Johann Staden (1581 bis 1634) wuchs in Nürnberg auf. Über seine Kindheit und Jugend ist weiter nichts bekannt. 1604, als er eine Pfarrerstochter heiratete, war er bereits fürstlich brandenburgischer Hoforganist bei Markgraf Christian in Bayreuth; dieser verlegte 1605 nach einem Stadtbrand seine Residenz nach Kulmbach. Staden scheint zudem einige Zeit Hoforganist in Dresden gewesen zu sein. 1616 erhielt er jedoch die Stelle des Organisten an der Nürnberger Spitalkirche, und kehrte in die Heimat zurück. Noch im gleichen Jahr wechselte er an die Kirche St. Lorenz, und 1618 wurde er Organist an St. Sebald. Damit hatte er die bedeutendste Organistenstelle von Nürnberg inne, und war zugleich für das städtische und kirchliche Musikwesen zuständig. Er war auch als Komponist hoch angesehen. Staden veröffentlichte fünf Sammlungen mit weltlichen Gesängen und 17 Kollektionen mit geistlicher Musik. Zu seinen Schülern gehörte übrigens Johann Erasmus Kindermann (1616 bis 1655).
Der Dreißigjährige Krieg allerdings machte auch vor der wohlhabenden Reichsstadt nicht halt. 1627 erlagen Stadens Ehefrau und vier seiner Kinder einer Pest-Epidemie. 1629 heiratete der Organist daher erneut. Den Frieden sollte er nicht mehr erleben. 1634 grassierte erneut die Pest in Nürnberg. Die Seuche raffte tausende Bürger dahin; auch Staden fiel ihr zum Opfer.
Auf dieser CD ist in Weltersteinspielung seine Kirchenmusik 1 zu hören, 1625 im Druck erschienen. Diese Kollektion enthält 15 Vertonungen liturgischer Texte und Psalmen, entstanden offenbar für Festgottesdienste in Nürnberger Kirchen. Die Musikstücke sind von höchst unterschied- lichem Charakter, von der solistisch zu besetzenden Motette bis hin zur prachtvollen Mehrchörigkeit nach venezianischem Vorbild.
Der Windsbacher Knabenchor, geleitet von Martin Lehman, präsentiert diese bedeutenden Werke sehr ansprechend und gekonnt. Die jungen Sänger überzeugen durch einen kraftvollen, von soliden Männerstimmen getragenen Chorklang. Sie singen auch in kleinen Gruppen sowie solistisch souverän. So sind neben den Solisten Hana Blažiková, Sopran, Alex Potter, Altus, Satoshi Mizukoshi, Tenor, und Dominik Wörner, Bass, etliche Chorsolisten zu hören.
Klanggewaltige Werke mit raffinierten Wirkungen durch Echo- und Fern- chöre wechseln sich ab mit virtuosen, mit einzelnen Sängern besetzten Stücken. Begleitet werden sie ebenso gekonnt von den Alte-Musik-Spezia- listen der Capella de la Torre und des Concerto Palatino. Beeindruckend! Es ist sehr erstaunlich, dass diese großartige Musik bisher noch nicht einmal editorisch erschlossen ist. Insofern freut man sich über dieses Engagement für sein Werk – und wünscht sich mehr davon.
Mittwoch, 27. Mai 2015
Dienstag, 26. Mai 2015
Charpentier & Lully: Te Deum (Alpha)
Zur Zeit des Barock war der soge- nannte ambrosianische Lobgesang, das Te Deum, in der höfischen und staatlichen Repräsentation sehr beliebt. Mit dem prunkvoll vertonten Hymnus wurden Krönungen und Geburten ebenso wie militärische Siege und Friedensverträge gefeiert. In der Collection Versailles bei Alpha sind nun zwei wirklich berühmte Te Deum-Vertonungen erschienen – die bekannten Kompositionen von Jean-Baptiste Lully und Marc-Antoine Charpentier. Vincent Dumestre hat sie mit den Ensembles Le Poeme Harmonique und der Capella Cracoviensis sowie den Gesangssolisten Amel Brahim-Djelloul, Aurore Bucher, Reinoud van Mechelen und Jeffrey Thompson eingespielt; die Aufnahme ist ein Live-Mitschnitt aus der Cha- pelle Royale du Château de Versailles. Man staunt – doch offensichtlich sind die beiden populären Werke hier tatsächlich zum ersten Male auf einer CD vereint. Die beiden Vertonungen in der Manier der französischen Grand Motet geben dem Hörer einen Begriff jener legendären Pracht, mit der einst am Hofe des Sonnenkönigs gefeiert wurde. Dumestre allerdings vermeidet bei seiner Interpretation schwerfälligen Pomp und übertriebenes Pathos. Er betont statt dessen die kriegerischen und die tänzerischen Aspekte der Musik, und lässt zudem ausgesprochen flott musizieren. Rasanter habe ich Lullys Te Deum noch nie gehört – doch das Orchester ist dem Tempo gewachsen, und hat hörbar Vergnügen an diesem etwas anderen Zugang zu den höfischen Protokollklängen. Grandios! Das muss man gehört haben.
Sonntag, 24. Mai 2015
Recital for Cello & Piano (Oehms Classics)
Wen-Sinn Yang, Professor für Violoncello an der Hochschule für Musik und Theater München, präsentiert hier gemeinsam mit dem Pianisten Adrian Oetiker, der ebenfalls an dieser Hochschule lehrt, ein perfektes Konzertprogramm. Man glaubt es kaum, doch diese Aufnahmen sind im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks entstanden.
Drei bedeutende Werke spielen die beiden Musiker – die Sonatine für Violoncello und Klavier von Zoltán Kodály (1882 bis 1967), die Arpeggione-Sonate D 821 von Franz Schubert (1797 bis 1828) und die Sonate für Pianoforte und Violoncello b-Moll op. 8 von Ernst von Dohnányi (1877 bis 1960).
Kodály verknüpft in seiner Sonatine ungarische Melodien mit französi- schem Esprit. Dieses eigenwillige Werk, dahingetupft im Stile des Impressionismus, hält im Dialog der beiden Instrumente so manche Überraschung für den Hörer bereit. Bekannter ist die Sonate, die Franz Schubert einst für ein neues Streichinstrument geschrieben hat. Der Arpeggione, offenbar eine Kreuzung aus Gitarre und Cello, konnte sich nicht durchsetzen – Schuberts Musik aber wird sowohl von den Bratschern als auch von den Cellisten sehr geschätzt. Yang macht dieses Werk zum Ereignis; sein Cello-Ton ist wundervoll, unverkennbar, eher schlank und hell.
Durch Beethoven und Brahms inspiriert ist die Sonate von Dohnányi. Und weil zu einem Konzert natürlich auch Zugaben gehören, spielen die beiden Musiker dann noch, ganz klassisch, das Tambourin chinois op. 3 von Fritz Kreisler 1875 bis 1926), eine Bearbeitung der bekannten Melodie des Figaro aus Rossinis Barbier von Sevilla von Mario Castelnuovo-Tedesco (1895 bis 1968) und die Feldeinsamkeit op. 86 Nr. 2 von Johannes Brahms (1833 bis 1897).
Drei bedeutende Werke spielen die beiden Musiker – die Sonatine für Violoncello und Klavier von Zoltán Kodály (1882 bis 1967), die Arpeggione-Sonate D 821 von Franz Schubert (1797 bis 1828) und die Sonate für Pianoforte und Violoncello b-Moll op. 8 von Ernst von Dohnányi (1877 bis 1960).
Kodály verknüpft in seiner Sonatine ungarische Melodien mit französi- schem Esprit. Dieses eigenwillige Werk, dahingetupft im Stile des Impressionismus, hält im Dialog der beiden Instrumente so manche Überraschung für den Hörer bereit. Bekannter ist die Sonate, die Franz Schubert einst für ein neues Streichinstrument geschrieben hat. Der Arpeggione, offenbar eine Kreuzung aus Gitarre und Cello, konnte sich nicht durchsetzen – Schuberts Musik aber wird sowohl von den Bratschern als auch von den Cellisten sehr geschätzt. Yang macht dieses Werk zum Ereignis; sein Cello-Ton ist wundervoll, unverkennbar, eher schlank und hell.
Durch Beethoven und Brahms inspiriert ist die Sonate von Dohnányi. Und weil zu einem Konzert natürlich auch Zugaben gehören, spielen die beiden Musiker dann noch, ganz klassisch, das Tambourin chinois op. 3 von Fritz Kreisler 1875 bis 1926), eine Bearbeitung der bekannten Melodie des Figaro aus Rossinis Barbier von Sevilla von Mario Castelnuovo-Tedesco (1895 bis 1968) und die Feldeinsamkeit op. 86 Nr. 2 von Johannes Brahms (1833 bis 1897).
Bach: Klavierkonzerte BWV 1052 - 1058 (Genuin)
Noch eine Aufnahme der Klavier- konzerte von Johann Sebastian Bach, seufzt der Rezensent, und legt die CD in den Player. Doch dann folgt eine Überraschung. Denn was Yorck Kronenberg gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester bei Genuin veröffentlicht hat, das ist alles andere als Mainstream. „Ich liebe Bach“, erklärt der Pianist in einem Interview im Beiheft – und das darf man ruhig als Credo verstehen.
Mit beeindruckender Sorgfalt und der gehörigen Ehrfurcht hat sich Kronen- berg die Konzerte erschlossen. „Ich spiele Bach gern auf dem Cembalo; die Auseinandersetzung mit diesem Instrument beeinflusst zweifellos meine Sicht auf seine Musik“, erläutert der Pianist. „Es ist wichtig zu wissen, in welchem dynamischen Rahmen man sich bewegt, was beispielsweise auch Auswirkungen auf die Anlage von Phrasen hat, auf deren Länge und ihre innere Spannung. Auf dem Cembalo ergibt sich der Ausdruck wesentlich durch Artikulation und Tempoführung, diese Erkenntnis ist auch für heutige Pianisten von unschätzbarem Wert. Das heißt nicht, dass ich mir den Klangfarben- reichtum des modernen Flügels versage. Ich verzichte aber weitgehend auf den Einsatz des Haltepedals; und ich scheue mich vor allzu kurzatmigen dynamischen Ausbrüchen, die grell und aufgesetzt wirken können. Bachs Musik hat eine gleichermaßen archaische wie intellektuelle Kraft, die solche Effekte nicht nötig hat.“
Ein Konzert, BWV 1057, spielt Kronenberg auch bei dieser Einspielung auf dem Cembalo. Damit nimmt er Rücksicht auf die beiden solistisch besetz- ten Blockflöten; eine weise Entscheidung, wie man beim Anhören fest- stellen wird. Auch sonst hört der Pianist gern auf seine Mitmusiker. Gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester musiziert er ungemein lebendig, aber stets auch präzise und ausbalanciert.
Der Klang des Bösendorfer Konzertflügels passt dabei perfekt zum be- schwingten und stets klar strukturierten Spiel des Orchesters. Kronenberg begeistert durch seine fein austarierte, gut durchdachte und nuancenreiche Interpretation. Hier wird ebenso lustvoll wie stilsicher ausgeziert, und mit einer Leidenschaft musiziert, die ich schlicht hinreißend finde. Man vergisst vollkommen, dass es zu Bachs Zeiten noch gar kein modernes Klavier gab. Bravi! Diese Aufnahmen haben zweifellos Referenzcharakter; man möchte sie wieder und wieder hören, freut sich an den Nebenstimmen, den Klangfarben, an Frische und Musizierlust. Mehr davon!
Mit beeindruckender Sorgfalt und der gehörigen Ehrfurcht hat sich Kronen- berg die Konzerte erschlossen. „Ich spiele Bach gern auf dem Cembalo; die Auseinandersetzung mit diesem Instrument beeinflusst zweifellos meine Sicht auf seine Musik“, erläutert der Pianist. „Es ist wichtig zu wissen, in welchem dynamischen Rahmen man sich bewegt, was beispielsweise auch Auswirkungen auf die Anlage von Phrasen hat, auf deren Länge und ihre innere Spannung. Auf dem Cembalo ergibt sich der Ausdruck wesentlich durch Artikulation und Tempoführung, diese Erkenntnis ist auch für heutige Pianisten von unschätzbarem Wert. Das heißt nicht, dass ich mir den Klangfarben- reichtum des modernen Flügels versage. Ich verzichte aber weitgehend auf den Einsatz des Haltepedals; und ich scheue mich vor allzu kurzatmigen dynamischen Ausbrüchen, die grell und aufgesetzt wirken können. Bachs Musik hat eine gleichermaßen archaische wie intellektuelle Kraft, die solche Effekte nicht nötig hat.“
Ein Konzert, BWV 1057, spielt Kronenberg auch bei dieser Einspielung auf dem Cembalo. Damit nimmt er Rücksicht auf die beiden solistisch besetz- ten Blockflöten; eine weise Entscheidung, wie man beim Anhören fest- stellen wird. Auch sonst hört der Pianist gern auf seine Mitmusiker. Gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester musiziert er ungemein lebendig, aber stets auch präzise und ausbalanciert.
