Rom war im 17. Jahrhundert eine
der wichtigsten Musikmetropolen Europas. Viele der italienischen Komponisten jener Zeit lebten und wirkten zumindest einige Zeit in der Ewigen Stadt.
So ließ sich Arcangelo Corelli (1635 bis 1713) in den 1670er Jahren dort nieder; er erwarb sich rasch einen Ruf als ausgezeichneter Violinist und er- hielt so Zugang zu höchsten Kreisen. Er stand im Dienste dreier bedeuten- der Mäzene – Königin Christina von Schweden, Kardinal Benedetto Pamphilj und Kardinal Pietro Ottoboni. Über seine Schüler und mit den wenigen Werken, die er im Druck veröffentlicht hat, beeinflusste er das Musikleben in ganz Europa; Corelli war im gesamten 18. Jahrhundert der am meisten gedruckte Komponist überhaupt.
Auf dieser CD spielt das Ensemble I Musici Werke seiner Nachfolger, die deutlich machen, wie sehr sein Vorbild imitiert wurde. Zu hören sind neben Corellis Concerto grosso op. 6 Nr. 4 das Concerto grosso op. 5 Nr. 7 seines Schülers Francesco Geminiani (1687 bis 1762), sowie Werke von Pietro Castrucci (1679 bis 1752), Giuseppe Valentini (1681 bis 1753) und Pietro Locatelli (1695 bis 1764).
Mittwoch, 31. Mai 2017
Telemann: Miriways (cpo)
Und da wir gerade bei Georg Philipp Telemann waren, dessen Todestag sich in diesem Jahre zum 250. Male jährt, sei an dieser Stelle noch auf eine weitere Entdeckung verwiesen: Seine Oper Miriways nach einem Libretto von Johann Samuel Müller, uraufgeführt 1728 in Hamburg, ist bei dem Label cpo erschienen.
Das Sujet war seinerzeit hochaktuell – der Stammesfürst Mir Wais Khãn Hõtak-Ghãlzai führte nach 1700 die Befreiung der afghanischen Provinz Kandahar aus persischer Vorherrschaft an. 1722 eroberten die Afghanen Isfahan, und zwangen den persischen Schah zum Rücktritt.
Es ist erstaunlich, dass diese Oper jahrhundertelang im Archiv schlum- merte. Erst 1992 gab es in Magdeburg eine erste konzertante Aufführung, und 2012 schließlich wieder eine szenische Produktion am Theater Magdeburg, die zu den Telemann-Festtagen sowie beim Brucknerfest in Linz das Publikum begeisterte.
Die Handlung der Oper spielt in Isfahan, wo Miriways dem jungen Sophi, Sohn des abgesetzten Schahs, die persische Krone anbietet – unter der Bedingung, dass er eine von Miriways ausgewählte Braut zur Ehefrau nimmt. Darüber ist Sophi gar nicht glücklich, denn er ist bereits ander- weitig verliebt. Nach einigen Irrungen und Wirrungen wird aber festge- stellt, dass es sich bei der von ihm verehrten Bemira um jene verschollene Tochter Miriways' handelt, die er heiraten soll – was er nun mit Freuden tut. Zu dieser Haupthandlung gibt es dann noch eine Nebenhandlung um ein zweites Paar, das sich nach einigen Turbulenzen ebenfalls findet.
Viel interessanter aber als diese Story ist Telemanns Musik, die sich durch jede Menge orientalisches Kolorit auszeichnet. Die österreichische Dirigentin Michi Gaigg macht insbesondere die Orchesterzwischenspiele zu einem Ereignis. Sie werden durch das 1996 von ihr gegründete L'Orfeo Barockorchester lustvoll zelebriert – und es ist auch für das Publikum sehr vergnüglich, wenn die Instrumente „nach Persischer Gewohnheit sich hören lassen“.
Wer sich die Formen aber näher anschaut, wird überrascht feststellen, dass Miriways ansonsten relativ strikt dem Muster der opera seria folgt. Kaum eine andere (überlieferte) Oper Telemanns orientiert sich, stilistisch betrachtet, derart konsequent am italienischen Vorbild. All seine Figuren hat der Komponist gleichermaßen liebevoll musikalisch charakterisiert und mit technisch anspruchsvollen Arien ausgestattet.
Dem trägt auch diese Einspielung Rechnung. Aus dem exzellenten Solistenensemble seien an dieser Stelle Ulrike Hofbauer herausgehoben, die mit ihrem schlanken Sopran einen nuancenreichen Sophi gestaltet, und Markus Volpert, der mit seinem klangvollen Bariton den Miriways hinreißend singt. Die Sänger sind aber durchweg sehr gut; die Aufnahme verheißt mehr als zwei Stunden musikalischen Genuss und ist wirklich sehr zu empfehlen.
Das Sujet war seinerzeit hochaktuell – der Stammesfürst Mir Wais Khãn Hõtak-Ghãlzai führte nach 1700 die Befreiung der afghanischen Provinz Kandahar aus persischer Vorherrschaft an. 1722 eroberten die Afghanen Isfahan, und zwangen den persischen Schah zum Rücktritt.
Es ist erstaunlich, dass diese Oper jahrhundertelang im Archiv schlum- merte. Erst 1992 gab es in Magdeburg eine erste konzertante Aufführung, und 2012 schließlich wieder eine szenische Produktion am Theater Magdeburg, die zu den Telemann-Festtagen sowie beim Brucknerfest in Linz das Publikum begeisterte.
Die Handlung der Oper spielt in Isfahan, wo Miriways dem jungen Sophi, Sohn des abgesetzten Schahs, die persische Krone anbietet – unter der Bedingung, dass er eine von Miriways ausgewählte Braut zur Ehefrau nimmt. Darüber ist Sophi gar nicht glücklich, denn er ist bereits ander- weitig verliebt. Nach einigen Irrungen und Wirrungen wird aber festge- stellt, dass es sich bei der von ihm verehrten Bemira um jene verschollene Tochter Miriways' handelt, die er heiraten soll – was er nun mit Freuden tut. Zu dieser Haupthandlung gibt es dann noch eine Nebenhandlung um ein zweites Paar, das sich nach einigen Turbulenzen ebenfalls findet.
Viel interessanter aber als diese Story ist Telemanns Musik, die sich durch jede Menge orientalisches Kolorit auszeichnet. Die österreichische Dirigentin Michi Gaigg macht insbesondere die Orchesterzwischenspiele zu einem Ereignis. Sie werden durch das 1996 von ihr gegründete L'Orfeo Barockorchester lustvoll zelebriert – und es ist auch für das Publikum sehr vergnüglich, wenn die Instrumente „nach Persischer Gewohnheit sich hören lassen“.
Wer sich die Formen aber näher anschaut, wird überrascht feststellen, dass Miriways ansonsten relativ strikt dem Muster der opera seria folgt. Kaum eine andere (überlieferte) Oper Telemanns orientiert sich, stilistisch betrachtet, derart konsequent am italienischen Vorbild. All seine Figuren hat der Komponist gleichermaßen liebevoll musikalisch charakterisiert und mit technisch anspruchsvollen Arien ausgestattet.
Dem trägt auch diese Einspielung Rechnung. Aus dem exzellenten Solistenensemble seien an dieser Stelle Ulrike Hofbauer herausgehoben, die mit ihrem schlanken Sopran einen nuancenreichen Sophi gestaltet, und Markus Volpert, der mit seinem klangvollen Bariton den Miriways hinreißend singt. Die Sänger sind aber durchweg sehr gut; die Aufnahme verheißt mehr als zwei Stunden musikalischen Genuss und ist wirklich sehr zu empfehlen.
Telemann: 6 Violin Sonatas (Brilliant Classics)
Barockviolinist
Valerio Losito und Cembalist Federico Del Sordo widmen sich auf
dieser CD den überraschend selten aufgenommenen Violin- sonaten TWV
41. Dass Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) als seine Opera prima
einst Violinsonaten veröffentlichte, ist kein Zufall. Der Komponist
spielte dieses Instrument selbst; in Eisenach war er als
Konzertmeister angestellt.
Die Six Sonates à violon seul accompagné par le clavessin, erschienen 1715 in Frankfurt, widmete Telemann Johann Ernst IV. von Sachsen-Weimar. Der Herzog war musikalisch sehr begabt; er starb 1715, nicht einmal 20 Jahre alt, an einem Krebsleiden.
Obwohl Telemann die französische Musik sowohl in Sorau als auch in Eisenach ausgiebig studieren konnte, täuschen in diesem Falle Titel und Widmung: Diese Sonaten folgen in weiten Teilen eher dem italienischen Vorbild. Weniger Lully oder Charpentier, als vielmehr Corelli, Tartini und Vivaldi haben diese Werke geprägt. Dabei geht Telemann aber letztendlich eigene Wege: „For Telemann's six sonatas are the fruit of absolute genius, not only as regards harmony and melody, but above all on account of the composer's deep knowledge of violin technique and potential“, schreibt Valerio Losito. „Together these pieces constituted a magnificent anthology of evrey genre and kind of music ever attributed to the violin. Even for us today, study and performance of these sonatas has opened up new horizons. Telemann has the ability to urge musicians to delve deeper into their imaginations and musical perceptions.“
Der Geiger schwärmt von der Wunderkammer, die sich in diesen Stücken auftut. Mit Schwung und hinreißender Spielfreude haben Valerio Losito und Federico Del Sordo Telemanns vielfältige musikalische Ideen erkundet – selbstverständlich auf historisch-authentischem Instrumentarium.
Die Six Sonates à violon seul accompagné par le clavessin, erschienen 1715 in Frankfurt, widmete Telemann Johann Ernst IV. von Sachsen-Weimar. Der Herzog war musikalisch sehr begabt; er starb 1715, nicht einmal 20 Jahre alt, an einem Krebsleiden.
Obwohl Telemann die französische Musik sowohl in Sorau als auch in Eisenach ausgiebig studieren konnte, täuschen in diesem Falle Titel und Widmung: Diese Sonaten folgen in weiten Teilen eher dem italienischen Vorbild. Weniger Lully oder Charpentier, als vielmehr Corelli, Tartini und Vivaldi haben diese Werke geprägt. Dabei geht Telemann aber letztendlich eigene Wege: „For Telemann's six sonatas are the fruit of absolute genius, not only as regards harmony and melody, but above all on account of the composer's deep knowledge of violin technique and potential“, schreibt Valerio Losito. „Together these pieces constituted a magnificent anthology of evrey genre and kind of music ever attributed to the violin. Even for us today, study and performance of these sonatas has opened up new horizons. Telemann has the ability to urge musicians to delve deeper into their imaginations and musical perceptions.“
Der Geiger schwärmt von der Wunderkammer, die sich in diesen Stücken auftut. Mit Schwung und hinreißender Spielfreude haben Valerio Losito und Federico Del Sordo Telemanns vielfältige musikalische Ideen erkundet – selbstverständlich auf historisch-authentischem Instrumentarium.
Dienstag, 30. Mai 2017
Graun: Opera Arias - Julia Lezhneva (Decca)
Bei der Vorbereitung eines Konzertes im Schloss Sanssouci hielt Julia Lezhneva zum ersten Male eine Arie von Carl Heinrich Graun (1704 bis 1759) in den Händen – Mi paventi aus der Oper Britannico, wird im Beiheft zu dieser CD berichtet: „I was completely amazed by this fabulous aria“, schwärmt die Sängerin. „It is so beautiful and emotional that I felt myself trembling when I sang it. It was written for one of the greatest female sopranos of the time, Giovanna Astrua. (..) Unlike Handel and Porpora, where you can feel that castrati were still reigning supreme in opera and dominating the concert stage, it seems that Graun had a deep love of the natural female voice and tried to make women equal to the castrati, creating lots of roles for them with as much emotional and dramatic range as possible.“
Carl Heinrich Graun stand, wie auch sein Bruder, der Konzertmeister Johann Gottlieb Graun (1702/03 bis 1771), im Dienst Friedrichs II. von Preußen. Zu seinen Aufgaben als Hofkapellmeister gehörte unter anderem die Leitung des Berliner Opernhauses, für das er auch selbst zahlreiche Werke komponierte. In den Beständen der Staatsbibliothek Berlin, gegenüber dem Opernhaus, befinden sich Abschriften etlicher dieser Opern. Julia Lezhneva hat diese alten Handschriften gemeinsam mit dem Dirigenten Michail Antonenko durchgesehen, um Arien für dieses Album herauszusuchen.
Mit Ausnahme von Mi paventi handelt es sich dabei durchweg um Welt- ersteinspielungen. „Graun goes deep into a character's emotions, and we chose pieces displaying different kinds: furioso, lamenting, ,character', tragic, bravura and utterly joyful“, so die Sängerin. Dennoch sind seine Werke von der Opernbühne vollkommen verschwunden.
Den Grund dafür ahnt man bald. Denn insbesondere die Arien, die durch Leidenschaften motiviert sind, erfordern eine enorme Virtuosität. Rasante Koloraturen, ganze Ketten von Verzierungen – mit ihrer Kehlfertigkeit hätte Julia Lezhneva wohl auch einen Porpora beeindruckt. Mir persönlich aber gefällt ihr Gesang am besten dort, wo sie große Linien gestaltet und langsamen Stücken Farbe gibt. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Klagelied aus Grauns Oper Mithridate: „I was moved on tears when I first saw the score of ,Piangete, o mesti lumi'“, meint auch die Sängerin, „it is one of the most touching pieces of music I've ever seen.“
Begleitet wird die Sopranistin bei ihrem Ausflug in die Berliner Opern- geschichte vom Ensemble Concerto Köln unter Michail Antonenko. Die Musiker, die gerade im Bereich der Barockmusik schon viele Schätze gehoben haben, sind ihr ebenso zuverlässige wie temperamentvolle Partner.
