Eine Reise durch die Geschichte der Fuge tritt das Armida Quartett auf dieser CD an. „Fugales, kontrapunk- tisches Denken und Komponieren ist die Königsdisziplin der europäischen Musik, seit diese um 1200 aus dem Schatten der nur mündlichen Überlieferung in die Schriftlichkeit der Mensural-Notation heraustrat“, erklärt Reinhard Goebel in seinem Begleittext zu dieser Einspielung, der beinahe so faszinierend ist wie die Aufnahme selbst. „Die Technik besteht im Wesentlichen darin, durch Imitation der Intervalle und Rhythmen einer zuerst eintretenden Stimme – Dux genannt – seitens des ihm nachfolgenden Comes eine sinnfällige Verknüpfung herzustellen.“
Das Armida Quartett startet diese Einspielung mit den beiden frühesten gedruckten deutschen Werken für Instrumental-Ensemble aus dem Jahr 1602 – zwei Fugen von Valentin Haussmann (um 1560 bis 1614). Nächste Station ist eine Sonate a quattro aus der Feder von Alessandro Scarlatti (1660 bis 1725) – die der Komponist ausdrücklich senza Cembalo auf- geführt wissen wollte, weshalb sie mitunter als eines der ersten Streich- quartette angesehen wird.
Natürlich ist auch der letzte, unvollendet gebliebene Zyklus von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) vertreten – Die Kunst der Fuge, „das Summum Opus einer 500-jährigen Tradition, wie auch seiner eigenen Lebensleistung“, so Goebel. Noch die Generation nach Bach schätzte Fugen; zu hören ist dies am Beispiel einer Quartett-Sonate des Bach-Schülers Johann Gottlieb Goldberg (1727 bis 1756) – hier komplettiert Cembalist Raphael Alpermann die Besetzung. Goebel nennt dieses Werk „ein Musterbeispiel der ungebrochenen Lebenskraft der spätbarocken Fugen-Kunst kurz vor ihrer Entzauberung: ein Feuerwerk des Geistes und der Finger, ein Akademie-Stück, das Kenner nach dem Hören analytisch sezierten und diskutierten, um den sinnlichen Genuß durch geistige Erkenntnis zu überhöhen.“
Mit Adagio und Fuge c-Moll KV 546 von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) naht auch schon das Finale. Denn schon wenige Jahre später hat die Fuge ihre Magie eingebüßt: „Aber den Sinn des fugirten Finale wagt Ref. nicht zu deuten: für ihn war es unverständlich, wie Chinesisch“, das schreibt der Rezensent der Allgemeinen musikalischen Zeitung im Jahre 1826 über die Große Fuge op. 133, ursprünglich das Finale des Streich- quartettes B-Dur op. 130 von Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827). Wie der Autor sie in Grund und Boden verreißt, das ist durchaus unterhaltsam zu lesen – doch uns beweist es, dass er mit dem wuchtigem Opus so gar nichts mehr anzufangen wusste. Selbst Musikkritiker Eduard Hanslick sah in der Großen Fuge Beethovens „ein merkwürdiges Document seiner gewaltigen, aber bereits seltsam kranken Phantasie“.
Der Rezensent der Allgemeinen musikalischen Zeitung vermutet: „Vielleicht wäre so manches nicht hingeschrieben worden, könnte der Meister seine eigenen Schöpfungen auch hören. Doch wollen wir damit nicht voreilig absprechen: vielleicht kommt noch die Zeit, wo das, was uns beym ersten Blicke trüb und verworren erschien, klar und in wohlgefälligen Formen erkannt wird.“ Das Armida Quartett jedenfalls, gegründet 2006 in Berlin, mittlerweile mit diversen hochkarätigen Musikpreisen ausgezeichnet, weiß mit den „ungeheuren Schwierigkeiten“ bestens umzugehen, und die „babylonische Verwirrung“ in eine Ordnung zu bringen.
Dieses Album überzeugt vom ersten bis zum letzten Ton sowohl durch das erlesene Konzept als auch durch das phantastische Zusammenspiel der beteiligten Musiker. Martin Funda und Johanna Staemmler, Violine, Teresa Schwamm, Viola, und Peter-Philipp Staemmler, Violoncello, musizieren wirklich hinreißend. Diese CD ist ein ganz großer Wurf, ohne Zweifel, und hat jede Aufmerksamkeit verdient. Unbedingt anhören!
Montag, 31. Juli 2017
Zelenka (Herisson)
Schon einmal hat das Ensemble Pasticcio Barocco Triosonaten von Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745) veröffentlicht – die Sonaten ZWV 181, Nummer 4, 5 und 6 sind bei Hérisson bereits erschienen. Nun lieferten die Musiker den Rest nach – und ein bisschen mehr: Auf dieser CD erklingen die Triosonaten Nummer 1 und 2, sowie die Simphonie à 8 con(certanti) ZWV 189 und die Hipocondrie à 7 con(certanti) ZWV 187.
„La troisième sonate a été laisée de côté car elle est la seule pour violon, hautbois, basson et basse continue, et pose de complexes problèmes de texte, la partie de basse continue n'ayant pas été indiquée par Zelenka“, berichtet Cembalist Mathieu Dupoy im Beiheft. Und so sind hier also nur die Sonaten für zwei Oboen, Fagott und Basso continuo zu hören.
Musiziert wird hinreißend; David Walter und Hélèle Gueret teilen sich paritätisch in die Oboenpartien, Fany Maselli spielt das Fagott, und das Continuo ist mit Esther Brayer, Kontrabass, Rémi Cassaigne, Theorbe und Mathieu Dupoy am Cembalo ebenso üppig wie farbenreich besetzt. Diese umfangreiche Besetzung passt allerdings gut, denn Oboen sind nicht gerade leise Instrumente. Will man das klanglich ausbalancieren, muss man schon ein wenig Volumen aufbieten – der Kontrabass passt da perfekt.
Die Simphonie und die Hipocondrie erweisen sich als zauberhafte Musik- stücke voll überraschender Einfälle. Hier komplettiert das Orchestre de Chambre d'Auvergne mit seinen exzellenten Streichern das Ensemble. Dass der Geiger Pisendel, Konzertmeister der Dresdner Hofkapelle, seinem Freund Telemann einstmals im Begleitbrief zu einer Zelenka-Partitur schrieb, „de cet amandier, savourer beaucoup, beaucoup de doux fruits“ ist in diesem Zusammenhang ein charmantes Bild. Denn die Werke des Dresdner Kirchen-Compositeurs Zelenka haben, wie die Mandel, eine harte Schale und einen verlockenden Kern. Es verblüfft immer wieder aufs Neue, wie unkonventionell er mit dem doch als so antiquiert geltenden Kontrapunkt Musik setzt. Und in diesem Falle wird diese Musik auch noch sehr gelungen vorgetragen – bravi!
„La troisième sonate a été laisée de côté car elle est la seule pour violon, hautbois, basson et basse continue, et pose de complexes problèmes de texte, la partie de basse continue n'ayant pas été indiquée par Zelenka“, berichtet Cembalist Mathieu Dupoy im Beiheft. Und so sind hier also nur die Sonaten für zwei Oboen, Fagott und Basso continuo zu hören.
Musiziert wird hinreißend; David Walter und Hélèle Gueret teilen sich paritätisch in die Oboenpartien, Fany Maselli spielt das Fagott, und das Continuo ist mit Esther Brayer, Kontrabass, Rémi Cassaigne, Theorbe und Mathieu Dupoy am Cembalo ebenso üppig wie farbenreich besetzt. Diese umfangreiche Besetzung passt allerdings gut, denn Oboen sind nicht gerade leise Instrumente. Will man das klanglich ausbalancieren, muss man schon ein wenig Volumen aufbieten – der Kontrabass passt da perfekt.
Die Simphonie und die Hipocondrie erweisen sich als zauberhafte Musik- stücke voll überraschender Einfälle. Hier komplettiert das Orchestre de Chambre d'Auvergne mit seinen exzellenten Streichern das Ensemble. Dass der Geiger Pisendel, Konzertmeister der Dresdner Hofkapelle, seinem Freund Telemann einstmals im Begleitbrief zu einer Zelenka-Partitur schrieb, „de cet amandier, savourer beaucoup, beaucoup de doux fruits“ ist in diesem Zusammenhang ein charmantes Bild. Denn die Werke des Dresdner Kirchen-Compositeurs Zelenka haben, wie die Mandel, eine harte Schale und einen verlockenden Kern. Es verblüfft immer wieder aufs Neue, wie unkonventionell er mit dem doch als so antiquiert geltenden Kontrapunkt Musik setzt. Und in diesem Falle wird diese Musik auch noch sehr gelungen vorgetragen – bravi!
