zu den zwölf Violinkonzerten, die schon an sich ziemlich anspruchsvoll sind. Leider haben die Capricci später ein Eigenleben entwickelt, was man auch dieser Aufnahme anhört: Sie wurden als Etüden genutzt, und Generationen von Geigern haben an solchen Stücken Finger und Bogenführung perfektioniert - höher, schneller, weiter! Wer diese Werke so spielt, der wird ihnen aber nicht gerecht, und er wird sein Publikum langweilen, statt Faszination und Erstaunen auszulösen.
Wer ihn unterrichtet hat, das kann man nur vermuten - aber er muss in Rom, wie auch zuvor schon in Bergamo, exzellente Lehrer gefun- den haben. 1721 erschien in Amsterdam Locatellis erstes Werk im Druck, XII Concerti grossi op. 1, gewidmet Kardinal Camillo Cybo.
Locatelli muss durch halb Europa gereist sein, doch es gibt wenig Berichte über seine Auftritte; wer etwas über das Wirken des Vir- tuosen erfahren will, der muss in Hofjournalen, Kassenbüchern und privaten Aufzeichnungen mühsam nach seinen Spuren suchen. So lässt sich rekonstruieren, dass er 1727 in München weilte, und 1728 am preußischen Hof, in Frankfurt/Main und in Kassel musizierte. 1729 ließ sich der Geiger in Amsterdam nieder, wo er bis an sein Lebensende blieb. Er ließ dort seine Werke drucken, unterrichtete und musizierte gelegentlich im privaten Kreis.
Der Katalog seines Nachlasses verrät uns, dass Locatelli damit ein Vermögen erworben hat. Der Musiker besaß nicht nur Kleidung, Hausrat und Musikalien, sondern auch eine umfangreiche Bibliothek und zahlreiche Gemälde.
Die 24 Capricci, die Emmanuele Baldini 1998 eingespielt hat, sind Bestandteil von L'arte del violino op. 3. Es sind virtuose Zugaben zu den zwölf Violinkonzerten, die schon an sich ziemlich anspruchsvoll sind. Leider haben die Capricci später ein Eigenleben entwickelt, was man auch dieser Aufnahme anhört: Sie wurden als Etüden genutzt, und Generationen von Geigern haben an solchen Stücken Finger und Bogenführung perfektioniert - höher, schneller, weiter! Wer diese Werke so spielt, der wird ihnen aber nicht gerecht, und er wird sein Publikum langweilen, statt Faszination und Erstaunen auszulösen.
Dienstag, 16. April 2013
Division-Musick (Ramée)
Im Barock war es üblich, Musik aufwendig und virtuos mit Ver- zierungen auszustatten. Diese Ornamente wurden durch die Musiker improvisiert; wie sie ausgeführt wurden, das kann, je nach Vermögen der Musizierenden und abhängig von Ort und Zeit, höchst unterschiedlich klingen.
Diese CD stellt eine spezielle Variante solcher Auszierungen vor, die im 17. Jahrhundert in England, vor allem in der Gambenmusik, gebräuchlich und sehr beliebt war.
Den Namen Divison-Musick gab ihr Christopher Simpson (um 1605 bis 1669), der 1659 sogar ein Lehrbuch veröffentlichte, um Schülern den Zugang zu dieser speziellen Kunst zu erleichtern - The Division-Viol, or the Art of Playing upon a Ground. Darin erläutert Simpson, wie man über einer Bassmelodie, dem sogenannten Ground, zunächst einfache und langsame Melodien improvisiert, und daraus dann durch Diminution äußerst virtuose, schnelle und komplexe Klang- gebilde entwickelt.
Und weil nicht jeder Musiker in dieser Kunst gleichermaßen versiert war, haben einige Spezialisten solche kunstvollen Divisions auch bis ins Detail notiert. Wer heute diese Kunst kennenlernen will, der findet dort eine außerordentlich wertvolle Quelle. Jane Achtmann und Irene Klein, Gambenduo Musicke & Mirth, stellen auf dieser CD einige solcher Werke mustergültig vor. Dabei werden sie durch Amandine Beyer, Violine, und Johannes Strobl, Virginal und Orgel, unterstützt. Und man muss sich nicht unbedingt für die Details der historischen Verzierungspraxis interessieren, um dem Zauber dieser wunder- vollen Musik zu verfallen.
Diese CD stellt eine spezielle Variante solcher Auszierungen vor, die im 17. Jahrhundert in England, vor allem in der Gambenmusik, gebräuchlich und sehr beliebt war.
Den Namen Divison-Musick gab ihr Christopher Simpson (um 1605 bis 1669), der 1659 sogar ein Lehrbuch veröffentlichte, um Schülern den Zugang zu dieser speziellen Kunst zu erleichtern - The Division-Viol, or the Art of Playing upon a Ground. Darin erläutert Simpson, wie man über einer Bassmelodie, dem sogenannten Ground, zunächst einfache und langsame Melodien improvisiert, und daraus dann durch Diminution äußerst virtuose, schnelle und komplexe Klang- gebilde entwickelt.