Carl Heinrich Graun stand, wie auch sein Bruder, der Konzertmeister Johann Gottlieb Graun (1702/03 bis 1771), im Dienst Friedrichs II. von Preußen. Zu seinen Aufgaben als Hofkapellmeister gehörte unter anderem die Leitung des Berliner Opernhauses, für das er auch selbst zahlreiche Werke komponierte. In den Beständen der Staatsbibliothek Berlin, gegenüber dem Opernhaus, befinden sich Abschriften etlicher dieser Opern. Julia Lezhneva hat diese alten Handschriften gemeinsam mit dem Dirigenten Michail Antonenko durchgesehen, um Arien für dieses Album herauszusuchen.
Mit Ausnahme von Mi paventi handelt es sich dabei durchweg um Welt- ersteinspielungen. „Graun goes deep into a character's emotions, and we chose pieces displaying different kinds: furioso, lamenting, ,character', tragic, bravura and utterly joyful“, so die Sängerin. Dennoch sind seine Werke von der Opernbühne vollkommen verschwunden.
Den Grund dafür ahnt man bald. Denn insbesondere die Arien, die durch Leidenschaften motiviert sind, erfordern eine enorme Virtuosität. Rasante Koloraturen, ganze Ketten von Verzierungen – mit ihrer Kehlfertigkeit hätte Julia Lezhneva wohl auch einen Porpora beeindruckt. Mir persönlich aber gefällt ihr Gesang am besten dort, wo sie große Linien gestaltet und langsamen Stücken Farbe gibt. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Klagelied aus Grauns Oper Mithridate: „I was moved on tears when I first saw the score of ,Piangete, o mesti lumi'“, meint auch die Sängerin, „it is one of the most touching pieces of music I've ever seen.“
Begleitet wird die Sopranistin bei ihrem Ausflug in die Berliner Opern- geschichte vom Ensemble Concerto Köln unter Michail Antonenko. Die Musiker, die gerade im Bereich der Barockmusik schon viele Schätze gehoben haben, sind ihr ebenso zuverlässige wie temperamentvolle Partner.
Short Stories (Genuin)
Den sogenannten Encores widmete Mark Schumann seine Debüt-CD bei Genuin. Gemeinsam mit dem Pianisten Martin Klett hat der Cellist eine Auswahl jener kurzen Stücke eingespielt, die heute typischerweise als Zugaben nach einem Konzert erklingen.
Mit dieser Aufnahme zeigen die beiden Musiker, dass die kleinen Musikstücke deutlich mehr Potential haben: „In vielen kurzen Werken findet sich jedoch weit mehr, wenn man sich nur die Zeit nimmt, genauer hinzusehen, respektive zu hören. Manch schlicht Melodie entpuppt sich so in ihrer zwingenden Einfachheit als Brennglas, das den Blick für die Wahrheit und Schönheit des Seins schärft“, meint Mark Schumann. „In gleichem Maße erzählt auch manch virtuoser Cellospielertrick weit mehr, als es der Grad an sportlicher Betätigung auf dem Instrument vermuten lässt.“
Und so zeigen die beiden Musiker auf dieser CD, dass Ausdruck und Virtuosität durchaus kein Widerspruch sein müssen. Von Niccolò Paganini bis zu Carl Davidoff, von Joseph Haydn bis zu Gabriel Fauré und von Fritz Kreisler bis zu David Popper reicht das Programm, und vom elegischen Chopin-Nocturne bis zum rasanten spanischen Tanz.
Die Wahl des Titels ist keineswegs Zufall. Mark Schumann erzählt mit seinem Cellospiel in der Tat Kurzgeschichten. Dazu haben die beiden Musizierpartner jedes dieser kleinen Stücke mit großer Sorgfalt gearbeitet. So sind feinste Nuancen möglich. Nicht umsonst heißt es, das Violoncello sei das Instrument, das der menschlichen Stimme am nächsten komme. Entstanden ist ein Album für Genießer, mit schön geführten Linien, faszinierenden Klangfarben, sehr viel Abwechslung, und gelegentlich auch einem charmanten Augenzwinkern. Meine Empfehlung!
Mit dieser Aufnahme zeigen die beiden Musiker, dass die kleinen Musikstücke deutlich mehr Potential haben: „In vielen kurzen Werken findet sich jedoch weit mehr, wenn man sich nur die Zeit nimmt, genauer hinzusehen, respektive zu hören. Manch schlicht Melodie entpuppt sich so in ihrer zwingenden Einfachheit als Brennglas, das den Blick für die Wahrheit und Schönheit des Seins schärft“, meint Mark Schumann. „In gleichem Maße erzählt auch manch virtuoser Cellospielertrick weit mehr, als es der Grad an sportlicher Betätigung auf dem Instrument vermuten lässt.“
Und so zeigen die beiden Musiker auf dieser CD, dass Ausdruck und Virtuosität durchaus kein Widerspruch sein müssen. Von Niccolò Paganini bis zu Carl Davidoff, von Joseph Haydn bis zu Gabriel Fauré und von Fritz Kreisler bis zu David Popper reicht das Programm, und vom elegischen Chopin-Nocturne bis zum rasanten spanischen Tanz.
Die Wahl des Titels ist keineswegs Zufall. Mark Schumann erzählt mit seinem Cellospiel in der Tat Kurzgeschichten. Dazu haben die beiden Musizierpartner jedes dieser kleinen Stücke mit großer Sorgfalt gearbeitet. So sind feinste Nuancen möglich. Nicht umsonst heißt es, das Violoncello sei das Instrument, das der menschlichen Stimme am nächsten komme. Entstanden ist ein Album für Genießer, mit schön geführten Linien, faszinierenden Klangfarben, sehr viel Abwechslung, und gelegentlich auch einem charmanten Augenzwinkern. Meine Empfehlung!
Montag, 29. Mai 2017
Nowowiejski: Complete Concertos for Solo Organ op. 56 (MDG)
Auf das Orgelwerk von Felix Nowo- wiejski (1877 bis 1946) aufmerksam wurde ich im vergangenen Jahr durch eine CD aus dem Hause Oehms Classics, auf der der Trierer Dom- organist Josef Still deutsche und polnische Orgelmusik vorgestellt hat. Mit großen Erwartungen habe ich daher nun diese Einspielung ange- hört – und fand sie atemberaubend. Das hat gleich mehrere Gründe.
Zum einen ist natürlich Rudolf Innig ein famoser Organist. Zum anderen ist die Orgelmusik von Felix Nowo- wiejski wirklich großartig, und man kann Innig nicht genug dafür danken, dass er das Gesamtwerk dieses hierzulande nahezu unbekannten Virtuosen des spätromantischen Orgel- klangs eingespielt hat. Es eine Entdeckung zu nennen, wäre untertrieben.
Diese Gesamtaufnahme, erschienen bei Dabringhaus und Grimm, macht auf einen Orgelkomponisten aufmerksam von europäischem Rang. Nowowiejski, Sohn eines Schneiders aus Wartenburg, heute Barczewo, gelegen im Ermland, musste schon früh den Lebensunterhalt seiner Familie finanzieren; Preise und Auszeichnungen ermöglichten ihm aber Musikstudien und Studienreisen, die ihn nach Berlin und Regensburg, aber auch nach Österreich, Italien, Frankreich und Belgien führten. Als Chor- leiter und Organist wirkte er unter anderem an der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin. Sein Oratorium Quo Vadis, uraufgeführt 1909 in Amsterdam, machte Nowowiejski weltweit berühmt.
Dennoch kehrte er noch im gleichen Jahr nach Polen zurück, wo er Direktor der Krakauer Musikgesellschaft wurde, und zudem Organist und Kapellmeister der Warschauer Sinfoniekonzerte. In seinem Schaffen zeigt sich deutlich, dass er ein engagierter polnischer Patriot war. Seine Vertonung der Rota, eines Liedes, dass sich insbesondere gegen die Germanisierung Polens wendet, ist die Hymne der polnischen Pfadfinder, und wäre beinahe sogar polnische Nationalhymne geworden. Kurioserweise wurde Nowowiejski aber nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges in seiner Heimat derart angefeindet, dass er wieder nach Berlin ging.
Nach Kriegsende lehrte er dann als Orgeldozent in Poznań. Dass er 1920 bei der Abstimmung über die zukünftige Grenzziehung für die Abtretung preußischer Gebiete an Polen agitierte, nahm ihm allerdings nicht nur sein einstiger Lehrer Max Bruch ausgesprochen übel. Dieser Konflikt bewirkte, dass Nowowiejski mit seiner Musik fortan in Deutschland boykottiert wurde – und letztendlich in Vergessenheit geriet. 1939 floh der Organist nach Krakau; 1941 erlitt er einen schweren Schlaganfall, der seiner Musikerlaufbahn ein Ende setzte. 1945 kehrte Nowowiejski nach Poznań zurück, wo er im Januar 1946 starb.
In seiner Musik griff der polnische Komponist Anregungen aus ganz Europa auf. Insbesondere das französische Vorbild hat ihn inspiriert: „Nowowiejski selbst hatte bei der Komposition seiner Orgelwerke dreimanualige Instrumente im Sinne der französischen sinfonischen Orgelmusik vor Augen, die ihm durch seine mehrfachen Aufenthalte in Paris vertraut waren“, schreibt Rudolf Innig in dem sehr informativen Begleitheft zu dieser Doppel-CD. So notierte Nowowiejski auch Register- angaben häufig in französischer Sprache.
Mit seinen neun Orgelsinfonien sowie den vier Orgelkonzerten (die auch ausgeprägt sinfonischen Charakter haben) gehört er, neben César Franck, Louis Vierne, Charles-Marie Widor und vielleicht noch dessen Amts- nachfolger als Organist in Saint-Sulpice, Marcel Dupré, zu den großen Meistern der sinfonischen Orgelmusik.
Die vorliegende Doppel-CD ist das Finale der Gesamteinspielung der Orgelwerke von Felix Nowowiejski. Rudolf Innig stellt hier die Concerts pour orgue op. 56 sowie einige kleinere Musikstücke, darunter die Pièces pour orgue op. 9 und op. 31, vor.
Die vier Orgelkonzerte sind in Krakau entstanden – nachdem Nowo- wiejski, der doch in Berlin studiert und gearbeitet hatte, erkennen musste, dass sein Leben ernsthaft bedroht war. Auch wenn der Komponist selbst die Orgelsinfonien als sein musikalisches Testament bezeichnet hatte, trifft diese Sicht doch vor allem auf die Orgelkonzerte zu – zum einen, weil er sie tatsächlich am Ende seines Lebens geschaffen hat; zum anderen, weil sie stark autobiographisch geprägt sind. So trägt der erste Satz des Konzertes Nr. 1, mit dem Titel Veni Creator, den Zusatz Mon mariage dans la cathedrale Wawel á Cracovie.
Generell sind die Orgelkonzerte Nowowiejskis stark durch inhaltliche Bezüge geprägt, die der Organist mit einer Vielzahl musikalischer Zitate herstellt. So lässt er im Finale des dritten Orgelkonzertes drei Trompeten ein sogenanntes Hejnał blasen, ein Signal, wie es einstmals vom Turm herab erklungen ist. Im Untertitel des Satzes wird es als Fanfare zur Enthüllung des Gnadenbildes der wundertätigen Gottesmutter in Ostra Brama in Wilno bezeichnet, was auch in den musikalischen Kontext passt, der durch ein polnisches Marienlied geprägt ist.
Das Krakauer Hejnał Mariacki aber ist ein besonderes Signal. Der Legende nach bricht es ab, weil der Trompeter beim Tatarenangriff im Jahre 1241 durch einen Pfeil getötet worden ist. In diesem Zusammenhang betrachtet, könnte es also auch zum Widerstand gegen die Besatzer rufen. Alle vier Orgelkonzerte sind durchwebt und getragen von Zitaten und Anspielungen. Und zugleich sind sie musikalisch radikal, konsequent bis an die Grenzen der Tonalität.
Rudolf Innig hat für diese Aufnahmen erneut die Sauer-Orgel im Bremer Dom gewählt. Auf diesem enormen Instrument mit hundert Registern auf vier Manualen und Pedal wählte der Organist mit Sorgfalt Klangfarben aus, die den Vorgaben Nowowiejskis möglichst genau entsprechen. „Weitere große Vorteile (..) waren die für pneumatische Verhältnisse sehr präzise Traktur der im Jahre 1996 vollständig restaurierten Sauer-Orgel, die leichte technische Verfügbarkeit der vielen Register durch eine Setzeranlage mit 512 Kombinationen und nicht zuletzt die hervorragende Akustik im Bremer Dom“, schreibt Innig.
Dank der auch technisch exzellenten Aufnahme kann man den Details seiner Interpretation – und davon leben diese Orgelwerke mit ihrer oftmals sehr kunstvollen Polyphonie ganz entscheidend – auch zu Hause folgen. Eine grandiose Leistung, unbedingt anhören!
Zum einen ist natürlich Rudolf Innig ein famoser Organist. Zum anderen ist die Orgelmusik von Felix Nowo- wiejski wirklich großartig, und man kann Innig nicht genug dafür danken, dass er das Gesamtwerk dieses hierzulande nahezu unbekannten Virtuosen des spätromantischen Orgel- klangs eingespielt hat. Es eine Entdeckung zu nennen, wäre untertrieben.