Legnani: Rossini Variations (Naxos)
Luigi Rinaldo Legnani (1790 bis 1877) war Sänger und Gitarren- virtuose, Komponist und Instrumentenbauer. Seine musikalische Laufbahn führte ihn quer durch Europa; er wirkte beispielsweise einige Jahre in Wien, wo er das Publikum durch seine virtuose Spieltechnik beeindruckte – und die Gitarrenbauer mit seinem Instrument. 1850 kehrte Legnani allerdings nach Ravenna zurück, wo er dann als Instrumentenbauer arbeitete.
Als Gitarrenvirtuose konzertierte er 1835 gemeinsam mit Paganini in Turin; der Geiger, der selbst recht gut Gitarre spielte, meinte, sein Freund Legnani sei der beste Gitarrist. Und in der Tat gelten die 36 Gitarren-Capricen, die Legnani nach dem Vorbild der Violincapricen Paganinis komponierte, noch heute als eines der schwierig- sten Werke für Gitarre überhaupt.
Die Musik von Gioachino Rossini muss Legnani ebenfalls sehr geschätzt haben – auf dieser CD präsentiert Marcello Fantoni die Rossini-Para- phrasen des Gitarristen, überwiegend in Weltersteinspielungen. Zu hören sind Auszüge aus den Opern L'Italiana in Algeri, Guillaume Tell, La donna del lago, Zelmira, La Cenerentola und Armida, oftmals in Form von Introduzione e Variazioni.
Es erscheint verblüffend, dass diese Bearbeitungen, die einige von Rossinis bekanntesten Arien der Konzertgitarre zugänglich machen, bislang so wenig Beachtung gefunden haben. Allerdings verlangen die Rossini Variations vom Gitarristen enorme technische Brillanz. Fantoni spielt diese kapriziöse Musik großartig, und dieses Repertoire ist wirklich eine Entdeckung. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Als Gitarrenvirtuose konzertierte er 1835 gemeinsam mit Paganini in Turin; der Geiger, der selbst recht gut Gitarre spielte, meinte, sein Freund Legnani sei der beste Gitarrist. Und in der Tat gelten die 36 Gitarren-Capricen, die Legnani nach dem Vorbild der Violincapricen Paganinis komponierte, noch heute als eines der schwierig- sten Werke für Gitarre überhaupt.
Die Musik von Gioachino Rossini muss Legnani ebenfalls sehr geschätzt haben – auf dieser CD präsentiert Marcello Fantoni die Rossini-Para- phrasen des Gitarristen, überwiegend in Weltersteinspielungen. Zu hören sind Auszüge aus den Opern L'Italiana in Algeri, Guillaume Tell, La donna del lago, Zelmira, La Cenerentola und Armida, oftmals in Form von Introduzione e Variazioni.
Es erscheint verblüffend, dass diese Bearbeitungen, die einige von Rossinis bekanntesten Arien der Konzertgitarre zugänglich machen, bislang so wenig Beachtung gefunden haben. Allerdings verlangen die Rossini Variations vom Gitarristen enorme technische Brillanz. Fantoni spielt diese kapriziöse Musik großartig, und dieses Repertoire ist wirklich eine Entdeckung. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Sonntag, 30. Juli 2017
Haydn 2031 - No. 4 - Il distratto (Alpha)
Mit Blick auf das bevorstehende Haydn-Jubiläum – im Jahre 2032 jährt sich der Geburtstag des Komponisten zum 300. Male – hat Giovanni Antonini mit seinem Ensemble Il Giardino Armonico sowie dem Kammerorchester Basel eine Gesamteinspielung sämtlicher Sinfonien gestartet. Die Joseph Haydn Stiftung Basel, unter deren Dach das Projekt organisiert wird, konnte als Partner dafür das renommierte Label Alpha gewinnen. Gestaltet werden die Publikationen zudem unter Mitwirkung von Foto- grafen der Agentur Magnum.
Mittlerweile sind, jeweils auf CD und auf Vinyl, die ersten Folgen dieser Edition erschienen. Antonini ordnet die Sinfonien dabei nicht chrono- logisch, sondern inhaltlich – und ergänzt Haydns Werke stets auch um Musik seiner Zeitgenossen. Im Mittelpunkt von CD Nummer vier, beispielsweise, steht die Sinfonie Nr. 60 in C-Dur mit dem vielsagenden Titel „Per la Commedia intitolata Il Distratto“.
„Der theatralische Charakter der Sinfonien Haydns voller Überraschun- gen und plötzlicher Stimmungswechsel ist wohlbekannt“, merkt Antonini an. „Doch die Sinfonie Nr. 60 ,Il distratto' (zu Deutsch: ,Der Zerstreute') porträtiert nicht nur einige Situationen und Figuren aus der gleich- namigen Komödie Jean-François Regnards (..), sie präsentiert das Orchester selbst als den Schauspieler.“
Der Komponist hat Vergnügen am geistreichen Scherzen: „Schon im eröffnenden Presto beginnen die Musiker plötzlich eine ganze Passage der Sinfonie Nr. 45 (der ,Abschiedssinfonie') zu spielen: Sie sind ,zerstreut' und spielen das falsche Stück“, erläutert der Dirigent im Beiheft. „Oder wenige Takte nach dem Beginn des letzten Satzes (der vielleicht bekanntesten Stelle der Sinfonie): Die Violinen setzen aus, stimmen die vierte Saite, was sie zuvor vergessen hatten, um den von vorne zu beginnen.“
Dazu passt ganz vorzüglich Il Maestro di cappella von Domenico Cimarosa (1749 bis 1801), das musikalische Bild einer Orchesterprobe, in welcher der Kapellmeister – gesungen wird diese Partie hier vom Bariton Riccardo Novaro – einige Mühe damit hat, seine undisziplinierten Truppen zu bändigen. Und dann muss er plötzlich allein weitersingen; wahrscheinlich ist die Probenzeit abgelaufen. Eine ebenso kuriose wie realistische Situation, das gibt es noch heute, wirklich.
Komplettiert wird die CD durch Haydns Sinfonie Nr. 12, inklusive Zitat aus Pergolesis Oper La serva padrona, sowie die Sinfonie Nr. 70, die zur Grundsteinlegung des neuen Opernhauses im Schloss Eszterháza erstmals erklungen ist – und das Öffnen der Vorhänge musikalisch schon einmal vorwegnimmt.
Musiziert wird sehr präzise, aber immer mit Esprit, klangvoll, schwung- voll. Eine gelungene Aufnahme, die Lust macht auf die Fortsetzungen. Davon wird es wohl noch etliche geben; Haydn hat 107 Sinfonien kompo- niert.
Mittlerweile sind, jeweils auf CD und auf Vinyl, die ersten Folgen dieser Edition erschienen. Antonini ordnet die Sinfonien dabei nicht chrono- logisch, sondern inhaltlich – und ergänzt Haydns Werke stets auch um Musik seiner Zeitgenossen. Im Mittelpunkt von CD Nummer vier, beispielsweise, steht die Sinfonie Nr. 60 in C-Dur mit dem vielsagenden Titel „Per la Commedia intitolata Il Distratto“.
„Der theatralische Charakter der Sinfonien Haydns voller Überraschun- gen und plötzlicher Stimmungswechsel ist wohlbekannt“, merkt Antonini an. „Doch die Sinfonie Nr. 60 ,Il distratto' (zu Deutsch: ,Der Zerstreute') porträtiert nicht nur einige Situationen und Figuren aus der gleich- namigen Komödie Jean-François Regnards (..), sie präsentiert das Orchester selbst als den Schauspieler.“
Der Komponist hat Vergnügen am geistreichen Scherzen: „Schon im eröffnenden Presto beginnen die Musiker plötzlich eine ganze Passage der Sinfonie Nr. 45 (der ,Abschiedssinfonie') zu spielen: Sie sind ,zerstreut' und spielen das falsche Stück“, erläutert der Dirigent im Beiheft. „Oder wenige Takte nach dem Beginn des letzten Satzes (der vielleicht bekanntesten Stelle der Sinfonie): Die Violinen setzen aus, stimmen die vierte Saite, was sie zuvor vergessen hatten, um den von vorne zu beginnen.“
Dazu passt ganz vorzüglich Il Maestro di cappella von Domenico Cimarosa (1749 bis 1801), das musikalische Bild einer Orchesterprobe, in welcher der Kapellmeister – gesungen wird diese Partie hier vom Bariton Riccardo Novaro – einige Mühe damit hat, seine undisziplinierten Truppen zu bändigen. Und dann muss er plötzlich allein weitersingen; wahrscheinlich ist die Probenzeit abgelaufen. Eine ebenso kuriose wie realistische Situation, das gibt es noch heute, wirklich.
Komplettiert wird die CD durch Haydns Sinfonie Nr. 12, inklusive Zitat aus Pergolesis Oper La serva padrona, sowie die Sinfonie Nr. 70, die zur Grundsteinlegung des neuen Opernhauses im Schloss Eszterháza erstmals erklungen ist – und das Öffnen der Vorhänge musikalisch schon einmal vorwegnimmt.