Und weil nicht jeder Musiker in dieser Kunst gleichermaßen versiert war, haben einige Spezialisten solche kunstvollen Divisions auch bis ins Detail notiert. Wer heute diese Kunst kennenlernen will, der findet dort eine außerordentlich wertvolle Quelle. Jane Achtmann und Irene Klein, Gambenduo Musicke & Mirth, stellen auf dieser CD einige solcher Werke mustergültig vor. Dabei werden sie durch Amandine Beyer, Violine, und Johannes Strobl, Virginal und Orgel, unterstützt. Und man muss sich nicht unbedingt für die Details der historischen Verzierungspraxis interessieren, um dem Zauber dieser wunder- vollen Musik zu verfallen.
Gabrieli: Sacred Symphonies (Hyperion)
Mit diesem Album, das im vergan- genen Jahr erschienen ist, werden gleich mehrere Jubiläen würdig begangen: Vor vierhundert Jahren starb in Venedig Giovanni Gabrieli (1554 bis 1612). Er hatte bei seinem Onkel Andrea Gabrieli und bei Orlando di Lasso in München studiert, und wirkte als Organist an der Markuskirche. Zu seinen Schülern gehörte unter anderem Heinrich Schütz.
Gefeiert werden aber auch das 30jährige Bestehen von His Majestys Sagbutts & Cornetts sowie das 25jährige Jubiläum des Concerto Palatino. Und daher haben die beiden Bläserensembles gemeinsam mit den Sängern von Ex Cathedra unter Leitung von Jeffrey Skidmore eine ganze CD den Werken von Giovanni Gabrieli gewidmet. Das lohnt sich, denn die venezianische Mehrchörigkeit, die dieser Komponist in Vollendung einsetzte, bringt große Klangpracht mit sich.
"I have chosen to ,orchestrate' the music in many different ways, sometimes using continuo only for accompaniment, sometimes having solo voices with wind instruments taking other vocal lines, and of course sometimes using the full ensemble", erläutert Skidmore in dem informativen Beiheft zu dieser CD. "The brilliant vocal and instrumental colours and kaleidoscopic aural perspektives reveal music of extraordinary imagination, passion and subtlety. There is grandeur but also ravishing intimacy. You will be able to sit in the chancel of St Mark's, at the heart of the music, and imagine you are the doge!"
Gefeiert werden aber auch das 30jährige Bestehen von His Majestys Sagbutts & Cornetts sowie das 25jährige Jubiläum des Concerto Palatino. Und daher haben die beiden Bläserensembles gemeinsam mit den Sängern von Ex Cathedra unter Leitung von Jeffrey Skidmore eine ganze CD den Werken von Giovanni Gabrieli gewidmet. Das lohnt sich, denn die venezianische Mehrchörigkeit, die dieser Komponist in Vollendung einsetzte, bringt große Klangpracht mit sich.
"I have chosen to ,orchestrate' the music in many different ways, sometimes using continuo only for accompaniment, sometimes having solo voices with wind instruments taking other vocal lines, and of course sometimes using the full ensemble", erläutert Skidmore in dem informativen Beiheft zu dieser CD. "The brilliant vocal and instrumental colours and kaleidoscopic aural perspektives reveal music of extraordinary imagination, passion and subtlety. There is grandeur but also ravishing intimacy. You will be able to sit in the chancel of St Mark's, at the heart of the music, and imagine you are the doge!"
Montag, 15. April 2013
von Suppé: Requiem (Hänssler Profil)
Ein Requiem von Franz von Suppé? Es ist kaum zu glauben - aber dieser Komponist, den wir heute vor allem als Souverän im Reich der leichten Muse kennen, begann seine Laufbahn in der Kirchen- musik. Francesco Ezechiele Erme- negildo Cavaliere Suppè-Demelli (1819 bis 1895) entstammte einer Beamtenfamilie. Er sag schon als Kind im Chor der Kathedrale seiner Heimatstadt Split. Sein Vater hätte es gern gesehen, dass sich der Filius für einen handfesten Beruf entscheidet. Die Mutter aber erkannte seine Begabung, und sorgte dafür, dass Franz auch eine musikalische Ausbildung absolvieren durfte.
Der Vater bestand dennoch auf einem "richtigen" Studium - was dazu führte, dass der Sohn nach Padua ging, um Jura zu studieren, aber dort wohl mehr Zeit in der Oper verbrachte als an der Hochschule. Nach dem Tod des Vaters war schließlich der Weg zum Musikerberuf frei. Zwar ging Franz von Suppé zunächst nach Wien, um Medizin zu studieren. Doch lange blieb er nicht dabei, er wechselte bald ans Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde. Als - unbezahlter - dritter Kapellmeister am Theater in der Josefstadt konnte er dann erste Bühnenerfahrungen sammeln. Das kam ihm ab 1845 in seiner Tätigkeit am Theater an der Wien sowie am Carltheater zustatten - und der Komponist widmete sich fürderhin den Opern und Operetten sowie dem ganzen bunten Spektrum dessen, was man heute gern als Unterhaltungsmusik geringschätzt.