Der Klang des Bösendorfer Konzertflügels passt dabei perfekt zum be- schwingten und stets klar strukturierten Spiel des Orchesters. Kronenberg begeistert durch seine fein austarierte, gut durchdachte und nuancenreiche Interpretation. Hier wird ebenso lustvoll wie stilsicher ausgeziert, und mit einer Leidenschaft musiziert, die ich schlicht hinreißend finde. Man vergisst vollkommen, dass es zu Bachs Zeiten noch gar kein modernes Klavier gab. Bravi! Diese Aufnahmen haben zweifellos Referenzcharakter; man möchte sie wieder und wieder hören, freut sich an den Nebenstimmen, den Klangfarben, an Frische und Musizierlust. Mehr davon!
Samstag, 23. Mai 2015
Vivaldi: La Stravaganza (Brilliant Classics)
Einzigartige Konzerte spielt Federico Guglielmo auf einem einzigartigen Instrument: Die Leihgabe eines privaten Sammlers ermöglichte diese Präsentation der Violinkonzerte op. 4 von Antonio Vivaldi auf einer Geige von Tommaso Balestrieri. Über den Lebensweg dieses Geigenbauers ist wenig bekannt; es wird vermutet, dass er seine Ausbildung in Cremona absolviert hat, weil er alle seine Instrumente mit der Inschrift cremonensis zeichnete. Seine Werkstatt aber befand sich in Mantua. Dort fertigte er um 1760 die Geige an, die Guglielmo nun erklingen lässt.
Auch wenn Balestrieri nicht so bekannt ist wie Stradivari, Guarneri oder Amati – seine Instrumente sind bei Profis sehr begehrt. Dieses hier ist im Originalzustand erhalten, mit dem ursprünglichen Hals und Griffbrett, und sogar mit dem dazugehörigen Bogen, einem Barockbogen. Er wurde von Carlo Annibale Tononi aus Bologna geschaffen und befand sich von Anbeginn in dem ebenfalls originalen Behältnis der Geige – Koffer möchte man dazu gar nicht sagen, es ist eher eine sorgsam hergestellte und angepasste Kiste. Sie kann mit zwei Kerzenständern ausgestattet werden und diente möglicherweise zugleich als Notenständer. Dieses Case aus dem 18. Jahrhundert ist zudem aufwendig farbig gestaltet; es zeigt das Wappen und die Initialen der Familie Colonna aus Rom, der ursprünglichen Eigentümer der Geige.
Guglielmo ist vom Klang dieses Instrumentes begeistert. Die Geige zeichne sich durch ihren einzigartigen Charakter und ihre starke Persönlichkeit aus, erläutert der Violinist in dem informativen Beiheft. Es sei nicht einfach, sie zu spielen, aber der leuchtende Klang lasse die Launen dieses Instruments schnell vergessen. Vivaldis Violinkonzerte op. 4, besser bekannt unter ihrem Beinamen La Stravaganza, passen zu dieser außer- gewöhnlichen Geige. Guglielmo musiziert gemeinsam mit dem Ensemble L’Arte dell’Arco, und interpretiert die zwölf Konzerte mit Temperament, Präzision und einer großen Portion Musizierlust. Die Aufnahmen sind im Juli 2014 in der Marienabtei von Carceri und in der Marienkirche in Vanzo, Italien, entstanden. Exquisit!
Auch wenn Balestrieri nicht so bekannt ist wie Stradivari, Guarneri oder Amati – seine Instrumente sind bei Profis sehr begehrt. Dieses hier ist im Originalzustand erhalten, mit dem ursprünglichen Hals und Griffbrett, und sogar mit dem dazugehörigen Bogen, einem Barockbogen. Er wurde von Carlo Annibale Tononi aus Bologna geschaffen und befand sich von Anbeginn in dem ebenfalls originalen Behältnis der Geige – Koffer möchte man dazu gar nicht sagen, es ist eher eine sorgsam hergestellte und angepasste Kiste. Sie kann mit zwei Kerzenständern ausgestattet werden und diente möglicherweise zugleich als Notenständer. Dieses Case aus dem 18. Jahrhundert ist zudem aufwendig farbig gestaltet; es zeigt das Wappen und die Initialen der Familie Colonna aus Rom, der ursprünglichen Eigentümer der Geige.
Guglielmo ist vom Klang dieses Instrumentes begeistert. Die Geige zeichne sich durch ihren einzigartigen Charakter und ihre starke Persönlichkeit aus, erläutert der Violinist in dem informativen Beiheft. Es sei nicht einfach, sie zu spielen, aber der leuchtende Klang lasse die Launen dieses Instruments schnell vergessen. Vivaldis Violinkonzerte op. 4, besser bekannt unter ihrem Beinamen La Stravaganza, passen zu dieser außer- gewöhnlichen Geige. Guglielmo musiziert gemeinsam mit dem Ensemble L’Arte dell’Arco, und interpretiert die zwölf Konzerte mit Temperament, Präzision und einer großen Portion Musizierlust. Die Aufnahmen sind im Juli 2014 in der Marienabtei von Carceri und in der Marienkirche in Vanzo, Italien, entstanden. Exquisit!
Mittwoch, 20. Mai 2015
Devienne: Flute Concertos Nos. 1-4 (Naxos)
François Devienne (1759 bis 1803) war der Sohn eines Sattlers. Den ersten Musikunterricht erhielt er bei einem älteren Bruder; später unterwies ihn der Organist seines Heimatstädtchens. Als Devienne zehn Jahre alt war, schrieb er seine erste Messe, die auch aufgeführt wurde. 1776 folgte er seinem Bruder an den Hof von Zweibrücken. Später spielte er Fagott im Orchester der Pariser Oper, und studierte zudem das Flötenspiel beim Soloflötisten Félix Rault. Im Frühjahr 1780 trat er wahrscheinlich in den Dienst des Kardinals Louis-René de Rohan, wo er bis 1785 als Kammermusiker angestellt war. In dieser Zeit komponierte er auch etliche Werke, und er wirkte in dem renommierten Freimaurer-Orchester der Société Olympique mit, für das Joseph Haydn seine Pariser Sinfonien schrieb.
1780 wurde das erste Werk Deviennes, ein Fagott-Konzert, in den Concerts Spirituel gespielt. Zwei Jahre später debütierte der Musiker dort als Solist – so erfolgreich, dass binnen kurzer Zeit zahlreiche weitere Auftritte dort folgten. Devienne spielte Fagott und Flöte in verschiedenen Orchestern, und er unterrichtete an der École gratuite de musique de la Garde nationale, aus der 1795 das Pariser Konservatorium hervorging. Der Flötist wurde umgehend zum Professsor bestellt. Als Musikpädagoge war Devienne sehr gefragt. Die Übungsstücke, die er für seine Schüler schrieb, werden noch heute gern verwendet – nicht zuletzt deshalb, weil sie gut klingen und die Musizierlust wecken. Er schrieb zudem eine Flötenschule, „Nouvelle Méthode théorique et pratique pour la flûte“, die, ähnlich wie Quantz' „Versuch einer Anleitung, die Flöte traversière zu spielen“ zu einer wichtigen musikhistorischen Quelle geworden ist.
Devienne komponierte etliche Opern, für die er sehr gefeiert wurde, acht Sinfonien, zahlreiche Konzerte für Flöte und Fagott, einige Musiken für Blasorchester sowie jede Menge Kammermusik. Der Musiker erkrankte leider an einem Nervenleiden, so dass er nach Charenton gebracht werden musste, wo er wenig später verstarb, gerade einmal 44 Jahre alt.
Schon Jean-Pierre Rampal hatte sich für die Werke des Kollegen einge- setzt. Jetzt hat sein Schüler Patrick Gallois bei Naxos gemeinsam mit dem Schwedischen Kammerorchester Deviennes erste vier Flötenkonzerte eingespielt. „François Devienne est le flûtiste à l'origine de l'école de flûte française“, begeistert sich Gallois. „Devienne a besoin d'une approche spécifique, une grande précision dans les ornements, l'inflexion du son, l'articulation et le phrasé.“ Solche Musik wiederzuentdecken, das bereite jedoch Probleme: „Nous redécouvrons toutes ces musiques sans avoir le temps de les comprendre et donc nous appliquons des solutions toutes faites aux questions posées. Un grand nombre de compositeurs ont été considérés comme mineurs faute de trouver une lecture correcte.“
Gallois hat die Werke Deviennes sorgfältig studiert. „Le travail de la méthode et de tous les concertos de Devienne conjointement aus 6 con- certos et à la méthode de Mercadante, grand admiteur de Devienne, m'a permis de définir une direction musicale grâce à la clarté des explications sur les ornements, articulations et coups de langue“, berichtet der Flötist. Die Sorgfalt lohnt sich, denn Deviennes Flötenkonzerte sind ebenso geistreich wie elegant. Und genauso sind sie hier zu hören. „La musique est faite de questions et chaque moment amène sa solution“, resümiert der Solist. „J'espère que cet registrement, par sa fraîcheur et vivacité, aura réussi à répondre en partie aux questions posées par François Devienne.“
1780 wurde das erste Werk Deviennes, ein Fagott-Konzert, in den Concerts Spirituel gespielt. Zwei Jahre später debütierte der Musiker dort als Solist – so erfolgreich, dass binnen kurzer Zeit zahlreiche weitere Auftritte dort folgten. Devienne spielte Fagott und Flöte in verschiedenen Orchestern, und er unterrichtete an der École gratuite de musique de la Garde nationale, aus der 1795 das Pariser Konservatorium hervorging. Der Flötist wurde umgehend zum Professsor bestellt. Als Musikpädagoge war Devienne sehr gefragt. Die Übungsstücke, die er für seine Schüler schrieb, werden noch heute gern verwendet – nicht zuletzt deshalb, weil sie gut klingen und die Musizierlust wecken. Er schrieb zudem eine Flötenschule, „Nouvelle Méthode théorique et pratique pour la flûte“, die, ähnlich wie Quantz' „Versuch einer Anleitung, die Flöte traversière zu spielen“ zu einer wichtigen musikhistorischen Quelle geworden ist.
Devienne komponierte etliche Opern, für die er sehr gefeiert wurde, acht Sinfonien, zahlreiche Konzerte für Flöte und Fagott, einige Musiken für Blasorchester sowie jede Menge Kammermusik. Der Musiker erkrankte leider an einem Nervenleiden, so dass er nach Charenton gebracht werden musste, wo er wenig später verstarb, gerade einmal 44 Jahre alt.
Schon Jean-Pierre Rampal hatte sich für die Werke des Kollegen einge- setzt. Jetzt hat sein Schüler Patrick Gallois bei Naxos gemeinsam mit dem Schwedischen Kammerorchester Deviennes erste vier Flötenkonzerte eingespielt. „François Devienne est le flûtiste à l'origine de l'école de flûte française“, begeistert sich Gallois. „Devienne a besoin d'une approche spécifique, une grande précision dans les ornements, l'inflexion du son, l'articulation et le phrasé.“ Solche Musik wiederzuentdecken, das bereite jedoch Probleme: „Nous redécouvrons toutes ces musiques sans avoir le temps de les comprendre et donc nous appliquons des solutions toutes faites aux questions posées. Un grand nombre de compositeurs ont été considérés comme mineurs faute de trouver une lecture correcte.“
Gallois hat die Werke Deviennes sorgfältig studiert. „Le travail de la méthode et de tous les concertos de Devienne conjointement aus 6 con- certos et à la méthode de Mercadante, grand admiteur de Devienne, m'a permis de définir une direction musicale grâce à la clarté des explications sur les ornements, articulations et coups de langue“, berichtet der Flötist. Die Sorgfalt lohnt sich, denn Deviennes Flötenkonzerte sind ebenso geistreich wie elegant. Und genauso sind sie hier zu hören. „La musique est faite de questions et chaque moment amène sa solution“, resümiert der Solist. „J'espère que cet registrement, par sa fraîcheur et vivacité, aura réussi à répondre en partie aux questions posées par François Devienne.“
Dienstag, 19. Mai 2015
Bach: St Matthew Passion (AAM Records)
Nach der Johannes-Passion hat die Academy of Ancient Music nun bei ihrem hauseigenen Label AAM auch eine Einspielung von Bachs Matthäus-Passion veröffentlicht. Die sogenannte „Große Passion“ hat seit ihrer Uraufführung 1727 Menschen auf der ganzen Welt berührt. Hier ist auf drei CD diese frühe Version zu hören, und nicht die übliche, von Bach 1736 revidierte. Die beiden Fassungen unterscheiden sich in vielen Details, und wer sucht, der findet Argumente dafür, diese oder jene zu bevorzugen. In dem umfangreichen Beiheft erläutert Richard Egarr, seit 2006 Cembalist und künstlerischer Leiter des 1973 von Christopher Hogwood gegründeten Ensembles, warum er die erste Variante bevorzugt.
Egarr konnte für diese Produktion ein namhaftes Solistenensemble gewinnen. An erster Stelle zu nennen ist James Gilchrist, der die Partie des Evangelisten sehr hörenswert gestaltet. Die Arien singen Elizabeth Watts, Sopran, Sarah Connolly, Alt, Thomas Hobbs, Tenor, und Christopher Maltman, Bass. Als Jesus ist Matthew Rose zu erleben, als Pilatus Ashley Riches. Die Soliloquenten werden durch Mitglieder des Chores gesungen. Die beiden Chöre sind schlank besetzt – Sopran und Bass jeweils dreifach, Alt und Tenor doppelt. Das sorgt insbesondere im Eingangschor für Freu- de, denn hier wird er endlich einmal wirklich gut gesungen. Ansonsten bleibt leider vieles Mittelmaß, insofern erreicht diese Einspielung nur auf- grund der Version Referenzstatus.