Musiziert wird sehr präzise, aber immer mit Esprit, klangvoll, schwung- voll. Eine gelungene Aufnahme, die Lust macht auf die Fortsetzungen. Davon wird es wohl noch etliche geben; Haydn hat 107 Sinfonien kompo- niert.
Thoughts observed (Naxos)
Lieder aus Frankreich und Deutsch- land interpretiert der britische Countertenor Yaniv d'Or auf dieser CD gemeinsam mit dem israelischen Pianisten Dan Deutsch.
Zu hören sind im Einzelnen L'Invitation au voyage von Henri Duparc (1848 bis 1933), Beau soir, Romance, Nuit d'étoiles und Mandoline, frühe Lieder von Claude Debussy (1862 bis 1918), À Chloris von Reynaldo Hahn und der Zyklus Le bestiaire sowie Vous n'écrivez plus? und Priez pour paix von Francis Poulenc, sowie die 16 Lieder umfassende Dichterliebe von Robert Schumann (1810 bis 1856).
Diese berühmte Liederfolge ist gut eine Generation vor den Werken der französischen Komponisten auf dieser CD entstanden; für die Interpretation erweist sich dies als ein großer Unterschied. Yaniv d'Or singt sie aber allesamt ziemlich einheitlich, mit schönem Ton und großen Spannungsbögen. Bei den Franzosen passt das gut, bei Schumann weniger.
Die Dichterliebe fordert mehr als schön gestaltete Linien; und die hohe Stimme an sich wirkt zunächst ungewohnt. Normalerweise ist der Zyklus eine Tenor-Domäne. Yaniv d'Or nutzt als Basis für seine Interpretation allerdings die tiefe Ausgabe – ich denke, es wird wohl sogar die Edition für Bass sein und nicht die für Bariton – und singt dann einfach eine Oktave höher.
Das ist nicht ganz unproblematisch; unschön wird es, wenn der Sänger dann bei Ich grolle nicht auch noch kneift und die hohe Passage meidet. Da zuckt der Zuhörer schon zusammen. Im Konzert – geschenkt! nicht jeder hat jeden Tag einen guten Tag. Aber ob man einen derart häufig gesungenen Liederzyklus wirklich auf CD veröffentlichen muss, wenn absehbar ist, dass der eigene Stimmumfang dafür eigentlich nicht ausreicht... Tut mir leid, aber ich finde diesen Teil der CD nicht gelungen.
Dan Deutsch erweist sich als ein versierter Liedbegleiter, der dem Sänger aufmerksam zur Seite steht und an passender Stelle auch selbst Akzente setzt.
Zu hören sind im Einzelnen L'Invitation au voyage von Henri Duparc (1848 bis 1933), Beau soir, Romance, Nuit d'étoiles und Mandoline, frühe Lieder von Claude Debussy (1862 bis 1918), À Chloris von Reynaldo Hahn und der Zyklus Le bestiaire sowie Vous n'écrivez plus? und Priez pour paix von Francis Poulenc, sowie die 16 Lieder umfassende Dichterliebe von Robert Schumann (1810 bis 1856).
Diese berühmte Liederfolge ist gut eine Generation vor den Werken der französischen Komponisten auf dieser CD entstanden; für die Interpretation erweist sich dies als ein großer Unterschied. Yaniv d'Or singt sie aber allesamt ziemlich einheitlich, mit schönem Ton und großen Spannungsbögen. Bei den Franzosen passt das gut, bei Schumann weniger.
Die Dichterliebe fordert mehr als schön gestaltete Linien; und die hohe Stimme an sich wirkt zunächst ungewohnt. Normalerweise ist der Zyklus eine Tenor-Domäne. Yaniv d'Or nutzt als Basis für seine Interpretation allerdings die tiefe Ausgabe – ich denke, es wird wohl sogar die Edition für Bass sein und nicht die für Bariton – und singt dann einfach eine Oktave höher.
Das ist nicht ganz unproblematisch; unschön wird es, wenn der Sänger dann bei Ich grolle nicht auch noch kneift und die hohe Passage meidet. Da zuckt der Zuhörer schon zusammen. Im Konzert – geschenkt! nicht jeder hat jeden Tag einen guten Tag. Aber ob man einen derart häufig gesungenen Liederzyklus wirklich auf CD veröffentlichen muss, wenn absehbar ist, dass der eigene Stimmumfang dafür eigentlich nicht ausreicht... Tut mir leid, aber ich finde diesen Teil der CD nicht gelungen.
Dan Deutsch erweist sich als ein versierter Liedbegleiter, der dem Sänger aufmerksam zur Seite steht und an passender Stelle auch selbst Akzente setzt.
Pericoli: Cello Sonatas (Brilliant Classics)
Über den Lebensweg von Pasquale Pericoli ist so gut wie nichts bekannt. Sechs Cellosonaten, gedruckt 1769 in Bologna, sind alles, was von ihm überliefert ist. Daraus ist zu erfahren, dass der Komponist ein „Neapolita- ner aus Lecce“ ist. Vermutet wird zudem, dass er einige Jahre in Stockholm gelebt hat, in den 1750er Jahren, als Mitglied eines italieni- schen Opernensembles.
Federico Bracalente hat nun gemein- sam mit dem Cembalisten Nicola Procaccini die Sonate sei a violoncello e basso o sia cembalo bei Brilliant Classics veröffentlicht. Auch wenn diese Musikstücke nicht zu den Schlüsselwerken der Musikgeschichte gehören, so schließt diese Welt- ersteinspielung doch eine Lücke im Repertoire. Und dem eleganten, sanglichen Cellospiel von Federico Bracalente lauscht man auch gern.
Federico Bracalente hat nun gemein- sam mit dem Cembalisten Nicola Procaccini die Sonate sei a violoncello e basso o sia cembalo bei Brilliant Classics veröffentlicht. Auch wenn diese Musikstücke nicht zu den Schlüsselwerken der Musikgeschichte gehören, so schließt diese Welt- ersteinspielung doch eine Lücke im Repertoire. Und dem eleganten, sanglichen Cellospiel von Federico Bracalente lauscht man auch gern.
Samstag, 29. Juli 2017
Insane Harmony (MDG)
Die Briten sind schon ein seltsames Völkchen. Mit der Insellage Groß- britanniens jedenfalls ist es wohl nicht zu erklären, dass sie einst die Kunst der Divisions on a Ground auch weiterhin schätzten und pflegten, während Variationen über einem ostinaten Bass auf dem Kontinent längst aus der Mode gekommen waren. Das Ensemble Musica Alta Ripa spürt auf dieser CD den Eigenheiten englischer Musik in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun- derts nach – und hat dabei ein bezauberndes Programm zusammen- gestellt, das so manche Entdeckung zu bieten hat.
Man höre nur die faszinierende Fantazia on a ground in D von Henry Purcell (1659 bis 1696), der auf dieser CD auch noch mit anderen Werken vertreten ist. Es erklingt außerdem Musik von William Lawes (1602 bis 1645), Thomas Tomkins (1572 bis 1656), Matthew Locke (?1621 bis 1677) und William Williams (1675 bis 1701). Manches klingt noch nach der elisabethanischen Ära; bei anderen Stücken ist, bei aller konservativen Neigung zum typisch Britischen, die Auseinandersetzung mit der kontinentalen Musik dann doch wahrzunehmen. Musica Alta Ripa lässt sich gekonnt hören, mit Sinn für bizarre Einfälle und ungewöhnliche Wendungen. Und auch die tiefe Melancholie, die der englischen Musik jener Zeit oftmals zu eigen ist, zelebrieren die Musiker hingebungsvoll. Diese CD ist wirklich sehr hörenswert, rundum gelungen.
Man höre nur die faszinierende Fantazia on a ground in D von Henry Purcell (1659 bis 1696), der auf dieser CD auch noch mit anderen Werken vertreten ist. Es erklingt außerdem Musik von William Lawes (1602 bis 1645), Thomas Tomkins (1572 bis 1656), Matthew Locke (?1621 bis 1677) und William Williams (1675 bis 1701). Manches klingt noch nach der elisabethanischen Ära; bei anderen Stücken ist, bei aller konservativen Neigung zum typisch Britischen, die Auseinandersetzung mit der kontinentalen Musik dann doch wahrzunehmen. Musica Alta Ripa lässt sich gekonnt hören, mit Sinn für bizarre Einfälle und ungewöhnliche Wendungen. Und auch die tiefe Melancholie, die der englischen Musik jener Zeit oftmals zu eigen ist, zelebrieren die Musiker hingebungsvoll. Diese CD ist wirklich sehr hörenswert, rundum gelungen.