Das 1855 komponierte Requiem aber zeigt, dass Franz von Suppé musikalisch keineswegs ein Leichtgewicht war. Es erinnert deutlich an das Mozart-Requiem, aber wer genau hinhört, der wird feststellen, dass es sich keineswegs um eine Imitation handelt. Von Suppé ent- wickelt das Vorbild weiter - harmonisch, dynamisch, in den Klang- farben, und letzten Endes auch in seiner sehr individuellen Ausdeu- tung des Textes. Denn der Gott, mit dem der Komponist in seiner Musik Zwiesprache hält, wird nicht als Rex tremendae majestatis vorgestellt, sondern als gnädiger Gott, der das Salva me erhört. Im Kontrast zu den Ängsten und der Düsternis des irdischen Daseins zeichnet von Suppé eine himmlische Welt voll Klarheit und Harmo- nie.
Wuchtig und mit einer gehörigen Portion Italianitá hat die Philhar- monie Festiva unter der Leitung von Gerd Schaller dieses Requiem im Juli 2012 live im Kloster Ebrach vorgestellt. Es singen Marie Fajtová, Franziska Gottwald, Tomislav Muzek, Albert Pesendorfer und der Philharmonische Chor München. Die Solisten sind wirklich brillant, und dem Chor trägt man einige kleine Schwächen angesichts der Live-Situation nicht nach. Eine stimmungsvolle Aufnahme, die hier mit Nachdruck empfohlen wird.
Der Vater bestand dennoch auf einem "richtigen" Studium - was dazu führte, dass der Sohn nach Padua ging, um Jura zu studieren, aber dort wohl mehr Zeit in der Oper verbrachte als an der Hochschule. Nach dem Tod des Vaters war schließlich der Weg zum Musikerberuf frei. Zwar ging Franz von Suppé zunächst nach Wien, um Medizin zu studieren. Doch lange blieb er nicht dabei, er wechselte bald ans Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde. Als - unbezahlter - dritter Kapellmeister am Theater in der Josefstadt konnte er dann erste Bühnenerfahrungen sammeln. Das kam ihm ab 1845 in seiner Tätigkeit am Theater an der Wien sowie am Carltheater zustatten - und der Komponist widmete sich fürderhin den Opern und Operetten sowie dem ganzen bunten Spektrum dessen, was man heute gern als Unterhaltungsmusik geringschätzt.
Das 1855 komponierte Requiem aber zeigt, dass Franz von Suppé musikalisch keineswegs ein Leichtgewicht war. Es erinnert deutlich an das Mozart-Requiem, aber wer genau hinhört, der wird feststellen, dass es sich keineswegs um eine Imitation handelt. Von Suppé ent- wickelt das Vorbild weiter - harmonisch, dynamisch, in den Klang- farben, und letzten Endes auch in seiner sehr individuellen Ausdeu- tung des Textes. Denn der Gott, mit dem der Komponist in seiner Musik Zwiesprache hält, wird nicht als Rex tremendae majestatis vorgestellt, sondern als gnädiger Gott, der das Salva me erhört. Im Kontrast zu den Ängsten und der Düsternis des irdischen Daseins zeichnet von Suppé eine himmlische Welt voll Klarheit und Harmo- nie.
Wuchtig und mit einer gehörigen Portion Italianitá hat die Philhar- monie Festiva unter der Leitung von Gerd Schaller dieses Requiem im Juli 2012 live im Kloster Ebrach vorgestellt. Es singen Marie Fajtová, Franziska Gottwald, Tomislav Muzek, Albert Pesendorfer und der Philharmonische Chor München. Die Solisten sind wirklich brillant, und dem Chor trägt man einige kleine Schwächen angesichts der Live-Situation nicht nach. Eine stimmungsvolle Aufnahme, die hier mit Nachdruck empfohlen wird.
Sonntag, 14. April 2013
Schubert: Die schöne Müllerin; Schade, Buchbinder (Preiser Records)
Diese CD ist der Mitschnitt eines Konzertes, aufgezeichnet 2008 während des zweiten Musik-Festivals Grafenegg. Der Pianist Rudolf Buchbinder, der zugleich als künstlerischer Leiter dieses Musik- festes fungiert, hat an diesem Abend gemeinsam mit Kammer- sänger Michael Schade Schuberts Liederzyklus Die schöne Müllerin vorgetragen.