Diese Gesamtaufnahme, erschienen bei Dabringhaus und Grimm, macht auf einen Orgelkomponisten aufmerksam von europäischem Rang. Nowowiejski, Sohn eines Schneiders aus Wartenburg, heute Barczewo, gelegen im Ermland, musste schon früh den Lebensunterhalt seiner Familie finanzieren; Preise und Auszeichnungen ermöglichten ihm aber Musikstudien und Studienreisen, die ihn nach Berlin und Regensburg, aber auch nach Österreich, Italien, Frankreich und Belgien führten. Als Chor- leiter und Organist wirkte er unter anderem an der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin. Sein Oratorium Quo Vadis, uraufgeführt 1909 in Amsterdam, machte Nowowiejski weltweit berühmt.
Dennoch kehrte er noch im gleichen Jahr nach Polen zurück, wo er Direktor der Krakauer Musikgesellschaft wurde, und zudem Organist und Kapellmeister der Warschauer Sinfoniekonzerte. In seinem Schaffen zeigt sich deutlich, dass er ein engagierter polnischer Patriot war. Seine Vertonung der Rota, eines Liedes, dass sich insbesondere gegen die Germanisierung Polens wendet, ist die Hymne der polnischen Pfadfinder, und wäre beinahe sogar polnische Nationalhymne geworden. Kurioserweise wurde Nowowiejski aber nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges in seiner Heimat derart angefeindet, dass er wieder nach Berlin ging.
Nach Kriegsende lehrte er dann als Orgeldozent in Poznań. Dass er 1920 bei der Abstimmung über die zukünftige Grenzziehung für die Abtretung preußischer Gebiete an Polen agitierte, nahm ihm allerdings nicht nur sein einstiger Lehrer Max Bruch ausgesprochen übel. Dieser Konflikt bewirkte, dass Nowowiejski mit seiner Musik fortan in Deutschland boykottiert wurde – und letztendlich in Vergessenheit geriet. 1939 floh der Organist nach Krakau; 1941 erlitt er einen schweren Schlaganfall, der seiner Musikerlaufbahn ein Ende setzte. 1945 kehrte Nowowiejski nach Poznań zurück, wo er im Januar 1946 starb.
In seiner Musik griff der polnische Komponist Anregungen aus ganz Europa auf. Insbesondere das französische Vorbild hat ihn inspiriert: „Nowowiejski selbst hatte bei der Komposition seiner Orgelwerke dreimanualige Instrumente im Sinne der französischen sinfonischen Orgelmusik vor Augen, die ihm durch seine mehrfachen Aufenthalte in Paris vertraut waren“, schreibt Rudolf Innig in dem sehr informativen Begleitheft zu dieser Doppel-CD. So notierte Nowowiejski auch Register- angaben häufig in französischer Sprache.
Mit seinen neun Orgelsinfonien sowie den vier Orgelkonzerten (die auch ausgeprägt sinfonischen Charakter haben) gehört er, neben César Franck, Louis Vierne, Charles-Marie Widor und vielleicht noch dessen Amts- nachfolger als Organist in Saint-Sulpice, Marcel Dupré, zu den großen Meistern der sinfonischen Orgelmusik.
Die vorliegende Doppel-CD ist das Finale der Gesamteinspielung der Orgelwerke von Felix Nowowiejski. Rudolf Innig stellt hier die Concerts pour orgue op. 56 sowie einige kleinere Musikstücke, darunter die Pièces pour orgue op. 9 und op. 31, vor.
Die vier Orgelkonzerte sind in Krakau entstanden – nachdem Nowo- wiejski, der doch in Berlin studiert und gearbeitet hatte, erkennen musste, dass sein Leben ernsthaft bedroht war. Auch wenn der Komponist selbst die Orgelsinfonien als sein musikalisches Testament bezeichnet hatte, trifft diese Sicht doch vor allem auf die Orgelkonzerte zu – zum einen, weil er sie tatsächlich am Ende seines Lebens geschaffen hat; zum anderen, weil sie stark autobiographisch geprägt sind. So trägt der erste Satz des Konzertes Nr. 1, mit dem Titel Veni Creator, den Zusatz Mon mariage dans la cathedrale Wawel á Cracovie.
Generell sind die Orgelkonzerte Nowowiejskis stark durch inhaltliche Bezüge geprägt, die der Organist mit einer Vielzahl musikalischer Zitate herstellt. So lässt er im Finale des dritten Orgelkonzertes drei Trompeten ein sogenanntes Hejnał blasen, ein Signal, wie es einstmals vom Turm herab erklungen ist. Im Untertitel des Satzes wird es als Fanfare zur Enthüllung des Gnadenbildes der wundertätigen Gottesmutter in Ostra Brama in Wilno bezeichnet, was auch in den musikalischen Kontext passt, der durch ein polnisches Marienlied geprägt ist.
Das Krakauer Hejnał Mariacki aber ist ein besonderes Signal. Der Legende nach bricht es ab, weil der Trompeter beim Tatarenangriff im Jahre 1241 durch einen Pfeil getötet worden ist. In diesem Zusammenhang betrachtet, könnte es also auch zum Widerstand gegen die Besatzer rufen. Alle vier Orgelkonzerte sind durchwebt und getragen von Zitaten und Anspielungen. Und zugleich sind sie musikalisch radikal, konsequent bis an die Grenzen der Tonalität.
Rudolf Innig hat für diese Aufnahmen erneut die Sauer-Orgel im Bremer Dom gewählt. Auf diesem enormen Instrument mit hundert Registern auf vier Manualen und Pedal wählte der Organist mit Sorgfalt Klangfarben aus, die den Vorgaben Nowowiejskis möglichst genau entsprechen. „Weitere große Vorteile (..) waren die für pneumatische Verhältnisse sehr präzise Traktur der im Jahre 1996 vollständig restaurierten Sauer-Orgel, die leichte technische Verfügbarkeit der vielen Register durch eine Setzeranlage mit 512 Kombinationen und nicht zuletzt die hervorragende Akustik im Bremer Dom“, schreibt Innig.
Dank der auch technisch exzellenten Aufnahme kann man den Details seiner Interpretation – und davon leben diese Orgelwerke mit ihrer oftmals sehr kunstvollen Polyphonie ganz entscheidend – auch zu Hause folgen. Eine grandiose Leistung, unbedingt anhören!
Samstag, 27. Mai 2017
Telemann: Die Doppelkonzerte mit Blockflöte (Brilliant Classics)
Und noch eine weitere CD aus dem Hause Brilliant Classics rückt uns das Schaffen Georg Philipp Telemanns (1681 bis 1767) erfreulich ins Licht: Erik Bosgraaf hat mit seinem Ensem- ble Cordevento sowie mit weiteren Musikerfreunden Doppelkonzerte Telemanns eingespielt, in denen der Komponist Blockflöten zumindest einen Solopart zugeschrieben hat – mitunter sind es auch gleich beide.
Neben Bosgraaf, ohne Zweifel einer der besten Blockflötisten der Welt, brillieren die Solisten Anna Besson, Traversflöte, Yi-Chang Liang, Blockflöte, Robert Smith, Viola da gamba und Marije van der Ende, Fagott. Auch das Ensemble Cordevento spielt seinen Part exzellent. Das ist bei diesen Konzerten besonders wichtig, denn sie zeichnen sich durch einen lebhaften Dialog zwischen Solostimmen und Orchester aus.
Musiziert wird temperamentvoll und mit Leidenschaft. Bei Bosgraaf ist Telemanns Einfallsreichtum in besten Händen; nach seinem Album mit Blockflöten-Suiten und Konzerten setzt der Musiker mit dieser CD erneut einen Glanzpunkt.
Neben Bosgraaf, ohne Zweifel einer der besten Blockflötisten der Welt, brillieren die Solisten Anna Besson, Traversflöte, Yi-Chang Liang, Blockflöte, Robert Smith, Viola da gamba und Marije van der Ende, Fagott. Auch das Ensemble Cordevento spielt seinen Part exzellent. Das ist bei diesen Konzerten besonders wichtig, denn sie zeichnen sich durch einen lebhaften Dialog zwischen Solostimmen und Orchester aus.
Musiziert wird temperamentvoll und mit Leidenschaft. Bei Bosgraaf ist Telemanns Einfallsreichtum in besten Händen; nach seinem Album mit Blockflöten-Suiten und Konzerten setzt der Musiker mit dieser CD erneut einen Glanzpunkt.
Dienstag, 23. Mai 2017
Telemann: Oboe Concertos (Brilliant Classics)
Es ist ein würdiges Andenken, das der Andrius Puskunigis mit einem der besten Kammerensembles seiner Heimat Litauen, dem St. Christopher Chamber Orchestra, für den 250. Todestag Georg Philipp Telemanns (1681 bis 1767) vorbereitet hat: Eine charmante Aufnahme von sechs Oboenkonzerten des Komponisten – musikalisch ansprechend, sehr abwechslungsreich und mit hinreißender Spielfreude präsentiert.
Auch wenn Telemann 1718 in seiner Autobiografie schrieb, dass ihm Konzerte „niemahls recht von Hertzen gegangen sind“, so muss man aus heutiger Sicht feststellen, dass sein Schaffen auch in diesem Bereich nach wie vor unterschätzt wird. Die Werke jedenfalls, die Puskunigis für diese Einspielung ausgewählt hat, verknüpfen elegante Melodien mit fröhlicher Virtuosität – ganz nach italienischem Vorbild; wer die Musik etwa Vivaldis oder Albinonis schätzt, der wird sich garantiert nicht langweilen.
Auch wenn Telemann 1718 in seiner Autobiografie schrieb, dass ihm Konzerte „niemahls recht von Hertzen gegangen sind“, so muss man aus heutiger Sicht feststellen, dass sein Schaffen auch in diesem Bereich nach wie vor unterschätzt wird. Die Werke jedenfalls, die Puskunigis für diese Einspielung ausgewählt hat, verknüpfen elegante Melodien mit fröhlicher Virtuosität – ganz nach italienischem Vorbild; wer die Musik etwa Vivaldis oder Albinonis schätzt, der wird sich garantiert nicht langweilen.
Montag, 22. Mai 2017
Mayr: Telemaco (Naxos)
Fast 70 Opern schrieb Johann Simon Mayr (1763 bis 1845). Eine seiner frühen Opern galt der Figur des Telemaco. Telemach, wie er hierzulande genannt wird, ist in Homers Odysee nur eine Nebenfigur. Allerdings hat François Fénelon, Erzbischof von Cambray, für seinen Schüler, den siebenjährigen Louis, Dauphin von Frankreich und Herzog von Burgund, Les aventures de Télémaque zu Papier gebracht – einen Roman, in dessen Mittelpunkt er den Sohn des Odysseus stellte.
Dieses Buch, 1699 veröffentlicht, brachte seinem Autor eine Menge Ärger ein, denn es wurde bei Hofe als Kritik am Absolutismus gelesen. Zugleich wurde es europaweit ein Best- seller, und inspirierte sowohl bildende Künstler als auch Opernlibrettisten. Eines dieser Textbücher, das erzählt, dass Telemach wie einst sein Vater Odysseus auf der Insel der Nymphe Calypso strandet, vertonte Simon Mayr. Seine Oper erklang in Venedig 1797 zum Karneval fast einen Monat lang beinahe täglich, was deutlich macht, dass sie ein großer Erfolg war.
Die Kombination aus einer guten Story – immerhin lebte Odysseus sieben Jahre bei Calypso; die Nymphe musste ihn schließlich ziehen lassen, weil es die Götter befahlen – und erstklassiger Musik, die italienische Traditionen und Wiener Klassik in sich vereint, macht diese Oper auch heute noch interessant. Es ist Mayr-Spezialist Franz Hauk sehr zu danken, dass man Telemaco nell’isola di Calipso nunmehr auf CD anhören kann.
Die Weltersteinspielung ist nun in seiner fortlaufend erweiterten Edition der Opern des bayerisch-italienischen Komponisten erschienen. Die Sänger und Musiker hat Franz Hauk bei der Aufnahme vom Cembalo aus dirigiert. Ein exzellentes Solistenensemble, der versierte Simon Mayr Chor, verstärkt durch Mitglieder des Chores der Bayerischen Staatsoper, und das Ensemble Concerto de Bassus unter seiner Konzertmeisterin Theona Gubba-Chkeidze machen diese Oper, in der der junge Held durch seinen Mentor auf den rechten Weg geführt wird, zu einem Hörvergnügen.
Dieses Buch, 1699 veröffentlicht, brachte seinem Autor eine Menge Ärger ein, denn es wurde bei Hofe als Kritik am Absolutismus gelesen. Zugleich wurde es europaweit ein Best- seller, und inspirierte sowohl bildende Künstler als auch Opernlibrettisten. Eines dieser Textbücher, das erzählt, dass Telemach wie einst sein Vater Odysseus auf der Insel der Nymphe Calypso strandet, vertonte Simon Mayr. Seine Oper erklang in Venedig 1797 zum Karneval fast einen Monat lang beinahe täglich, was deutlich macht, dass sie ein großer Erfolg war.
Die Kombination aus einer guten Story – immerhin lebte Odysseus sieben Jahre bei Calypso; die Nymphe musste ihn schließlich ziehen lassen, weil es die Götter befahlen – und erstklassiger Musik, die italienische Traditionen und Wiener Klassik in sich vereint, macht diese Oper auch heute noch interessant. Es ist Mayr-Spezialist Franz Hauk sehr zu danken, dass man Telemaco nell’isola di Calipso nunmehr auf CD anhören kann.