Egarr konnte für diese Produktion ein namhaftes Solistenensemble gewinnen. An erster Stelle zu nennen ist James Gilchrist, der die Partie des Evangelisten sehr hörenswert gestaltet. Die Arien singen Elizabeth Watts, Sopran, Sarah Connolly, Alt, Thomas Hobbs, Tenor, und Christopher Maltman, Bass. Als Jesus ist Matthew Rose zu erleben, als Pilatus Ashley Riches. Die Soliloquenten werden durch Mitglieder des Chores gesungen. Die beiden Chöre sind schlank besetzt – Sopran und Bass jeweils dreifach, Alt und Tenor doppelt. Das sorgt insbesondere im Eingangschor für Freu- de, denn hier wird er endlich einmal wirklich gut gesungen. Ansonsten bleibt leider vieles Mittelmaß, insofern erreicht diese Einspielung nur auf- grund der Version Referenzstatus.
Montag, 18. Mai 2015
Franz & Richard Strauss: Horn Concertos (Pan Classics)
Und da wir gerade beim Thema Horn und Familie Strauss waren – bei Pan Classics sind Hornkonzerte von Franz Joseph und Richard Strauss in einer sehr gelungenen Aufnahme erschienen. Franz Strauss war ein grandioser Hornist; er unterrichtete, und er komponierte auch, unter anderem zwei Hornkonzerte. Auf dieser CD ist sein ausgesprochen anspruchsvolles Hornkonzert in c-Moll op. 8 zu hören, gefolgt vom Hornkonzert Nr. 1 in Es-Dur op. 11, geschaffen vom 18jährigen Richard Strauss als Präsent zum 60. Geburtstag des berühmten Vaters. Es wirkt wie ein Echo des Konzertes des Jubilars – allerdings setzt der junge Strauss, bei allen Anklängen in Form und Moti- vik, hier schon unüberhörbar eigene Akzente. Denn bei der Orchestrierung orientiert sich Franz Strauss an den Konventionen des Virtuosenkonzertes. Sein Sohn hingegen gestaltet den Orchesterpart sehr viel differenzierter und farbiger.
Das Hornkonzert Nr. 2 Es-Dur von Richard Strauss ist ein Alterswerk, entstanden 60 Jahre später. Es wirkt stellenweise eher wie ein Orchester- stück mit obligatem Horn, wobei aus dem Orchester heraus immer wieder einzelne Instrumente in den Dialog mit dem Solisten treten. Es wird hörbar, dass Strauss den Blechbläsern offenbar besonders zugetan war. Samuel Seidenberg, Solo-Hornist im hr-Sinfonieorchester, konzertiert gemeinsam mit seinen Kollegen unter Leitung von Sebastian Weigle. Er musiziert mit eher gedecktem, aber schönem Ton, dynamisch sehr beeindruckend und stets sehr präsent. Absolut überzeugend! Wer den Klang des Horns schätzt, der sollte diese Aufnahme unbedingt in seiner CD-Sammlung haben.
Das Hornkonzert Nr. 2 Es-Dur von Richard Strauss ist ein Alterswerk, entstanden 60 Jahre später. Es wirkt stellenweise eher wie ein Orchester- stück mit obligatem Horn, wobei aus dem Orchester heraus immer wieder einzelne Instrumente in den Dialog mit dem Solisten treten. Es wird hörbar, dass Strauss den Blechbläsern offenbar besonders zugetan war. Samuel Seidenberg, Solo-Hornist im hr-Sinfonieorchester, konzertiert gemeinsam mit seinen Kollegen unter Leitung von Sebastian Weigle. Er musiziert mit eher gedecktem, aber schönem Ton, dynamisch sehr beeindruckend und stets sehr präsent. Absolut überzeugend! Wer den Klang des Horns schätzt, der sollte diese Aufnahme unbedingt in seiner CD-Sammlung haben.
Franz und Richard Strauss: Romantic works for horn (Oehms Classics)
Der Komponist Richard Strauss (1864 bis 1949) war der Sohn eines berühmten Virtuosen: Sein Vater, Franz Joseph Strauss (1822 bis 1905) war einer der besten Hornisten seiner Zeit. Der „Joachim auf dem Wald- horn“, wie der Dirigent Hans von Bülow den Musiker einmal nannte, wirkte gut 40 Jahre lang als Erster Hornist an der Hofoper in München, und er unterrichtete als Professor an der Münchner Königlichen Akademie der Tonkunst. Er komponierte auch – und gar nicht mal schlecht, wie diese CD zeigt.
Xiaoming Han, Sohn des chinesischen Hornisten und Horn-Professors Sin-Guang Han, hat gemeinsam mit dem Pianisten Peter Schmalfuss Musik sowohl von Franz als auch von Richard Strauss eingespielt. Diese Werke für Horn und Klavier sind ausgesprochen selten zu hören. Das mag mit daran liegen, dass sie für einen exzellenten Solisten geschrieben wurden und daher sicherlich spieltechnisch keine leichte Kost sind. Doch es sind wundervolle melodische Stücke, die das Horn sehr gelungen präsentieren. Xiaoming Han, Solohornist der Deutschen Radio Philhar- monie Saarbrücken Kaiserslautern, musiziert mit einem herrlichen warmen, runden Ton und hörbar guter Laune.
Bei Alphorn für Singstimme mit Klavier- und Hornbegleitung erfreut zudem Sängerin Katja Boost mit ihrem dunkel timbrierten Mezzosopran. Und zum Schluss erklingt die stark verkürzte Kammerversion einer populären Tondichtung von Richard Strauss, in einer Version von dem österreichischen Komponisten Franz Hansenöhrl (1885 bis 1970): Till Eulenspiegel – einmal anders, eine Grotesque musicale für Violine, Klarinette, Horn, Fagott und Kontrabass, erweist sich als eine wirklich brillante Bearbeitung.
Xiaoming Han, Sohn des chinesischen Hornisten und Horn-Professors Sin-Guang Han, hat gemeinsam mit dem Pianisten Peter Schmalfuss Musik sowohl von Franz als auch von Richard Strauss eingespielt. Diese Werke für Horn und Klavier sind ausgesprochen selten zu hören. Das mag mit daran liegen, dass sie für einen exzellenten Solisten geschrieben wurden und daher sicherlich spieltechnisch keine leichte Kost sind. Doch es sind wundervolle melodische Stücke, die das Horn sehr gelungen präsentieren. Xiaoming Han, Solohornist der Deutschen Radio Philhar- monie Saarbrücken Kaiserslautern, musiziert mit einem herrlichen warmen, runden Ton und hörbar guter Laune.
Bei Alphorn für Singstimme mit Klavier- und Hornbegleitung erfreut zudem Sängerin Katja Boost mit ihrem dunkel timbrierten Mezzosopran. Und zum Schluss erklingt die stark verkürzte Kammerversion einer populären Tondichtung von Richard Strauss, in einer Version von dem österreichischen Komponisten Franz Hansenöhrl (1885 bis 1970): Till Eulenspiegel – einmal anders, eine Grotesque musicale für Violine, Klarinette, Horn, Fagott und Kontrabass, erweist sich als eine wirklich brillante Bearbeitung.
Sonntag, 17. Mai 2015
Beethoven: Complete Piano Pieces (Avi-Music)
Das Klavier bereitet doch immer wieder Freude und ist für so manche Überraschung gut – in diesem Falle liegt das an der Hingabe, mit der Tobias Koch Klavierstücke von Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827) vorstellt. Der Hammerflügel- spezialist widmet sich auf diesen drei CD den „kleinen“ Werken, jenseits der Sonaten, Tänze und Variationen. Dabei musiziert er an fünf gut erhal- tenen historischen Instrumenten: Zu hören sind ein Tangentenflügel von Christoph Friedrich Schmahl aus dem Jahre 1790, ein Fortepiano von Michael Rosenberger, entstanden um 1805, ein Fortepiano von Conrad Graf, angefertigt 1727/28, und ein Patent-Piano-Forte aus der Werkstatt von Nanette Streicher & Sohn aus dem Jahre 1827. Zudem erklingt hier, wahrscheinlich zum ersten Male auf CD, eine Orphika. Dieses Instrument, 1795 in Wien von Carl Leopold Rölling und Joseph Dohnal konstruiert, erscheint wie ein tragbares Pianoforte, allerdings mit einem deutlich geringeren Tonumfang und einem Rahmen, der an eine Harfe erinnert. Die Orphika sollte wohl wie eine Laute klingen; sie wurde nur in Wien gebaut, und es sind nur einige wenige Exemplare überhaupt erhalten. Das hier vorgestellte, gefertigt nach 1800, klingt ziemlich ätherisch und befindet sich in der Musikinstrumentenabteilung des Deutschen Museums München.
Nicht weniger attraktiv sind aber die anderen beiden Silberscheiben. Denn hier ist zu erleben, wie enorm sich das Klavier im Laufe der frühen Jahre verändert hat. Spielte Beethoven beispielsweise anfangs Instrumente mit einem Tonumfang von lediglich fünf Oktaven, so spiegelt seine Musik auch ein wenig die rapide Weiterentwicklung des Klaviers in jenen Jahren. Denn schon Beethovens Erard-Flügel von 1803 hatte fünfeinhalb Oktaven, das Instrument, das ihm Thomas Broadwood 1817 schenkte, sechs Oktaven. Und der Flügel, den ihm 1826 Conrad Graf leihweise zur Verfügung stellte, konnte bereits mit sechseinhalb Oktaven aufwarten.
Koch zeigt mit seiner Einspielung, dass seinerzeit Klavier keineswegs gleich Klavier war. Die historischen Instrumente unterscheiden sich auch klanglich wesentlich stärker voneinander, als wir das heute von modernen Klavieren gewohnt sind. So manches Werk Beethovens aber lässt sich auf einem „alten“ Instrument viel differenzierter und nuancenreicher vortragen, wie Koch beeindruckend demonstriert. Man entdeckt, wenn man dem farbenreichen Klang dieser Claviere lauscht, insbesondere in den Mittelstimmen so manches Detail, das beim Spiel auf einem Standard-Steinway leicht durch die sehr viel ausgeglicheneren Register verdeckt wird.
Diese musikalische Entdeckungsreise macht durchaus Vergnügen, zumal die sogenannten Bagatellen keineswegs gering zu schätzen sind. Denn sie ermöglichen einen Blick in die Werkstatt des Komponisten: In diesen kurzen Stücken erprobte Beethoven sein Handwerkszeug. Er spielte mit Formen und Kontrasten, die schon in jungen Jahren erstaunlich wir- kungsvoll einzusetzen wusste. Der Zuhörer erhält zudem einen Eindruck davon, wie der Meister wohl einst beim freien Fantasieren gestaltet hat. Sehr gelungen, meine unbedingte Empfehlung!
Nicht weniger attraktiv sind aber die anderen beiden Silberscheiben. Denn hier ist zu erleben, wie enorm sich das Klavier im Laufe der frühen Jahre verändert hat. Spielte Beethoven beispielsweise anfangs Instrumente mit einem Tonumfang von lediglich fünf Oktaven, so spiegelt seine Musik auch ein wenig die rapide Weiterentwicklung des Klaviers in jenen Jahren. Denn schon Beethovens Erard-Flügel von 1803 hatte fünfeinhalb Oktaven, das Instrument, das ihm Thomas Broadwood 1817 schenkte, sechs Oktaven. Und der Flügel, den ihm 1826 Conrad Graf leihweise zur Verfügung stellte, konnte bereits mit sechseinhalb Oktaven aufwarten.
Koch zeigt mit seiner Einspielung, dass seinerzeit Klavier keineswegs gleich Klavier war. Die historischen Instrumente unterscheiden sich auch klanglich wesentlich stärker voneinander, als wir das heute von modernen Klavieren gewohnt sind. So manches Werk Beethovens aber lässt sich auf einem „alten“ Instrument viel differenzierter und nuancenreicher vortragen, wie Koch beeindruckend demonstriert. Man entdeckt, wenn man dem farbenreichen Klang dieser Claviere lauscht, insbesondere in den Mittelstimmen so manches Detail, das beim Spiel auf einem Standard-Steinway leicht durch die sehr viel ausgeglicheneren Register verdeckt wird.
Diese musikalische Entdeckungsreise macht durchaus Vergnügen, zumal die sogenannten Bagatellen keineswegs gering zu schätzen sind. Denn sie ermöglichen einen Blick in die Werkstatt des Komponisten: In diesen kurzen Stücken erprobte Beethoven sein Handwerkszeug. Er spielte mit Formen und Kontrasten, die schon in jungen Jahren erstaunlich wir- kungsvoll einzusetzen wusste. Der Zuhörer erhält zudem einen Eindruck davon, wie der Meister wohl einst beim freien Fantasieren gestaltet hat. Sehr gelungen, meine unbedingte Empfehlung!