Ihre Werkauffassung erscheint zunächst recht konventionell. Doch schon bald wird hörbar, dass die beiden Solisten mitnichten vorhaben, hübsche Liederchen vorzu- stellen. Buchbinder lässt den Bach in seinem Klavierpart zunehmend bedrohlicher klingen. Das ist kein munteres Bächlein mehr, das Ge- wässer entwickelt mehr und mehr ein Eigenleben, und eine geradezu hypnotische Ausstrahlung. Auch Schade setzt alles daran, die Doppelbödigkeit dieser Idylle aufzuzeigen. Ein Liederabend mit Tiefgang, der das Publikum seinerzeit sehr beeindruckt haben dürfte.
Ihre Werkauffassung erscheint zunächst recht konventionell. Doch schon bald wird hörbar, dass die beiden Solisten mitnichten vorhaben, hübsche Liederchen vorzu- stellen. Buchbinder lässt den Bach in seinem Klavierpart zunehmend bedrohlicher klingen. Das ist kein munteres Bächlein mehr, das Ge- wässer entwickelt mehr und mehr ein Eigenleben, und eine geradezu hypnotische Ausstrahlung. Auch Schade setzt alles daran, die Doppelbödigkeit dieser Idylle aufzuzeigen. Ein Liederabend mit Tiefgang, der das Publikum seinerzeit sehr beeindruckt haben dürfte.
Gesualdo / Victoria: Responsories and Lamentations für Holy Saturday (Deutsche Grammophon)
Gegensätze ziehen sich an - mit diesen Worten könnte man das Konzept dieser CD umschreiben. Das Ensemble Tenebrae unter Nigel Short kombiniert ein Miserere sowie Vertonungen der Tenebrae-Responsorien für die Karwoche, die der italienische Komponist Carlo Gesualdo 1611 veröffentlicht hat, mit Lamenta- tiones für den Karsamstag, die Tomas Luis de Victoria 1585 ge- schrieben hat.
Während Gesualdo sich um Kon- ventionen wenig kümmert, und die liturgischen Texte konsequent mit musikalischen Mitteln ausdeutet - bis an die Grenzen der damals gülti- gen Regeln, das klingt selbst für uns heute mitunter noch kühn und wild -, glänzen die Klagegesänge seines Zeitgenossen in Schönheit und Ausgewogenheit: Makellose Melodien, ausgewogene Proportionen, perfekter Kontrapunkt. Das Ensemble Tenebrae singt ebenfalls makel- los, perfekt und ausgewogen. Das macht diese Aufnahme zu einem Hörgenuss, vom ersten bis zum letzten Ton.
Während Gesualdo sich um Kon- ventionen wenig kümmert, und die liturgischen Texte konsequent mit musikalischen Mitteln ausdeutet - bis an die Grenzen der damals gülti- gen Regeln, das klingt selbst für uns heute mitunter noch kühn und wild -, glänzen die Klagegesänge seines Zeitgenossen in Schönheit und Ausgewogenheit: Makellose Melodien, ausgewogene Proportionen, perfekter Kontrapunkt. Das Ensemble Tenebrae singt ebenfalls makel- los, perfekt und ausgewogen. Das macht diese Aufnahme zu einem Hörgenuss, vom ersten bis zum letzten Ton.
Samstag, 13. April 2013
Bach: Zanaida (Zig-Zag Territoires)
In Persien spielt die Oper Zanaide von Johann Christian Bach (1735 bis 1782). Der jüngste Sohn von Johann Sebastian Bach erhielt seine musikalische Ausbildung vor allem bei seinem Halbbruder Carl Philipp Emanuel Bach in Berlin. Stark beeindruckt hat ihn offenbar auch die Königliche Oper, die damals unter Hofkapellmeister Carl Heinrich Graun über ein exzellentes Ensemble verfügte und weithin gerühmt wurde. So wird es nicht überraschen, dass Johann Christian Bach bei seinem mehrjährigen Aufenthalt in Italien nicht nur Kirchenmusik komponierte, sondern auch erste Werke für die Opernbühne, die einigen Anklang fanden.
Der Kastrat Filippo Elisi, der in London am King's Theatre sang und Bach aus Mailand kannte, sorgte dafür, dass die Leitung des Hauses bei dem Komponisten zwei Opern in Auftrag gab. Also ging Johann Christian Bach 1762 nach London, wo er zunächst am King's Theatre dirigierte, und dann im nächsten Jahr vertragsgemäß seine Opern präsentierte - Orione und Zanaida.
Bereits im Juli 1763 schrieb Bach an seinen verehrten Lehrer Padre Martini, dass er nicht nach Italien zurückkehren werde. Das Organi- stenamt am Mailänder Dom gab er auf. Denn Königin Charlotte war auf den jungen Musiker aufmerksam geworden, und hatte ihn als music master engagiert. In dieser Position unterrichtete er die Queen im Gesang, komponierte für sie, organisierte und leitete die Kammer- konzerte des Königspaares, begleitete das Flötenspiel des Königs und überwachte die Ausbildung der Prinzessinnen und Prinzen. Der "Londoner Bach" war zeitweise zudem erfolgreich als Pianist und, gemeinsam mit dem Gambenvirtuosen Carl Friedrich Abel, als Konzertveranstalter. Dass das Geschäft als Impresario nicht ohne Risiko war, hatte allerdings schon Händel erleben müssen. So blieb Johann Christian Bach von Rückschlägen nicht verschont; auch einige seiner Opern fielen beim Publikum durch.