Scarlatti: 16 Sonatas; Koopman (Capriccio)
Dass der Klang eines Cembalos mitnichten monoton und reizlos ist, beweist diese Aufnahme. Ton Koopman hat im Jahre 1986 etliche Sonaten von Domenico Scarlatti derart aufregend interpretiert, dass garantiert keine Langeweile aufkommt. Den Vergleich mit den meisten jüngeren Aufnahmen, bei denen üblicherweise das Klavier verwendet wurde, muss diese CD ebenfalls nicht scheuen.
Kein Wunder also, dass dieses Album bei diesem Repertoire noch immer eine Referenzposition hält. Koop- mans Einspielung hat seinerzeit zur Wiederentdeckung des Komponisten wesentlich mit angeregt. Domenico Scarlatti (1685 bis 1757), ein Sohn von Alessandro Scarlatti, wurde 1719 Kapellmeister und Musiklehrer am Hofe des portugiesischen Königs. Als Prinzessin Maria Bárbara, eine ausgesprochen versierte Cembalistin, zehn Jahre später den spanischen Thronfolger heiratete, folgte er ihr und verblieb den Rest seiner Jahre in ihren privaten Diensten.
So komponierte er weit über 500 zumeist virtuose Cembalo-Sonaten, die sich um Konventionen herzlich wenig scherten. Im Gegenteil, Scarlatti hat sehr viel ausprobiert und experimentiert – wobei Koopman die verwegensten Stücke des Komponisten gar nicht berücksichtigt hat. Doch auch nach so vielen Jahren hört man die alte Aufnahme, die nunmehr bei Capriccio in der Reihe Encore wieder zugänglich ist, noch mit Genuss und Gewinn.
Kein Wunder also, dass dieses Album bei diesem Repertoire noch immer eine Referenzposition hält. Koop- mans Einspielung hat seinerzeit zur Wiederentdeckung des Komponisten wesentlich mit angeregt. Domenico Scarlatti (1685 bis 1757), ein Sohn von Alessandro Scarlatti, wurde 1719 Kapellmeister und Musiklehrer am Hofe des portugiesischen Königs. Als Prinzessin Maria Bárbara, eine ausgesprochen versierte Cembalistin, zehn Jahre später den spanischen Thronfolger heiratete, folgte er ihr und verblieb den Rest seiner Jahre in ihren privaten Diensten.
So komponierte er weit über 500 zumeist virtuose Cembalo-Sonaten, die sich um Konventionen herzlich wenig scherten. Im Gegenteil, Scarlatti hat sehr viel ausprobiert und experimentiert – wobei Koopman die verwegensten Stücke des Komponisten gar nicht berücksichtigt hat. Doch auch nach so vielen Jahren hört man die alte Aufnahme, die nunmehr bei Capriccio in der Reihe Encore wieder zugänglich ist, noch mit Genuss und Gewinn.
Haydn: Die Schöpfung (Phi)
„Niemand, auch nicht Baron von Swieten, hatte die Seite der Partitur, wo die Geburt des Lichtes geschildert war, gesehen. Das war die einzige Stelle der Arbeit, die Haydn verborgen gehalten hatte“, berichtet Frederik Samuel Silverstolpe, ein Freund Joseph Haydns, von der ersten Probe der Schöpfung. Und dann nahte diese Stelle: „Haydn hatte dabei eine Miene wie jemand, der sich auf die Lippen zu beißen denkt, entweder um seine Verlegenheit zu hemmen oder auch um ein Geheimnis zu verbergen. Und in demselben Augenblick, als zum ersten Mal dieses Licht hervorbrach, würde man gesagt haben, daß Strahlen geschleudert wurden aus des Künstlers brennenden Augen. Die Entzückung der elektrisierten Wiener war so allgemein, daß das Orchester einige Minuten lang nicht fortsetzen konnte.“
Ähnlich intensiv kann der Hörer dieser Aufnahme jenen legendären Moment erleben, in dem auf den musikalischen Ausdruck des Chaos in machtvollem C-Dur zum ersten Male das Licht erscheint. Philippe Herreweghe hat Haydns Oratorium Die Schöpfung mit dem Collegium Vocale Gent und dem Orchestre des Champs-Élysées mit großer Sorgfalt erarbeitet. Das Ergebnis ist ein Erlebnis, zumal auch die Solistenpartien mit Christina Landshamer, Sopran, Maximilian Schmitt, Tenor, und Rudolf Rosen, Bass, exzellent besetzt sind. So differenziert, so farbenreich und so ausdrucksstark habe ich Haydns Schöpfung noch nicht gehört – dies ist ohne Zweifel eine Referenzaufnahme. Grandios!
Ähnlich intensiv kann der Hörer dieser Aufnahme jenen legendären Moment erleben, in dem auf den musikalischen Ausdruck des Chaos in machtvollem C-Dur zum ersten Male das Licht erscheint. Philippe Herreweghe hat Haydns Oratorium Die Schöpfung mit dem Collegium Vocale Gent und dem Orchestre des Champs-Élysées mit großer Sorgfalt erarbeitet. Das Ergebnis ist ein Erlebnis, zumal auch die Solistenpartien mit Christina Landshamer, Sopran, Maximilian Schmitt, Tenor, und Rudolf Rosen, Bass, exzellent besetzt sind. So differenziert, so farbenreich und so ausdrucksstark habe ich Haydns Schöpfung noch nicht gehört – dies ist ohne Zweifel eine Referenzaufnahme. Grandios!
Freitag, 28. Juli 2017
Telemann. Reformations-Oratorium 1755 (Sony)
Abseits vom musikalischen Main- stream immer wieder vergessene Schätze zu heben, dafür ist Reinhard Goebel inzwischen bekannt. Im Laufe seines anspruchsvollen Musiker- lebens ist dem früheren Geiger, der mittlerweile ebenso verdienstvoll als Dirigent tätig ist, so manche Ent- deckung gelungen.
Um es gleich zu sagen: Diese Welt- ersteinspielung gehört dazu, und sie gehört sowohl unter den Aufnahmen zum diesjährigen Reformations-Jubiläum als auch zum Telemann-Jubiläum zum Besten, was zu finden ist. Das Oratorium Holder Friede, heil'ger Glaube schrieb Georg Philipp Telemann im Jahre 1755 für die Feierlichkeiten zum Gedenken an den 200. Jahrestag der Unterzeichnung des Augsburger Religionsfriedens.
Anders als Telemann seinerzeit in Hamburg, standen Goebel bei dieser Co-Produktion von Sony mit dem Bayerischen Rundfunk herausragende Kräfte zur Verfügung. Die vier allegorischen Figuren Der Friede, Die Andacht, Die Religion und Die Geschichte sind mit der jungen Sopranistin Regula Mühlemann, Tenor Daniel Johannsen, Bariton Benjamin Appl und Bass Stephan MacLeod erstklassig besetzt. Dazu gesellen sich der exzellen- te Chor des Bayerischen Rundfunk sowie die Bayerische Kammerphilhar- monie.
Mit diesem überragenden Ensemble gelingt es Goebel ohne Schwierig- keiten, die Qualitäten des wiederentdeckten Oratoriums herauszuarbeiten. Telemann ist doch immer wieder für eine Überraschung gut – und diese hier ist ganz besonders gelungen. Unbedingt anhören!
Um es gleich zu sagen: Diese Welt- ersteinspielung gehört dazu, und sie gehört sowohl unter den Aufnahmen zum diesjährigen Reformations-Jubiläum als auch zum Telemann-Jubiläum zum Besten, was zu finden ist. Das Oratorium Holder Friede, heil'ger Glaube schrieb Georg Philipp Telemann im Jahre 1755 für die Feierlichkeiten zum Gedenken an den 200. Jahrestag der Unterzeichnung des Augsburger Religionsfriedens.
Anders als Telemann seinerzeit in Hamburg, standen Goebel bei dieser Co-Produktion von Sony mit dem Bayerischen Rundfunk herausragende Kräfte zur Verfügung. Die vier allegorischen Figuren Der Friede, Die Andacht, Die Religion und Die Geschichte sind mit der jungen Sopranistin Regula Mühlemann, Tenor Daniel Johannsen, Bariton Benjamin Appl und Bass Stephan MacLeod erstklassig besetzt. Dazu gesellen sich der exzellen- te Chor des Bayerischen Rundfunk sowie die Bayerische Kammerphilhar- monie.
Mit diesem überragenden Ensemble gelingt es Goebel ohne Schwierig- keiten, die Qualitäten des wiederentdeckten Oratoriums herauszuarbeiten. Telemann ist doch immer wieder für eine Überraschung gut – und diese hier ist ganz besonders gelungen. Unbedingt anhören!
Duo Praxedis (Ars Produktion)
Harfe und Klavier? Diese Kombina- tion, die uns heutzutage eher exotisch erscheint, gehörte in den musikali- schen Salons des frühen 19. Jahrhun- derts offenbar zu den Standards. Sowohl die Harfe als auch das Klavier erfreuten sich seinerzeit beim Adel und beim vermögenden Bürgertum großer Beliebtheit. Das Duo Praxedis erweckt diese Praxis zu neuem Leben.