Die Weltersteinspielung ist nun in seiner fortlaufend erweiterten Edition der Opern des bayerisch-italienischen Komponisten erschienen. Die Sänger und Musiker hat Franz Hauk bei der Aufnahme vom Cembalo aus dirigiert. Ein exzellentes Solistenensemble, der versierte Simon Mayr Chor, verstärkt durch Mitglieder des Chores der Bayerischen Staatsoper, und das Ensemble Concerto de Bassus unter seiner Konzertmeisterin Theona Gubba-Chkeidze machen diese Oper, in der der junge Held durch seinen Mentor auf den rechten Weg geführt wird, zu einem Hörvergnügen.
Samstag, 20. Mai 2017
Cynthia's Revels (FHR)
Musik aus Elisabethaníscher Zeit erklingt auf dieser CD des Blockflö- tenquartetts The Flautadors. Das britische Ensemble, bestehend aus Catherine Fleming, Merlin Harrison, Celia Ireland und Ian Wilson, hat sich dazu noch Leo Chadburn als Verstärkung geholt.
Für die vorliegende Aufnahme spielt das Quartett Flöten aus der Werkstatt Thomas Prescotts nach Instrumenten des 16. Jahrhunderts, die sich heute in den Beständen des Kunsthistori- schen Museums Wien befinden. Zu hören sind Werke von Anthony Holborne (um 1545 bis 1602), William Byrd (1540 bis 1623), John Dowland (1563 bis 1626), Jacob van Eyck (1590 bis 1657), Thomas Morley (1557 bis 1602) und anderen Kompo- nisten – vor allem Tänze, aber auch Phantasien und Lieder. The Flauta- dors spielen elegant, aber auch ein wenig langweilig. Sie musizieren immer schön geradeaus, ohne individuell Akzente zu setzen und ohne dynamische Differenzierung. Bei mehr als einer Stunde Spielzeit wird da das Zuhören irgendwann anstrengend – schade!
Für die vorliegende Aufnahme spielt das Quartett Flöten aus der Werkstatt Thomas Prescotts nach Instrumenten des 16. Jahrhunderts, die sich heute in den Beständen des Kunsthistori- schen Museums Wien befinden. Zu hören sind Werke von Anthony Holborne (um 1545 bis 1602), William Byrd (1540 bis 1623), John Dowland (1563 bis 1626), Jacob van Eyck (1590 bis 1657), Thomas Morley (1557 bis 1602) und anderen Kompo- nisten – vor allem Tänze, aber auch Phantasien und Lieder. The Flauta- dors spielen elegant, aber auch ein wenig langweilig. Sie musizieren immer schön geradeaus, ohne individuell Akzente zu setzen und ohne dynamische Differenzierung. Bei mehr als einer Stunde Spielzeit wird da das Zuhören irgendwann anstrengend – schade!
Sing-Übung (MDG)
„Sing-Übung“ überschrieb Michael Massong seine CD. Und so stellen auch die eingespielten Werke weniger die technische Virtuosität des Solisten als vielmehr den Klang der Posaune in den Vordergrund.
Dieses Blasinstrument kommt mit seiner Fähigkeit zur freien Modulation dem Ausdrucksvermögen der menschlichen Stimme nahe. Nicht ohne Grund hat Massong für diese Einspielung auch einige Lieder ausgewählt – neben der benannten Sing-Übung von Franz Schubert erklingen vier Lieder von Johannes Brahms; es sind, wie die Sing-Übung, Duette, in denen die Posaune gemeinsam mit dem Horn erklingt. Přemysl Vojta musiziert hier als Partner von Michael Massong – so butterweich und sonor mitunter, dass man rätselt: Ist jetzt die Posaune zu hören? Oder erklingt doch das Horn?
Auch die berühmte Vocalise von Sergej Rachmaninoff findet sich im Programm, und eine melancholische Romance, die Carl Maria von Weber zugeschrieben wird. Das Nocturno komponierte Franz Strauss, der Vater von Richard Strauss, für sein Instrument, das Horn. Posaunist Massong spielt es mit ausdrucksstarkem, warmen Ton, was den Charakter dieser Musik noch unterstreicht.
Kantables Spiel, verbunden mit gestalterischer Dezenz, zeichnet auch seine Interpretation von Franz Liszts Romance oubliée aus. Und spätestens an dieser Stelle müssen zwei weitere Beteiligte an dieser Produktion benannt werden. Das ist zum einen Thomas Böttger, der zahlreiche Arrangements dafür geschaffen hat – mit großer Stilsicherheit und der beeindruckenden Gabe, so zurückhaltend vorzugehen, dass der Zuhörer die Bearbeitung als solche nur dann wahrnimmt, wenn er das Original kennt. Ansonsten klingen all diese Werke, als wären sie ursprünglich für die Bläserbesetzung entstanden. Respekt!
Nicht vergessen werden soll natürlich auch Tomoko Sawano am Klavier. Die Pianistin ist den Bläsern eine exzellente Klavierpartnerin. Deutlich wird dies beispielsweise auch in Wotans Abschied aus Richard Wagners Oper Die Walküre, wo sie einen geradezu orchestralen Auftritt hat, sowie in der Ballade von Frank Martin (1890 bis 1974). Der Schweizer Kompo- nist macht die Posaune zum Erzähler, mit einem Notentext, der etliches ausprobiert, von der Zwölftonmusik bis hin zum Jazz. Das Klavier unter- malt, kommentiert, merkt an – lebhaft, immer präsent.
Dieses Blasinstrument kommt mit seiner Fähigkeit zur freien Modulation dem Ausdrucksvermögen der menschlichen Stimme nahe. Nicht ohne Grund hat Massong für diese Einspielung auch einige Lieder ausgewählt – neben der benannten Sing-Übung von Franz Schubert erklingen vier Lieder von Johannes Brahms; es sind, wie die Sing-Übung, Duette, in denen die Posaune gemeinsam mit dem Horn erklingt. Přemysl Vojta musiziert hier als Partner von Michael Massong – so butterweich und sonor mitunter, dass man rätselt: Ist jetzt die Posaune zu hören? Oder erklingt doch das Horn?
Auch die berühmte Vocalise von Sergej Rachmaninoff findet sich im Programm, und eine melancholische Romance, die Carl Maria von Weber zugeschrieben wird. Das Nocturno komponierte Franz Strauss, der Vater von Richard Strauss, für sein Instrument, das Horn. Posaunist Massong spielt es mit ausdrucksstarkem, warmen Ton, was den Charakter dieser Musik noch unterstreicht.
Kantables Spiel, verbunden mit gestalterischer Dezenz, zeichnet auch seine Interpretation von Franz Liszts Romance oubliée aus. Und spätestens an dieser Stelle müssen zwei weitere Beteiligte an dieser Produktion benannt werden. Das ist zum einen Thomas Böttger, der zahlreiche Arrangements dafür geschaffen hat – mit großer Stilsicherheit und der beeindruckenden Gabe, so zurückhaltend vorzugehen, dass der Zuhörer die Bearbeitung als solche nur dann wahrnimmt, wenn er das Original kennt. Ansonsten klingen all diese Werke, als wären sie ursprünglich für die Bläserbesetzung entstanden. Respekt!
Nicht vergessen werden soll natürlich auch Tomoko Sawano am Klavier. Die Pianistin ist den Bläsern eine exzellente Klavierpartnerin. Deutlich wird dies beispielsweise auch in Wotans Abschied aus Richard Wagners Oper Die Walküre, wo sie einen geradezu orchestralen Auftritt hat, sowie in der Ballade von Frank Martin (1890 bis 1974). Der Schweizer Kompo- nist macht die Posaune zum Erzähler, mit einem Notentext, der etliches ausprobiert, von der Zwölftonmusik bis hin zum Jazz. Das Klavier unter- malt, kommentiert, merkt an – lebhaft, immer präsent.
Mittwoch, 17. Mai 2017
Revive - Elina Garanca (Deutsche Grammophon)
Das Konzept dieses Albums? „Starke Frauen in schwachen Momenten, die aber wieder zu sich selbst und zu ihrer Stärke finden“, beschreibt Elīna Garanča die Idee hinter ihrer neuen CD. Die lettische Mezzosopranistin hat festgestellt, dass sich ihre Stimme zunehmend hin zum dramatischen Fach entwickelt. Ihre erste Partie in diesem Bereich, so berichtet sie im Beiheft, war die Santuzza aus Cavalleria rusticana von Pietro Mascagni.
Um ihre Romanze Voi lo sapete, o mamma hat Elīna Garanča ein Pro- gramm gestaltet, das von der berühmten Arie der Mignon aus der gleich- namigen Oper von Ambroise Thomas bis hin zu einer Arie der Marina aus Boris Godunov von Modest Mussorgski reicht.
Neben dem italienischen ist auch das französische Repertoire stark ver- treten. „Wahrscheinlich werde ich einige der auf diesem Album versam- melten Arien und Szenen nie auf der Opernbühne singen“, bedauert die Sängerin. Denn beispielsweise Amilcare Ponchiellis La Gioconda oder Camille Saint-Saëns' Henry VIII schaffen es nur sehr selten auf den Spielplan.
Typischerweise singen Heldinnen von Opern in der Sopranlage. Ausnah- men sind selten – und Elīna Garanča schildert noch ein weiteres Problem : „Im italienischen Repertoire gibt es nur sehr wenige Fälle, in denen der Mezzosopran eine junge Frau verkörpert. Eboli in Don Carlos, Preziosilla in Forza und Amneris in Aida – das war's aus meiner Sicht. Ulrica im Ballo ist ein altes Weib, Azucena im Trovatore sollte – schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit – älter sein als ihr Sohn Manrico. Wenn der Tenor zwischen 40 und 50 Jahre alt ist, müsste die Azucena also mindestens 60 oder 65 Jahre alt sein – das wird schwierig.“
Im französischen Repertoire sieht Garanča bessere Chancen - „schließlich ist das Repertoire für Mezzosopran hier viel größer und breiter gefächert. Es zeigt auch eher jüngere Frauen, die in komplizierten Geschichten agieren“, meint die Sängerin. „Und letzten Endes bin ich überzeugt, dass im französischen Repertoire der lyrische Anteil meiner Stimme am besten zur Geltung kommt.“ Figuren wie Didon aus Les Troyens von Hector Berlioz, Dalila aus Samson et Dalila von Camille Saint-Saëns oder Héro- diade aus der gleichnamigen Oper von Jules Massenet geben Elīna Garanča Gelegenheit, ihre stimmlichen Möglichkeiten und ihre Wand- lungsfähigkeit zu demonstrieren. Begleitet wurde sie dabei vom Orquestra de la Comunitat Valenciana unter Leitung von Roberto Abbado.
Um ihre Romanze Voi lo sapete, o mamma hat Elīna Garanča ein Pro- gramm gestaltet, das von der berühmten Arie der Mignon aus der gleich- namigen Oper von Ambroise Thomas bis hin zu einer Arie der Marina aus Boris Godunov von Modest Mussorgski reicht.
Neben dem italienischen ist auch das französische Repertoire stark ver- treten. „Wahrscheinlich werde ich einige der auf diesem Album versam- melten Arien und Szenen nie auf der Opernbühne singen“, bedauert die Sängerin. Denn beispielsweise Amilcare Ponchiellis La Gioconda oder Camille Saint-Saëns' Henry VIII schaffen es nur sehr selten auf den Spielplan.
Typischerweise singen Heldinnen von Opern in der Sopranlage. Ausnah- men sind selten – und Elīna Garanča schildert noch ein weiteres Problem : „Im italienischen Repertoire gibt es nur sehr wenige Fälle, in denen der Mezzosopran eine junge Frau verkörpert. Eboli in Don Carlos, Preziosilla in Forza und Amneris in Aida – das war's aus meiner Sicht. Ulrica im Ballo ist ein altes Weib, Azucena im Trovatore sollte – schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit – älter sein als ihr Sohn Manrico. Wenn der Tenor zwischen 40 und 50 Jahre alt ist, müsste die Azucena also mindestens 60 oder 65 Jahre alt sein – das wird schwierig.“
Im französischen Repertoire sieht Garanča bessere Chancen - „schließlich ist das Repertoire für Mezzosopran hier viel größer und breiter gefächert. Es zeigt auch eher jüngere Frauen, die in komplizierten Geschichten agieren“, meint die Sängerin. „Und letzten Endes bin ich überzeugt, dass im französischen Repertoire der lyrische Anteil meiner Stimme am besten zur Geltung kommt.“ Figuren wie Didon aus Les Troyens von Hector Berlioz, Dalila aus Samson et Dalila von Camille Saint-Saëns oder Héro- diade aus der gleichnamigen Oper von Jules Massenet geben Elīna Garanča Gelegenheit, ihre stimmlichen Möglichkeiten und ihre Wand- lungsfähigkeit zu demonstrieren. Begleitet wurde sie dabei vom Orquestra de la Comunitat Valenciana unter Leitung von Roberto Abbado.
Dienstag, 16. Mai 2017
Ivan Moravec - Twelfth night recital (Supraphon)
„Dieser junge Mann braucht meine Stunden nicht, er muss nur spielen“, soll Arturo Benedetti Michelangeli einst gesagt haben, nachdem er den jungen Ivan Moravec zu einem Meisterkurs eingeladen hatte. Wer den Prager Pianisten schätzt, oder ihn überhaupt noch nicht gehört hat, dem sei an dieser Stelle eine außer- gewöhnliche Aufnahme empfohlen. Es ist der Mitschnitt eines Konzertes, das Moravec 1987 im Prager Rudolfinum gegeben hatte.