Donnerstag, 14. Mai 2015
Paer: La Passione di Gesù Cristo (cpo)
Ferdinando Paër (1771 bis 1839) war ein Musiker mit einem ganz erstaun- lichen Lebensweg. Er stammte aus Parma, und debütierte 1791 in seiner Heimatstadt als Opernkomponist – offensichtlich erfolgreich, denn 1792 wurde er zum maestro di cappella und 1797 zum Generalmusikdirektor des dortigen Hofes ernannt. Noch im selben Jahr ging Paër dann mit seiner zukünftigen Ehefrau, einer Sängerin, nach Wien, wo das Ehepaar an der italienischen Oper engagiert wurde. Nach einer Zwischenstation in Prag kam Paër dann 1803 als Kapellmeister am Morettischen Opernhaus nach Dresden. Nach vier Jahren zog er weiter nach Paris, wo er maître de chapelle an Napoleons Hof wurde, zudem Dirigent an der Opéra-comique und 1812 auch Kapellmeister des Théâtre des Italiens. Er wurde Mitglied der Académie des Beaux-Arts, und er unterrichtete am Pariser Konservatorium im Fach Komposition.
Paër schrieb mehr als 40 Opern, die sehr erfolgreich waren; er gehörte aber nicht nur zu den wichtigsten Opernkomponisten seiner Generation, er schuf auch geistliche und Kammermusik. „Eine neue Cantate in wäl'scher Sprache ,das heilige Grab', Musik von Ferd. Paër und von demselben auch dirigirt“, so kommentierte die Wiener Tonkünstlersocietät eine Aufführung am Palmsonntag 1803, zugunsten der Witwen und Waisen. Das Musik- stück, entstanden auf einen Text von Pietro Bagnoli, bringt uns die Trauer angesichts des gekreuzigten Christus an seinem Grab drastisch vor Augen und Ohren. Dieses Opus, man würde es heute wohl eher als Oratorium bezeichnen, ist nun in Weltersteinspielung bei cpo erschienen.
Paërs Musik klingt ein wenig, als hätten Mozart und Beethoven gemein- sam komponiert. Sie ist leidenschaftlich, dabei aber stets auch elegant und von schönen Melodien getragen. Die Rolle des Johannes war seinerzeit für Luigi Lodovico Marchesi bestimmt, einen berühmten Sopranisten – was man noch immer wahrnehmen kann; die lange ausgehaltenen Töne, die Verzierungen, die anspruchsvolle Melodik – das ist eine Partie für einen herausragenden Sänger. Auch der Chor hat heikle Aufgaben zu meistern.
Es singen Valentina Coladonate, Sopran/Johannes, Valentina Kutzarova, Mezzosopran/Maria Magdalena, Enea Scala, Tenor/Nikodemus und Alvaro Lozano, Bariton/Joseph von Arimathea, sowie der Coro La Stagione Armonica, und es musiziert das Orchestra di Padova e del Veneto unter Sergio Balestracci.
Paër schrieb mehr als 40 Opern, die sehr erfolgreich waren; er gehörte aber nicht nur zu den wichtigsten Opernkomponisten seiner Generation, er schuf auch geistliche und Kammermusik. „Eine neue Cantate in wäl'scher Sprache ,das heilige Grab', Musik von Ferd. Paër und von demselben auch dirigirt“, so kommentierte die Wiener Tonkünstlersocietät eine Aufführung am Palmsonntag 1803, zugunsten der Witwen und Waisen. Das Musik- stück, entstanden auf einen Text von Pietro Bagnoli, bringt uns die Trauer angesichts des gekreuzigten Christus an seinem Grab drastisch vor Augen und Ohren. Dieses Opus, man würde es heute wohl eher als Oratorium bezeichnen, ist nun in Weltersteinspielung bei cpo erschienen.
Paërs Musik klingt ein wenig, als hätten Mozart und Beethoven gemein- sam komponiert. Sie ist leidenschaftlich, dabei aber stets auch elegant und von schönen Melodien getragen. Die Rolle des Johannes war seinerzeit für Luigi Lodovico Marchesi bestimmt, einen berühmten Sopranisten – was man noch immer wahrnehmen kann; die lange ausgehaltenen Töne, die Verzierungen, die anspruchsvolle Melodik – das ist eine Partie für einen herausragenden Sänger. Auch der Chor hat heikle Aufgaben zu meistern.
Es singen Valentina Coladonate, Sopran/Johannes, Valentina Kutzarova, Mezzosopran/Maria Magdalena, Enea Scala, Tenor/Nikodemus und Alvaro Lozano, Bariton/Joseph von Arimathea, sowie der Coro La Stagione Armonica, und es musiziert das Orchestra di Padova e del Veneto unter Sergio Balestracci.
Dienstag, 12. Mai 2015
Bach & Entourage (Audax)
Auf Johann Sebastian Bach und sein musikalisches Umfeld konzentriert sich die zweite CD, die Johannes Pramsohler und Cembalist Philippe Grisvard gemeinsam bei Audax veröffentlicht haben. Die beiden Musiker interessierte Bachs Einfluss auf die Violinmusik insbesondere auch der nachfolgenden Musiker- generation. „Mit Graun, Pisendel, Krebs, aber auch mit den Brüdern Benda und Bachs Söhnen Carl Phi- lipp Emanuel und Johann Christian hatte Deutschland eine Reihe von Violinkomponisten hors pair vorzu- weisen“, schreibt Pramsohler im Beiheft. „Das ausgeprägte Epochen- bewusstsein zwischen Sachsen und Preußen und die protestantisch-strenge Ausbildung von Musikern als exzellente Handwerker brachte eine äußerst starke Geigergeneration hervor, die sich – beinahe ausnahmslos – um Johann Sebastian Bach scharte, während (..) Veracini mit gebroche- nem Stolz und Bein aus Dresden abzog.“
Damit zitiert der Geiger eine Anekdote, der zufolge der Italiener mit dem Hofkapellmeister Johann David Heinichen und dem Kastraten Senesino derart aneinander geraten sein soll, dass er vor Wut aus einem Fenster sprang – im zweiten Stock, was dazu führte, dass er sich Bein und Hüfte brach. Nun, ähnlich verärgert dürfte der Hörer auf diese CD wohl kaum reagieren. Denn schon die beiden ersten Stücke, die Violinsonate BWV 1024 – bei der vermutet wird, dass sie eventuell auch Pisendel geschrieben haben könnte – sowie die Violinsonate BWV Anh. II 153, die den Tonfall des großen mitteldeutschen Meisters fast noch besser trifft, verlangen eine äußerst solide Geigentechnik.
Pramsohler musiziert auf dieser CD wesentlich geschmeidiger und eleganter als bei seinem Erstling, was das Wesen dieser Musik auch besser trifft. Das zeigt sich hervorragend auch bei der Sonate für Solovioline von Johann Georg Pisendel (1687 bis 1755), die der Geiger gekonnt vorstellt. Eine Herausforderung ist dieses Stück in jedem Falle; Pisendel, lang- jähriger Konzertmeister der sächsischen Hofkapelle, war ein exzellenter Musiker. Für diese CD ausgewählt haben Pramsohler und Grisvard zudem jeweils eine Sonate von Johann Gottlieb Graun und Johann Ludwig Krebs, beide erklingen in Weltersteinspielung. An den Schluß gesetzt haben die beiden Musizierpartner die älteste überlieferte kammermusikalische Komposition Bachs, die Fuge in g-Moll BWV 1026, „deren Entstehungs- geschichte und Zugehörigkeit bislang ungeklärt bleiben“, so Pramsohler. Der alleinstehende Satz sei „raffiniert und virtuos angelegt: von erstaunlicher Länge, mit ausholenden Doppelgriff-Passagen und Figurenwerk in der sechsten Lage, konnte so ein Werk nur von einem absoluten Könner auf der Geige ausgeführt werden.“
Damit zitiert der Geiger eine Anekdote, der zufolge der Italiener mit dem Hofkapellmeister Johann David Heinichen und dem Kastraten Senesino derart aneinander geraten sein soll, dass er vor Wut aus einem Fenster sprang – im zweiten Stock, was dazu führte, dass er sich Bein und Hüfte brach. Nun, ähnlich verärgert dürfte der Hörer auf diese CD wohl kaum reagieren. Denn schon die beiden ersten Stücke, die Violinsonate BWV 1024 – bei der vermutet wird, dass sie eventuell auch Pisendel geschrieben haben könnte – sowie die Violinsonate BWV Anh. II 153, die den Tonfall des großen mitteldeutschen Meisters fast noch besser trifft, verlangen eine äußerst solide Geigentechnik.
Pramsohler musiziert auf dieser CD wesentlich geschmeidiger und eleganter als bei seinem Erstling, was das Wesen dieser Musik auch besser trifft. Das zeigt sich hervorragend auch bei der Sonate für Solovioline von Johann Georg Pisendel (1687 bis 1755), die der Geiger gekonnt vorstellt. Eine Herausforderung ist dieses Stück in jedem Falle; Pisendel, lang- jähriger Konzertmeister der sächsischen Hofkapelle, war ein exzellenter Musiker. Für diese CD ausgewählt haben Pramsohler und Grisvard zudem jeweils eine Sonate von Johann Gottlieb Graun und Johann Ludwig Krebs, beide erklingen in Weltersteinspielung. An den Schluß gesetzt haben die beiden Musizierpartner die älteste überlieferte kammermusikalische Komposition Bachs, die Fuge in g-Moll BWV 1026, „deren Entstehungs- geschichte und Zugehörigkeit bislang ungeklärt bleiben“, so Pramsohler. Der alleinstehende Satz sei „raffiniert und virtuos angelegt: von erstaunlicher Länge, mit ausholenden Doppelgriff-Passagen und Figurenwerk in der sechsten Lage, konnte so ein Werk nur von einem absoluten Könner auf der Geige ausgeführt werden.“
Montag, 11. Mai 2015
Avi Avital - Vivaldi (Deutsche Grammophon)
Mit seinem neuen Album begibt sich Avi Avital nach Venedig. Italien ist die Heimat der Mandoline, und im
17. Jahrhundert haben dort berühmte Komponisten Musik für dieses Instru- ment geschrieben.
Die Mandolinenkonzerte von Antonio Vivaldi sind für Avital im Repertoire das „Alte Testament“. Und so hat er auf dieser CD auch eines davon, RV 425, mit eingespielt. Gemeinsam mit dem Venice Baroque Orchestra sowie mit ausgewählten Solisten hat er aber auch andere Werke des Meisters auf ihre Mando- linentauglichkeit getestet. So erklingen zwei Violinkonzerte, darunter der bekannte Sommer aus den Vier Jahreszeiten, ein Konzert, das im Original für Laute entstanden ist, ein langsamer Satz aus einem Konzert für Flautino sowie die Triosonate in C-Dur RV 443, komponiert für Violine und Laute.
Der fragile Klang der Mandoline passt zu dieser Musik ziemlich gut; allerdings macht sich trotz aller Versuche, durch ungewöhnliche Klänge und Akzente zu überraschen, irgendwann eine gewisse Monotonie störend bemerkbar. Der Klang der Mandoline ist leider wenig wandlungsfähig, und auch dynamisch stehen ihr eher wenig Variationsmöglichkeiten zur Verfügung. Avital spielt präzise und inspiriert, aber wenig mitreißend. Weil es aber in der Musik keine Tabus geben darf, so das Credo des jungen Musikers, endet diese CD dann doch verblüffend – mit einem traditionellen venetianischen Gondellied, wunderbar gesungen von Juan Diego Flórez.
17. Jahrhundert haben dort berühmte Komponisten Musik für dieses Instru- ment geschrieben.
Die Mandolinenkonzerte von Antonio Vivaldi sind für Avital im Repertoire das „Alte Testament“. Und so hat er auf dieser CD auch eines davon, RV 425, mit eingespielt. Gemeinsam mit dem Venice Baroque Orchestra sowie mit ausgewählten Solisten hat er aber auch andere Werke des Meisters auf ihre Mando- linentauglichkeit getestet. So erklingen zwei Violinkonzerte, darunter der bekannte Sommer aus den Vier Jahreszeiten, ein Konzert, das im Original für Laute entstanden ist, ein langsamer Satz aus einem Konzert für Flautino sowie die Triosonate in C-Dur RV 443, komponiert für Violine und Laute.
Der fragile Klang der Mandoline passt zu dieser Musik ziemlich gut; allerdings macht sich trotz aller Versuche, durch ungewöhnliche Klänge und Akzente zu überraschen, irgendwann eine gewisse Monotonie störend bemerkbar. Der Klang der Mandoline ist leider wenig wandlungsfähig, und auch dynamisch stehen ihr eher wenig Variationsmöglichkeiten zur Verfügung. Avital spielt präzise und inspiriert, aber wenig mitreißend. Weil es aber in der Musik keine Tabus geben darf, so das Credo des jungen Musikers, endet diese CD dann doch verblüffend – mit einem traditionellen venetianischen Gondellied, wunderbar gesungen von Juan Diego Flórez.