Praxedis Hug-Rütti, Harfe, und Praxedis Geneviève Hug am Klavier präsentieren auf gleich zwei CD Originalkompositionen aus jener Zeit für die beiden Instrumente. Und man reibt sich erstaunt die Augen, welches spieltechnische Können diese Werke voraussetzen. Die meisten der ausgewählten Stücke sind keineswegs Musik für Dilettanten. Das Mutter-Tochter-Duo überzeugt mit einem abwechslungsreichen Programm und brillantem Spiel. Auch klanglich ist diese Duoformation durchaus attraktiv.
Praxedis Hug-Rütti, Harfe, und Praxedis Geneviève Hug am Klavier präsentieren auf gleich zwei CD Originalkompositionen aus jener Zeit für die beiden Instrumente. Und man reibt sich erstaunt die Augen, welches spieltechnische Können diese Werke voraussetzen. Die meisten der ausgewählten Stücke sind keineswegs Musik für Dilettanten. Das Mutter-Tochter-Duo überzeugt mit einem abwechslungsreichen Programm und brillantem Spiel. Auch klanglich ist diese Duoformation durchaus attraktiv.
Donnerstag, 27. Juli 2017
Sokolov - Mozart Rachmaninov Concertos (Deutsche Grammophon)
Klavierkonzerte mit Grigory Sokolov? Das kann keine aktuelle Aufnahme sein. Denn der Pianist verzichtet seit Jahren darauf, gemeinsam mit einem Orchester zu musizieren. Um so neu- gieriger macht es, wenn der Musiker Konzertmitschnitte zur Veröffent- lichung freigibt.
Für diese CD hat Grigory Sokolov zwei Aufnahmen aus den Jahren 2005 und 1995 ausgewählt: Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 in A-Dur KV 488 mit dem Mahler Chamber Orchester unter der Leitung von Trevor Pinnock und Rachmaninoffs Klavierkonzert Nr. 3 in d-Moll op. 30 mit dem BBC Philharmonic Orchestra unter Yan Pascal Tortelier.
Der Hörer erlebt fasziniert das enorme Gestaltungsvermögen dieses Pianisten. Denn die beiden Konzerte sind im Charakter wie auch in ihrer musikalischen Gestaltung so unterschiedlich und so weit voneinander entfernt wie Nord- und Südpol.
Mozarts populäres Klavierkonzert erklingt in seinen Ecksätzen flott und heiter – und im fis-Moll-Adagio dann irritierend: Sokolov wählt für sein einleitendes Solo ein beunruhigend langsames Tempo. Das wirkt beinahe schon nicht mehr wie von dieser Welt, beängstigend, diesseits. Und zugleich gestaltet der Pianist diesen Satz mit hinreißender Innigkeit und Leuchtkraft – man möchte jedem Ton nachsinnen.
„Rach 3“ hingegen gilt als „K2 der Klavierliteratur“, als eine Herausforde- rung, an der schon so mancher Pianist gescheitert ist. Sokolov hat dieses Konzert oft gespielt. Bei diesem Werk nimmt er sich zurück, und macht deutlich, dass hinter der virtuosen Fassade noch viel mehr musikalische Substanz aufzufinden ist – wenn man sich nicht vom Zirzensischen blenden lässt. Flinke Finger hat so mancher, aber das Ausdrucksvermögen von Grigory Sokolov ist wirklich phänomenal.
Die Deutsche Grammophon hat der CD eine Dokumentation der russi- schen Filmemacherin Nadya Zhdanova beigefügt: „Ein Gespräch, das nie stattgefunden hat“ versucht, Sokolovs künstlerisches und privates Leben zu beleuchten. Dazu sammelte sie Zeugnisse aus dem Umfeld des Künstlers. Der Pianist selbst gibt seit Jahren keine Interviews mehr.
Für diese CD hat Grigory Sokolov zwei Aufnahmen aus den Jahren 2005 und 1995 ausgewählt: Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 in A-Dur KV 488 mit dem Mahler Chamber Orchester unter der Leitung von Trevor Pinnock und Rachmaninoffs Klavierkonzert Nr. 3 in d-Moll op. 30 mit dem BBC Philharmonic Orchestra unter Yan Pascal Tortelier.
Der Hörer erlebt fasziniert das enorme Gestaltungsvermögen dieses Pianisten. Denn die beiden Konzerte sind im Charakter wie auch in ihrer musikalischen Gestaltung so unterschiedlich und so weit voneinander entfernt wie Nord- und Südpol.
Mozarts populäres Klavierkonzert erklingt in seinen Ecksätzen flott und heiter – und im fis-Moll-Adagio dann irritierend: Sokolov wählt für sein einleitendes Solo ein beunruhigend langsames Tempo. Das wirkt beinahe schon nicht mehr wie von dieser Welt, beängstigend, diesseits. Und zugleich gestaltet der Pianist diesen Satz mit hinreißender Innigkeit und Leuchtkraft – man möchte jedem Ton nachsinnen.
„Rach 3“ hingegen gilt als „K2 der Klavierliteratur“, als eine Herausforde- rung, an der schon so mancher Pianist gescheitert ist. Sokolov hat dieses Konzert oft gespielt. Bei diesem Werk nimmt er sich zurück, und macht deutlich, dass hinter der virtuosen Fassade noch viel mehr musikalische Substanz aufzufinden ist – wenn man sich nicht vom Zirzensischen blenden lässt. Flinke Finger hat so mancher, aber das Ausdrucksvermögen von Grigory Sokolov ist wirklich phänomenal.
Die Deutsche Grammophon hat der CD eine Dokumentation der russi- schen Filmemacherin Nadya Zhdanova beigefügt: „Ein Gespräch, das nie stattgefunden hat“ versucht, Sokolovs künstlerisches und privates Leben zu beleuchten. Dazu sammelte sie Zeugnisse aus dem Umfeld des Künstlers. Der Pianist selbst gibt seit Jahren keine Interviews mehr.
Mittwoch, 26. Juli 2017
Kind of Jazz (Genuin)
Die Musikstücke, die François Benda für seine sechste CD bei Genuin ausgewählt hat, wird man im Konzert eher selten hören. Gemeinsam mit seinem Vater, dem Pianisten Sebastian Benda (1926 bis 2003), hat er im Jahre 2001 Werke aus dem Grenzbereich zwischen der sogenannten „E-Musik“ und dem Jazz eingespielt. Das ist eine ausgesprochen interessante Region, wie man bereits beim ersten Stück feststellen wird: Die Three Preludes von George Gershwin (1898 bis 1937) – ursprünglich komponiert für Klavier, und hier in einer Bearbeitung für Klarinette und Klavier zu hören – lassen erahnen, dass New York in den 20er Jahren musikalisch enorm viel zu bieten hatte. Gershwin griff vieles davon auf.
Auch Joseph Horovitz, Jahrgang 1926, kennt offenbar keine Berührungs- ängste. Die jazzige Sonatina für Klarinette und Klavier schrieb er 1981 für seinen Freund Gervase de Peyer. Erwin Schulhoff (1894 bis 1942) sah in Jazzrhythmen eine Chance, die Avantgarde sinnlich zu machen, vital. In seiner Hot-Sonate aus dem Jahre 1930 verknüpfte er klassische Musik und Jazz. Benda spielt dieses aufmüpfige Musikstück, das ursprünglich für Altsaxophon entstanden ist, in einer Version für Klarinette.
Dass die beiden Musiker geniale Grenzgänger sind, zeigt sich auch bei der Sonate für Klarinette und Klavier von Leonard Bernstein (1918 bis 1990). Sie war das erste veröffentlichte Werk des Komponisten, der sich seinen Musikunterricht finanzierte, indem er in einer Jazzband musizierte und Arrangements schrieb. Was für ein Sound! Lustvoll musizieren Vater und Sohn, und wer sie hört, der wird sich den Kopf ganz sicher nicht über Genregrenzen zerbrechen. Diese Aufnahme lässt uns genießen, wie farbenreich und betörend doch eine Klarinette klingen kann. Großartig spielt auch der Pianist Sebastian Benda; er zeigt, wie innig ein musikali- scher Dialog sein kann. Moderne kann eben sehr viel Spaß machen. Komplettiert wird die CD durch eine Sonate des Kosmopoliten Daniel Schnyder (*1961).
Auch Joseph Horovitz, Jahrgang 1926, kennt offenbar keine Berührungs- ängste. Die jazzige Sonatina für Klarinette und Klavier schrieb er 1981 für seinen Freund Gervase de Peyer. Erwin Schulhoff (1894 bis 1942) sah in Jazzrhythmen eine Chance, die Avantgarde sinnlich zu machen, vital. In seiner Hot-Sonate aus dem Jahre 1930 verknüpfte er klassische Musik und Jazz. Benda spielt dieses aufmüpfige Musikstück, das ursprünglich für Altsaxophon entstanden ist, in einer Version für Klarinette.