28 Jahre lang lagen die Bänder unge- nutzt im Archiv von Supraphon. Irgendwann wunderte sich ein Mitarbeiter des Labels darüber, erfährt man aus dem Beiheft. Er prüfte die Aufnahme, und fand sie technisch einwand- frei, und künstlerisch rundum überzeugend. Glücklicherweise ist es ihm mit beharrlichem Einsatz gelungen, Professor Moravec dazu zu bewegen, die Erlaubnis zur Veröffentlichung des Mitschnittes zu erteilen.
Wenige Tage, nachdem der Pianist zugestimmt hatte, ist er dann gestorben. So erschien die Aufnahme, die eigentlich als Geschenk zu seinem 85. Geburtstag vorgesehen war, letztendlich als musikalischer Nachruf auf einen Musiker, dem es um Wahrhaftigkeit ging, und nicht darum, ein Star zu sein.
Ivan Moravec war überaus selbstkritisch und sehr zurückhaltend bei der Freigabe von Aufnahmen und Konzertmitschnitten. Entsprechend schmal ist seine Diskographie. Das macht diese Doppel-CD umso wertvoller, zumal der Pianist selbst anmerkte, er habe manche der Werke nie besser aufgenommen, als sie an diesem 6. Januar 1987 zu hören waren – in einem ganz normalen Abonnementkonzert.
Auf dem Programm standen Musikstücke, die Konventionen in Frage stellten, unter anderem die Chromatische Fantasie und Fuge BWV 903 von Johann Sebastian Bach, eine Klaviersonate von Wolfgang Amadeus Mozart, die Mondscheinsonate op. 27 von Ludwig van Beethoven – mit dem Untertitel „quasi una fantasia“, nicht nur formal seinerzeit ein kühnes Experiment – sowie Werke von Frédéric Chopin. Als Zugabe spielte Moravec zudem noch Clair de lune aus der Suite bergamasque von Claude Debussy.
Das Klavierspiel von Ivan Moravec ist ein Ereignis; er musiziert gänzlich uneitel, auf der Suche nach dem Kern eines jeden Werkes, und nach dem angemessenen Ausdruck, dabei überhaupt nicht interessiert an vorder- gründiger Virtuosität und Brillanz. Seine exzellente Technik war für den Pianisten ein Werkzeug, Mittel zum Zweck, und nichts, was er stolz der Welt präsentieren wollte. Was er mit dieser Haltung und mit beharrlicher Arbeit am Detail erreichte, das ist atemberaubend. In seiner Interpretation wird jede Passage zu purer Poesie; jede Tonleiter wirkt beseelt, und noch die banalste Wendung hat plötzlich ein Ziel. Ganz große Klavierkunst.
28 Jahre lang lagen die Bänder unge- nutzt im Archiv von Supraphon. Irgendwann wunderte sich ein Mitarbeiter des Labels darüber, erfährt man aus dem Beiheft. Er prüfte die Aufnahme, und fand sie technisch einwand- frei, und künstlerisch rundum überzeugend. Glücklicherweise ist es ihm mit beharrlichem Einsatz gelungen, Professor Moravec dazu zu bewegen, die Erlaubnis zur Veröffentlichung des Mitschnittes zu erteilen.
Wenige Tage, nachdem der Pianist zugestimmt hatte, ist er dann gestorben. So erschien die Aufnahme, die eigentlich als Geschenk zu seinem 85. Geburtstag vorgesehen war, letztendlich als musikalischer Nachruf auf einen Musiker, dem es um Wahrhaftigkeit ging, und nicht darum, ein Star zu sein.
Ivan Moravec war überaus selbstkritisch und sehr zurückhaltend bei der Freigabe von Aufnahmen und Konzertmitschnitten. Entsprechend schmal ist seine Diskographie. Das macht diese Doppel-CD umso wertvoller, zumal der Pianist selbst anmerkte, er habe manche der Werke nie besser aufgenommen, als sie an diesem 6. Januar 1987 zu hören waren – in einem ganz normalen Abonnementkonzert.
Auf dem Programm standen Musikstücke, die Konventionen in Frage stellten, unter anderem die Chromatische Fantasie und Fuge BWV 903 von Johann Sebastian Bach, eine Klaviersonate von Wolfgang Amadeus Mozart, die Mondscheinsonate op. 27 von Ludwig van Beethoven – mit dem Untertitel „quasi una fantasia“, nicht nur formal seinerzeit ein kühnes Experiment – sowie Werke von Frédéric Chopin. Als Zugabe spielte Moravec zudem noch Clair de lune aus der Suite bergamasque von Claude Debussy.
Das Klavierspiel von Ivan Moravec ist ein Ereignis; er musiziert gänzlich uneitel, auf der Suche nach dem Kern eines jeden Werkes, und nach dem angemessenen Ausdruck, dabei überhaupt nicht interessiert an vorder- gründiger Virtuosität und Brillanz. Seine exzellente Technik war für den Pianisten ein Werkzeug, Mittel zum Zweck, und nichts, was er stolz der Welt präsentieren wollte. Was er mit dieser Haltung und mit beharrlicher Arbeit am Detail erreichte, das ist atemberaubend. In seiner Interpretation wird jede Passage zu purer Poesie; jede Tonleiter wirkt beseelt, und noch die banalste Wendung hat plötzlich ein Ziel. Ganz große Klavierkunst.
Montag, 15. Mai 2017
Sacred Salterio (Christophorus)
Das Psalterium ist ein Musikinstru- ment mit einer langen Geschichte. Seinen Ursprung hatte es wohl im Orient; es gilt als Urform von Zither, Hackbrett, Harfe und auch diversen Tasteninstrumenten, soweit sie mit Saiten ausgestattet sind. Das Psalter besteht aus einem Resonanzkörper, über den Saiten gespannt sind. Anfänglich wurden sie mit den Fingern oder einem Plektrum gezupft, später, so beim Hackbrett oder beim Clavichord, auch mit Hämmerchen angeschlagen. Eine weitere Version, das Streichpsalter, wird mit einem Bogen gestrichen.
Das Salterio war noch im 18. Jahrhundert eines der bevorzugten Instru- mente des italienischen Adels. Selbst Antonio Vivaldi komponierte für das Salterio; auch Leonardo Vinci, Giovanni Paisiello und viele andere schrieben Musik für das Instrument. Niccolò Jommelli schuf sogar eine Sinfonia di salterio con violini a basso.
Und mit den adeligen Damen hielt das Salterio Einzug auch in den Klöstern. Zwar untersagte Papst Benedikt XIV. im Jahr 1749 allzu profane Klänge im kirchlichen Raum. Aber wie man in der Kirchenmusik am Wiener Hof nicht auf Pauken und Trompeten verzichten mochte, so blieb das Salterio bei den Nonnen ein geschätztes Instrument.
Franziska Fleischanderl stellt auf dieser CD mit ihrem Ensemble Il Dolce Conforto und der Sängerin Miriam Feuersinger eine Auswahl an Musik- stücken aus dem Benediktinerinnenkloster San Lorenzo in San Severo vor. Die Nonnen haben insbesondere in der Karwoche beeindruckende Kompositionen für Sopran, Salterio und Orgel in ihre Andachten mit einbezogen. Als Beispiele erklingen die Lezzione Seconda von Domenico Merola, eine Lamentazione Seconda per il Giovedi Santo la Sera aus dem Jahre 1781, deren Urheber nicht bekannt ist, und die Lezzione Terza del Venerdi Santo von Gennaro Manna sowie ein Atto di dolore nach einem Gebet von Pietro Metastasio, komponiert möglicherweise von Salvatore Fighera.
Gesungen wurden diese Stücke einst wahrscheinlich von einem Kastraten, das jedenfalls legt eine Widmung nahe, die sich im Manuskript fand. Es ist virtuose Musik, die mit ihren großen Spannungsbögen von Miriam Feuer- singer berückend vorgetragen wird. Franziska Fleischanderl musiziert auf einem originalen Salterio, das 1725 in Rom von Michele Barbi gebaut worden ist. Sie erkundet die Spieltechniken, die damals üblich gewesen sind – was sowohl das Zupfen als auch das Anschlagen der Saiten einschließt. Es ist ihr zu danken, dass sie mit ihrem Engagement ein vergessenes Instrument wieder zurück in das Musikleben bringen möchte. Es lohnt sich durchaus; klangschön jedenfalls ist das Salterio. Unterstützt wird sie dabei durch Jonathan Pesek, Violoncello, und Deniel Perer, Truhenorgel.
Das Salterio war noch im 18. Jahrhundert eines der bevorzugten Instru- mente des italienischen Adels. Selbst Antonio Vivaldi komponierte für das Salterio; auch Leonardo Vinci, Giovanni Paisiello und viele andere schrieben Musik für das Instrument. Niccolò Jommelli schuf sogar eine Sinfonia di salterio con violini a basso.
Und mit den adeligen Damen hielt das Salterio Einzug auch in den Klöstern. Zwar untersagte Papst Benedikt XIV. im Jahr 1749 allzu profane Klänge im kirchlichen Raum. Aber wie man in der Kirchenmusik am Wiener Hof nicht auf Pauken und Trompeten verzichten mochte, so blieb das Salterio bei den Nonnen ein geschätztes Instrument.
Franziska Fleischanderl stellt auf dieser CD mit ihrem Ensemble Il Dolce Conforto und der Sängerin Miriam Feuersinger eine Auswahl an Musik- stücken aus dem Benediktinerinnenkloster San Lorenzo in San Severo vor. Die Nonnen haben insbesondere in der Karwoche beeindruckende Kompositionen für Sopran, Salterio und Orgel in ihre Andachten mit einbezogen. Als Beispiele erklingen die Lezzione Seconda von Domenico Merola, eine Lamentazione Seconda per il Giovedi Santo la Sera aus dem Jahre 1781, deren Urheber nicht bekannt ist, und die Lezzione Terza del Venerdi Santo von Gennaro Manna sowie ein Atto di dolore nach einem Gebet von Pietro Metastasio, komponiert möglicherweise von Salvatore Fighera.
Gesungen wurden diese Stücke einst wahrscheinlich von einem Kastraten, das jedenfalls legt eine Widmung nahe, die sich im Manuskript fand. Es ist virtuose Musik, die mit ihren großen Spannungsbögen von Miriam Feuer- singer berückend vorgetragen wird. Franziska Fleischanderl musiziert auf einem originalen Salterio, das 1725 in Rom von Michele Barbi gebaut worden ist. Sie erkundet die Spieltechniken, die damals üblich gewesen sind – was sowohl das Zupfen als auch das Anschlagen der Saiten einschließt. Es ist ihr zu danken, dass sie mit ihrem Engagement ein vergessenes Instrument wieder zurück in das Musikleben bringen möchte. Es lohnt sich durchaus; klangschön jedenfalls ist das Salterio. Unterstützt wird sie dabei durch Jonathan Pesek, Violoncello, und Deniel Perer, Truhenorgel.
Domestic Bach (Lawo Classics)
Musik von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) sowie aus seinem Umfeld hat das Ensemble Bergen Barokk auf dieser CD einmal so zum Klingen gebracht, wie sie zu Lebzeiten des Komponisten in einem häuslichen Rahmen gespielt worden sein könnte. Die Musiker orientierten sich dabei am Notenbuch der Anna Magdalena Bach; ergänzt wird das Programm durch ausgewählte Werke Bachs, beispielsweise aus dem Musikalischen Opfer, oder den Triosonaten.
Die Musikstücke wurden ein wenig bearbeitet, um sie der Besetzung anzupassen: Es musizieren Frode Thorsen, Blockflöten, Markku Luolajan-Mikkola und Mikko Perkola, Viola da Gamba , und Hans Knut Sveen, Cembalo. Sopranistin Mona Julsrud setzt vokale Glanzpunkte. Allerdings würde man sich insgesamt ein wenig mehr klangliche Abwechslung wünschen.
Die Musikstücke wurden ein wenig bearbeitet, um sie der Besetzung anzupassen: Es musizieren Frode Thorsen, Blockflöten, Markku Luolajan-Mikkola und Mikko Perkola, Viola da Gamba , und Hans Knut Sveen, Cembalo. Sopranistin Mona Julsrud setzt vokale Glanzpunkte. Allerdings würde man sich insgesamt ein wenig mehr klangliche Abwechslung wünschen.
Freitag, 12. Mai 2017
Geistliche Meisterwerke (Hänssler Classic)
Geistliche Musik in herausragenden Editionen prägt seit der Gründung mit das Profil von Hänssler Classic. Aus der langjährigen Zusammenarbeit mit renommierten Interpreten sind etliche herausragende Projekte ent- standen. Erinnert sei nur an legen- däre Serien wie die Gesamteinspie- lung der Kantaten und Passionen von Johann Sebastian Bach mit der Gächinger Kantorei und dem Bach-Collegium Stuttgart unter Helmuth Rilling.
Das Label hat nun aus seinen umfangreichen Beständen eine Kollektion zusammmengestellt, die auf immerhin 50 (!) CD Geistliche Meisterwerke vorstellt. Neben bekannten Werken, von Bachs Weihnachts- oratorium bis hin zu Brahms' Ein deutsches Requiem und von Beethovens Missa Solemnis bis hin zu Haydns Oratorium Die Schöpfung, enthält diese Box auch Raritäten. So bekommt der Einsteiger in die Welt der geistlichen Musik eine Sammlung, in der er faktisch alle wichtigen Werke findet – von Heinrich Schütz' Weihnachtsoratorium bis hin zum Requiem von Gabriel Fauré. Doch selbst für Experten hält diese Box so manche Entdeckung bereit: Wer kennt schon Das Liebesmahl der Apostel von Richard Wagner, das Requiem Opus ultimum von Johann Michael Haydn, oder die Große Messe von Johann Ritter von Herbeck?