Sonntag, 10. Mai 2015
Music for Brass Septet 2 (Naxos)
Drei Trompeten, zwei Posaunen, Bassposaune und Tuba – in dieser Besetzung musiziert das Blechbläser- septett Septura. Die erste CD des Ensembles, mit exzellent gespielten Bearbeitungen von Chorwerken und Orgelmusik aus dem 19. Jahrhundert, haben wir in diesem Blog bereits vorgestellt. Nun legen die Musiker ihre zweite CD vor – diesmal spielen sie Barockmusik, und auch damit können sie begeistern. Simon Cox und Matthew Knight, die künstle- rischen Leiter des Ensembles, haben erneut ebenso clevere wie klangschöne Arrangements für ihre Kollegen geschrieben. Auf Originale konnten sie nicht zurückgreifen, „there is no sustained body of brass chamber music for the simple reason that the instruments were not technically advanced enough“, merkt Knight im Beiheft an. „More than a centure before the invention oft the valve, trumpets were limited to the basic tonics and dominants of the harmonic series in all but thier highest range. So we turn a genre that often featered brass, but only in the context of a subservient pit-dwelling orchestra: Opera.“
Das sei gar nicht so einfach gewesen, meint Knight. Zwar seien selten mehr als vier Instrumente erforderlich, um alle erforderlichen Stimmen zu spielen. Eine Herausforderung sei es aber gewesen, die große Vielfalt der Klangfarben eines barocken Orchesters in Arrangements für Bläser- ensemble so zu berücksichtigen, dass das Ergebnis überzeugt. Wer die Aufnahmen anhört, der wird sehr bald feststellen, dass in diesem Falle die Quadratur des Kreises gelungen ist – durch einen sehr freien Umgang mit dem Original, was hier wiederum erstaunlich dicht zurück an die barocke Substanz führt.
Es erklingen eine Suite aus der Oper Dardanus von Jean-Philippe Rameau, A Mournful Masque aus John Blows Oper Venus and Adonis, Musik aus The married Beau or The curious Impertinent Z 603 von Henry Purcell sowie eine Suite aus Händels Oper Rinaldo. Die CD, die mit dem berühm- ten Lascia ch'io pianga endet, dürfte beim Publikum erneut Begeisterung auslösen. Die Musiker des britischen Septetts, dem Solisten des London Symphony Orchestra, Philharmonia Orchestra, BBC Symphony Orchestra, Royal Philharmonic Orchestra und City of Birmingham Symphony Orchestra angehören, begeistern mit Virtuosität und Spielfreude. Ton- meister dieser Aufnahme war übrigens Phil Rowlands, dreifach für den Grammy nominiert und derzeit einer der besten Experten Großbritanniens. Rundum gelungen!
Das sei gar nicht so einfach gewesen, meint Knight. Zwar seien selten mehr als vier Instrumente erforderlich, um alle erforderlichen Stimmen zu spielen. Eine Herausforderung sei es aber gewesen, die große Vielfalt der Klangfarben eines barocken Orchesters in Arrangements für Bläser- ensemble so zu berücksichtigen, dass das Ergebnis überzeugt. Wer die Aufnahmen anhört, der wird sehr bald feststellen, dass in diesem Falle die Quadratur des Kreises gelungen ist – durch einen sehr freien Umgang mit dem Original, was hier wiederum erstaunlich dicht zurück an die barocke Substanz führt.
Es erklingen eine Suite aus der Oper Dardanus von Jean-Philippe Rameau, A Mournful Masque aus John Blows Oper Venus and Adonis, Musik aus The married Beau or The curious Impertinent Z 603 von Henry Purcell sowie eine Suite aus Händels Oper Rinaldo. Die CD, die mit dem berühm- ten Lascia ch'io pianga endet, dürfte beim Publikum erneut Begeisterung auslösen. Die Musiker des britischen Septetts, dem Solisten des London Symphony Orchestra, Philharmonia Orchestra, BBC Symphony Orchestra, Royal Philharmonic Orchestra und City of Birmingham Symphony Orchestra angehören, begeistern mit Virtuosität und Spielfreude. Ton- meister dieser Aufnahme war übrigens Phil Rowlands, dreifach für den Grammy nominiert und derzeit einer der besten Experten Großbritanniens. Rundum gelungen!
Bach: Constantin Emanuel sings from Schemellis Gesangbuch (Challenge Classics)
Liedern aus Schemellis Gesangbuch widmet Ton Koopman seine jüngste CD. Georg Christian Schemelli (um 1680 bis 1762) lernte 1695 bis 1700 an der Leipziger Thomasschule. 1707 wurde er Kantor in Treuenbrietzen, 1727 Hofkantor in Zeitz, wo er bis zu seinem Ruhestand wirkte. Bekannt ist er als Herausgeber eines Gesang- buches, zu dem auch Johann Sebastian Bach Beiträge lieferte – doch ist nicht sicher festzustellen, welche. Zwar sind sämtliche Lieder im Bach-Werkeverzeichnis gelistet. Neuere Forschungsergebnisse deuten aber darauf hin, dass nur die Lieder BWV 452, 478 und 505 tatsächlich von Bach stammen. Es wird angenommen, dass er bei anderen zumindest den bezifferten Bass hinzugefügt hat.
Koopman schert sich um diese Debatte wenig. Er verweist darauf kurz im Beiheft, und wählt dann aus, was er lohnend findet, und was zu seinem jungen Sänger passt: Constantin Emanuel sei „één van de zeer weinige jongenssopranen die het epitheton ornans ,schattig' vorbij is, en die muzikaal iets te vertellen heeft“, lobt der Organist und Musikwissen- schaftler. Der junge Sänger klingt in der Tat nicht mehr „niedlich“, und er singt immer noch in Sopranlage, obwohl er bereits 15 Jahre alt ist. Das ist heute selten; zu Bachs Zeiten aber war das normal.
Es wird nicht verblüffen, dass die längere sängerische Ausbildung, nicht durch den Stimmbruch unterbrochen, den Jungen das Singen schwieri- gerer Partien ermöglicht. Constantin Emanuel singt sehr ordentlich, auch wenn sein Timbre nicht immer angenehm ist. Seine Phrasierung ist intelligent, und – was ich besonders erfreulich finde – jedes Wort ist zu verstehen.
Die Lieder, die auf dieser CD zu hören sind, waren für die häusliche An- dacht bestimmt; dennoch sind es eher kleine Arien als schlichte Choräle. Man mag sich also vorstellen, was unsere Altvorderen, die ihren Zeit noch nicht an Fernseher und Smartphones verschwendeten, einstmals zum Gebet und zum Zeitvertreib zu Hause musizierten. Und damit es nicht zuviel Gesang wird, spielt Koopman auf dieser CD nach einigen Liedern stets ein kurzes Orgelstück.
Koopman schert sich um diese Debatte wenig. Er verweist darauf kurz im Beiheft, und wählt dann aus, was er lohnend findet, und was zu seinem jungen Sänger passt: Constantin Emanuel sei „één van de zeer weinige jongenssopranen die het epitheton ornans ,schattig' vorbij is, en die muzikaal iets te vertellen heeft“, lobt der Organist und Musikwissen- schaftler. Der junge Sänger klingt in der Tat nicht mehr „niedlich“, und er singt immer noch in Sopranlage, obwohl er bereits 15 Jahre alt ist. Das ist heute selten; zu Bachs Zeiten aber war das normal.
Es wird nicht verblüffen, dass die längere sängerische Ausbildung, nicht durch den Stimmbruch unterbrochen, den Jungen das Singen schwieri- gerer Partien ermöglicht. Constantin Emanuel singt sehr ordentlich, auch wenn sein Timbre nicht immer angenehm ist. Seine Phrasierung ist intelligent, und – was ich besonders erfreulich finde – jedes Wort ist zu verstehen.
Die Lieder, die auf dieser CD zu hören sind, waren für die häusliche An- dacht bestimmt; dennoch sind es eher kleine Arien als schlichte Choräle. Man mag sich also vorstellen, was unsere Altvorderen, die ihren Zeit noch nicht an Fernseher und Smartphones verschwendeten, einstmals zum Gebet und zum Zeitvertreib zu Hause musizierten. Und damit es nicht zuviel Gesang wird, spielt Koopman auf dieser CD nach einigen Liedern stets ein kurzes Orgelstück.
Samstag, 9. Mai 2015
Hiller: Stabat Mater (Pergolesi) (MDG)
Johann Adam Hiller (1728 bis 1804) lernte am Gymnasium in Görlitz und an der Kreuzschule in Dresden. 1751 begann der Sohn eines Lehrers und Gerichtsschreibers ein Jura-Studium in Leipzig. 1754 wurde er Hauslehrer bei Graf Heinrich von Brühl. 1759 startete er die erste deutsche Musik- zeitschrift – sie hieß Der musikali- sche Zeitvertreib. Hiller sorgte zudem für die Wiederbelebung der Tradition des Großen Concerts, das im Sieben- jährigen Krieg eingestellt worden war.
Er leitete die Musikübende Gesell- schaft, und er dirigierte 1781 das erste Gewandhauskonzert, zur Ein- weihung des großen Saals im Messehaus der Tuchhändler. Auch als Gesangspädagoge hatte Hiller einen exzellenten Ruf. Aus seiner Singschule sind berühmte Sängerinnen hervorgegangen, wie Gertrud Elisabeth Mara oder Corona Schröter.
Von 1789 bis 1801 wirkte Hiller als Thomaskantor. Er veröffentlichte ältere Werke, die er als gut ansah, um sie vor dem Archivschlaf zu bewahren, und komponierte zudem selbst. Seine eigenen Werke aber sind heute weit- gehend vergessen. Das gilt sowohl für seine Singspiele, Vorgänger der deutschen Spieloper, als auch für seine Kirchenmusik. Rainer Johannes Homburg hat mit seinen Stuttgarter Hymnus- Chorknaben nun drei bedeutende Werke Hillers eingespielt.
Das lohnt durchaus, wie die eindrucksvolle Stuttgarter Interpretation des 100. Psalms beweist. Hillers Vertonung besteht aus fünf Sätzen. Drei davon sind für den Chor bestimmt, sie rahmen ein Duett von Sopran und Alt sowie eine Tenor-Arie ein. Schon der festliche Eingangschor Jauchzet dem Herrn, alle Welt lässt keine Zweifel daran, dass Hiller sein Handwerk versteht. Und in den sehr dankbaren Solopartien können die Sänger sowohl ihre Ausdrucksstärke als auch ihrer Virtuosität demonstrieren. Es folgt die Motette Lass sich freuen alle nach Psalm 5, 12-13. Dieses anspruchsvolle Stück für vierstimmigen Chor a cappella wird von dem Stuttgarter Knabenchor höchst achtbar gesungen.
Ein musikhistorisches Kuriosum erklingt dann: Pergolesis „vollständige Passionsmusik zum Stabat mater mit der Klopstockischen Parodie; in der Harmonie verbessert, mit Oboen und Flöten verstärkt und auf vier Singstimmen gebracht von Johann Adam Hiller“. Ohne diese Bearbeitung wäre Pergolesis berühmtes Werk wohl heute keineswegs so bekannt. Während Bach das Original nutzte, um daraus die Kirchenkantate Tilge, Höchster, meine Sünden BWV 1083 zu formen, hat Hiller Pergolesis Musik, die mitunter ziemlich schroff kontrapunktisch-chromatisch verzweifelt daherkommt, in einem überraschenden Ausmaß weichgespült. Dazu tragen sowohl die Bläser als auch die vielfach umgeformten Mittel- stimmen bei. Den lateinischen Text der Ausgangsversion, katholisch, hat Hiller ersetzt durch Friedrich Gottlieb Klopstocks pietistisch-empfindsame Dichtung. Sie stellt anstelle der trauernden Gottesmutter Christus als Erlöser in den Mittelpunkt der Betrachtung – und machte so den alten Hymnus für evangelische Christen verständlich und akzeptabel. Der Dichter brachte dabei das Kunststück fertig, den Text ziemlich perfekt an den jeweiligen Ausdruck der Musik anzupassen. Es wird nicht verwundern, dass Klopstocks Dichtung hierzulande lange weitaus präsenter war als ihr Vorbild. Auch Hillers Bearbeitung, die ziemlich geschickt zwei zusätzliche Singstimmen integriert, blieb bis weit in das 19. Jahrhundert hinein populär.
Insofern ist es erfreulich, dass sie nun auch auf CD dokumentiert ist. Als Solisten zu hören sind Veronica Winter, Thomas Riede, Knut Schoch und Thomas Laske. Den Orchesterpart hat die Handel's Company übernom- men. Dieses Stuttgarter Ensemble musiziert sehr klangschön auf historischen Instrumenten. Homburg setzt insbesondere beim Stabat mater ganz auf Noblesse und auf einen ruhigen, besinnlichen Fluss. Die Textverständlichkeit allerdings lässt fast durchweg zu wünschen übrig.
Er leitete die Musikübende Gesell- schaft, und er dirigierte 1781 das erste Gewandhauskonzert, zur Ein- weihung des großen Saals im Messehaus der Tuchhändler. Auch als Gesangspädagoge hatte Hiller einen exzellenten Ruf. Aus seiner Singschule sind berühmte Sängerinnen hervorgegangen, wie Gertrud Elisabeth Mara oder Corona Schröter.