Dass die beiden Musiker geniale Grenzgänger sind, zeigt sich auch bei der Sonate für Klarinette und Klavier von Leonard Bernstein (1918 bis 1990). Sie war das erste veröffentlichte Werk des Komponisten, der sich seinen Musikunterricht finanzierte, indem er in einer Jazzband musizierte und Arrangements schrieb. Was für ein Sound! Lustvoll musizieren Vater und Sohn, und wer sie hört, der wird sich den Kopf ganz sicher nicht über Genregrenzen zerbrechen. Diese Aufnahme lässt uns genießen, wie farbenreich und betörend doch eine Klarinette klingen kann. Großartig spielt auch der Pianist Sebastian Benda; er zeigt, wie innig ein musikali- scher Dialog sein kann. Moderne kann eben sehr viel Spaß machen. Komplettiert wird die CD durch eine Sonate des Kosmopoliten Daniel Schnyder (*1961).
Devienne: Flute Concertos (Naxos)
Patrick Gallois setzt seine Gesamt- einspielung der Flötenkonzerte von François Devienne (1759 bis 1803) bei Naxos fort: Nach den Konzerten 1-4, Aufnahme und Lebensweg des Komponisten wurden hier im Blog bereits andernorts vorgestellt, sind nunmehr die Konzerte 5-8 und 9-12 erschienen. Es sind virtuose Werke voll Grazie und Eleganz; nicht alle dieser Kompositionen sind gleichermaßen herausragend – doch hörenswert, das macht diese Edition deutlich, sind sie allesamt.
Gallois interpretiert Deviennes Konzerte stets mit Blick auf die Gesamtstruktur. Auch wenn er wunderbar und detailreich ausziert, verliert er sich doch niemals in Details und legte offenkundig keinen Wert darauf, Virtuosität als Selbstzweck zu zelebrie- ren. Es ist ein partnerschaftliches Musizieren, beinahe kammermusika- lisch intensiv, was er gestaltet. Der Flötenpart steht im steten Dialog mit dem Orchester, und genauso lässt sich auch das Swedish Chamber Orchestra bei dieser Aufnahme hören. Auf die Fortsetzung dieser Edition – wenn ich mich nicht irre, fehlen noch zwei Konzerte, die Deviennes Witwe posthum veröffentlicht hat – darf man gespannt bleiben.
Gallois interpretiert Deviennes Konzerte stets mit Blick auf die Gesamtstruktur. Auch wenn er wunderbar und detailreich ausziert, verliert er sich doch niemals in Details und legte offenkundig keinen Wert darauf, Virtuosität als Selbstzweck zu zelebrie- ren. Es ist ein partnerschaftliches Musizieren, beinahe kammermusika- lisch intensiv, was er gestaltet. Der Flötenpart steht im steten Dialog mit dem Orchester, und genauso lässt sich auch das Swedish Chamber Orchestra bei dieser Aufnahme hören. Auf die Fortsetzung dieser Edition – wenn ich mich nicht irre, fehlen noch zwei Konzerte, die Deviennes Witwe posthum veröffentlicht hat – darf man gespannt bleiben.
Montag, 17. Juli 2017
Concerti Bizarri (Linn)
„The idea for this Concerti Bizarri programme has been floating around in my head for a few years now, from when I put together a programme of mixed instrumental concertos combined with a suite by Georg Philipp Telemann called La Bizarre“, schreibt Monika Huggett, die Konzertmeisterin des Irish Baroque Orchestra. „The IBO is crammed full of wonderful musicians and they can fully inhabit the role of soloist in every way: technically, musically and charismatically.“
Und so ist letztendlich diese CD entstanden. Sie gibt Zeugnis von einer Zeit, da Musik zumeist für konkrete Anlässe und vorhandene Besetzungen geschrieben wurde. Das Konzert für zwei Violoncelli RV 531 beispielsweise schrieb Antonio Vivaldi für Musikerinnen, die am Ospedale della Pietá in Venedig ausgebildet wurden. Johann David Heinichen komponierte sein Oboenkonzert in g-Moll S. 237 für die Dresdner Hofkapelle. Johann Friedrich Fasch war Hofkapellmeister in Zerbst, Christoph Graupner in Darmstadt.
In beiden Ensembles musizierten damals exzellente Instrumentalisten – warum also ein Violinkonzert schreiben, wenn man seine Konzerte mit Flöte und Oboe oder aber mit zwei Oboen da caccia, zwei Bratschen, zwei Fagotten und Basso continuo wesentlich interessanter und abwechslungs- reicher besetzen kann? Graupner beispielsweise schuf ein Konzert für Flöte d'amore, Oboe d'amore und Viola d'amore – ein schönes Beispiel für das Spiel mit Klangfarben; die Komponisten der Barockzeit waren da ausgesprochen experimentierfreudig. Dass sie auch Virtuosität durchaus schätzten, beweist Graupners Fagottkonzert GWV 301, ein Werk, das enorm hohe Ansprüche an den Solisten stellt. Komplettiert wird die Einspielung durch Telemanns Konzert für zwei Violinen und Fagott TWV 53: D4.
Bizarr ist an dieser CD allerdings nur das Coverbild. Wer Vergnügen hat
an einem farbenreichen, spannenden Programm abseits der allzu ausge- tretenen Pfade, dem sei diese CD wärmstens empfohlen. Denn das Irish Baroque Orchestra musiziert auch sehr hörenswert – mit Neugier und mit einer gehörigen Portion Temperament.
Und so ist letztendlich diese CD entstanden. Sie gibt Zeugnis von einer Zeit, da Musik zumeist für konkrete Anlässe und vorhandene Besetzungen geschrieben wurde. Das Konzert für zwei Violoncelli RV 531 beispielsweise schrieb Antonio Vivaldi für Musikerinnen, die am Ospedale della Pietá in Venedig ausgebildet wurden. Johann David Heinichen komponierte sein Oboenkonzert in g-Moll S. 237 für die Dresdner Hofkapelle. Johann Friedrich Fasch war Hofkapellmeister in Zerbst, Christoph Graupner in Darmstadt.
In beiden Ensembles musizierten damals exzellente Instrumentalisten – warum also ein Violinkonzert schreiben, wenn man seine Konzerte mit Flöte und Oboe oder aber mit zwei Oboen da caccia, zwei Bratschen, zwei Fagotten und Basso continuo wesentlich interessanter und abwechslungs- reicher besetzen kann? Graupner beispielsweise schuf ein Konzert für Flöte d'amore, Oboe d'amore und Viola d'amore – ein schönes Beispiel für das Spiel mit Klangfarben; die Komponisten der Barockzeit waren da ausgesprochen experimentierfreudig. Dass sie auch Virtuosität durchaus schätzten, beweist Graupners Fagottkonzert GWV 301, ein Werk, das enorm hohe Ansprüche an den Solisten stellt. Komplettiert wird die Einspielung durch Telemanns Konzert für zwei Violinen und Fagott TWV 53: D4.
Bizarr ist an dieser CD allerdings nur das Coverbild. Wer Vergnügen hat
an einem farbenreichen, spannenden Programm abseits der allzu ausge- tretenen Pfade, dem sei diese CD wärmstens empfohlen. Denn das Irish Baroque Orchestra musiziert auch sehr hörenswert – mit Neugier und mit einer gehörigen Portion Temperament.
Montag, 10. Juli 2017
Mirror Strings - Holberg Unplugged (Ears Love Music)
Das Ensemble Mirror Strings stellt sich vor: Mit dieser Aufnahme beweisen Luisa Marie Reichelt und Johann Jacob Nissen, Konzertgitarre, sowie Samuel Selle und Phillip Wentrup, Violoncello, dass „klassische“ Musik keineswegs eine aussterbende Kunst ist, zu genießen in elitärer Runde von Eingeweihten mit ergrautem Haar.
Das Quartett spielt Aus Holbergs Zeit – Suite im alten Stil von Edvard Grieg, ursprünglich komponiert für Streichorchester, in einem beeindruckenden, farben- und abwechslungsreichen Arrangement, das die Musiker selbst erarbeitet haben. So frisch kann Klassik klingen – und die Spielfreude der Vier ist selbst am Lautsprecher nicht zu überhören.
Dass die Musiker von Mirror Strings ein Händchen für Bearbeitungen haben, zeigt sich auch beim Bonustrack Die Meere, ein Lied von Johannes Brahms. Hier teilen sich eine Gitarre und die Celli zu den Bässen einer zehnsaitigen Gitarre gleichermaßen in den Gesangspart. Was für ein Gewirbel! Die geschickten Arrangements rücken nicht nur das Original, sondern auch die vier beteiligten Instrumente ins beste Licht. Jeder der vier jungen Virtuosen erhält dabei einen attraktiven Part.