Exzellente Sänger, namhafte Orchester, hervorragende Chöre und berühm- te Dirigenten haben an diese Produktionen mitgewirkt; die Liste ist aber zu lang, um sie an dieser Stelle komplett wiederzugeben. Und es wäre nicht gerecht, einzelne Beteiligte herauszuheben. Denn hörenswert ist wirklich alles, was in dieser Box steckt. Viele der Aufnahmen wurden mit Preisen ausgezeichnet. Der Fokus dieser umfangreichen Edition liegt auf den großen Werken der geistlichen Musik vom Barock bis zur Spätromantik, versammelt sind überwiegend Werke aus dem deutschsprachigen Raum.
Das Label hat nun aus seinen umfangreichen Beständen eine Kollektion zusammmengestellt, die auf immerhin 50 (!) CD Geistliche Meisterwerke vorstellt. Neben bekannten Werken, von Bachs Weihnachts- oratorium bis hin zu Brahms' Ein deutsches Requiem und von Beethovens Missa Solemnis bis hin zu Haydns Oratorium Die Schöpfung, enthält diese Box auch Raritäten. So bekommt der Einsteiger in die Welt der geistlichen Musik eine Sammlung, in der er faktisch alle wichtigen Werke findet – von Heinrich Schütz' Weihnachtsoratorium bis hin zum Requiem von Gabriel Fauré. Doch selbst für Experten hält diese Box so manche Entdeckung bereit: Wer kennt schon Das Liebesmahl der Apostel von Richard Wagner, das Requiem Opus ultimum von Johann Michael Haydn, oder die Große Messe von Johann Ritter von Herbeck?
Exzellente Sänger, namhafte Orchester, hervorragende Chöre und berühm- te Dirigenten haben an diese Produktionen mitgewirkt; die Liste ist aber zu lang, um sie an dieser Stelle komplett wiederzugeben. Und es wäre nicht gerecht, einzelne Beteiligte herauszuheben. Denn hörenswert ist wirklich alles, was in dieser Box steckt. Viele der Aufnahmen wurden mit Preisen ausgezeichnet. Der Fokus dieser umfangreichen Edition liegt auf den großen Werken der geistlichen Musik vom Barock bis zur Spätromantik, versammelt sind überwiegend Werke aus dem deutschsprachigen Raum.
Schubert: Die Klaviertrios (Gramola)
Drei bedeutende Musiker haben sich zusammengefunden, um die Klaviertrios von Franz Schubert (1797 bis 1828) einzuspielen: Thomas Albertus Irnberger, Violine, David Geringas, Violoncello, und Michael Korstick, Klavier – das ist eine überaus hochkarätige Besetzung, die eine spannungsreiche und spannende Interpretation erwarten lässt. So hat der Pianist bereits eine Gesamteinspielung der Klavier- sonaten Ludwig van Beethovens (1770 bis 1827) veröffentlicht, in der er durchaus eigene Akzente setzte. Irnberger und Korstick haben zudem gemeinsam eine ebenfalls viel beachtete Aufnahme sämtlicher Beethoven-Violinsonaten vorgelegt – kraftvoll und dramatisch.
Da erscheint nun die Hinwendung zu Schuberts Musik nur folgerichtig: „Heimlich im Stillen hoffe ich wohl selbst noch etwas aus mir machen zu können, aber wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen?“ Diese Zweifel zu überwinden, das muss für Franz Schubert ein enormer Schritt gewesen sein. Mozarts Trios beispielsweise hatte er in jungen Jahren gründlich studiert – und sich dann 1812 lediglich an einem kurzen Sona- tensatz, D 28, versucht.
Ansonsten hatte er jene Gattung gemieden, die Beethoven um so viele Werke bereicherte. Doch 1827 war der Titan gestorben, und so sah sich die Generation der Erben gefordert. Schubert, der wohl darum wusste, dass er unheilbar erkrankt war und dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, komponierte wie im Rausch. Die Liste der Werke, die in diesem letzten Lebensabschnitt entstanden sind, ist lang und beeindruckend. Auch die Klaviertrios gehören dazu, die Schubert für den befreundeten Pianisten Carl Maria von Bocklet geschrieben haben soll, der wiederum mit dem Geiger Ignaz Schuppanzigh und dem Cellisten Joseph Lincke zusammen musizierte.
Franz Schubert schuf für sie Werke von epischem, fast sinfonischen Ausmaß – nicht nur der Umfang, sondern auch der musikalische Gehalt seiner beiden Klaviertrios ist enorm. Daher sind hier sie auch auf einer Doppel-CD zu hören. Komplettiert wird das Programm durch den oben genannten Sonatensatz sowie einen weiteren, der ebenfalls ein Solitär blieb – das Notturno D 897.
Thomas Albertus Irnberger, David Geringas und Michael Korstick genießen die lyrischen Passagen durchaus. Sie haben Vergnügen an Scherz und Kantilene, stellen aber insgesamt eher die Brüche und die dunklen, dramatischen Seiten in den Vordergrund. Die drei Musiker machen in ihrer Interpretation deutlich, wie stark Beethovens Schaffen das Werk Schuberts beeinflusst hat – aber dass dieser dennoch ganz eigene Wege gefunden hat, seine Gefühle und Gedanken in Musik zu fassen.
Ihr Spiel zu loben, das hieße Eulen nach Athen tragen. Diese Aufnahme bestätigt, dass Kammermusik heute zu Recht große Säle füllt. Atemberau- bend! Unbedingt anhören.
Da erscheint nun die Hinwendung zu Schuberts Musik nur folgerichtig: „Heimlich im Stillen hoffe ich wohl selbst noch etwas aus mir machen zu können, aber wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen?“ Diese Zweifel zu überwinden, das muss für Franz Schubert ein enormer Schritt gewesen sein. Mozarts Trios beispielsweise hatte er in jungen Jahren gründlich studiert – und sich dann 1812 lediglich an einem kurzen Sona- tensatz, D 28, versucht.
Ansonsten hatte er jene Gattung gemieden, die Beethoven um so viele Werke bereicherte. Doch 1827 war der Titan gestorben, und so sah sich die Generation der Erben gefordert. Schubert, der wohl darum wusste, dass er unheilbar erkrankt war und dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, komponierte wie im Rausch. Die Liste der Werke, die in diesem letzten Lebensabschnitt entstanden sind, ist lang und beeindruckend. Auch die Klaviertrios gehören dazu, die Schubert für den befreundeten Pianisten Carl Maria von Bocklet geschrieben haben soll, der wiederum mit dem Geiger Ignaz Schuppanzigh und dem Cellisten Joseph Lincke zusammen musizierte.
Franz Schubert schuf für sie Werke von epischem, fast sinfonischen Ausmaß – nicht nur der Umfang, sondern auch der musikalische Gehalt seiner beiden Klaviertrios ist enorm. Daher sind hier sie auch auf einer Doppel-CD zu hören. Komplettiert wird das Programm durch den oben genannten Sonatensatz sowie einen weiteren, der ebenfalls ein Solitär blieb – das Notturno D 897.
Thomas Albertus Irnberger, David Geringas und Michael Korstick genießen die lyrischen Passagen durchaus. Sie haben Vergnügen an Scherz und Kantilene, stellen aber insgesamt eher die Brüche und die dunklen, dramatischen Seiten in den Vordergrund. Die drei Musiker machen in ihrer Interpretation deutlich, wie stark Beethovens Schaffen das Werk Schuberts beeinflusst hat – aber dass dieser dennoch ganz eigene Wege gefunden hat, seine Gefühle und Gedanken in Musik zu fassen.
Ihr Spiel zu loben, das hieße Eulen nach Athen tragen. Diese Aufnahme bestätigt, dass Kammermusik heute zu Recht große Säle füllt. Atemberau- bend! Unbedingt anhören.
Mittwoch, 10. Mai 2017
Totentanz - Liszt Symphonic Poems (Odradek)
„Die Faszination,
die von dem Komponisten und dem Menschen Franz Liszt ausgeht,
begleitet uns Beide als Pianisten schon seit unserer Jugend“,
schreiben Chie Tsuyuki und Michael Rosenboom im Beiheft zu dieser CD.
„Wir haben uns dem Werk Liszts aber mittlerweile nicht nur als
Pianisten verschrieben, sondern vor Allem als Musiker. Schon kurz
nach Gründung unseres Klavierduos im Jahr 2009 entdeck- ten wir mit
großer Begeisterung die Originaltranskriptionen seiner Sinfonischen
Dichtungen zur zwei Klaviere sowie für Klavier zu vier Händen. ,Les
Préludes' war eines der ersten Werke,
die wir als Duo öffentlich aufführten.“
Auf dieser CD erklingen zudem die Transkriptionen zu Mazeppa und Hunnenschlacht. Die Auseinandersetzung mit Liszts Transkriptionen gab Chie Tsuyuki und Michael Rosenboom Anregungen für die Arbeit an eigenen Arrangements – ein Ergebnis, die Transkription von Totentanz, stellt das Klavierduo auf dieser CD ebenfalls vor. Diese Paraphrase des Dies irae ist schon im Original ziemlich beeindruckend: „Die szenische Klangmalerei, welche Liszt für die Umsetzung der jeweils zugrunde liegenden Programme in den sinfonischen Dichtungen, aber auch in den verschiedenen Fassungen des Totentanzes verwendete, hat uns in der Entstehungsphase unserer Totentanz-Transkription besonders inspiriert“, erläutern die Pianisten. „Wir kamen mehr und mehr dazu, das Klangspektrum eines modernen Flügels durch die uns heute bekannten Mittel noch zu erweitern. So ließen wir auch moderne Spieltechniken innerhalb des Klaviers und andere akustische Hilfsmittel mit in die Transkription einfließen, um unsere sehr persönliche Vorstellung der apokalyptischen ,Totentanz-Szenerie' darstellen zu können. Trotz aller künstlerischen Freiheit, die wir uns in dieser Transkription erlaubten, haben wir besonders danach gestrebt, der Intention Liszts gerecht zu werden. Uns war es wichtig, dass der ursprüngliche Gestus des Werkes dabei nicht verloren geht.“
Das Resultat, was die beiden Musiker mit dieser Mischung aus Respekt und Experimentierlust erzielt haben, kann sich hören lassen. Das dröhnt und pocht, das wirbelt und scheppert. Da läuten die Glocken, und es formiert sich ein bizarrer Reigen. Krass! Man fragt sich allerdings, wie lange die zwei Pianisten üben mussten, bis sie solch ein Werk gemeinsam spielen konnten. Dagegen muten Liszts eigene Transkriptionen – ebenfalls hochvirtuos und in jeder Hinsicht anspruchsvoll – beinahe zahm an.
Auf dieser CD erklingen zudem die Transkriptionen zu Mazeppa und Hunnenschlacht. Die Auseinandersetzung mit Liszts Transkriptionen gab Chie Tsuyuki und Michael Rosenboom Anregungen für die Arbeit an eigenen Arrangements – ein Ergebnis, die Transkription von Totentanz, stellt das Klavierduo auf dieser CD ebenfalls vor. Diese Paraphrase des Dies irae ist schon im Original ziemlich beeindruckend: „Die szenische Klangmalerei, welche Liszt für die Umsetzung der jeweils zugrunde liegenden Programme in den sinfonischen Dichtungen, aber auch in den verschiedenen Fassungen des Totentanzes verwendete, hat uns in der Entstehungsphase unserer Totentanz-Transkription besonders inspiriert“, erläutern die Pianisten. „Wir kamen mehr und mehr dazu, das Klangspektrum eines modernen Flügels durch die uns heute bekannten Mittel noch zu erweitern. So ließen wir auch moderne Spieltechniken innerhalb des Klaviers und andere akustische Hilfsmittel mit in die Transkription einfließen, um unsere sehr persönliche Vorstellung der apokalyptischen ,Totentanz-Szenerie' darstellen zu können. Trotz aller künstlerischen Freiheit, die wir uns in dieser Transkription erlaubten, haben wir besonders danach gestrebt, der Intention Liszts gerecht zu werden. Uns war es wichtig, dass der ursprüngliche Gestus des Werkes dabei nicht verloren geht.“
Das Resultat, was die beiden Musiker mit dieser Mischung aus Respekt und Experimentierlust erzielt haben, kann sich hören lassen. Das dröhnt und pocht, das wirbelt und scheppert. Da läuten die Glocken, und es formiert sich ein bizarrer Reigen. Krass! Man fragt sich allerdings, wie lange die zwei Pianisten üben mussten, bis sie solch ein Werk gemeinsam spielen konnten. Dagegen muten Liszts eigene Transkriptionen – ebenfalls hochvirtuos und in jeder Hinsicht anspruchsvoll – beinahe zahm an.
Dienstag, 9. Mai 2017
...und weil die Music lieblich ist (Deutsche Harmonia Mundi)
Zwei Veröffentlichungen, ein Bändchen mit Tänzen und eines mit Vokalmusik, und ein Eintrag im Kirchenbuch – das sind die Spuren, die von Balthasar Fritsch überliefert sind. Man kennt weder das Geburts- datum noch den Sterbetag des Komponisten; über seinen Lebensweg ist nur bekannt, dass er in Leipzig wirkte.