Von 1789 bis 1801 wirkte Hiller als Thomaskantor. Er veröffentlichte ältere Werke, die er als gut ansah, um sie vor dem Archivschlaf zu bewahren, und komponierte zudem selbst. Seine eigenen Werke aber sind heute weit- gehend vergessen. Das gilt sowohl für seine Singspiele, Vorgänger der deutschen Spieloper, als auch für seine Kirchenmusik. Rainer Johannes Homburg hat mit seinen Stuttgarter Hymnus- Chorknaben nun drei bedeutende Werke Hillers eingespielt.
Das lohnt durchaus, wie die eindrucksvolle Stuttgarter Interpretation des 100. Psalms beweist. Hillers Vertonung besteht aus fünf Sätzen. Drei davon sind für den Chor bestimmt, sie rahmen ein Duett von Sopran und Alt sowie eine Tenor-Arie ein. Schon der festliche Eingangschor Jauchzet dem Herrn, alle Welt lässt keine Zweifel daran, dass Hiller sein Handwerk versteht. Und in den sehr dankbaren Solopartien können die Sänger sowohl ihre Ausdrucksstärke als auch ihrer Virtuosität demonstrieren. Es folgt die Motette Lass sich freuen alle nach Psalm 5, 12-13. Dieses anspruchsvolle Stück für vierstimmigen Chor a cappella wird von dem Stuttgarter Knabenchor höchst achtbar gesungen.
Ein musikhistorisches Kuriosum erklingt dann: Pergolesis „vollständige Passionsmusik zum Stabat mater mit der Klopstockischen Parodie; in der Harmonie verbessert, mit Oboen und Flöten verstärkt und auf vier Singstimmen gebracht von Johann Adam Hiller“. Ohne diese Bearbeitung wäre Pergolesis berühmtes Werk wohl heute keineswegs so bekannt. Während Bach das Original nutzte, um daraus die Kirchenkantate Tilge, Höchster, meine Sünden BWV 1083 zu formen, hat Hiller Pergolesis Musik, die mitunter ziemlich schroff kontrapunktisch-chromatisch verzweifelt daherkommt, in einem überraschenden Ausmaß weichgespült. Dazu tragen sowohl die Bläser als auch die vielfach umgeformten Mittel- stimmen bei. Den lateinischen Text der Ausgangsversion, katholisch, hat Hiller ersetzt durch Friedrich Gottlieb Klopstocks pietistisch-empfindsame Dichtung. Sie stellt anstelle der trauernden Gottesmutter Christus als Erlöser in den Mittelpunkt der Betrachtung – und machte so den alten Hymnus für evangelische Christen verständlich und akzeptabel. Der Dichter brachte dabei das Kunststück fertig, den Text ziemlich perfekt an den jeweiligen Ausdruck der Musik anzupassen. Es wird nicht verwundern, dass Klopstocks Dichtung hierzulande lange weitaus präsenter war als ihr Vorbild. Auch Hillers Bearbeitung, die ziemlich geschickt zwei zusätzliche Singstimmen integriert, blieb bis weit in das 19. Jahrhundert hinein populär.
Insofern ist es erfreulich, dass sie nun auch auf CD dokumentiert ist. Als Solisten zu hören sind Veronica Winter, Thomas Riede, Knut Schoch und Thomas Laske. Den Orchesterpart hat die Handel's Company übernom- men. Dieses Stuttgarter Ensemble musiziert sehr klangschön auf historischen Instrumenten. Homburg setzt insbesondere beim Stabat mater ganz auf Noblesse und auf einen ruhigen, besinnlichen Fluss. Die Textverständlichkeit allerdings lässt fast durchweg zu wünschen übrig.
La flûte enchantée (Genuin)
Das 19. Jahrhundert war für die Flöte ein Zeitalter rasanter Veränderung: Neue Materialien, eine neue Mechanik, ein völlig neuer Klang, und ein sehr viel voluminöserer Ton und die Chance der perfekten Intonation sämtlicher Ganz- und Halbtöne faszinierten nicht nur die Flötisten, sondern auch eine Vielzahl von Komponisten.
Hans-Udo Heinzmann und Elisaveta Blumina haben für ihre neue CD im Hause Genuin drei Werke aus jenem „goldenen Zeitalter der Flöte“ ausgewählt. Die Violinsonate A-Dur von César Franck (1822 bis 1890), dem großen Geiger Eugène Ysaye vom Komponisten als Hochzeitsgabe gewidmet, hatten schon bald sowohl die Flötisten als auch die Cellisten für sich entdeckt. Mit ihrem Schwung und ihren üppigen Phrasen ist sie für die beiden Instrumente in der Tat ebenfalls wie geschaffen.
Claude Debussy (1862 bis 1918) hingegen hat sein Prélude à l'après-midi d'un faune für Flöte geschrieben, und es wird wohl auch niemand auf die Idee kommen, dieses Werk für eine andere Besetzung bearbeiten zu wollen. Es lebt nicht zuletzt von den Klangfarben, und strahlt eine Sinnlichkeit aus, wie sie sich mit keinem anderen Instrument erzeugen lässt. Die Kla- vierfassung, die auf dieser CD zu hören ist, entstand nicht als Reduktion des Orchestersatzes, sondern sie beruht auf handschriftlichen Skizzen Debussys, die er für seine Arbeit an diesem Stück genutzt hat.
Als Joseph Jongen (1873 bis 1953) seine Sonate für Flöte und Klavier
op. 77 schrieb, war die Böhmflöte bereits etabliert. Sein Werk ist für das Instrument geradezu maßgeschneidert; sowohl die Technik als auch der ganz spezielle Klang sind in diesem brillanten Opus gefragt. Vom Umgang mit dem musikalischen Material her sind wir da allerdings bereits unüberhörbar im 20. Jahrhundert angekommen. Der erfahrene Flötist Hans-Udo Heinzmann hat an dieser virtuosen Musik hörbar Vergnügen. In Elisaveta Blumina hat er eine hervorragende Partnerin am Klavier, die sensibel begleitet, wo dies erforderlich ist, aber auch auftrumpfen und Akzente setzen kann.
Hans-Udo Heinzmann und Elisaveta Blumina haben für ihre neue CD im Hause Genuin drei Werke aus jenem „goldenen Zeitalter der Flöte“ ausgewählt. Die Violinsonate A-Dur von César Franck (1822 bis 1890), dem großen Geiger Eugène Ysaye vom Komponisten als Hochzeitsgabe gewidmet, hatten schon bald sowohl die Flötisten als auch die Cellisten für sich entdeckt. Mit ihrem Schwung und ihren üppigen Phrasen ist sie für die beiden Instrumente in der Tat ebenfalls wie geschaffen.
Claude Debussy (1862 bis 1918) hingegen hat sein Prélude à l'après-midi d'un faune für Flöte geschrieben, und es wird wohl auch niemand auf die Idee kommen, dieses Werk für eine andere Besetzung bearbeiten zu wollen. Es lebt nicht zuletzt von den Klangfarben, und strahlt eine Sinnlichkeit aus, wie sie sich mit keinem anderen Instrument erzeugen lässt. Die Kla- vierfassung, die auf dieser CD zu hören ist, entstand nicht als Reduktion des Orchestersatzes, sondern sie beruht auf handschriftlichen Skizzen Debussys, die er für seine Arbeit an diesem Stück genutzt hat.
Als Joseph Jongen (1873 bis 1953) seine Sonate für Flöte und Klavier
op. 77 schrieb, war die Böhmflöte bereits etabliert. Sein Werk ist für das Instrument geradezu maßgeschneidert; sowohl die Technik als auch der ganz spezielle Klang sind in diesem brillanten Opus gefragt. Vom Umgang mit dem musikalischen Material her sind wir da allerdings bereits unüberhörbar im 20. Jahrhundert angekommen. Der erfahrene Flötist Hans-Udo Heinzmann hat an dieser virtuosen Musik hörbar Vergnügen. In Elisaveta Blumina hat er eine hervorragende Partnerin am Klavier, die sensibel begleitet, wo dies erforderlich ist, aber auch auftrumpfen und Akzente setzen kann.
Freitag, 8. Mai 2015
Elegy - Harriet Krijgh (Capriccio)
Wie macht sie das nur? Harriet Krijgh spielt elegische Komposi- tionen europäischer Meister der Romantik und der frühen Moderne. Es sind überwiegend sehr bekannte Melodien, doch die junge niederländische Cellistin lässt sie frisch und sehr berührend klingen. Ihr Ton ist hinreißend – so poetisch spielt derzeit kein anderer Cellist, so stimmungsvoll und traumhaft schön. Dennoch wirkt jeder Bogenstrich ganz natürlich, nichts klingt gewollt oder aufgesetzt. Ob der berühmte Schwan aus dem Karneval der Tiere von Camille Saint-Saens, die Waldesruhe von Antonín Dvorák oder Max Bruchs berühmtes Kol Nidrei – die junge Solistin findet zu jedem dieser Stücke einen Zugang, fernab von Edelkitsch und plumper Gefühligkeit. Gekonnt begleitet wird die Solistin von der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Gustavo Gimeno. Mein klarer Favorit auf dieser
CD ist ein Werk von Jacques Offenbach, Les larmes de Jacqueline. Bezau- bernd! Und als Zugabe gibt es dann noch eine Bonus-DVD mit einem Porträt der Solistin.
CD ist ein Werk von Jacques Offenbach, Les larmes de Jacqueline. Bezau- bernd! Und als Zugabe gibt es dann noch eine Bonus-DVD mit einem Porträt der Solistin.
Gesualdo: Responsoria (Glossa)
„Nell'Uffizio del Giovedi Santo e dei due giorni seguenti vi è un tal misto di lugubre e di affettuoso, che sente di superna consolazione, e di un santo salutevole orrore riempiesi l'anima de chi attentamente e divotamente vi assiste“, schreibt Abt Antonio Mazzinelli über die Gottesdienste am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag. Die Tenebrae werden in der Nacht gefeiert – und nach jedem Psalm wird auf einem speziellen Leuchter eine Kerze gelöscht, bis zum Schluss nur noch eine einzige leuchtet. Sie wird nach dem Benedictus brennend hinter dem Altar aufgestellt, und symbolisiert die Auferstehung Christi.
Der Gottesdienst ist eine einzige Klage. Es wird kein Hymnus gesungen, und kein Segen gespendet. Die Stimmung der Karwoche, die Abt Mazzinelli so treffend beschreibt, gibt keine andere Komposition so bewegend wieder, wie die 1611 veröffentlichten Tenebrae-Responsorien Gesualdos. Um es gleich vorweg zu sagen: Der Compagnia del Madrigale ist mit dieser Einspielung ein großer Wurf gelungen.
Das Ensemble ergänzt Gesualdos Responsoria mit geistlichen Madrigalen bedeutender Zeitgenossen des Komponisten – Luca Marenzio, Pietro Vinci, Luzzasco Luzzaschi und Giovanni de Macque. Außerdem erklingen einige zusätzliche Werke von Gesualdo, so dessen einziges geistliches Madrigal oder aber seine Vertonung des Psalm 30 („In te Domine speravi“). „Nonostante si tratti di musica liturgica, nella nostra lettura abbiamo cercato di evidenziare l'aspetto madrigalistico“, schreibt Tenor Giuseppe Maletto im Beiheft. „Il linguaggio utilizzato da Gesualdo in queste splendide pagine è senza dubbio quello del madrigale. La differenza è nel tema. Non si tratta di pene d'amore di giovane amanti. Tormento, sofferenza, sangue, morte, nei responsori sono reali, tangibili.“ Und daher wagten die sechs Sängerinnen und Sänger der Compagnia del Madrigale eine Interpretation, die nicht in erster Linie auf Schönklang, sondern ganz auf Intensität und auf Ausdruck setzt. Den Hörer erfreut dennoch die perfekte Klangbalance der Stimmen, die hervorragend aufeinander abgestimmt erklingen. Und natürlich wird auch blitzsauber gesungen – was bei den kühnen harmonischen Rückungen Gesualdos schwierig genug ist.
In meiner persönlichen Hitliste der Gesualdo-Einspielungen hat sich die Compagnia del Madrigale mit dieser Drei-CD-Box einen Platz ganz weit an der Spitze gesichert – unmittelbar hinter der legendären Aufnahme mit dem Hilliard-Ensemble, die in den 90er Jahren bei ECM erschienen ist. Und die Musik des Fürsten von Venosa ist unbeschreiblich grandios. Wer bisher der Meinung war, Renaissanceklänge seien etwas für Nostalgiker – hier haben sie geradezu Urgewalt; unbedingt anhören!
Der Gottesdienst ist eine einzige Klage. Es wird kein Hymnus gesungen, und kein Segen gespendet. Die Stimmung der Karwoche, die Abt Mazzinelli so treffend beschreibt, gibt keine andere Komposition so bewegend wieder, wie die 1611 veröffentlichten Tenebrae-Responsorien Gesualdos. Um es gleich vorweg zu sagen: Der Compagnia del Madrigale ist mit dieser Einspielung ein großer Wurf gelungen.