Die Handlung der Oper ist hanebüchen, Kabale und Liebe. Zur Festigung des soeben geschlossenen Friedens soll der persische König Tamasse Zanaida heiraten, die Tochter des türkischen Sultans Soliman. Doch der Herrscher liebt eine andere - Osira, die Tochter des türkischen Botschafters Mustafa, die als Geisel an seinem Hof lebt. Was also tun ? Schnell ist ein Ausweg gefunden: Zanaida wird beschuldigt, einen Anschlag auf den Herrscher geplant zu haben. Das wiederum erfährt Mustafa, der nun seinerseits bei der Hinrichtung der Braut Tamasse töten will. Doch Zanaida wirft sich dazwischen. Und so kommt es, wie es kommen muss. Das Brautpaar heiratet, und alle vertragen sich wieder miteinander - wobei man wissen sollte, dass es noch fünf Nebenfiguren gibt, die zum Geschehen ihre eigenen Intrigen und Liebeshändel beisteuern.
Obwohl die Geschichte im exotischen Lande spielt, hat sich Bach davor gehütet, eine der damals modernen "Janitscharenmusiken" zu schreiben. Seine Oper ist durchweg elegant und durchaus traditionell, Rezitative und Arien wechseln in steter Folge. Aber die Arien sind vergleichsweise kurz und schlicht, auf allzu virtuose Koloraturen und auf das Da-capo-Modell verzichtete der Komponist. Und am Ende eines jeden Aktes erklingt ein wundervolles Ensemble - kein Wunder, dass Leopold Mozart seinen achtjährigen Sohn, der in London Bachs Werke gehört haben dürfte, ermuntert hat, sich diesen Stil zum Vorbild zu nehmen.
David Stern und das von ihm 2003 gegründete Orchester Opera Fuoco musizieren routiniert und sängerfreundlich. Die Sänger sind durchweg sehr jung; das ist heutzutage zwar weithin üblich, doch die Schwächen einer solchen Nachwuchstruppe sind halt auch unüber- hörbar. Die amerikanische Sopranistin Sara Hershkowitz in der Rolle der Zanaida ist richtig gut, der Rest klingt eher nach Stadttheater, irgendwo in der Provinz. Wer sich dennoch für die Namen der Sänger interessiert, der steht zudem vor einer Knobelaufgabe. Im Beiheft sieht man zwar einige Fotos, und auch einige Namen sind genannt, aber eine Besetzungsliste bleibt das Büchlein schuldig. Trotzdem sei die Aufnahme hier empfohlen, weil diese Oper eine Rarität ist und wohl auch bleiben wird - denn einfach sind die Partien der neun Solisten nicht, der Orchesterpart stellt ebenfalls hohe Anforderungen, und auch die Handlung spricht nicht gerade dafür, dass dieses Werk sich einen Platz im Repertoire erobern wird.
Der Kastrat Filippo Elisi, der in London am King's Theatre sang und Bach aus Mailand kannte, sorgte dafür, dass die Leitung des Hauses bei dem Komponisten zwei Opern in Auftrag gab. Also ging Johann Christian Bach 1762 nach London, wo er zunächst am King's Theatre dirigierte, und dann im nächsten Jahr vertragsgemäß seine Opern präsentierte - Orione und Zanaida.
Bereits im Juli 1763 schrieb Bach an seinen verehrten Lehrer Padre Martini, dass er nicht nach Italien zurückkehren werde. Das Organi- stenamt am Mailänder Dom gab er auf. Denn Königin Charlotte war auf den jungen Musiker aufmerksam geworden, und hatte ihn als music master engagiert. In dieser Position unterrichtete er die Queen im Gesang, komponierte für sie, organisierte und leitete die Kammer- konzerte des Königspaares, begleitete das Flötenspiel des Königs und überwachte die Ausbildung der Prinzessinnen und Prinzen. Der "Londoner Bach" war zeitweise zudem erfolgreich als Pianist und, gemeinsam mit dem Gambenvirtuosen Carl Friedrich Abel, als Konzertveranstalter. Dass das Geschäft als Impresario nicht ohne Risiko war, hatte allerdings schon Händel erleben müssen. So blieb Johann Christian Bach von Rückschlägen nicht verschont; auch einige seiner Opern fielen beim Publikum durch.