Es wird vermutet, dass er in der Messestadt zwischen 1570 und 1580 geboren worden ist. Belegt ist das jedoch nicht. Aktenkundig ist aber, dass Fritsch 1608 Taufpate für einen Sohn des Leipziger Ratsmusikers Wilhelm Kaufmann war. Seine Primitae Musicales, eine Sammlung mit zwölf Pavanen und 21 Galliarden, datiert 1606 in Frankfurt/Main, widmete er den Herzögen Adolf Friedrich I. und Johann Albrecht II. von Mecklenburg. Das Brüderpaar habe, so besagt die Widmung, während seiner Studien in Leipzig bei Fritsch Instrumental- unterricht erhalten.
Seine zweite Publikation, Newe teutsche Gesanng nach Art der Welschen Madrigalien mit 5 Stimmen, gedruckt 1608 in Leipzig, ist fünf Adeligen gewidmet, die offenbar seine Schüler und recht spendabel waren. Möglicherweise waren es Kommilitonen, und Fritsch hat nach 1608 die Stadt verlassen – wir wissen es nicht; in den Leipziger Archiven jedenfalls konnten Musikhistoriker in den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten seinen Namen nicht mehr aufspüren.
Seine Kompositionen allerdings verweisen auf einen Musiker von einigem Rang. Fritsch beherrschte sein Handwerk. Das Ensemble Musicke & Mirth hat gemeinsam mit der Sängerin Ulrike Hofbauer auf dieser CD eine Aus- wahl an Werken des Komponisten in Weltersteinspielung veröffentlicht. Diese Aufnahme ist rundum gelungen und von faszinierender Klang- schönheit. Dem Gambenquartett lauscht man wirklich gern, und Ulrike Hofbauer gestaltet die „Gesänge“ sehr ansprechend. Mit ihrem schlanken Sopran singt sie von Liebe und vom Abschied, von Geduld und von weltlichen Gelüsten – und von der lieblichen Musik, die das ganze Leben verschönern kann.
Es wird vermutet, dass er in der Messestadt zwischen 1570 und 1580 geboren worden ist. Belegt ist das jedoch nicht. Aktenkundig ist aber, dass Fritsch 1608 Taufpate für einen Sohn des Leipziger Ratsmusikers Wilhelm Kaufmann war. Seine Primitae Musicales, eine Sammlung mit zwölf Pavanen und 21 Galliarden, datiert 1606 in Frankfurt/Main, widmete er den Herzögen Adolf Friedrich I. und Johann Albrecht II. von Mecklenburg. Das Brüderpaar habe, so besagt die Widmung, während seiner Studien in Leipzig bei Fritsch Instrumental- unterricht erhalten.
Seine zweite Publikation, Newe teutsche Gesanng nach Art der Welschen Madrigalien mit 5 Stimmen, gedruckt 1608 in Leipzig, ist fünf Adeligen gewidmet, die offenbar seine Schüler und recht spendabel waren. Möglicherweise waren es Kommilitonen, und Fritsch hat nach 1608 die Stadt verlassen – wir wissen es nicht; in den Leipziger Archiven jedenfalls konnten Musikhistoriker in den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten seinen Namen nicht mehr aufspüren.
Seine Kompositionen allerdings verweisen auf einen Musiker von einigem Rang. Fritsch beherrschte sein Handwerk. Das Ensemble Musicke & Mirth hat gemeinsam mit der Sängerin Ulrike Hofbauer auf dieser CD eine Aus- wahl an Werken des Komponisten in Weltersteinspielung veröffentlicht. Diese Aufnahme ist rundum gelungen und von faszinierender Klang- schönheit. Dem Gambenquartett lauscht man wirklich gern, und Ulrike Hofbauer gestaltet die „Gesänge“ sehr ansprechend. Mit ihrem schlanken Sopran singt sie von Liebe und vom Abschied, von Geduld und von weltlichen Gelüsten – und von der lieblichen Musik, die das ganze Leben verschönern kann.
Sonntag, 7. Mai 2017
Hornmusik - Peter Damm (Berlin Classics)
Mit einer CD-Box erinnert Berlin Classics an Peter Damm, einen der bedeutenden Hornisten des 20. Jahr- hunderts. Er feiert in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag – und auch wenn er sich vor zehn Jahren vom Konzertpodium verabschiedet hat, sind seine Schallplatten immer noch ausgesprochen hörenswert. Das liegt zum einen daran, dass Peter Damm sein Horn stets mit einem unver- wechselbaren, schlanken Ton singen ließ; sein Spiel war nuancenreich und brillant.
Während seiner jahrzehntelangen Laufbahn hatte der Musiker zahlreiche hervorragende Partner an seiner Seite. Auch davon gibt diese Box Zeugnis. An den Aufnahmen beteiligt waren Dirigenten wie Herbert Kegel oder Franz Konwitschny, Orchester wie das Gewandhausorchester Leipzig, die Staatskapelle Dresden oder die Dresdner Philharmonie, Pianisten wie Peter Rösel und Amadeus Webersinke, der Organist Hansjürgen Scholze, und etliche weitere Musikerkollegen.
Außerdem hat sich Peter Damm mit großer Neugier und Experimentier- freude ein umfangreiches Repertoire erschlossen, das vom Barock bis zur Gegenwart reichte. Er gehörte zu den ersten Hornisten, die in der Lage waren, Werke in der extrem hohen Clarinlage wieder aufzuführen. Er spielte aber auch zahlreiche Uraufführungen von Musikstücken, die Komponisten eigens für ihn geschrieben haben.
Auf den sechs CD in dieser Box macht Berlin Classics wichtige Schall- plattenaufnahmen mit dem Hornisten wieder zugänglich. Zu hören sind beispielsweise Mozarts Hornquintett, Sonaten für Horn und Klavier von Ludwig van Beethoven und von Siegfried Köhler, Musik für Horn und Klavier von Gioachino Rossini sowie von französischen Komponisten, das Konzertstück für vier Hörner und Orchester F-Dur von Robert Schumann, die beiden Hornkonzerte von Richard Strauss, ein Hornkonzert von Sieg- fried Kurz, das dieser auch selbst dirigierte, oder die Neuen Divertimenti nach Rameau von Udo Zimmermann, ebenfalls dirigiert vom Komponisten. Ergänzt wird die umfangreiche Kollektion durch Hornkonzerte vom sächsi- schen Hof, eingespielt 1987 von Peter Damm gemeinsam mit seinem Hornistenkollegen Dieter Pansa und der Cappella Sagittariana unter Eduard Melkus, sowie durch Musik für Horn und Orgel, die in der Hofkirche zu Dresden aufgenommen worden ist.
Peter Damm, geboren 1937 in Meiningen, wurde bereits mit 22 Jahren Solohornist des Gewandhausorchesters Leipzig. 1969 wurde Damm zum Solohornisten der Staatskapelle Dresden berufen. In dieser Position wirkte der Musiker an über hundert Studioaufnahmen mit, unter Dirigenten wie Herbert von Karajan, Herbert Blomstedt, Bernard Haitink und Giuseppe Sinopoli. Er unterrichtete zudem als Professor an der Dresdner Musikhoch- schule, sowie in Meisterkursen und Workshops. Mit seinem kantablen Hornspiel stellte sich Damm ganz in die Dresdner Tradition und prägte das noble Spiel der Dresdner Bläser fast vierzig Jahre lang.
Während seiner jahrzehntelangen Laufbahn hatte der Musiker zahlreiche hervorragende Partner an seiner Seite. Auch davon gibt diese Box Zeugnis. An den Aufnahmen beteiligt waren Dirigenten wie Herbert Kegel oder Franz Konwitschny, Orchester wie das Gewandhausorchester Leipzig, die Staatskapelle Dresden oder die Dresdner Philharmonie, Pianisten wie Peter Rösel und Amadeus Webersinke, der Organist Hansjürgen Scholze, und etliche weitere Musikerkollegen.
Außerdem hat sich Peter Damm mit großer Neugier und Experimentier- freude ein umfangreiches Repertoire erschlossen, das vom Barock bis zur Gegenwart reichte. Er gehörte zu den ersten Hornisten, die in der Lage waren, Werke in der extrem hohen Clarinlage wieder aufzuführen. Er spielte aber auch zahlreiche Uraufführungen von Musikstücken, die Komponisten eigens für ihn geschrieben haben.
Auf den sechs CD in dieser Box macht Berlin Classics wichtige Schall- plattenaufnahmen mit dem Hornisten wieder zugänglich. Zu hören sind beispielsweise Mozarts Hornquintett, Sonaten für Horn und Klavier von Ludwig van Beethoven und von Siegfried Köhler, Musik für Horn und Klavier von Gioachino Rossini sowie von französischen Komponisten, das Konzertstück für vier Hörner und Orchester F-Dur von Robert Schumann, die beiden Hornkonzerte von Richard Strauss, ein Hornkonzert von Sieg- fried Kurz, das dieser auch selbst dirigierte, oder die Neuen Divertimenti nach Rameau von Udo Zimmermann, ebenfalls dirigiert vom Komponisten. Ergänzt wird die umfangreiche Kollektion durch Hornkonzerte vom sächsi- schen Hof, eingespielt 1987 von Peter Damm gemeinsam mit seinem Hornistenkollegen Dieter Pansa und der Cappella Sagittariana unter Eduard Melkus, sowie durch Musik für Horn und Orgel, die in der Hofkirche zu Dresden aufgenommen worden ist.
Peter Damm, geboren 1937 in Meiningen, wurde bereits mit 22 Jahren Solohornist des Gewandhausorchesters Leipzig. 1969 wurde Damm zum Solohornisten der Staatskapelle Dresden berufen. In dieser Position wirkte der Musiker an über hundert Studioaufnahmen mit, unter Dirigenten wie Herbert von Karajan, Herbert Blomstedt, Bernard Haitink und Giuseppe Sinopoli. Er unterrichtete zudem als Professor an der Dresdner Musikhoch- schule, sowie in Meisterkursen und Workshops. Mit seinem kantablen Hornspiel stellte sich Damm ganz in die Dresdner Tradition und prägte das noble Spiel der Dresdner Bläser fast vierzig Jahre lang.
Samstag, 6. Mai 2017
Praetorius: Gloria sei dir gesungen (Carus)
Choralkonzerte von Michael Praetorius gehören in Konzert- programmen eher zu den Raritäten. Das Ensemble Gli Scarlattisti hat gemeinsam mit der Capella Principale unter der Leitung von Jochen M. Arnold dieses selten gespielte Repertoire erkundet, und einige dieser spannenden Musikstücke nun bei Carus auf CD veröffentlicht.
Interessant sind die Choralkonzerte des Wolfenbütteler Komponisten aus mehreren Gründen. Zum einen sind sie Zeugnisse des Epochenwechsels von der Renaissance zum Barock, der in allen Bereichen der Kunst deutlich wurde – von der Architektur bis hin zur Musik. Zum anderen nimmt Praetorius in seinen Choralkonzerten Bezug auf die damals aktuellste Musik aus Italien.
Es wird vermutet, dass er die Werke seiner italienischen Zeitgenossen über Heinrich Schütz kennengelernt haben könnte, mit dem er in Dresden zusammengetroffen ist. Denn selbst nach Rom oder Venedig gereist ist Michael Praetorius nicht. Er erkannte aber den hohen Wert der Innova- tionen aus dem Süden, übernahm Elemente dieses neuen Stils und inte- grierte sie in seine eigenen Werke. So kombinierte er, deutlich erkennbar im Spätwerk, italienische Stilmittel und protestantischen Choral – was die deutsche Kirchenmusik jener Zeit weithin geprägt hat.
„Wir möchten mit der vorliegenden CD einen großen Querschnitt dieses Œuvres darstellen“, schreibt Jochen Arnold im Begleitheft. „das Haupt- augenmerk gilt dabei – angesichts des bevorstehenden Reformations- jubiläums – den choralbezogenen Werken, namentlich zu Luthers Kirchenliedern.“ So finden sich auf dieser CD auch insgesamt sechs Melodien Luthers, prachtvoll ausgestaltet durch Praetorius' Bearbeitung. Dazu kommen Choralkonzerte auf der Grundlage weiterer bekannter Lieder, wie Nun lob mein Seel, den Herren, Allein Gott in der Höh sei Ehr oder das Deutsche Magnificat, und als Rahmen stehen um das dramatur- gisch geschickt gebaute Programm zwei Konzerte nach populären Liedern von Philipp Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern sowie Wachet auf, ruft uns die Stimme.
Interessant sind die Choralkonzerte des Wolfenbütteler Komponisten aus mehreren Gründen. Zum einen sind sie Zeugnisse des Epochenwechsels von der Renaissance zum Barock, der in allen Bereichen der Kunst deutlich wurde – von der Architektur bis hin zur Musik. Zum anderen nimmt Praetorius in seinen Choralkonzerten Bezug auf die damals aktuellste Musik aus Italien.
Es wird vermutet, dass er die Werke seiner italienischen Zeitgenossen über Heinrich Schütz kennengelernt haben könnte, mit dem er in Dresden zusammengetroffen ist. Denn selbst nach Rom oder Venedig gereist ist Michael Praetorius nicht. Er erkannte aber den hohen Wert der Innova- tionen aus dem Süden, übernahm Elemente dieses neuen Stils und inte- grierte sie in seine eigenen Werke. So kombinierte er, deutlich erkennbar im Spätwerk, italienische Stilmittel und protestantischen Choral – was die deutsche Kirchenmusik jener Zeit weithin geprägt hat.