Das Ensemble ergänzt Gesualdos Responsoria mit geistlichen Madrigalen bedeutender Zeitgenossen des Komponisten – Luca Marenzio, Pietro Vinci, Luzzasco Luzzaschi und Giovanni de Macque. Außerdem erklingen einige zusätzliche Werke von Gesualdo, so dessen einziges geistliches Madrigal oder aber seine Vertonung des Psalm 30 („In te Domine speravi“). „Nonostante si tratti di musica liturgica, nella nostra lettura abbiamo cercato di evidenziare l'aspetto madrigalistico“, schreibt Tenor Giuseppe Maletto im Beiheft. „Il linguaggio utilizzato da Gesualdo in queste splendide pagine è senza dubbio quello del madrigale. La differenza è nel tema. Non si tratta di pene d'amore di giovane amanti. Tormento, sofferenza, sangue, morte, nei responsori sono reali, tangibili.“ Und daher wagten die sechs Sängerinnen und Sänger der Compagnia del Madrigale eine Interpretation, die nicht in erster Linie auf Schönklang, sondern ganz auf Intensität und auf Ausdruck setzt. Den Hörer erfreut dennoch die perfekte Klangbalance der Stimmen, die hervorragend aufeinander abgestimmt erklingen. Und natürlich wird auch blitzsauber gesungen – was bei den kühnen harmonischen Rückungen Gesualdos schwierig genug ist.
In meiner persönlichen Hitliste der Gesualdo-Einspielungen hat sich die Compagnia del Madrigale mit dieser Drei-CD-Box einen Platz ganz weit an der Spitze gesichert – unmittelbar hinter der legendären Aufnahme mit dem Hilliard-Ensemble, die in den 90er Jahren bei ECM erschienen ist. Und die Musik des Fürsten von Venosa ist unbeschreiblich grandios. Wer bisher der Meinung war, Renaissanceklänge seien etwas für Nostalgiker – hier haben sie geradezu Urgewalt; unbedingt anhören!
Mittwoch, 6. Mai 2015
Mozart: Missa solemnis (Hyperion)
Diese CD aus dem Hause Hyperion enthält Werke von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791). Die Missa solemnis et brevis KV 337 ist die letzte Messvertonung, die Mozart für Salzburg schrieb und die letzte Messe, die der Komponist vollendete. Sie wird ergänzt durch die Epistelsonate KV 336. Das österliche Regina caeli hat Mozart dreimal in Musik gesetzt; zu hören ist hier die Version in C-Dur KV 108; es wird vermutet, dass sie für Maria Magdalena Lipp entstanden ist, die Ehefrau von Michael Haydn. Die Vespera solennes de Dominica KV 321 sind üppig besetzt, und auch sonst ziemlich großes Kino. Mozart wählte für jeden Abschnitt eine andere Tonart und einen anderen Stil. Er beweist Sinn für Dramatik – doch leider wird ihm der Chor der St. Paul’s Cathedral dabei nicht wirklich gerecht; der von Andrew Carwood geleitete Knabenchor, ausgebildet nach britischer Tradition, ist für Mozart keine empfehlenswerte Besetzung. Auch dem Orchester mangelt es an Esprit; Mozart langweilig – das geht gar nicht! Diese CD kann ich daher nicht empfehlen.
Sweelinck: Organ Works Vol. 1 (MDG)
Jan Pieterszoon Sweelinck (1562 bis 1621) entstammte einer Organisten- dynastie. Sein Vater, der als Organist an der Oude Kerk in Amsterdam tätig war, starb, als der Knabe elf Jahre alt war. Mit gerade einmal fünfzehn Jahren wurde der Sohn dann sein Amtsnachfolger. In seinen Werken verknüpfte Sweelinck Anregungen aus der italienischen, der flämischen und der englischen Musiziertradition. Er war für seine Improvisationen berühmt; Musikfreunde aus ganz Europa reisten nach Amsterdam, um ihn spielen zu hören. Er unterrichtete so viele herausragende Schüler, dass ihn noch Mattheson als den „hamburgischen Organistenmacher“ rühmte. So gehörten Samuel Scheidt, Johann Praetorius, Heinrich Scheidemann und Andreas Düben zu seinen Schülern. Auch der niederländische Organist Cornelius Conradi wurde von Sweelinck ausgebildet. Er wirkte von 1597 bis zu seinem Tode 1603 in Lemgo.
Das Instrument, auf dem Conradi einst gespielt hat, stellt Harald Vogel auf dieser CD vor, die zugleich der Beginn einer Gesamteinspielung von Sweelincks Orgelwerk ist: Die Schwalbennest-Orgel in St. Marien zu Lemgo „ist die einzige Orgelanlage dieser Art aus der Zeit vor dem 30jährigen Krieg in Deutschland, die äußerlich gut erhalten ist und sich noch am ursprünglichen Aufstellungsort befindet“ , erläutert der Orgel-Experte im Beiheft. Er kennt das Instrument wirklich gut, denn er hat seine Wiederherstellung durch den Orgelbauer Rowan West und den Orgel-Forscher Koos van de Linde mit betreut. „Die Spuren am Instrument und Vergleiche zu erhaltenen Renaissance-Orgeln in den Niederlanden und Norddeutschland haben eine Rekonstruktion möglich gemacht, die dem legendären Ruf dieser Orgel (..) gerecht wird.“ Über Details informiert das Beiheft, das mit großer Sorgfalt zusammengestellt worden ist. Es unterstreicht den Anspruch des Labels Dabringhaus und Grimm, das sein Publikum offenbar nicht nur mit Aufnahmen in allerbester Klangqualität unterhalten will, sondern stets auch umfangreiche Informationen mit anbietet.
Auf dieser CD präsentiert Harald Vogel daher nicht nur Orgelwerke Sweelincks in historisch adäquater Registrierung. Er führt auch die Register der Schwalbennest-Orgel vor und macht seine Hörer auf Zusammenklänge und Kontraste aufmerksam. Auf die Fortsetzung dieser Gesamtaufnahme darf man schon sehr gespannt sein.
Das Instrument, auf dem Conradi einst gespielt hat, stellt Harald Vogel auf dieser CD vor, die zugleich der Beginn einer Gesamteinspielung von Sweelincks Orgelwerk ist: Die Schwalbennest-Orgel in St. Marien zu Lemgo „ist die einzige Orgelanlage dieser Art aus der Zeit vor dem 30jährigen Krieg in Deutschland, die äußerlich gut erhalten ist und sich noch am ursprünglichen Aufstellungsort befindet“ , erläutert der Orgel-Experte im Beiheft. Er kennt das Instrument wirklich gut, denn er hat seine Wiederherstellung durch den Orgelbauer Rowan West und den Orgel-Forscher Koos van de Linde mit betreut. „Die Spuren am Instrument und Vergleiche zu erhaltenen Renaissance-Orgeln in den Niederlanden und Norddeutschland haben eine Rekonstruktion möglich gemacht, die dem legendären Ruf dieser Orgel (..) gerecht wird.“ Über Details informiert das Beiheft, das mit großer Sorgfalt zusammengestellt worden ist. Es unterstreicht den Anspruch des Labels Dabringhaus und Grimm, das sein Publikum offenbar nicht nur mit Aufnahmen in allerbester Klangqualität unterhalten will, sondern stets auch umfangreiche Informationen mit anbietet.
Auf dieser CD präsentiert Harald Vogel daher nicht nur Orgelwerke Sweelincks in historisch adäquater Registrierung. Er führt auch die Register der Schwalbennest-Orgel vor und macht seine Hörer auf Zusammenklänge und Kontraste aufmerksam. Auf die Fortsetzung dieser Gesamtaufnahme darf man schon sehr gespannt sein.
Dienstag, 5. Mai 2015
Brahms: Violin Concerto; Kavakos (Decca)
Auf seinem zweiten Album bei Decca spielt Leonidas Kavakos das Violinkonzert von Johannes Brahms. Es ist ein Werk, das dem Komponisten eher wie eine Sinfonie geraten ist. An die Musiker stellt dieses Konzert zwar enorme Anforderungen, aber es gibt ihnen zugleich wenig Gelegenheiten, ihre Virtuosität publikumswirksam zu demonstrieren. Erst im Finale darf der Solist wirklich loslegen. Ob dieses Konzert wohl auch so erfolgreich geworden wäre, wenn es nicht seinerzeit Joseph Joachim uraufgeführt hätte, darüber kann man spekulieren. Brahms' Geigerfreund jedenfalls hatte eine Menge erfolgreicher Schüler, und so wird das Brahms-Konzert bis zum heutigen Tage sehr viel gespielt.
Kavakos hatte das Gewandhausorchester Leipzig an seiner Seite – eine bessere Partnerschaft kann man sich für dieses Konzert wohl kaum wünschen; die Leipziger musizieren auch hier wunderbar. Im Beiheft kann man nachlesen, dass der Solist und Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly sich für diese Interpretation an den Metronomzahlen orientierten, die weiland Joachim für das Konzert notierte und die sich in seinem Nachlass fanden. Man wird dann erstaunt feststellen, dass der Maestro mit seinen Musikern zwar oftmals ein flottes Tempo wählt, der Solist allerdings ebenso häufig ganz eigene Tempi spielt. Ein Hörvergnügen ist das nicht.
Die CD wird komplettiert durch Béla Bartóks Rhapsodien in der Fassung für Violine und Klavier Nr. 1 BB 94 und Nr. 2 BB 96 sowie durch Brahms' Ungarische Tänze Nr 1, 2, 6 und 11 in einer Bearbeitung von Joseph Joachim. Kavakos wird dabei am Klavier begleitet durch Péter Nagy. Mir persönlich ist der Bartók in dieser Aufnahme zu wenig Wirtshaus, und auch der Brahms könnte mehr Feuer vertragen. Schade.
Kavakos hatte das Gewandhausorchester Leipzig an seiner Seite – eine bessere Partnerschaft kann man sich für dieses Konzert wohl kaum wünschen; die Leipziger musizieren auch hier wunderbar. Im Beiheft kann man nachlesen, dass der Solist und Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly sich für diese Interpretation an den Metronomzahlen orientierten, die weiland Joachim für das Konzert notierte und die sich in seinem Nachlass fanden. Man wird dann erstaunt feststellen, dass der Maestro mit seinen Musikern zwar oftmals ein flottes Tempo wählt, der Solist allerdings ebenso häufig ganz eigene Tempi spielt. Ein Hörvergnügen ist das nicht.
Die CD wird komplettiert durch Béla Bartóks Rhapsodien in der Fassung für Violine und Klavier Nr. 1 BB 94 und Nr. 2 BB 96 sowie durch Brahms' Ungarische Tänze Nr 1, 2, 6 und 11 in einer Bearbeitung von Joseph Joachim. Kavakos wird dabei am Klavier begleitet durch Péter Nagy. Mir persönlich ist der Bartók in dieser Aufnahme zu wenig Wirtshaus, und auch der Brahms könnte mehr Feuer vertragen. Schade.
Samstag, 2. Mai 2015
Dvorák Edition (Brilliant Classics)
Die mit Abstand schönste CD-Box des Jahres ist nun bei Brilliant Classics erschienen. Der ansprechend gestaltete Schuber lässt sich nach oben aufklappen. Und dann kommen 45 CD zum Vorschein, dem Inhalt entsprechend farblich abgestuft. Im Deckel des Schubers befindet sich eine Überblicksliste, so dass man die gesuchten Werke mit einem Blick und einem Griff findet. Perfekt! Ergänzt wird diese Zusammenstellung durch ein Beiheft mit Informationen zum Leben des Komponisten und knapp auch zu den einzelnen Werkgruppen – allerdings nur in englischer Sprache. Dieses Wunderkästchen enthält Musik von Antonín Dvořák (1841 bis 1904).
Der Tscheche gehört weltweit zu den beliebtesten Komponisten. Wer diese Kollektion anschaut, der wird feststellen, dass aber nur wenige seiner Werke allgemein bekannt sind. Dazu gehören die berühmte Sinfonie Nr. 9 Aus der Neuen Welt, die Oper Rusalka, das Dumky-Trio, einige Streich- quartette, Cello- und Violinkonzert sowie Stabat mater und Requiem.
Wer mehr hören möchte, dem sei diese Box sehr empfohlen: Die Dvořák-Edition bietet die derzeit umfangreichste Kollektion seiner Werke. Sie enthält sämtliche Sinfonien, die sinfonischen Dichtungen, Ouvertüren und weitere Orchesterwerke, die Konzerte, alle Streichquartette und große Teile der übrigen Kammermusik sowie die vollständige Klaviermusik. Darüber hinaus enthält die Box zahlreiche Chorwerke, Stabat Mater und Requiem sowie die Oper Rusalka. Zu finden sind zudem zahlreiche Lieder des Komponisten, viele davon in Weltersteinspielungen.
Die Qualität der Aufnahmen ist hoch. Zu den Interpreten gehören unter anderem die Staatskapelle Berlin unter Otmar Suitner, das Janáček Philharmonic Orchestra unter Theodore Kuchar, die Bamberger Sympho- niker unter Antal Doráti, die Pianistin Inna Poroshina sowie Ruggiero Ricci, Rudolf Firkušný und Zara Nelsova als Solisten bei den Konzerten. Tschechische Musiker wie die Prague Singers, das Vlach Quartet und das weltberühmte Stamitz Quartet sowie der Geiger Bohuslav Matoušek und Pianist Petr Adamec unterstreichen den hohen Anspruch der Kollektion. Besondere Überraschung: Bei den Solo-Liedern ist der großartige Tenor Peter Schreier zu hören, am Klavier begleitet von Marián Lapšanský.