Zanaida allerdings, seine 1763 uraufgeführte zweite Londoner Oper, war ein großer Erfolg. Dieses Werk von Johann Christian Bach galt jedoch lange als verschollen. Bekannt waren lediglich das Libretto, die Ouvertüre und ein paar Arien - bis ein New Yorker Reeder und Kunstsammler dem Leipziger Bach-Archiv für zehn Jahre seine Privatsammlung überließ. In dem Konvolut, das mehr als tausend Dokumente umfasste, fand sich auch die verloren geglaubte auto- graphe Partitur.
Das französische Ensemble Opera Fuoco unter Leitung von David Stern hatte Zanaida kurzfristig einstudiert, und auf dem Interna- tionalen Bachfest 2011 im barocken Goethe-Theater Bad Lauchstädt vorgestellt. Das Werk erklang auch im Théatre de Saint-Quentin-en-Yvelines. Aus dem Live-Mitschnitt von zwei Vorstellungen dort entstand die vorliegende Weltersteinspielung, die bei dem Label Zig Zag Territoires erschienen ist. Die Handlung der Oper ist hanebüchen, Kabale und Liebe. Zur Festigung des soeben geschlossenen Friedens soll der persische König Tamasse Zanaida heiraten, die Tochter des türkischen Sultans Soliman. Doch der Herrscher liebt eine andere - Osira, die Tochter des türkischen Botschafters Mustafa, die als Geisel an seinem Hof lebt. Was also tun ? Schnell ist ein Ausweg gefunden: Zanaida wird beschuldigt, einen Anschlag auf den Herrscher geplant zu haben. Das wiederum erfährt Mustafa, der nun seinerseits bei der Hinrichtung der Braut Tamasse töten will. Doch Zanaida wirft sich dazwischen. Und so kommt es, wie es kommen muss. Das Brautpaar heiratet, und alle vertragen sich wieder miteinander - wobei man wissen sollte, dass es noch fünf Nebenfiguren gibt, die zum Geschehen ihre eigenen Intrigen und Liebeshändel beisteuern.
Obwohl die Geschichte im exotischen Lande spielt, hat sich Bach davor gehütet, eine der damals modernen "Janitscharenmusiken" zu schreiben. Seine Oper ist durchweg elegant und durchaus traditionell, Rezitative und Arien wechseln in steter Folge. Aber die Arien sind vergleichsweise kurz und schlicht, auf allzu virtuose Koloraturen und auf das Da-capo-Modell verzichtete der Komponist. Und am Ende eines jeden Aktes erklingt ein wundervolles Ensemble - kein Wunder, dass Leopold Mozart seinen achtjährigen Sohn, der in London Bachs Werke gehört haben dürfte, ermuntert hat, sich diesen Stil zum Vorbild zu nehmen.
David Stern und das von ihm 2003 gegründete Orchester Opera Fuoco musizieren routiniert und sängerfreundlich. Die Sänger sind durchweg sehr jung; das ist heutzutage zwar weithin üblich, doch die Schwächen einer solchen Nachwuchstruppe sind halt auch unüber- hörbar. Die amerikanische Sopranistin Sara Hershkowitz in der Rolle der Zanaida ist richtig gut, der Rest klingt eher nach Stadttheater, irgendwo in der Provinz. Wer sich dennoch für die Namen der Sänger interessiert, der steht zudem vor einer Knobelaufgabe. Im Beiheft sieht man zwar einige Fotos, und auch einige Namen sind genannt, aber eine Besetzungsliste bleibt das Büchlein schuldig. Trotzdem sei die Aufnahme hier empfohlen, weil diese Oper eine Rarität ist und wohl auch bleiben wird - denn einfach sind die Partien der neun Solisten nicht, der Orchesterpart stellt ebenfalls hohe Anforderungen, und auch die Handlung spricht nicht gerade dafür, dass dieses Werk sich einen Platz im Repertoire erobern wird.
Dienstag, 2. April 2013
Dresden Moskau (Querstand)
"Lautenmusik von Silvius Leopold Weiss", lautet der Untertitel dieser CD, die Bernhard Hofstötter bei dem Altenburger Label Querstand veröffentlicht hat. Insofern ist Dresden nachvollziehbar - am kursächsischen Hofe wirkte Weiss, einer besten Lautenisten seiner Zeit. 1718 trat er in die Hofkapelle ein, in der damals auch andere berühmte Musiker spielten, wie Pisendel, Veracini, Buffardin oder Quantz. Keiner dieser Stars aber wurde besser bezahlt als der Lautenist - und der wiederum schätzte seinen Dienstherrn derart, dass er 1736 einen Ruf nach Wien ablehnte und bis an sein Lebensende 1750 in Dresden blieb.