„Wir möchten mit der vorliegenden CD einen großen Querschnitt dieses Œuvres darstellen“, schreibt Jochen Arnold im Begleitheft. „das Haupt- augenmerk gilt dabei – angesichts des bevorstehenden Reformations- jubiläums – den choralbezogenen Werken, namentlich zu Luthers Kirchenliedern.“ So finden sich auf dieser CD auch insgesamt sechs Melodien Luthers, prachtvoll ausgestaltet durch Praetorius' Bearbeitung. Dazu kommen Choralkonzerte auf der Grundlage weiterer bekannter Lieder, wie Nun lob mein Seel, den Herren, Allein Gott in der Höh sei Ehr oder das Deutsche Magnificat, und als Rahmen stehen um das dramatur- gisch geschickt gebaute Programm zwei Konzerte nach populären Liedern von Philipp Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern sowie Wachet auf, ruft uns die Stimme.
Mittwoch, 3. Mai 2017
FolksLied (BR Klassik)
Was ist ein „Volkslied“, was ein „Kunstlied“? Mit dieser Frage hat sich Christian Gerhaher intensiv beschäf- tigt – und ein auch für das Publikum außerordentlich lohnenswertes Pro- gramm zusammengestellt.
FolksLied lädt ein zu einem Streifzug durch die Musikgeschichte, und präsentiert zugleich eine Liedaus- wahl, die so nur sehr selten zu hören ist, noch dazu teilweise in der unge- wöhnlichen Besetzung für Gesang und Klaviertrio.
Instrumentale Partner sind dem Bariton dabei sein langjähriger Klavierbegleiter Gerold Huber, sowie Anton Barachovsky, Konzertmeister und Sebastian Klinger, Solo-Cellist des BR-Symphonieorchesters. Diese Zusammenarbeit ist kein Zufall: Entstanden ist dieser Konzertmitschnitt während Gerhahers Aufenthalt als Artist in Residence beim Symphonie- orchester des Bayerischen Rundfunks.
Bei der Auseinandersetzung mit dem Konzept des „Volksliedes“ griff der Sänger auf Lieder aus England und Schottland zurück. Dort wurde dieses Erbe schon wesentlich früher dokumentiert als in Deutschland, und die Sammeltätigkeit war auch nicht vordergründig auf die Texte aus, „sondern schloss von vorneherein die Melodien mit ein“, berichtet Christian Gerha- her im Begleitheft zur CD. „Und so kam es hier sehr früh zu professionellen Bearbeitungen und Arrangements“ – unter teilweise kuriosen Begleitum- ständen, wie der Bariton am Beispiel des zweiten Auftrages erläutert, der einst an Joseph Haydn ging: „Schon wieder in Wien, erhielt Haydn vom Herausgeber Thomson lediglich die Melodien, nach denen er dann tätig wurde, ohne zu wissen, worum es in den dazugehörigen Gedichten ging. Ein ziemlich einmaliger Vorgang: Die Texte wurden erst nach Fertig- stellung und Erhalt der Partitur unterlegt – und eben nicht durch den Komponisten.“
Diese Tatsache ermutigte den Sänger, „die heute erhältlichen (..) Urtext- ausgaben nochmals wegzulegen – auch um eine kleine persönliche Hommage an Fritz Wunderlich zu verwirklichen“, so Gerhaher: „ Von ihm gibt es eine wunderbare Aufnahme dieser mit naturseligen deutschen Gedichten des 20. Jahrhunderts unterlegten Liedauswahl. Man möge mir verzeihen, wie sehr ich hier sogar meinen eigenen Tonfall dem seinen schwärmerisch angepasst habe.“
Mit dieser Verneigung vor dem großen Tenor beginnt der Bariton sein Programm. Es folgen Folksong Arrangements von Benjamin Britten – ganz und gar nicht volkstümelnd, sondern ziemlich eigenwillig und voller Überraschungen.
Mit den Schottischen Liedern op. 108 von Ludwig van Beethoven schließt sich dann der Kreis. Nach Haydns Tod 1809 wurde er von George Thomson um Arrangements gebeten; vor allem unkompliziert sollten sie sein, mahnte der Verleger. Das freilich bedeutet nicht, dass sie ohne Anspruch sind, wie man beim Hören dieser Aufnahme feststellen wird. Gemeinsam mit dem Geiger Anton Barachovsky und dem Cellisten Sebastian Klinger sowie mit seinem exzellenten Klavierpartner Gerold Huber gestaltet Christian Gerhaher diese Lieder als abwechslungsreiche, mitunter auch ziemlich handfeste Miniaturen. Hinreißend!
FolksLied lädt ein zu einem Streifzug durch die Musikgeschichte, und präsentiert zugleich eine Liedaus- wahl, die so nur sehr selten zu hören ist, noch dazu teilweise in der unge- wöhnlichen Besetzung für Gesang und Klaviertrio.
Instrumentale Partner sind dem Bariton dabei sein langjähriger Klavierbegleiter Gerold Huber, sowie Anton Barachovsky, Konzertmeister und Sebastian Klinger, Solo-Cellist des BR-Symphonieorchesters. Diese Zusammenarbeit ist kein Zufall: Entstanden ist dieser Konzertmitschnitt während Gerhahers Aufenthalt als Artist in Residence beim Symphonie- orchester des Bayerischen Rundfunks.
Bei der Auseinandersetzung mit dem Konzept des „Volksliedes“ griff der Sänger auf Lieder aus England und Schottland zurück. Dort wurde dieses Erbe schon wesentlich früher dokumentiert als in Deutschland, und die Sammeltätigkeit war auch nicht vordergründig auf die Texte aus, „sondern schloss von vorneherein die Melodien mit ein“, berichtet Christian Gerha- her im Begleitheft zur CD. „Und so kam es hier sehr früh zu professionellen Bearbeitungen und Arrangements“ – unter teilweise kuriosen Begleitum- ständen, wie der Bariton am Beispiel des zweiten Auftrages erläutert, der einst an Joseph Haydn ging: „Schon wieder in Wien, erhielt Haydn vom Herausgeber Thomson lediglich die Melodien, nach denen er dann tätig wurde, ohne zu wissen, worum es in den dazugehörigen Gedichten ging. Ein ziemlich einmaliger Vorgang: Die Texte wurden erst nach Fertig- stellung und Erhalt der Partitur unterlegt – und eben nicht durch den Komponisten.“
Diese Tatsache ermutigte den Sänger, „die heute erhältlichen (..) Urtext- ausgaben nochmals wegzulegen – auch um eine kleine persönliche Hommage an Fritz Wunderlich zu verwirklichen“, so Gerhaher: „ Von ihm gibt es eine wunderbare Aufnahme dieser mit naturseligen deutschen Gedichten des 20. Jahrhunderts unterlegten Liedauswahl. Man möge mir verzeihen, wie sehr ich hier sogar meinen eigenen Tonfall dem seinen schwärmerisch angepasst habe.“
Mit dieser Verneigung vor dem großen Tenor beginnt der Bariton sein Programm. Es folgen Folksong Arrangements von Benjamin Britten – ganz und gar nicht volkstümelnd, sondern ziemlich eigenwillig und voller Überraschungen.
Mit den Schottischen Liedern op. 108 von Ludwig van Beethoven schließt sich dann der Kreis. Nach Haydns Tod 1809 wurde er von George Thomson um Arrangements gebeten; vor allem unkompliziert sollten sie sein, mahnte der Verleger. Das freilich bedeutet nicht, dass sie ohne Anspruch sind, wie man beim Hören dieser Aufnahme feststellen wird. Gemeinsam mit dem Geiger Anton Barachovsky und dem Cellisten Sebastian Klinger sowie mit seinem exzellenten Klavierpartner Gerold Huber gestaltet Christian Gerhaher diese Lieder als abwechslungsreiche, mitunter auch ziemlich handfeste Miniaturen. Hinreißend!
Dienstag, 2. Mai 2017
Sagenhaft! 25 Jahre Singer Pur (Oehms Classics)
Sagenhaft! 25jähriges Bühnenjubiläum feierte kürzlich das Vokalensemble Singer Pur. Gegründet wurde die Formation durch fünf ehemalige Regensburger Domspatzen und eine Sopranistin; heute gehören dazu Claudia Reinhard, Sopran, Rüdiger Ballhorn, Markus Zapp und Manuel Warwitz, Tenor, Reiner Schneider-Waterberg, Bariton und Marcus Schmidl, Bass.
Auf den ersten öffentlichen Auftritt des Ensembles am 8. März 1992 bei einem Benefizkonzert in der Kölner Philharmonie folgte eine internationale Karriere; bis heute sang das Sextett in über 50 Ländern. Und es wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, unter anderem mit dem Bayerischen Staatspreis für Musik, dem Caecilia- prijs und gleich dreimal mit dem Echo Klassik.
Das Repertoire von Singer Pur erstreckt sich vom späten Mittelalter bis hin zu Jazz und Pop. Allen Fans des Ensembles, die das Jubiläumskonzert am 8. März 2017 im Münchner Prinzregententheater nicht erleben konnten, legt die erfolgreiche A-cappella-Formation nun eine CD auf den Jubiläums-Gabentisch: Sagenhaft! widmet sich Märchen, Mythen und Legenden.
Dabei hat das Sextett nicht aus den bekannten Vertonungen ausgewählt, sondern zielgerichtet nach bislang unentdeckten Perlen ausgeschaut. Und so manches Stück ist auch eigens für Singer Pur entstanden. Da gibt es etliches, was zu erkunden ist – man höre nur Max und Moritz in der musikalischen Version Wolf Kerscheks. Köstlich! Gesungen wird wie immer perfekt, präzis im Ensemble-Vortrag und natürlich auf Punkt und Komma sauber. Gratulation also! und möge es Singer Pur auch in Zukunft an guten Ideen und schönen Tönen nicht mangeln.
Auf den ersten öffentlichen Auftritt des Ensembles am 8. März 1992 bei einem Benefizkonzert in der Kölner Philharmonie folgte eine internationale Karriere; bis heute sang das Sextett in über 50 Ländern. Und es wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, unter anderem mit dem Bayerischen Staatspreis für Musik, dem Caecilia- prijs und gleich dreimal mit dem Echo Klassik.
Das Repertoire von Singer Pur erstreckt sich vom späten Mittelalter bis hin zu Jazz und Pop. Allen Fans des Ensembles, die das Jubiläumskonzert am 8. März 2017 im Münchner Prinzregententheater nicht erleben konnten, legt die erfolgreiche A-cappella-Formation nun eine CD auf den Jubiläums-Gabentisch: Sagenhaft! widmet sich Märchen, Mythen und Legenden.
Dabei hat das Sextett nicht aus den bekannten Vertonungen ausgewählt, sondern zielgerichtet nach bislang unentdeckten Perlen ausgeschaut. Und so manches Stück ist auch eigens für Singer Pur entstanden. Da gibt es etliches, was zu erkunden ist – man höre nur Max und Moritz in der musikalischen Version Wolf Kerscheks. Köstlich! Gesungen wird wie immer perfekt, präzis im Ensemble-Vortrag und natürlich auf Punkt und Komma sauber. Gratulation also! und möge es Singer Pur auch in Zukunft an guten Ideen und schönen Tönen nicht mangeln.
Montag, 1. Mai 2017
Carissimi: Eight Motets (Naxos)
Als Garrick Comeaux im Jahre 2005 in die USA zurückkehrte, nachdem er 25 Jahre in Italien und in Deutsch- land gelebt hatte, bedeutete dies auch den Neustart für das Consortium Carissimi, das Comeaux 1996 in Rom gegründet hatte. Das Ensemble widmet sich dem Werk von Bonifazio Graziani (1604/05 bis 1664) und Giacomo Carissimi (1605 bis 1674).
Da wohl keine Originalmanuskripte der Stücke ihres Namensgebers erhalten geblieben sind, sind die bei der Beschäftigung mit der Musik Carissimis auf zeitgenössische Abschriften angewiesen. Mehr als zweihundert Musikstücke wurden ihm so zugeschrieben; allerdings hat die Forschung inzwischen festgestellt, dass die Überlieferung dabei in etlichen Fällen irrt.
Auf dieser CD sind die Sänger und Musiker mit acht Motetten zu hören, bei denen es ziemlich sicher ist, dass sie von Carissimi stammen. Der Komponist begann seine Ausbildung als Chorknabe an der Kathedrale von Tivoli; dort wirkte er dann auch als Kantor und Organist, bis er 1628 Kapellmeister an der Kathedrale von Assisi und wenig später am Collegium Germanicum et Hungaricum wurde, einem renommierten Priesterseminar der Jesuiten in Rom, dessen Kirche die Basilica minor Sant'Apollinare ist. Er hatte zudem viele Schüler, darunter Marc-Antoine Charpentier, Antonio Cesti, Christoph Bernhard sowie Johann Kaspar Kerll.
Da wohl keine Originalmanuskripte der Stücke ihres Namensgebers erhalten geblieben sind, sind die bei der Beschäftigung mit der Musik Carissimis auf zeitgenössische Abschriften angewiesen. Mehr als zweihundert Musikstücke wurden ihm so zugeschrieben; allerdings hat die Forschung inzwischen festgestellt, dass die Überlieferung dabei in etlichen Fällen irrt.
Auf dieser CD sind die Sänger und Musiker mit acht Motetten zu hören, bei denen es ziemlich sicher ist, dass sie von Carissimi stammen. Der Komponist begann seine Ausbildung als Chorknabe an der Kathedrale von Tivoli; dort wirkte er dann auch als Kantor und Organist, bis er 1628 Kapellmeister an der Kathedrale von Assisi und wenig später am Collegium Germanicum et Hungaricum wurde, einem renommierten Priesterseminar der Jesuiten in Rom, dessen Kirche die Basilica minor Sant'Apollinare ist. Er hatte zudem viele Schüler, darunter Marc-Antoine Charpentier, Antonio Cesti, Christoph Bernhard sowie Johann Kaspar Kerll.