Wenn es so gekonnt vorgetragen wird, dann lohnt es sich, Altbekanntes neu zu hören. Man darf gespannt bleiben, welchem Werk die Mirror Strings zukünftig eine Frischzellenkur verpassen – denn eines muss man dem Debüt des Quartetts vorwerfen: 20 Minuten sind wirklich zu kurz. Mehr davon bitte!
Das Quartett spielt Aus Holbergs Zeit – Suite im alten Stil von Edvard Grieg, ursprünglich komponiert für Streichorchester, in einem beeindruckenden, farben- und abwechslungsreichen Arrangement, das die Musiker selbst erarbeitet haben. So frisch kann Klassik klingen – und die Spielfreude der Vier ist selbst am Lautsprecher nicht zu überhören.
Dass die Musiker von Mirror Strings ein Händchen für Bearbeitungen haben, zeigt sich auch beim Bonustrack Die Meere, ein Lied von Johannes Brahms. Hier teilen sich eine Gitarre und die Celli zu den Bässen einer zehnsaitigen Gitarre gleichermaßen in den Gesangspart. Was für ein Gewirbel! Die geschickten Arrangements rücken nicht nur das Original, sondern auch die vier beteiligten Instrumente ins beste Licht. Jeder der vier jungen Virtuosen erhält dabei einen attraktiven Part.
Wenn es so gekonnt vorgetragen wird, dann lohnt es sich, Altbekanntes neu zu hören. Man darf gespannt bleiben, welchem Werk die Mirror Strings zukünftig eine Frischzellenkur verpassen – denn eines muss man dem Debüt des Quartetts vorwerfen: 20 Minuten sind wirklich zu kurz. Mehr davon bitte!
Rossini: 6 Sonate a quattro / Bottesini: Gran Duo Concertante (Eloquence)
„Sei Sonate orrende“, so schrieb Gioacchino Rossini Jahre später auf das Manuskript, „da me composte alla Villeggiatura (..) del mio amico mecenate Agostino Triossi alla età la più Infantile non avenda presa nep- pure una Leziona di Accompagna- mento: il Tutto Composto e Copiato in trè giorni ed eseguito cagnesca- mente dal Triossi Contrabasso, Morini (..) Primo Violino, il fratello di questo il Violoncello, ed il Secondo Violino da me stesso, che ero per dir vero il meno Cane.“
Die sechs „schrecklichen Sonaten“ freilich, deren Entstehung der Komponist derart launig schildert, sind so übel nicht. Was Rossini seinerzeit, im Sommer 1804, innerhalb von drei Tagen zu Papier brachte, das klingt überhaupt nicht nach dem Werk eines Zwölfjährigen.
Die Sonate a quattro sind beschwingte Musikstücke, die gelegentlich bereits jenen berühmten Rossini-Humor aufblitzen lassen; doch die Heiterkeit ist immer eine elegische, es ist Fröhlichkeit in Moll. Bei Eloquence ist nun eine berühmte Aufnahme dieser Musik wieder zugänglich – eingespielt 1978 in der Schweiz von Salvatore Accardo gemeinsam mit Sylvie Gazeau, ebenfalls Violine, Alain Meunier, Violoncello, und Franco Petracchi, Kontrabass. Diese Referenzaufnahme wird im originalen Zwei-LP-Set für dreistellige Beträge gehandelt – und sie ist in der Tat exquisit.
Komplettiert wird das Programm auf Doppel-CD durch das Duett für Violoncello und Kontrabass, sowie Un mot à Paganini, gespielt von Salvatore Accardo und Bruno Canino. Der Pianist ist auch Partner von Franco Petracchi bei Une larme in einer Bearbeitung für Kontrabass und Klavier. Als Zugabe erklingt das virtuose Gran Duo Concertante von Giovanni Bottesini, mit Luciano Vicari, Violine, Lucio Buccarella, Kontrabass, und dem Orchester I Musici.
Die sechs „schrecklichen Sonaten“ freilich, deren Entstehung der Komponist derart launig schildert, sind so übel nicht. Was Rossini seinerzeit, im Sommer 1804, innerhalb von drei Tagen zu Papier brachte, das klingt überhaupt nicht nach dem Werk eines Zwölfjährigen.
Die Sonate a quattro sind beschwingte Musikstücke, die gelegentlich bereits jenen berühmten Rossini-Humor aufblitzen lassen; doch die Heiterkeit ist immer eine elegische, es ist Fröhlichkeit in Moll. Bei Eloquence ist nun eine berühmte Aufnahme dieser Musik wieder zugänglich – eingespielt 1978 in der Schweiz von Salvatore Accardo gemeinsam mit Sylvie Gazeau, ebenfalls Violine, Alain Meunier, Violoncello, und Franco Petracchi, Kontrabass. Diese Referenzaufnahme wird im originalen Zwei-LP-Set für dreistellige Beträge gehandelt – und sie ist in der Tat exquisit.
Komplettiert wird das Programm auf Doppel-CD durch das Duett für Violoncello und Kontrabass, sowie Un mot à Paganini, gespielt von Salvatore Accardo und Bruno Canino. Der Pianist ist auch Partner von Franco Petracchi bei Une larme in einer Bearbeitung für Kontrabass und Klavier. Als Zugabe erklingt das virtuose Gran Duo Concertante von Giovanni Bottesini, mit Luciano Vicari, Violine, Lucio Buccarella, Kontrabass, und dem Orchester I Musici.
Freitag, 7. Juli 2017
Sebastian Knauer - Bach & Sons 2 (Berlin Classics)
„Period performance is in the mind and not in the hardware“, zitiert Sebastian Knauer den Dirigenten Sir Roger Norrington. Und weil das so ist, spielt der Pianist auf Bach & Sons 2 Werke von Johann Sebastian Bach und seinen Söhnen Carl Philipp Emanuel und Johann Christian auf dem Konzertflügel.
Ausgewählt hat Knauer für dieses Projekt neben den beiden bekannten Konzerten BWV 1055 und 1056 auch das Konzert für Flöte, Violine und Cembalo BWV 1044 sowie zwei wirkliche Raritäten: Das Konzert in F-Dur von Johann Christian Bach entdeckte Knauer beim Stöbern in einem sich auflösenden Notenarchiv – ursprünglich war es Wilhelm Friedemann Bach zugeschrieben: „Dann hat sich jedoch herausgestellt, dass es unter falschem Namen veröffentlicht wurde und eigentlich von Johann Christian Bach stammt“, so der Musi- ker.
Das Konzert in G-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach faszinierte Knauer – „aber es gab noch kein editiertes Notenmaterial dazu. Da hat mir der Dohr-Verlag geholfen, dass wir rechtzeitig für die CD auch eine Noten- ausgabe bekamen.“
Glück hatte Sebastian Knauer auch mit seinen Partnern. „Wir atmen gleich, denken gleich und können unglaublich schnell aufeinander reagieren“, beschreibt der Pianist seine Erfahrungen mit dem Geiger Daniel Hope, mit dem er schon seit vielen Jahren gern musiziert. Beim Tripelkonzert spielt er zudem mit dem Flötisten Philipp Jundt.
Fast noch wichtiger ist aber dafür, dass diese Einspielung derart fabelhaft gelungen ist, Knauers langjährige Zusammenarbeit mit dem Zürcher Kammerorchester: „Es ist einfach eine reine Freude, mit diesem Orchester zu spielen“, schwärmt der Pianist für dieses Ensemble. „Für mich ist es elementar, dass ich mich mit den anderen Musikern blind verstehe. Das ist auch der Fall bei Philipp Jundt, zu dem der Kontakt über das Orche- ster kam. Das ist die Grundlage von Erfolg, wenn man gemeinsam musiziert.“
Und musiziert wird lustvoll, zupackend, mit Schwung und Eloquenz. Das moderne Instrumentarium ist dabei kein Hindernis: „Ich nutze die Mög- lichkeiten eines modernen Flügels, versuche mich aber in Klang und Spielweise dem Cembalo zu nähern“, sagt Sebastian Knauer. „Das heißt, dass ich nicht die ganze Bandbreite eines Pedals benutze oder den Anschlag nicht so ansetze, wie ich es bei einem romantischen Werk tun würde.“ Das dynamische Differenzierungsvermögen seines Steinways aber setzt er gern ein; auf einem Cembalo wäre ein derart facettenreiches Spiel nicht möglich. Die drei Solisten und das Zürcher Kammerorchester wirken zudem ungemein sensibel zusammen. Für die Interpretation hat das erfreuliche Konsequenzen: Bach & Sons 2 klingt frisch und natürlich; die Aufnahme wirkt in sich rund und stimmig. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Ausgewählt hat Knauer für dieses Projekt neben den beiden bekannten Konzerten BWV 1055 und 1056 auch das Konzert für Flöte, Violine und Cembalo BWV 1044 sowie zwei wirkliche Raritäten: Das Konzert in F-Dur von Johann Christian Bach entdeckte Knauer beim Stöbern in einem sich auflösenden Notenarchiv – ursprünglich war es Wilhelm Friedemann Bach zugeschrieben: „Dann hat sich jedoch herausgestellt, dass es unter falschem Namen veröffentlicht wurde und eigentlich von Johann Christian Bach stammt“, so der Musi- ker.