Dvořák vermochte es einzigartig, volkstümlich anmutende Melodien zu Werken voll romantischem Zauber und berückenden Klangfarben zu formen. Sein Schaffen war stark von seiner böhmischen Heimat geprägt. Allerdings übernahm der Komponist, der von 1892 bis 1895 als Direktor des National Conservatory of Music in New York tätig war, auch Klänge aus Amerika. So erklingt in seiner Musik auch ein Echo der Spirituals der schwarzen Plantagenarbeiter, der Volksmusik der europäischen Einwan- derer und der traditionellen Indianermusik. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Der Tscheche gehört weltweit zu den beliebtesten Komponisten. Wer diese Kollektion anschaut, der wird feststellen, dass aber nur wenige seiner Werke allgemein bekannt sind. Dazu gehören die berühmte Sinfonie Nr. 9 Aus der Neuen Welt, die Oper Rusalka, das Dumky-Trio, einige Streich- quartette, Cello- und Violinkonzert sowie Stabat mater und Requiem.
Wer mehr hören möchte, dem sei diese Box sehr empfohlen: Die Dvořák-Edition bietet die derzeit umfangreichste Kollektion seiner Werke. Sie enthält sämtliche Sinfonien, die sinfonischen Dichtungen, Ouvertüren und weitere Orchesterwerke, die Konzerte, alle Streichquartette und große Teile der übrigen Kammermusik sowie die vollständige Klaviermusik. Darüber hinaus enthält die Box zahlreiche Chorwerke, Stabat Mater und Requiem sowie die Oper Rusalka. Zu finden sind zudem zahlreiche Lieder des Komponisten, viele davon in Weltersteinspielungen.
Die Qualität der Aufnahmen ist hoch. Zu den Interpreten gehören unter anderem die Staatskapelle Berlin unter Otmar Suitner, das Janáček Philharmonic Orchestra unter Theodore Kuchar, die Bamberger Sympho- niker unter Antal Doráti, die Pianistin Inna Poroshina sowie Ruggiero Ricci, Rudolf Firkušný und Zara Nelsova als Solisten bei den Konzerten. Tschechische Musiker wie die Prague Singers, das Vlach Quartet und das weltberühmte Stamitz Quartet sowie der Geiger Bohuslav Matoušek und Pianist Petr Adamec unterstreichen den hohen Anspruch der Kollektion. Besondere Überraschung: Bei den Solo-Liedern ist der großartige Tenor Peter Schreier zu hören, am Klavier begleitet von Marián Lapšanský.
Dvořák vermochte es einzigartig, volkstümlich anmutende Melodien zu Werken voll romantischem Zauber und berückenden Klangfarben zu formen. Sein Schaffen war stark von seiner böhmischen Heimat geprägt. Allerdings übernahm der Komponist, der von 1892 bis 1895 als Direktor des National Conservatory of Music in New York tätig war, auch Klänge aus Amerika. So erklingt in seiner Musik auch ein Echo der Spirituals der schwarzen Plantagenarbeiter, der Volksmusik der europäischen Einwan- derer und der traditionellen Indianermusik. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Freitag, 1. Mai 2015
Kronthaler: The living loving maid (Sony Classical)
Das Berliner Trio Kronthaler widmet sich auf seinem Debütalbum „the living loving maid“ Liedern und Arien aus der Zeit des Barock. Die zum Ensemble der Komischen Oper Berlin gehörende Mezzosopranistin Theresa Kronthaler, der finnische Jazz-Gi- tarrist Kalle Kalima und der Kontra- und E-Bassist Oliver Potratz haben sich vor allem mit Musik von Claudio Monteverdi (1567 bis 1643) und
Henri Purcell (um 1659 bis 1695) auseinandergesetzt. Ergänzt wird das Programm durch jeweils ein Stück von Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759), Girolamo Frescobaldi (1583 bis 1643) und Emilio de' Cavalieri (1550 bis 1602).
Kronthaler ist mit dem Ziel angetreten, Werke aus der „Alten“ Musik in unsere Zeit zu transportieren. Dabei löst sich das Trio von Konventionen der Aufführungspraxis. Die Musiker experimentieren – die beiden Musiker mit der Instrumentierung und der Klangwelt ebenso wie die Sängerin mit ihrer Stimme. Sie verfremden die barocke Musik mit stilistischen Mitteln der Moderne, mit E-Gitarre, E-Bass und programmierten Sounds. Aber sie verwandeln sie dabei nicht. So bleibt When I am laid in earth, die berühmte Arie aus Purcells Oper Dido and Aeneas, substantiell ebenso im Original- zustand wie sein berühmter Cold Song. Alles schöne Stücke, gewiss – aber mich berühren sie nicht, derart verkleidet im modernen Gewand. Das ist alles zu gefällig. Auch ein altes Fachwerkhaus darf man, mit Respekt, sanieren und dabei die Räume an eine geänderte Nutzung anpassen. Hier allerdings gab es nur einen frischen Anstrich für die Fassade. Schade!
Henri Purcell (um 1659 bis 1695) auseinandergesetzt. Ergänzt wird das Programm durch jeweils ein Stück von Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759), Girolamo Frescobaldi (1583 bis 1643) und Emilio de' Cavalieri (1550 bis 1602).
Kronthaler ist mit dem Ziel angetreten, Werke aus der „Alten“ Musik in unsere Zeit zu transportieren. Dabei löst sich das Trio von Konventionen der Aufführungspraxis. Die Musiker experimentieren – die beiden Musiker mit der Instrumentierung und der Klangwelt ebenso wie die Sängerin mit ihrer Stimme. Sie verfremden die barocke Musik mit stilistischen Mitteln der Moderne, mit E-Gitarre, E-Bass und programmierten Sounds. Aber sie verwandeln sie dabei nicht. So bleibt When I am laid in earth, die berühmte Arie aus Purcells Oper Dido and Aeneas, substantiell ebenso im Original- zustand wie sein berühmter Cold Song. Alles schöne Stücke, gewiss – aber mich berühren sie nicht, derart verkleidet im modernen Gewand. Das ist alles zu gefällig. Auch ein altes Fachwerkhaus darf man, mit Respekt, sanieren und dabei die Räume an eine geänderte Nutzung anpassen. Hier allerdings gab es nur einen frischen Anstrich für die Fassade. Schade!
Joseph & Michael Haydn: Horn Concertos; Klieser (Berlin Classics)
Auf der Suche nach dem perfekte Ton ist der junge Hornist Felix Klieser – und er ist dabei bereits ziemlich erfolgreich, wie diese CD beweist. Was für ein Horn-Klang! In der Tiefe rund und samtig, in der Höhe kraft- voll und strahlend, mit unglaublich vielen Farben und Nuancen – fast schon von selbst versteht sich da der stets makellose Ton. Schon im vergangenen Jahr wurde Klieser für sein CD-Debüt Reveries mit dem Echo Klassik als Nachwuchskünstler des Jahres ausgezeichnet. Nun ist er mit demWürttembergischen Kammerorchester Heilbronn unter Ruben Gazarian ins Studio gegangen und hat Hornkonzerte von Joseph und Michael Haydn sowie zwei Fragmente eines unvollständigen Hornkonzertes von Wolfgang Amadeus Mozart aufgenommen.
Das Programm ist anspruchsvoll, und dies liegt nicht nur daran, dass die drei Komponisten für das Horn mitunter ausgesprochen virtuose Ideen zu Papier gebracht haben. Das erste der beiden Konzerte von Joseph Haydn wurde für das hohe Horn geschaffen, das zweite hingegen für tiefes. Üblicherweise spezialisieren sich Musiker bereits während der Ausbildung auf eine der beiden Varianten, berichtet Klieser. „Die Anforderungen, die an einen hohen und an einen tiefen Hornisten gestellt werden, auf einer CD zu vereinen, war eine Herausforderung für mich, aber gleichzeitig eine freudige: So konnte ich das Horn in seiner ganzen klanglichen Fülle darstellen.“
Die Konzerte von Joseph Haydn sind sind ebenso charmant wie kapriziös. Man spürt, dass ihr Komponist für einen Scherz immer zu haben war. Das Concertino für Horn und Orchester von Michael Haydn ist selten zu hören. Entstanden ist es vermutlich einstmals als konzertante Einlage in eine Serenadenmusik, was eine etwas ungewöhnliche Satzfolge mit sich bringt: Larghetto – Allegro non troppo – Menuett. Auch musikalisch hat dieses Werk so einige Überraschungen zu bieten, gerade weil es sich um Konventionen nicht besonders schert.
Mit der Arbeit an seinem ersten Hornkonzert soll Mozart 1781 begonnen haben, als er noch in Salzburg angestellt war. Möglicherweise hatte er vor, sich dem Wiener Publikum mit diesem Werk zu empfehlen. Allerdings untersagte Fürstbischof Colloredo seinem Hofmusiker diesen Auftritt, und es ist nicht bekannt, ob Mozart dieses „nullte“ Hornkonzert jemals fertiggestellt hat. Zu diesem Werk gehört das Rondo KV 371, dessen Noten mittlerweile auch wieder vollständig vorliegen. Der erste Satz, KV 370b, wurde ebenfalls rekonstruiert. Das war gar nicht so einfach, denn Mozarts Witwe hatte das Werk in seine drei Doppelblätter zerlegt. Diese hat sie einem Musikverleger, dem Salzburger Dom-Musikverein und ihrem Sohn Carl gegeben. Dieser wiederum hat anlässlich des hundertsten Geburtstages seines Vaters diese Blätter, teilweise zerschnitten, in seinem Bekanntenkreis verteilt als Erinnerungsgaben. Musikwissenschaftler haben sich auf die Suche nach diesen Fragmenten gemacht – und erstaunlich viel davon wiedergefunden. Der letzte Satz allerdings blieb verschwunden.
„Allen Stücken ist eine gewisse Leichtigkeit und Heiterkeit eigen“, merkt Kieser an. „Das war für mich der weite Bogen, der alle Stücke auf dieser CD miteinander verbindet.“ Und mit dem Württembergischen Kammer- orchester Heilbronn unter der Leitung von Chefdirigent Gazarian hat er dafür perfekte Partner gefunden. Musiziert wird beschwingt, mit Leiden- schaft und mit Esprit. Wundervoll!
Das Programm ist anspruchsvoll, und dies liegt nicht nur daran, dass die drei Komponisten für das Horn mitunter ausgesprochen virtuose Ideen zu Papier gebracht haben. Das erste der beiden Konzerte von Joseph Haydn wurde für das hohe Horn geschaffen, das zweite hingegen für tiefes. Üblicherweise spezialisieren sich Musiker bereits während der Ausbildung auf eine der beiden Varianten, berichtet Klieser. „Die Anforderungen, die an einen hohen und an einen tiefen Hornisten gestellt werden, auf einer CD zu vereinen, war eine Herausforderung für mich, aber gleichzeitig eine freudige: So konnte ich das Horn in seiner ganzen klanglichen Fülle darstellen.“
Die Konzerte von Joseph Haydn sind sind ebenso charmant wie kapriziös. Man spürt, dass ihr Komponist für einen Scherz immer zu haben war. Das Concertino für Horn und Orchester von Michael Haydn ist selten zu hören. Entstanden ist es vermutlich einstmals als konzertante Einlage in eine Serenadenmusik, was eine etwas ungewöhnliche Satzfolge mit sich bringt: Larghetto – Allegro non troppo – Menuett. Auch musikalisch hat dieses Werk so einige Überraschungen zu bieten, gerade weil es sich um Konventionen nicht besonders schert.
Mit der Arbeit an seinem ersten Hornkonzert soll Mozart 1781 begonnen haben, als er noch in Salzburg angestellt war. Möglicherweise hatte er vor, sich dem Wiener Publikum mit diesem Werk zu empfehlen. Allerdings untersagte Fürstbischof Colloredo seinem Hofmusiker diesen Auftritt, und es ist nicht bekannt, ob Mozart dieses „nullte“ Hornkonzert jemals fertiggestellt hat. Zu diesem Werk gehört das Rondo KV 371, dessen Noten mittlerweile auch wieder vollständig vorliegen. Der erste Satz, KV 370b, wurde ebenfalls rekonstruiert. Das war gar nicht so einfach, denn Mozarts Witwe hatte das Werk in seine drei Doppelblätter zerlegt. Diese hat sie einem Musikverleger, dem Salzburger Dom-Musikverein und ihrem Sohn Carl gegeben. Dieser wiederum hat anlässlich des hundertsten Geburtstages seines Vaters diese Blätter, teilweise zerschnitten, in seinem Bekanntenkreis verteilt als Erinnerungsgaben. Musikwissenschaftler haben sich auf die Suche nach diesen Fragmenten gemacht – und erstaunlich viel davon wiedergefunden. Der letzte Satz allerdings blieb verschwunden.
„Allen Stücken ist eine gewisse Leichtigkeit und Heiterkeit eigen“, merkt Kieser an. „Das war für mich der weite Bogen, der alle Stücke auf dieser CD miteinander verbindet.“ Und mit dem Württembergischen Kammer- orchester Heilbronn unter der Leitung von Chefdirigent Gazarian hat er dafür perfekte Partner gefunden. Musiziert wird beschwingt, mit Leiden- schaft und mit Esprit. Wundervoll!