Wie aber passt Moskau zu einen Musikerleben, das derart durch Be- ständigkeit geprägt war? Nun, die Erklärung ist nicht wirklich eine Überraschung: Weiss hat zu Lebzeiten nur ein einziges seiner Stücke in Druck gegeben. Dennoch finden sich Abschriften seiner Werke heute in Bibliotheken in ganz Europa. Man sieht daran, wie begehrt sie waren - und wieviele Schüler der Lautenist offenbar hatte. Zu ihnen gehörte auch Timofei Bielogradsky, der aus der Ukraine stammte, und nach seiner Ausbildung in Dresden als Lautenist am russischen Zaren- hof musizierte. Es könnte sein, dass das Manuskript auf ihn zurück- geht, das sich heute im Moskauer Glinka-Museum befindet.
Hofstötter spielt daraus die Sonata in d-Moll, ein Spätwerk des be- rühmten Kollegen, das mehrfach an Klänge Johann Sebastian Bachs erinnert. Der Lautenist und der Thomaskantor kannten sich gut; es ist überliefert, dass sie sogar gemeinsam improvisiert haben sollen. Auch die Sonata in B-Dur, die die CD eröffnet, gehört zu Weiss' Spät- werk - faszinierende Musik, die teilweise bald wie ein Concerto grosso wirkt. Es ist erstaunlich, wie orchestral sich die Laute einsetzen lässt. Hofstötter lässt das Instrument in großen melodischen Bögen klingen - und bewältigt die virtuosen Passagen ebenso souverän. Er spielt kraftvoll, durchdacht und prägnant, ihm zuzuhören ist eine große Freude.
Wie aber passt Moskau zu einen Musikerleben, das derart durch Be- ständigkeit geprägt war? Nun, die Erklärung ist nicht wirklich eine Überraschung: Weiss hat zu Lebzeiten nur ein einziges seiner Stücke in Druck gegeben. Dennoch finden sich Abschriften seiner Werke heute in Bibliotheken in ganz Europa. Man sieht daran, wie begehrt sie waren - und wieviele Schüler der Lautenist offenbar hatte. Zu ihnen gehörte auch Timofei Bielogradsky, der aus der Ukraine stammte, und nach seiner Ausbildung in Dresden als Lautenist am russischen Zaren- hof musizierte. Es könnte sein, dass das Manuskript auf ihn zurück- geht, das sich heute im Moskauer Glinka-Museum befindet.
Hofstötter spielt daraus die Sonata in d-Moll, ein Spätwerk des be- rühmten Kollegen, das mehrfach an Klänge Johann Sebastian Bachs erinnert. Der Lautenist und der Thomaskantor kannten sich gut; es ist überliefert, dass sie sogar gemeinsam improvisiert haben sollen. Auch die Sonata in B-Dur, die die CD eröffnet, gehört zu Weiss' Spät- werk - faszinierende Musik, die teilweise bald wie ein Concerto grosso wirkt. Es ist erstaunlich, wie orchestral sich die Laute einsetzen lässt. Hofstötter lässt das Instrument in großen melodischen Bögen klingen - und bewältigt die virtuosen Passagen ebenso souverän. Er spielt kraftvoll, durchdacht und prägnant, ihm zuzuhören ist eine große Freude.
Montag, 1. April 2013
Ruhm und Glück (Rondeau)
Auch nachdem er 1723 sein neues Amt als Thomaskantor angetreten hatte, blieb Johann Sebastian Bach seinem früheren Dienstherrn doch als Hofkapellmeister verbunden. Und zu besonderen Anlässen lieferte er weiterhin Musik für den Köthener Hof.
So schrieb er, wahrscheinlich 1725, zum Geburtstag der jungen Fürstin, die Glückwunschkantate Steigt freudig in die Luft BWV 36a. Für diese musikalische Gratulation an Prinzession Charlotte Friederike Amalie von Nassau-Siegen, die zweite Gemahlin von Fürst Leopold, griff Bach sehr weitgehend auf seine Kantate Schwingt freudig euch empor BWV 36c zurück.
Genau anders herum verfuhr er offenbar bei der 1718 zum Geburtstag des Fürsten komponierten Glückwunsch-Serenata Der Himmel dacht’ auf Anhalts Ruhm und Glück BWV 66a - sie formte er später, 1724, um zur Osterkantate Erfreut euch, ihr Herzen BWV 66. Das ist ein glücklicher Umstand, denn eigentlich sind die Noten dieser musikali- schen Geburtstagspräsente verloren. Die Textbücher aber blieben erhalten, und Alexander Ferdinand Grychtolik hat damit die beiden Werke rekonstruiert.
Zu den Köthener Bachfesttagen 2012 sind sie erstmals wieder erklun- gen, und der Mitschnitt ist nun bei Rondeau auf CD erschienen. Es sind ausgesprochen repräsentative Geburtstagsständchen, muss man sagen. Fürst Leopold wird gar durch Fama, die Göttin des Ruhms, und durch die Glückseligkeit höchstselbst gepriesen. Gudrun Sidonie Otto, Wiebke Lehmkuhl, Hans Jörg Mammel und Carsten Krüger sowie die Mitteldeutsche Hofmusik unter ihrem Gründer Alexander Grychtolik lassen erahnen, wie es seinerzeit geklungen haben mag, als die Sänger und die Musiker der Hofkapelle zu den Feierlichkeiten aufspielten. Gewünscht haben sich die Leute vor fast 300 Jahren übrigens nichts anderes als heute: Gesundheit, Glück und ein langes Leben.