Das Konzert in G-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach faszinierte Knauer – „aber es gab noch kein editiertes Notenmaterial dazu. Da hat mir der Dohr-Verlag geholfen, dass wir rechtzeitig für die CD auch eine Noten- ausgabe bekamen.“
Glück hatte Sebastian Knauer auch mit seinen Partnern. „Wir atmen gleich, denken gleich und können unglaublich schnell aufeinander reagieren“, beschreibt der Pianist seine Erfahrungen mit dem Geiger Daniel Hope, mit dem er schon seit vielen Jahren gern musiziert. Beim Tripelkonzert spielt er zudem mit dem Flötisten Philipp Jundt.
Fast noch wichtiger ist aber dafür, dass diese Einspielung derart fabelhaft gelungen ist, Knauers langjährige Zusammenarbeit mit dem Zürcher Kammerorchester: „Es ist einfach eine reine Freude, mit diesem Orchester zu spielen“, schwärmt der Pianist für dieses Ensemble. „Für mich ist es elementar, dass ich mich mit den anderen Musikern blind verstehe. Das ist auch der Fall bei Philipp Jundt, zu dem der Kontakt über das Orche- ster kam. Das ist die Grundlage von Erfolg, wenn man gemeinsam musiziert.“
Und musiziert wird lustvoll, zupackend, mit Schwung und Eloquenz. Das moderne Instrumentarium ist dabei kein Hindernis: „Ich nutze die Mög- lichkeiten eines modernen Flügels, versuche mich aber in Klang und Spielweise dem Cembalo zu nähern“, sagt Sebastian Knauer. „Das heißt, dass ich nicht die ganze Bandbreite eines Pedals benutze oder den Anschlag nicht so ansetze, wie ich es bei einem romantischen Werk tun würde.“ Das dynamische Differenzierungsvermögen seines Steinways aber setzt er gern ein; auf einem Cembalo wäre ein derart facettenreiches Spiel nicht möglich. Die drei Solisten und das Zürcher Kammerorchester wirken zudem ungemein sensibel zusammen. Für die Interpretation hat das erfreuliche Konsequenzen: Bach & Sons 2 klingt frisch und natürlich; die Aufnahme wirkt in sich rund und stimmig. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Samstag, 1. Juli 2017
Farina: Sonate e Canzoni (Pan Classics)
Betrachtet man die Entwicklung des Geigenspiels, gehört das 17. Jahr- hundert mit zu den spannendsten Epochen der Musikgeschichte. Leila Schayegh hat für diese CD einige äußerst interessante Werke aus dieser Zeit zusammengestellt. Die meisten dieser Musikstücke stammen von Carlo Farina (um 1604 bis 1639). Dieser Geiger, der aus Mantua stammte, wurde 1625 nach Dresden berufen, wo er unter Heinrich Schütz als Konzertmeister in der Hofkapelle des sächsischen Kurfürsten musizierte.
Als bei Hofe durch den 30jährigen Krieg das Geld knapp wurde, sah sich Johann Georg I. gezwungen, das Orchester aufzulösen. Farina kehrte zunächst wieder nach Italien zurück; er ging dann nach Danzig und schließlich nach Wien. Einige seiner Werke sind in fünf Sammlungen überliefert, die in den Jahren 1626 bis 1628 in Dresden gedruckt wurden. Schayegh hat ihre Auswahl durch drei Stücke ergänzt, die aus derselben Zeit stammen und in einer Breslauer Handschrift zu finden sind. Sie zeigen, wie das virtuose Violinspiel italienischer Provenienz Musiker in Deutschland beeindruckt und beeinflusst hat.
Die Geigerin spürt konsequent dem historischen Klang nach. Das geht so weit, dass sie sogar die „alten“ Haltungen erprobt: „Wir haben uns für die vorliegende Aufnahme an Bildern und Texten orientiert, die zeigen, dass die Violine zur Zeit Farinas in Italien, Frankreich und im norddeutschen Raum meist nicht auf dem Schlüsselbein, sondern weiter unten, oberhalb der Brust, angesetzt wurde“, berichtet Leila Schayegh in einem Geleitwort. „Dazu gehörte auch eine andere Bogenhaltung: der Daumen hielt den Bogen unter dem Frosch, auf dem Übergang zum Haar. (..) Schließlich wurden auf die Violine noch vier reine Darmsaiten gespannt, ein Setting, das den Gesamtklang aufhellt und gleichzeitig aufrauht. Nun fühlt sich das Spiel plötzlich ganz anders an. Die Bogenhand ist etwas unflexibler, da Daumen und Finger weiter voneinander entfernt sind. Das Gewicht des rechten Arms hängt tief und schwer in den Saiten. Die linke Hand hält die Violine gänzlich allein, das Instrument schwingt fast frei auf minimaler Auflagefläche. Auch in den schwierigsten Passagen (..) ist kein Schlüsselbein als Unterlage mehr da, kein Kopf, keine Schulter, die auch nur kurz zu Hilfe eilen könnten. Beim Cello wird der Klang etwas indirekter und feiner, vielleicht auch etwas sandiger, bei der Violine konkreter, penetranter, roher.“
Diese Veränderungen prägen diese Aufnahme ganz erstaunlich. Bei ihrem beinahe meditativen Violinspiel begleiten Daniele Caminiti, Erzlaute, Jonathan Pesek, Violoncello und Viola da gamba, und Jörg Halubek, Cembalo und Continuo-Orgel, die Geigerin. Zwei Toccaten für Cembalo von Michelangelo Rossi (1601 bis 1656) sowie das beeindruckende Il Ciarlino Capriccio Chromatico von Pietro Paolo Melli (1579 bis 1623) runden das Programm ab.
Als bei Hofe durch den 30jährigen Krieg das Geld knapp wurde, sah sich Johann Georg I. gezwungen, das Orchester aufzulösen. Farina kehrte zunächst wieder nach Italien zurück; er ging dann nach Danzig und schließlich nach Wien. Einige seiner Werke sind in fünf Sammlungen überliefert, die in den Jahren 1626 bis 1628 in Dresden gedruckt wurden. Schayegh hat ihre Auswahl durch drei Stücke ergänzt, die aus derselben Zeit stammen und in einer Breslauer Handschrift zu finden sind. Sie zeigen, wie das virtuose Violinspiel italienischer Provenienz Musiker in Deutschland beeindruckt und beeinflusst hat.
Die Geigerin spürt konsequent dem historischen Klang nach. Das geht so weit, dass sie sogar die „alten“ Haltungen erprobt: „Wir haben uns für die vorliegende Aufnahme an Bildern und Texten orientiert, die zeigen, dass die Violine zur Zeit Farinas in Italien, Frankreich und im norddeutschen Raum meist nicht auf dem Schlüsselbein, sondern weiter unten, oberhalb der Brust, angesetzt wurde“, berichtet Leila Schayegh in einem Geleitwort. „Dazu gehörte auch eine andere Bogenhaltung: der Daumen hielt den Bogen unter dem Frosch, auf dem Übergang zum Haar. (..) Schließlich wurden auf die Violine noch vier reine Darmsaiten gespannt, ein Setting, das den Gesamtklang aufhellt und gleichzeitig aufrauht. Nun fühlt sich das Spiel plötzlich ganz anders an. Die Bogenhand ist etwas unflexibler, da Daumen und Finger weiter voneinander entfernt sind. Das Gewicht des rechten Arms hängt tief und schwer in den Saiten. Die linke Hand hält die Violine gänzlich allein, das Instrument schwingt fast frei auf minimaler Auflagefläche. Auch in den schwierigsten Passagen (..) ist kein Schlüsselbein als Unterlage mehr da, kein Kopf, keine Schulter, die auch nur kurz zu Hilfe eilen könnten. Beim Cello wird der Klang etwas indirekter und feiner, vielleicht auch etwas sandiger, bei der Violine konkreter, penetranter, roher.“
Diese Veränderungen prägen diese Aufnahme ganz erstaunlich. Bei ihrem beinahe meditativen Violinspiel begleiten Daniele Caminiti, Erzlaute, Jonathan Pesek, Violoncello und Viola da gamba, und Jörg Halubek, Cembalo und Continuo-Orgel, die Geigerin. Zwei Toccaten für Cembalo von Michelangelo Rossi (1601 bis 1656) sowie das beeindruckende Il Ciarlino Capriccio Chromatico von Pietro Paolo Melli (1579 bis 1623) runden das Programm ab.