So schrieb er, wahrscheinlich 1725, zum Geburtstag der jungen Fürstin, die Glückwunschkantate Steigt freudig in die Luft BWV 36a. Für diese musikalische Gratulation an Prinzession Charlotte Friederike Amalie von Nassau-Siegen, die zweite Gemahlin von Fürst Leopold, griff Bach sehr weitgehend auf seine Kantate Schwingt freudig euch empor BWV 36c zurück.
Genau anders herum verfuhr er offenbar bei der 1718 zum Geburtstag des Fürsten komponierten Glückwunsch-Serenata Der Himmel dacht’ auf Anhalts Ruhm und Glück BWV 66a - sie formte er später, 1724, um zur Osterkantate Erfreut euch, ihr Herzen BWV 66. Das ist ein glücklicher Umstand, denn eigentlich sind die Noten dieser musikali- schen Geburtstagspräsente verloren. Die Textbücher aber blieben erhalten, und Alexander Ferdinand Grychtolik hat damit die beiden Werke rekonstruiert.
Zu den Köthener Bachfesttagen 2012 sind sie erstmals wieder erklun- gen, und der Mitschnitt ist nun bei Rondeau auf CD erschienen. Es sind ausgesprochen repräsentative Geburtstagsständchen, muss man sagen. Fürst Leopold wird gar durch Fama, die Göttin des Ruhms, und durch die Glückseligkeit höchstselbst gepriesen. Gudrun Sidonie Otto, Wiebke Lehmkuhl, Hans Jörg Mammel und Carsten Krüger sowie die Mitteldeutsche Hofmusik unter ihrem Gründer Alexander Grychtolik lassen erahnen, wie es seinerzeit geklungen haben mag, als die Sänger und die Musiker der Hofkapelle zu den Feierlichkeiten aufspielten. Gewünscht haben sich die Leute vor fast 300 Jahren übrigens nichts anderes als heute: Gesundheit, Glück und ein langes Leben.
di Lasso: Hymnus; Singphoniker (cpo)
Da wir gerade bei Orlando di Lasso waren: Als 1579 nach dem Tode seines Dienstherrn, des bayeri- schen Herzogs Albrecht V., dessen Sohn Wilhelm V. die Regierung übernahm, folgte er den Weisun- gen des Konzils von Trient und wechselte vom bisherigen Ritus des Bistums Freising zum römi- schen Ritus. In diesem Zusammen- hang gab er Orlando di Lasso den Auftrag, einen kompletten Zyklus von Hymnen zu komponieren. Dieses Hymnar war für den Ge- brauch bei Hofe bestimmt. Eine Auswahl daraus haben Die Singphoni- ker nun für cpo eingesungen. Der Zuhörer wird bald feststellen, dass es offenbar zwei verschiedene Typen von Hymnen-Kompositionen gibt. Der eine folgt der traditionellen Alternatim-Praxis - die Stro- phen werden also abwechselnd ein- und mehrstimmig vorgetragen. Im Kontrast dazu hat Orlando di Lasso Hymnentexte aber auch in Form von großangelegten Motetten vertont.
Beide Varianten klingen prächtig - und die Singphoniker erweisen sich einmal mehr als großartige Sänger. Markus Geitner, Daniel Schreiber, Henning Jensen, Michael Mantaj und Christian Schmidt haben sich für einige Stücke Unterstützung geholt: Gerhard Hölzle wirkt gelegentlich als dritter Tenor mit, und er passt sich so perfekt in den Gesamtklang ein, dass dies gar nicht auffällt. Das Ensemble, das vor drei Jahrzehn- ten von Studenten der Musikhochschule München gegründet wurde, beeindruckt durch seine farbenreiche, feinsinnige und präzise Inter- pretation. Eine Aufnahme, die Maßstäbe setzt - bravi!
Beide Varianten klingen prächtig - und die Singphoniker erweisen sich einmal mehr als großartige Sänger. Markus Geitner, Daniel Schreiber, Henning Jensen, Michael Mantaj und Christian Schmidt haben sich für einige Stücke Unterstützung geholt: Gerhard Hölzle wirkt gelegentlich als dritter Tenor mit, und er passt sich so perfekt in den Gesamtklang ein, dass dies gar nicht auffällt. Das Ensemble, das vor drei Jahrzehn- ten von Studenten der Musikhochschule München gegründet wurde, beeindruckt durch seine farbenreiche, feinsinnige und präzise Inter- pretation. Eine Aufnahme, die Maßstäbe setzt - bravi!